Über die Wahrheit, die Logik und die Stimmigkeit - Widersprüche und der Kanon
Über die Wahrheit, die Logik und die Stimmigkeit
Widersprüche und der Kanon
Noch vor einigen Jahren gab es einen Hüter des Grals: eine Person, die aufpasste, ob die Zusammenhänge der Handlungen, die in die Serie eingebrachte Logik und die erfundene Technologie in sich stimmig waren, inneren Logikgesetzen gehorchten und ganz allgemein in den Rahmen der Serie auch dann passten, wenn neue Zyklen entworfen wurden. Die neuen Erzählungen sollten ja nahtlos ohne Widersprüche, jedenfalls ohne gewollte, an die älteren Geschichten anknüpfen.(Die Rede ist natürlich von Rainer Castor, der so gut wie immer den großen Überbau im Blickfeld behielt … und so manchen Schnitzer der schreibend jüngeren Autoren ausbügeln konnte). Dass mitunter kleinere Handlungsfehler auftraten, die selbst RC oder der Außenlektor nicht bemerkten, darüber muss man eben als Langleser seufzend hinweggehen.
Diese Stolpersteine konnten mitunter noch in der PP ausgestochen werden, oder ein langjähriger Leser wies auf den Fehler hin und er wurde zumindest in der LKS nachträglich korrigiert; oft mit einer freundlichen Entschuldigung. Seit einer Weile aber ist der Weg strikter, der Zugang zur Serie kanonischer geworden. Jetzt gilt (wie vorher natürlich auch) immer, was in den Heften steht, das gilt als die reine Wahrheit. Selbst unlogische Zusammenhänge werden nicht mehr aufgedröselt, zurückgenommen, modifiziert oder variiert. Sogar offensichtliche Fehler, die ein Langleser moniert, weil er „seine“ Serie gut im Kopf hat, werden nicht nur als marginal heruntergeredet, sondern bleiben stur im neuen Kanon. Entschuldigungen über gemachte Fehler gibt es kaum noch, jeden falls nicht von der forschen Expokratenseite aus, die derlei einfach stur aussitzt und an ihrer dicken Haut abprallen lässt..
Da wird dann einfach die Geschichte der Serie umgeschrieben, umgekrempelt, Dinge die lange klar und eindeutig formuliert und erzählt waren, werden vernebelt, verschwurbelt und multikomplex unnötig in die Länge gedehnt.Die klaren Konturen langjähriger Zyklen werden neu eingeordnet. Grundsätzlich ist ja nichts zu sagen gegen Erweiterungen bereits erzählter Geschichten, wenn neue Erkenntnisse im Überbau kosmischer Geschehnisse zu den alten Handlungen auftauchen (sollten), diese dürfen aber nicht zu Widersprüchen des früher Erzählten führen oder gar ganze Zyklen der alten Zeit ad absurdum führen oder negieren wollen.
Nur einmal möchte man den Satz hören, auch und gerade von Expokraten - oder Redaktionsseite: „Ja, ich/wir haben hier einen Fehler gemacht, den wir auch umgehend korrigieren! Sorry. Danke, lieber Langleser für Dein Mitdenken.“ Statt dessen wird stur darauf beharrt, dass die Fehler bleiben und nun zum Kanon gehören. Es steht ja so im Heft! Das muss so sein! Basta! Das ist so! Der Autor hat ja immer recht oder der Exponaut ...wer ist schon der Leser …
Nicht zum erstenmal sei hier aber genannt, dass Leser, die der Serie bereits seit Jahrzehnten folgen, oft auch ohne Perrypedia besser in der Reihe Bescheid wissen, als ein erst sehr spät oder zumindest später hinzugekommener Autor, der vielleicht gar kein ursprünglicher Leser oder Fan der Serie war … das gibt es ja auch, dass Autoren von außen dazukommen, die sich vorher in anderen Genres der Gebrauchsliteratur umgesehen haben … und deshalb nicht so firm in der Reihe sind, wie der Langleser, der höflich auf gemachte Fehler hinweist. Doch heutzutage wird dieser sehr oft nicht mehr korrigiert, sondern dickfellig ignoriert oder mit seltsamen Nichtargumenten hinweggeredet und fortgeplättet. Argumente, die logisch und klar vom Leser fundiert sind, dringen nicht mehr durch.. (Ob die Niederlandistik daran schuld ist, sei dahingestellt, grins) ... Es steht ja im Heft, also bleibt das jetzt so. Unter Rainer Castor war die Rückkopplung mit dem aufmerksamen Leser stärker. Fehler, die zu offensichtlich waren, so dass der Leser sie bemerkte, wurden wenigstens nachträglich korrigiert, damit der in sich schlüssige Handlungsrahmen der ewig langen Perryerzählung wenigstens seine logische Konsistenz bewahrte.In den Silberbänden war Franz Dolenc damals unter Horst Hoffmann als Redakteur dafür mit verantwortlich ... und auf seine Meinung wurde oft durchaus gehört. Na ja, manchmal ...
Aber das „Mea Culpa“ der entschuldigenden Rückkopplung scheint nicht nur beim Perry eben nicht mehr in Gebrauch zu sein. Die Ansicht, nie etwas falsch gemacht zu haben, ist ja auch bereits weit oben in der Politik des Kanzleramtes angesiedelt.Das ist zwar kein anderes Thema, sondern trifft genau den Punkt, gehört aber jetzt nicht weiter in den Artikel.Lassen wir die Unfehlbarkeit beim Papst. Bleiben wir also beim Perry. Dinge, die offensichtlich fehlerhaft sind, weil sie nicht mit dem klassischen Kanon übereinstimmen, sollten doch dankend korrigiert werden können, anstatt stur zu sagen: „Das ist jetzt eben so … weil es nun eben im Heft steht!“ Auf der LKS werden derlei hilfreiche Hinweise von Leserseite heutzutage dann abgetan oder dezent heruntergerdet. Nicht korrigiert. Vielleicht sollten wir dann auch die Druckfehler oder die vertauschten Satzteile, die selten aber doch mitunter auftreten, seufzend mit zum Kanon stellen.
PS: in einem Walter Ernsting-Band (Pseudo:Clark Darlton) wurde die „Vorhut“ durch einen nicht (oder doch?) beabsichtigten Druckfehler einst zur „Vorhaut“ und damit zu einem großen Lacher in der Fangemeinde. Ist das jetzt zum Kanon geworden …?
Zu Glück nicht. Die terranischen Kommandos der LFT (ob männlich oder weiblich) dürfen auch weiterhin als Vorhut abspringen.In diesem Sinne: korrigiert die Fehler, die der inneren Handlungslogik widersprechen bitte wieder. Von mir aus auch ohne Kommentar oder Entschuldigung an die Leser. Aber bitte konsistent bleiben.
© 2019 by H. Döring
Kommentare
Da ist es wie mit der flachen Erde, den Chemtrails und Autismus durch Impfen: nur weil man es irgendwann einfach nicht mehr hören kann, wird es dadurch noch nicht wahrer ...
Wie wahr!
Aber liest man hier nochmal Andreas Deckers Einwurf
zitiere Andreas Decker:
Nimmt man also Andreas Einwurf mal her, so kann man sagen, dass man bereits über alles mögliche hinwegsehen hat. Da braucht man diese Details nicht mehr ... Also warum mal nicht die wichtigen Dinge ins Auge fassen ...
Hüstel...
Also in den ersten 200 Heften war das wesentlich schlimmer wie heute, ich habe ja den direkten Vergleich. Da konnten Schirme nach belieben abprallen lassen oder auch nicht, manchmal sogar innerhalb des gleichen Heftes innerhalb von 2 Seiten. Nur um beim Beispiel Schirme zu bleiben. Das zieht sich durch die ganze Technik bis hin zu einem Gucky, der munter durch Schutzschilde teleportiert, um an just dem gleichen Schirm 1 Seite weiter zu scheitern. Das ist höchst ärgerlich, keine Frage, dennoch war es in den früheren Heften weitaus öfters, nennen wir es mal seltsam. Ob es seid Castors Abgang (unter ihm waren solche Fehler tatsächlich seltener da, das muss man neidlos zugeben) jetzt wieder mehr Fehler gibt? Mag sein. Allerdings hat man Dank social media und Forum heute auch einen ganz anderen Austausch, da werden kleinste Hasenfurze zum lebensentscheidenden Politikum hocheskaliert. Und man nimmt es dadurch auch weit deutlicher wahr. Das kann durchaus auch die Redaxe und Autoren irgendwann nerven, denn der Tonfall ist doch zweilen sehr toxisch. Ja ich meckere auch über Fehler, aber warum sollte man für jeden eine Entschuldigung der Redaktion/Autoren fordern? So wichtig ist das ausser bei absoluten Kapitalklopfern nun echt nicht.