Die Subjektivität der Wahrnehmung - Eine Serie und ihre Vergangenheiten
Die Subjektivität der Wahrnehmung
Eine Serie und ihre Vergangenheiten
Mitunter gibt es deshalb auch Vergnatzungen zwischen Lesern und Machern der Serie.
Was wünscht denn der Leser nun außer spannenden Abenteuern, widerspruchsfreien Handlungen, logisch belegten Geschehnissen und gut durchdachten Erzählungen oder Charakteren?
Nun, das es „den“ Leser ja nicht gibt, und ich noch keine allgemeine Umfrage dazu gestartet habe, können wir nur eine allgemeine Aufzählung vornehmen. Deshalb erst einmal eine Entschuldigung: das vielgechmähte Hasswort „früher war ...“ wird im Folgenden des Öfteren auftauchen. (Früher war natürlich nicht alles besser, nur die Wahrnehmung war anders ...)
Der aufzuzählende Kanon ist noch lang, ein weites Feld ... (Superintelligenzen etwa, ein ganz großes Thema ...das vielgerühmte und ebenso oft verfluchte Zwiebelschalenmodell), aber lassen wir es hier und heute mit diesen oben erwähnten zehn Geboten bewenden.
Was gibt es dazu zu sagen? Nun, heute ist nicht früher, eine sichere banale, aber zutreffende Tatsache.Die Serie hat sich entwickelt, ob weiter oder immer zum Besseren, mag dahingestellt sein, denn wer könnte das objektiv überprüfen oder bejahen? Ein Jeder ist doch der Gefangene seiner eigenen Erinnerungen und daher haben zwei verschiedene Personen auch verschiedene Serienvergangenheiten im Kopf, da sich anders an gewisse Einzelheiten erinnern. Auf diese Art und Weise geschieht es manchmal, dass Missverständnisse in den Diskussionen über die Serie aufkommen. Was soll der Perry als Reihe eigentlich leisten?
Er muss wie die eierlegende Wollmilchsau daherkommen, um jeden Fan auf irgendeine Art zu bedienen. Heute mal mehr SoW, nächste Woche ein paar Kämpfe, auch der Sägezahn-Ilt darf mal wieder das Universum retten und wird mit Karöttchen dafür belohnt …, dann eine Raumschlacht, na ja, eine kleine wenigstens für die Mil-SF-Fans ...nicht zu vergessen die anti-utopischen Fans, die ja unbedingt ihre soziologischen Dystopien benötigen ...dick – und orwellgeschult, wie sie sind. (Nach Philip K. Dick, dem SF-Autor und George Orwell, dem Schöpfer von 1984 und Animal Farm). Es ist schon schwer für solch eine Serie, jeden Leser zufriedenzustellen, wenn nur ein Heftchen pro Woche erscheint. Auch die NEO-Reihe kann das Problem nicht lösen, sie leidet zwar nicht an den gleichen Fehlern, denn ein wirklichen „früher“ gibt es hier bei knapp 200 Bänden noch nicht wirklich ...aber sie muss bei manchen Fans den Vergleich mit der Hauptreihe aushalten ...und kommt bei Manchen eben nicht so gut weg dabei. Andere Langleser hingegen mögen auch die neue Serie. Das Problem unter den Fans ist also die Wahrnehmung. Die nutzlose Forderung, dass sich nichts ändern möge.(Brecht: „Sie haben sich überhaupt nicht verändert in den letzten zwanzig Jahren.“Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte). Doch es gilt nun einmal: Tempora mutantur … und wir ändern uns mit der Zeit, ebenso die Serie. Wer sie nicht mehr lesen will, braucht das nicht zu tun.
Vermeintliche Vollkommenheiten hingegen wiederzufordern (die es nie gab, auch nicht im vielgerühmten MDI-Zyklus), zeugt nur von mangelnder Wahrnehmung für die reale Wirklichkeit. Nostalgie ist schön: ja, die alten Zeiten waren (meist) gut in der Wahrnehmung. Verklärte Vergangenheit. Doch die Perryserie spielt auch heute im lokalen Hier-und Jetzt und muss hier auch jetzt wahrgenommen (und auch kritisch beurteilt) werden. Wünsche an die Vergangenheit helfen höchstens in teilweise komisch wirkenden Miniserien weiter, wenn die Autoren von heute sich verbissen bemühen, den Stil und den Inhalt von gestern zu treffen.Was nicht immer so klappt, weil die Darstellung dann doch verkrampft oder gekünstelt herkommt, der innere Geist dafür nicht vorhanden ist, obwohl es doch recht amüsant ist, Derlei zu lesen.An das Original kommt das nicht heran, ist aber eine nette Hommage, ein ehrlich gemeintes Pastiche, als das es auch vom Leser honoriert wird.
Was tut der Leser also? Er vergleicht unbewusst die heutige Serie als Langleser mit der früheren Darstellung, manchmal mit der sehr frühen Serie. Fehler von heute werden dabei als schwerwiegender bemerkt und bewertet als die von früher, weil diese nicht so klar mehr im Gedächtnis liegen. Einigen wir uns doch: früher war die Serie teilweise gut, teilweise grottenschlecht, hatte ihre Highlights in vielen Romanen vieler guter Autoren, die sich Mühe gaben und Phantasie, Kreativität und Zen-Bewusstsein beisteuerten und heute ist es ebenso, nicht anders. Nicht schlechter oder besser.Nur weniger durch den Filter der Wahrnehmung getrübt, weniger durch die Vergnagehietsverklärung geläutert.
Ich selbst wünsche mir übrigens mehr bodenständige Planetenabenteuer der Explorerform, Erforschung fremder, unbekannter Raumgebiete oder Planeten über Prospektorengeschichten und Kampfeinsätze von Kommandos.Keine Superintelligenzen, aber Kontakte mit fremdartigen Entitäten ... Nicht alles davon wird sich von jedem der heute an der Serie Beteiligten adäquat umsetzen lassen.
Einigen wir uns also darauf, dass der Perry als Reihe viele verschiedene (subjektiv wahrgenommene) Vergangenheiten hat, die jeder Leser selektiv wahrnimmt oder teilweise verklärt.Das geht auch ohne Scherung oder Verzweigung in Multiversen.
Darum mag Goethe mit dem Faust das letzte Wort haben: „Wer immer strebend sich bemüht ...“ Denn jedem Leser kann man es eben doch nicht recht machen.In diesem Sinne wünsche ich der Reihe dennoch weiterhin viel Erfolg … also viele aufmerksame und kritische Leser, die nicht nur konsumieren.
© 2019 by H. Döring