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Der Getriebene - Willy Voltz als Aristoteliker

1 Der Getriebene
Willy Voltz als Aristoteliker

Betrachtet man die Figuren von WiVo (der Bequemlichkeit halber wird der Autor ab jetzt mit diesem Kürzel abgekürzt, da der Name wohl im Folgenden recht oft verwendet wird) etwas genauer, wobei man vor allem auf Adjektive achten muss, so sind seine handelnden Personen in zweierlei Dingen auffallend. Erstens bestimmen sie oft nicht die Handlung, sondern werden von ihr bestimmt, sie sind nicht die Akteure sondern die Getriebenen.

Zweitens handeln sie oft unter  emotionalem Druck bzw. „schreien“, „rufen“ oder agieren auch sonst in ihrer Kommunikation wenig psychisch austariert, wenig ausgeglichen. Seine Personen sind oft irgendwo/irgendwie gestört oder instabil, auf dem Selbstfindungstrip. Der Roman hilft ihnen dabei sich zu erkennen. Gnothi Seauton!Die Hauptpersonen der Handlungen wie PR selbst oder andere Träger wie Gucky oder Atlan usw. sind davon nicht ausgenommen. Selten handeln sie bei WiVo überlegt, rational, aus logischer Überlegung heraus. Auch zeigt sich, dass er für einen SF-Autor erstaunlich technikfeindlich agiert. Bei WiVo ist die Technik, so wenig wie möglich beschrieben, nicht Selbstzweck, wie so oft in der SF oder zuminest aktionstechnisch klar eingebunden, sondern immer nur Mittel zum Zweck, immer nur die äußere Rahmenhandlung, in der sich die Psyche seiner Protagonisten entwickelt.
Dabei neigt er oft zu Logikfehlern in der Handlung. Wo ein Griff nach dem Schutzschirmschalter genügt hätte, wird statt dessen eine drei Seiten lange Gefahrensituation entworfen. (Bsp: Redhorse auf Gleam). Liegt seine Stärke zwar in der Entwicklung der Charaktere, auch in der Interaktion untereinander, so ist die Schwäche nicht zu übersehen, dass die Personen hauptsächlich fremdbestimmt agieren und sich erst einmal herumschubsen lassen. Es ist so, als müssten sie erst einen inneren Widerstand überwinden, sich einen Ruck erarbeiten, der sie zur entscheidenden Handlung zwingt, die dann die Wende der Geschichte bringt. Bei Voltz sind die Protagonisten also nicht die von vorneherein abwägenden Personen, welche die Situation analysieren, dann gezielt eingreifen, etwa chirurgisch wie oft bei Mahn oder lautstark wie bei Scheer.

William VoltzDer Voltzsche Protagonist hat Angst. Angst vor seiner Umgebung, vor den anderen, vor sich selbst. Er agiert fast immer wie eine Kiekegaardsche Figur, in die Welt geworfen, hineingedrängt in die Situation und ist  so fremdbestimmt. In dieser Manier zeigt sich WiVo ganz als Aristoteliker, der seine Figuren durch kreatürliche Emotionen beschreibt, weniger durch rationale Handlungen und langfristige Pläne, weniger durch Überlegungen und Vernunft (verglichen etwa mit Kurt Mahr), weniger durch Außenperspektiven, dafür durch kreatürliche, innere Seinszustände.

Dies gilt für häufig verwendete Personen ebenso wie etwa für nur einmalig benutzte (z.B. der Mann, der den ZA fand).

Nicht nur Alaska ist ein klassisches Beispiel dafür, wie unwohl sich die Voltzschen Figuren immer in der Umwelt fühlen, in der sie agieren müssen.
Natürlich gibt es dennoch immer eine Wendung, die der Minimalist WiVo seinen Figuren mitgibt, denn schließlich verlangt das Expose, dass sie Sieger bleiben müssen.
Hier lassen sie die Personen sehr gut mit Western-Filmen mit James Stewart vergleichen. Auch er spielte oft den Durchschnittsmann, der, gedrängt in scheinbar ausweglose Situationen, dann doch über sich hinauswächst und die Zwänge der Handlung besiegt (bei WiVo etwa John Pincer und der Spinat...).Zwar gilt der folgende Satz für viele Autoren, doch gilt dies  bei WiVo ganz besonders: kennt man einen Band, so kennt man alle. Bereits mit Band 74 („Das Grauen“), seinem ersten Heft, das zwar nur ein Lückenfüller war, deutet sich diese Psychoschiene an, die er im Folgenden immer wieder verwendet. Zwar war er damals der einzige Autor, der die inner-space-Schreibweise bevorzugt verwendete, bei den anderen Autoren liegt dieser Schreibstil nur marginal vor, doch wurden die Bände dadurch nicht etwa besser, sondern nur die Perspektive des Lesers verlagerte sich von der Außenhandlung auf die Köpfe der Protagonisten.

Dennoch war Voltz eine gute Ergänzung des Teams, da er die äußeren Handlungsbezüge um eine innere Charakterdarstellung ergänzte, die heute gang und gäbe ist, da sie  heute durchgehend in elaborierter Form benutzt wird, weil diese Schreibweise ohne Mühen einfach handhabbar und darstellbar ist, in den frühen tausend Bänden aber nicht bei jedem Autor auftrat, weil die Außenperspektive noch in Schreibmode war und der Schwerpunkt mehr auf der Außenaktion lag, weniger auf der Fühlebene des Protagonisten. Positiv zu sehen ist, dass er gleichwertige Gruppenmitglieder etwa in Kommandounternehmen mit einigen Sätzen klar charakterisieren kann, wobei auch der Gruppendruck mitunter herausgearbeitet wird.

Sind also die Figuren bei Voltz immer Getriebene, so wachsen sie doch aus sich heraus und man kann fast jeden Band von WiVo als eine Art Entwicklungsroman betrachten. Indem die Charaktere die ihnen aufgedrängten Probleme letztlich bewältigen, wachsen sie mit ihnen … bis zur nächsten Sinnkrise vier Wochen später!

© 2017 by H. Döring

Kommentare  

#1 Hermes 2017-04-11 07:48
Zitat:
Auch er spielte oft den Durchschnittsmann, der, gedrängt in scheinbar ausweglose Situationen, dann doch über sich hinauswächst und die Zwänge der Handlung besiegt
Das ist das Prinzip der Heldenreise, ein klassisches Erfolgsrezept des Films.
#2 AARN MUNRO 2017-04-11 08:28
Das Prinzip der Heldenreise im Scheerschen Sinne entstammt dem Sturm und Drang, dem Mahrschen Sinne der Klassik: Kühler Kopf, erst überlegen, dann handeln. So geht übrigens auch Kneifel vor, dessen Helden (Atlan!) oft auch in Bedrängnis geraten.Sie müssen handeln, aber analysieren die Situation vorher. Bei Voltz ist es oft der Zufall, der zum positiven Ergebnis führt, keine kühle Vorabanalyse, keine geplante, sondern eher eine spontane Handlung, eine Verzweiflungstat, die dann zum richtigen Ergebnis führt.
#3 Torshavn 2017-04-11 14:12
Vielen herzlichen Dank :-) .
Du hast alles beschrieben, was ich an Voltz Romanen mag. Ich hätte es nicht so negativ ausgedrückt. Aber inhaltlich trifft es gut.
#4 Harro 2017-04-13 17:55
Obwohl ich kein Perry-Rhodan-Fan bib: eine sehr
interessante Analyse.

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