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Der kosmische Lockvogel - Willy Voltz zum Zweiten

1 Der kosmische Lockvogel
Willy Voltz zum Zweiten

Der Roman mit diesem Titel selbst ist zwar von Kurt Mahr aber die Bezeichnung stimmt so richtig für Voltz. Mit seinen kosmischen Vorgaben führte er die Serie vom KHS-Image des Weltraum-Militärs endgültig zu einer Form der kosmischen Vision. Damit lockte er zwar viele Leser an, diese bekamen dafür aber u.a. das kosmische Zwiebelschalenmodell serviert, an dessen Präsenz die Serie auch heute noch nagt.

William VoltzZweifellos wurde der Sense of Wonder dadurch zunächst stark beflügelt. Es gibt Leser, die gerne von Kosmokraten/Chaotarchen, Superintelligenzen und generell von höheren Mächten lesen; andere wiederum goutieren das weniger, möchten bodenständigere SF im Perry.

Die meisten Lieblingsromane bei PR sind für viele klassische Leser die von WiVo, es gibt zwar auch ein paar andere, aber er hat da für einige Leser Romane geschrieben, die sie auch heute noch zeitlos gut finden.  Und gerade beim  Grauen (Band 74)  und seinem Folgeroman hat er etwas getan, was vielfach fehlt in der SF Literatur. Er konnte beklemmenden Horror vermitteln. Aber auch gute humorvolle Szenen, ohne Schenkelklopfer. So auch in die Bestie erwacht zum Ende des M-87-Zyklus hin. Und so ganz nach Schema F sind die Romane nun auch nicht erstellt worden. Viele der Charakter sind schon einzigartig und nicht untereinander austauschbar. Auch wenn er da am Ende  viele  gnadenlos "gevolzt" hatte, war es doch jedesmal einzigartig und nicht langweilig.

Ich halte diese Betrachtung hier für objektiv, analytisch und deshalb in keiner Weise herabwürdigend für Voltz in seiner Leistung. In der notwendigen Kürze kann der Artikel natürlich nicht alle Aspekte von WiVos Schreibe beleuchten. Gegen die anderen damaligen Autoren hob er sich natürlich aufgrund seines Stiles ab, was kein Grund ist, einen unkritischen Hype daraus zu machen oder ihn irgendwie sakrosankt auf einen Sockel zu stellen.(Wie es teilweise von einigen SF-Kritikern auch bei PKD gemacht wurde, was übrigens keineswegs einen qualitativen Vergleich suggerieren soll). Man kann seine Romane mögen, auch den subtilen Humor ... aber ebenso die Schwächen darin sehen ... und erwähnen. Seine SF-Romane, die außerhalb von PR erschienen, sagten mir persönlich mehr zu: Das Schiff des Mutanten etwa.

Viele Leser haben PR unter Voltz noch live gelesen. Er war ja seinerzeit (übrigens der auflagenstärksten Zeit) das Denkmal  der Serie. Seine Romane wurden von der Masse aufgesogen. Es waren einerseits expokratische Schlüsselromane, anderseits hoben sie sich tatsächlich von den Werken der anderen Autoren grundsätzlich ab. Ein kritischer Umgang damit  würdigt aber seine Leistung nicht  herab. Sein Stil sagt vielen persönlich heute immer noch zu und mit 850 oder Band 1000 hat er den für  viele besten Band der Serie überhaupt herausgebracht. Dennoch ein interessanter Aspekt ist die Überlegung, ob sich die „Voltzung“ vieler Hauptpersonen aus einer makabren Rückkopplung ergab, die in seiner Psyche vorlag und als literarisches Anzeichen einer frühen Selbstzerstörung als Warnsignal hätte dienen können. Natürlich kann man diese Betrachtung aber als überinterpretiert ansehen. Dennoch ist die Art und Weise zu schreiben und auch der Umgang mit den eigenen, erfundenen Personen nicht immer vom Charakter des Autors abzukoppeln.Seine Schwäche liegt in der nicht immer logischen Handlungsverknüpfung.

Seine Stärke lag in den Personenbeschreibungen und Charakterdarstellungen. Das ist der Grund für mich, seine Bände aus dem PR heute noch zu lesen. Die Anfänge des kosmischen Überbaues mit Kytoma, Ganerc/Callibso und Alaska wirken immer noch. Die Zeitbrunnen und der Anzug der Vernichtung. Auch Achim Mehnert hatte seinerzeit in seinem PR-Taschenbiuch überzeugend versucht, die voltzsche Stimmung bei seiner Beschreibung von Alaska  hervorzurufen. Alaska Saedelaere ist vielleicht Willy selbst gewesen. Der Mann mit der Maske. Eine Maske, die er nicht abstreifen kann.

© 2017 by H. Döring

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-04-18 15:34
Zitat:
Dennoch ein interessanter Aspekt ist die Überlegung, ob sich die „Voltzung“ vieler Hauptpersonen aus einer makabren Rückkopplung ergab, die in seiner Psyche vorlag und als literarisches Anzeichen einer frühen Selbstzerstörung als Warnsignal hätte dienen können. Natürlich kann man diese Betrachtung aber als überinterpretiert ansehen.
Das kann man wohl. Ein wenig Recherche über das frühe Berufsleben Voltz´ in einem stahlverarbeitenden Betrieb (Stichwort: Arbeitsschutz in den sechziger Jahren) wäre auch nicht schlecht.

Ganz dünnes Eis.
#2 M. Karpinski 2017-04-18 22:00
Ich finde es interessant mal eine etwas mehr in die Tiefe gehende Betrachtung der Romane des Willie Voltz zu lesen. So weit mir es bekannt ist gibt es nämlich bisher keine.
Ich muss zugeben daß ich kein großer Fan des Zwiebelschalenmodells bin, eines muss man Voltz aber lassen, er erkannte meiner Meinung nach die Probleme die diese Idee mit sich brachte und begann nach Band 1000
dem ganzen wieder Zügel anzulegen, verzichtete klugerweise darauf zu beschreiben wie es hinter den Materiequellen tatsächlich aussieht und lies seine Kosmokraten nur in Form menschlicher, fassbarer Avatare agieren. Er verzichtete auch darauf ständig die "Ameisenhaftigkeit" der Hauptfiguren zu betonen. Meiner Meinung nach eine sinnvolle Entscheidung.
Ausserdem gab es in den damaligen Heften (und das nicht nur bei Voltz) auch immer wieder kleine Momente zwischen den Hauptfiguren, mal ernst, mal witzig, die daß ganze trotz kosmischen Bombasts menschlicher machten. Etwas wofür die derzeitige Familie-Rhodan-RTL-Daily-Soap für mich kein Ersatz ist.

Ich wünschte mir die heutigen Autoren hätten auch soviel Zurückhaltung oder würden das Zwiebelschalenmodell endlich mal ruhen lassen. Aber das wird wohl nie passieren.
#3 M. Karpinski 2017-04-19 08:01
Abgesehen davon finde ich
es nicht schlecht wenn in einem Artikel mal die Wiedersprüchlichkeit im Werk Willy Voltz angesprochen wird. Ich meine er war ein großartiger Autor und es gibt keinen Zweifel daß er in den 70ern die Serie rettete da Scheer nicht in der Lage war sich dem neuen Zeitgeist anzupassen, andererseits gibt es Dinge die mich persönlich auch immer an der Voltz Zeit irritiert haben. Warum er z.B. einerseits einen radikalen Pazifismus propagierte aber andererseits mit dem Zwiebelschalenmodell eine Philosophie zu Grundlage der Serie machte in der es als unvermeidlich dargestellt wird daß die jeweils fortgeschrittenste Zivilisation bei ihrer Weiterentwicklung von der Superintelligenz zur Materiequelle alle weniger fortgeschrittenen Zivilisationen gnadenlos auslöscht. Und das "Voltzen" bei dem die Beschreibung von Tod und Sterben in meinen Augen manchmal fast schon romantisiert wurde fand ich auch nicht immer ganz unproblematisch.

Man kann einen Autoren sehr wohl respektieren und trotzdem über die Wiedersprüche in seinem Werk nachdenken.
#4 AARN MUNRO 2017-04-19 10:22
@ Heiko Langhans: Da hast Du sicher recht. Dennoch möchtest Du doch die mögliche unterbewusste Rück- Kopplung einer eventuellen selbstzerstörerischen Persönlichkeit mit dem Körperlichen nicht leugnen, oder doch?
Ich habe im Laufe meines Lebens festgestellt, dass die positiv eingestellten Menschen auch länger leben, weniger oft krank werden etc. Zu viel introvertiertes Grübeln in geschlossenen Problemkreisläufen hingegen oder Hypersensibilität können sehr wohl auch zu selbstzerstörerischem Verhalten führen. dazu gehört übrigens auch der Workaholic, der zuviel arbeitet, bis er zusammnebricht. Und so viele Jahre war Voltz ja wohl auch nicht im Stahlwerk, oder, bis er auf Anraten von GMS oder KB Profiautor für Perry wurde? Bitte, korrigiere mich hier. War er nicht später Kranführer? Jedenfalls ist meines Erachtens nicht allein die schwere Arbeit ohne möglichen Sicherheitschutz verantwortlich. Aus seiner Literatur, die ja morbide ist, indem sie mehr als bei anderen Autoren Personen tötet, lässt sich meiner Meinung nach schon eine Rückkopplung auf seine Psyche erschließen. Die Literatur, die jemand schreibt, ist ja nicht ganz unabhängig von der Person.Insofern finde ich das Eis nicht ganz so dünn. Dennoch wären genauere Daten hilfreich. Verfügst Du darüber? Danke. :-)
#5 Andreas Decker 2017-04-19 12:44
zitiere AARN MUNRO:
Aus seiner Literatur, die ja morbide ist, indem sie mehr als bei anderen Autoren Personen tötet, lässt sich meiner Meinung nach schon eine Rückkopplung auf seine Psyche erschließen. Die Literatur, die jemand schreibt, ist ja nicht ganz unabhängig von der Person.Insofern finde ich das Eis nicht ganz so dünn.


Das ist doch Küchenpsychologie.

Dass Voltz seine Underdogs und Normalos oft am Ende entsorgen musste, dürfte zu den Scheerzeiten vor allem der Serienstruktur zuzuschreiben gewesen sein. Du weißt doch gar nicht, ob nicht Scheer ins Exposé geschrieben hat, Figur XY bitte am Ende entsorgen.

Und Voltz war keineswegs morbide. Das verwechselst du mit Melancholie und der Fähigkeit, noch über etwas staunen zu können. Voltzsche Helden hatten sich gelegentlich die Fähigkeit bewahrt, die Wunder, mit denen sie konfrontiert werden, zu schätzen, und hielten sich nicht für die Speerspitze der Evolution.

Und dass seine Typen bis 600 einen manchmal nachdenklichen Gegensatz zu den scheerschen Knalltüten boten, wo jeder Terraner ein oberflächlich idealisierter Pfundskerl und Held war, wenn er nicht "Sir, Ja, Sir!" brüllte und es auch von Herzen meinte, brachte wenigstens einen Funken Humanität und Normalität in die Serie. Das hat Ernsting auf seine Weise übrigens genauso getan.

zitiere M. Karpinski:
andererseits gibt es Dinge die mich persönlich auch immer an der Voltz Zeit irritiert haben. Warum er z.B. einerseits einen radikalen Pazifismus propagierte aber andererseits mit dem Zwiebelschalenmodell eine Philosophie zu Grundlage der Serie machte in der es als unvermeidlich dargestellt wird daß die jeweils fortgeschrittenste Zivilisation bei ihrer Weiterentwicklung von der Superintelligenz zur Materiequelle alle weniger fortgeschrittenen Zivilisationen gnadenlos auslöscht.


Ich denke mal, das hat er einfach nicht durchdacht, nicht erkannt oder geglaubt, die eklatanten Widersprüche, die sich daraus ergeben, in den Griff zu kriegen. Was ihm aber nicht gelungen ist. Schon in den meisten 900er-Romanen war konzeptionell die Luft raus. Er hat sich einfach verkalkuliert, was in einer Endlosserie, die in erster Linie unterhalten soll, zu stemmen ist. Aber er hatte zumindest eine Vision, die trotz der Zwänge immer mal wieder durchschimmerte. Die hatte nach ihm keiner mehr.
#6 Hermes 2017-04-19 19:15
Zitat:
Ich habe im Laufe meines Lebens festgestellt, dass die positiv eingestellten Menschen auch länger leben, weniger oft krank werden etc.
Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei?
Könnte es nicht auch sein, dass Menschen, weil sie häufiger krank werden, nicht mehr so positiv eingestellt sind als die, die meistens gesund sind?
#7 Laurin 2017-04-20 12:43
Nun ja, ob Voltz nun eher "positiv" oder "negativ" in manchen Dingen eingestellt war und wie weit sich das auf die von ihm eingesetzten Charakteren in der Serie auswirkte, werden wir hier nicht wirklich stichhaltig klären können.
Genauso sieht es mit dem vorherigen Berufsleben aus, seiner persönlichen Krankengeschichte und wie sich was wo und wie ausgewirkt hatte. Vielleich mag da auch von vielem etwas dabei gewesen sein. Man kann Menschen auch nicht hinter den Kopf schauen. Da erinnere ich mich z.B. an einen Kollegen der immer gelacht hatte und immer gut drauf war. Zumindest bis zu dem Tag, als man uns mitteilte, dass er sich den Strick um den Hals gelegt hatte, weil er vieles im Leben, der Familie und dem Beruf wohl satt war und Depressionen hatte, die er sonst perfekt überspielen konnte (Es können also bei Menschen durchaus viele Faktoren zusammen kommen, damit etwas nicht so rund läuft wie es sollte). Da kann vielleicht, muss aber nicht zwingend, eine selbstzerstörerische Ader bei Voltz vorgelegen haben.

Nimmt man aber Voltz schon glühend zu nennenden Humanismus, packt dabei eine gewisse religiöse Bodenresonanz hinzu, dann ist dieses Zwiebelschalenmodell schon in seiner Form eine logische Konsequenz. Das er sich da selbst ein Bein stellen könnte, wird er am Anfang vielleicht noch nicht einmal so klar gesehen haben. Der Nachteil für die Gesamtserie besteht leider jedoch daran, dass alle nachfolgenden Autoren daran ihre Klimmzüge veranstalten, ohne zu bemerken, dass sie von der SF hier zu oft in Richtung Pseudoreligion und Fantasy abgleiten.
#8 Heinz Mohlberg 2017-04-20 19:15
Ich kenne viele PR-Leser, die die Voltz Aera meiden wie der Teufel das Weihwasser; ich selber konnte mit ihm auch nie viel anfangen.
PR endet für mich bei 399; habe mich noch bis ca. 870 durchgekämpft / -gequält und dann den versuchten Wiedereinstieg mit Band 1000 entnervt in die Ecke geworfen.
Einem erneuten WIedereinstieg habe ich erfolgreich die Möglichkeit verwehrt...

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