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Verzahnung im Riesenzyklus - plenty of room at the bottom

1 Verzahnung im Riesenzyklus
plenty of room at the bottom

Die beiden Expokraten der Serie, Christian Montillon und Wim Vandemaan entwerfen eine große Vision, wie es momentan aussieht. Ein sehr großer zusammenhängender Zyklus, der bis jetzt bereits 175 Bände umfasst und immer  noch weiterentwickelt wird. Bis zum Jubiläumsband 3000 wird hier wahrscheinlich eine weitläufig umfassende Handlung ausgebreitet, über die der Leser im Einzelnen längst den Überblick verloren hat.


Auch Neueinsteiger der Serie sollten dies nicht gerade mit dem laufenden Großzyklus tun...da hier doch die Handlungen, Begriffe und Verläufe vielfach verzahnt sind, ineinander verdrillt und auf breiter Kinoleinwand ausgebreitet.

Der Leser von heute muss sich daran gewöhnen, dass er eine Handlung nicht mit hundert Heften als abgeschlossene Teilerzählung der längsten SF-Serie betrachten kann. Sondern er muss sich darauf einstellen, dass übergeordnete Zusammenhänge auch über mehere hundert Hefte entworfen und episch dargestellt werden. Das verlangt einen langen Atem...aber man sieht, wie die beiden Expokraten die Freiheitsgrade, die die Serie Ihnen bringt, auch voll ausnützen.

Anstatt zu kompartimentieren, zu sequenzieren, verknüpfen sie lieber, verzahnen kosmische Entwicklungen, die über Jahrmilliarden gehen, wenn auch nur mithilfe einer doppelten Zeitlinie, verbinden kosmische Ereignisse, die in
weiter  Erzählweise über viele hundert Hefte ausgebreitet werden. Ist auch, wie sicher nicht zu ändern ist, einmal ein sogenannter Füllroman dabei, so wird die Handlung doch intensiv fortgeschrieben.

Die Serie ist damit also auf breiterer Erzählbasis aufgestellt als früher. Notwendigerweise wird sie rückgekoppelt mit Zyklen der Realvergangenheit etwa dem „Maghan“ usw. Aber zum Glück sind diese Versatzstücke marginal und spielen keine Hauptrolle in der Evolution der bunten Weitererzählung. Wie ein gewaltiges Monumentalgemälde, ein großes Tryptichon etwa, breitet sich die  mitunter barock wirkende Erzählkunst aus, der Sense of Wonder ist hoch, die Darstellung bunt und nicht immer logisch: die Technikbeschreibung wird zurückgefahren, leider, denn dies entspricht mehr meinem Geschmack der Serie.

Aber der ist hier nicht maßgebend, ich habe  als Nur-Leser keinen Einfluss auf die Entwicklung der inneren und der äußeren Möglichkeiten. Die inneren Rahmenhandlungen werden ohnehin von den beiden sehr phantasievoll agierenden Expokraten gut weiterentwickelt. Die äußeren Bedingungen hängen immer von den Schwerpunkten der Menschen ab, die daran arbeiten. Beide Expokraten kommen aus dem germanistischen Bereich, die Techno-Technik, die Rainer Castor einzubringen pflegte, fehlt der Serie schon irgendwo. Mitunter gibt es einge Versatzstücke, die behelfsmäßig miteingeflickt werden, um auch meine Klientel halbwegs zufriedenzustellen.

Es gibt ja zum Glück noch einige Autoren, die außer Sense of Wonder nach Alice-im-Wunderland-Methode auch noch etwas Physik oder Atmosphärenchemie drauf haben. Dennoch ist die Serie in ihrer Struktur weicher geworden, auch Rißzeichnungen können die Abwendung von der Technikschiene nicht verhindern.

Der Fluss der Handlung wird stromlinienförmiger, gleitet durchaus phantasievoll dahin, wobei leider nicht mehr jede auftretende Kleinigkeit geklärt wird, so dass der Leser mitunter rätselnd und fragend zurückbleibt.Fragen akkumulieren sich zuhauf. Musste zwar auch früher der sich ausbreitende Zyklus erst rätselnd enthüllt werden, die Schatten  des Nichtwissens durch das Licht der sich entwickelnden Handlung erhellt werden, bis der Leser aufatmend sagen konnte: „So ist das also!“, bleiben zunehmend Fragen zurück, die einen wesentlich längeren Atem vorausetzen, da sie nicht wie sonst nach dreißig Heften, sondern eben erst nach hundertfünfzig Folgen aufgelöst werden.

Der Leser, obwohl selbst zunehmend älter werdend, muss also verstärkt sein Gedächtnis bemühen...oder die Hefte griffbereit lagern, so dass ein schneller Blick hundert Hefte zurück die gerade beschriebene Einzelheit wieder auffrischt. Diese  persönliche Suchmaschine muss jetzt eben mal öfter bedient werden. Vielleicht hilft auch ein Blick in die PP, um das vor zweihundert Heften marginal erwähnte Detail wieder aufzufinden, dass lange als verloren geglaubt wurde, das Minimalgadget, das in einem Nebensatz beiläufig erwähnt worden war...aber jetzt doch wieder rückkoppelnd hereingeschrieben wird, um eine längst vergangene ,aber  offen gebliebene Frage endlich zufriedenstellend abzuschließen. Der Atem des Lesers muss also länger werden, er benötigt mehr Geduld, mehr Toleranz, offene Teilfragen zu ignorieren, bis sie endlich, nach gefühlten zweihundert Bänden beantwortet werden können.

Im eigentlichen Sinne kann man also gar nicht mehr vom „aktuellen“ Zyklus reden, vom gerade  „laufenden“ Zyklus. Vielmehr liegt jetzt ein  Dauerzyklus vor, ein permanenter Istzustand, der sich innerlich natürlich in der Erzählung entwickelt, aber der auch nach den geraden Bandnummern mit zwei Nullen, den Hunderterbänden, den sogenannten Jubiläumsbänden auch weiter fortgesponnen wird wie ein riesiger  kosmischer Wurm. Diese Verzahnung ist sicher nicht die schlechteste Methode, die Welraumgeschichte weiter zu erzählen, nur für Einsteiger, so es diese noch geben sollte, wird es dadurch schwieriger in in die Dauerhandlung hineinzukommen.

Die Gesamtdarstellung der Serie wird dadurch jedoch komplexer, dauerhafter, reicher in ihren Beschreibungen und Charakterdarstellungen, so diese nicht herausgetötet werden wie Tekener oder die Rückopplung auf längst vergangene Zyklen erfolgt wie der "Maghan". Aber auch dieses Tek-Ereignis ist bereits wieder gefühlte dreihundert Bände her. Jeder Macher hat als Expokrat oder Autor eben seine Vorlieben für Figuren, Erzählweisen, Handlungsarten und -Orte,die mit der Mode wechseln.

So wie in dem Untertitel des Deckblattes der „Erbe des Universums“ meist bereits weggefallen ist, und die „größte“ Serie oder die „längste“ Serie erwähnt wird...ist leider der Science-Anteil der SF -Serie, die PR ja schließlich sein will (?), leider stark zurückgefahren worden oder bereits ganz unter den Tisch gefallen.Aber diese Frage ist zur näheren Untersuchung einen eigenen Artikel wert.Wo früher jedenfalls in längeren Zyklen schon Langstreckenläufe im Lesen vor uns lagen, sind wir jetzt beim Marathon, wobei alle hundert Bände nur eine kleine Hürde übersprungen wird oder ein Wassergraben.. zumindest bis zum Band 2999.

Unterzyklen werden im Handumdrehen aufgewischt, einige Teilfragen dadurch blitzschnell gelöst. Nach 150 Heften wird die Teillösung nicht über mehrere Bände entwickelt, nicht aufbauend ausgebreitet wie in einem Drama, sondern löst sich explosionsartig wie ein mit dem Schwert durchhauener gordischer Knoten im letzten Band: 2874.Teillösungen sind dem Leser damit nach 150 Heften in dreißig Zeilen mitgeteilt. Ist er damit zufrieden, mit dieser Art der Auflösung nach dem "Kaninchen-aus dem-Zylinder-Prinzip"?. Die Expokraten wollen den Leser zum Staunen bringen, das ist gut, das freut uns...das klappt auch, aber ist das die richtige Methode? Gibt es überhaupt eine "richtige" Methode? Aber diese allzustarke Rätseldarstellung  der ??? wirkt doch auch noch nach hundertfünfzig Bänden ungewohnt. Mit einem Zyklus nach Robert Feldhoff oder Uwe Anton ist das jedenfalls nicht zu vergleichen: Da wusste man, was man hat...jetzt weiss man nur, was man nicht hat: Bestimmtheit und Voraussicht.Der Leser wird zu unsicher zurückgelassen, er wird nicht mehr mitgeführt wie etwa im Traitorzyklus. Das ist für einige ungewohnt und erzeugt Unsicherheit.Die Destination wirkt nicht so klar wie früher. Das aber ist sicher ein subjektiver Eindruck.

Ob dieser Lese-Lauf also  letzten Endes doch ein Ziel haben wird, das wird man sehen. Es kann einen gefühlten Zyklus-Schluss geben nach dreihundert Bänden...aber eventuell auch nicht, denn die Expokraten könnten auf den Geschmack gekommen sein...Vielleicht „läuft“ der Leser ja jetzt endlos...und die große Erzählung  übergreifend auch: als "ewiger Zyklus"!

© 2016 by H. Döring

Kommentare  

#1 Des Romero 2016-09-20 09:07
Die fließenden Zyklenübergänge sind jetzt aber keine Erfindung des neuen Expokratenteams, das hat WiVo doch schon lange vorher eingeführt. Er war es auch, der gesagt hat, man könne die PR-Bände 650 bis 1000 durchaus als Großzyklus betrachten. Ereignisse wurden in dieser Zeit nicht mit dem Beginn eines neuen Handlungsabschnittes gekappt, sondern reichten noch weit in den neuen hinein.

Da ich den Zyklus "Das Atopische Tribunal" mittendrin abgebrochen und mit den "Jenzeitigen Landen" erst gar nicht angefangen habe, kann ich mich da nur auf Leserreaktionen beziehen. Und in denen ist oftmals von einer Anhäufung von Lückenfüller-Romanen die Rede, die die Handlung nicht um ein Jota voranbringen. Außerdem hatte ich selbst den Eindruck, dass der laufende Zyklus zu einem raschen Ende gebracht werden musste.
Denn wenn ich micht recht entsinne, waren "Die Jenzeitigen Lande" ursprünglich auf 100 Bände ausgelegt. Das Phänomen kennen wir aus dem "Schwarm"-Zyklus, wo überraschend die Notbremse gezogen und mit den "Alt-Mutanten" aufgefüllt wurde.

Konnte mich Band 2700 noch einigermaßen faszinieren, bin ich beim 2800er fast eingeschlafen. Da waren für mich wirklich nur die letzten zehn Seiten interessant. Gut geschrieben – keine Frage! Das haben die PR-Autoren drauf! Aber wo war der "sense of wonder"?

Ich schau dann mit Band 2900 noch mal in die Serie rein. Ist bestimmt hübsch aufgemacht. In der Zwischenzeit gönne ich mir dann zum wiederholten Mal ein paar WiVo-Highlights.
#2 adolf faber 2016-09-20 14:26
"Der ewige Zyklus"! Diese Bezeichnung regt mich an diese grundsätzliche Sache anzusprechen: Vorausgeschickt: SF ist gut. SF ist aber nicht gleich PR.

PR ist nicht im Vordergrund eine Erzählung über eine mögliche Zukunft der Erdenmenschheit. Sie ist auch nicht im Vordergrund eine Erzählung die zum Thema hat naturwissenschaftliche oder technische Dinge der Zukunft näher zu erörtern.

PR ist ein Ewiger Zyklus weil es um das Schicksal der Zellaktivatorenträger geht. Zellaktivatoren bringen Langlebigkeit bei kurzlebigen Lebewesen. Sie dienen dazu langfristige Aufgaben in den Griff zu bekommen und zu erfüllen.

Perry und Atlan bekommen nicht zufällig einen solchen, sondern das Ganze schließt eine Aufgabestellung mit sich ein. Unter Lesern und Autoren, die Expokraten eingeschlossen, scheint es sich über die Jahrzehnte eingewöhnt worden zu sein, diese Aufgabestellung nicht im Vordergrund zu sehen! Vor allem werden zuletzt die Zellaktivatoren in ihrer Funktion dergestalt relativiert, dass man manchmal den Eindruck hat, sie werden beliebig eingesetzt, haben eigentlich keine übergeordnete Funktion mehr usw.

Nun, so gesehen ist von PR 1 inklusive aller Atlan-Zyklen, Mini-Zyklen, Mini-Serien, Planetenromane etc. ein Dauer-Zyklus rund um die Aufgabensstellung der Zellaktivatorenträgerriege um Perry!

Klar, Technik, Science usw. dürfen ausführlich behandelt werden, kommt vielleicht manchmal zu kurz. Aber PR ist eine Große Erzählung und nicht - oder nur wirklich im untergeordneten Sinne auch - eine Projektionsfläche oder Spielwiese für typische SF-Ideen oder SF-Fantasien. Dies alles kann und soll auch Bestandteil sein, aber ist sicherlich nicht der Zweck der Sache.

Der neue Stil des Expokraten-Duos langfristig vorgeplant über einen langen Zeitraum viele Dinge einzubringen und abzuarbeiten ist augenscheinlich eine Strapaze für viele Leser.

Denn, auch wenn Rätsel aufgelöst werden, so sind diese Rätsel zu zahlreich, und zumeist nach langer Zeit und zu Schlaglichtartig aufgelöst. Innerhalb einer Geschichte sehr gut, in einem Dauer-Zyklus allerdings weniger gut.

Also: Die Große Geschichte (Schicksal und Aufgabenstellung der Zellaktivatorenriege rund um Perry) sollte man wieder mehr ins Blickfeld rücken ...

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