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Offene Zyklen oder Nebel des Krieges?

1Offene Zyklen oder
Nebel des Krieges?

Als ›offenen Zyklus‹ definieren wir eine  Geschichte über, sagen wir hundert Hefte, deren Grundzüge eigentlich bekannt sind, die aber nur noch auserzählt werden muss. Unter ›Nebel des Krieges‹ verstehen wir einen Informationsverlust wie in frühen Computerspielen, die wegen der begrenzten Rechenkapazität damals, teilweise mit schwarz verdeckten Spieloberflächen arbeiteten. Hier lag dem Gamer also keine Information über die Karte vor. 

Der Begriff kommt aus der realen Militärtaktik und -Strategie, wenn dem Oberkommandierenden einer Aktion oder Kampagne nur begrenzte Informationen über den Feind zur Verfügung stehen.Danach muss er dann seine Angriffspläne wählen.

Im Perry bedeutet der „Nebel“ dann, dass die  lange Erzählung, die sich über den Zyklus ausbreitet, erst stückweise erklärt wird. Erst in den folgenden Heften wird marginal der Hintergrund der laufenden Handlung erklärt, also dem Leser der schwarze Nebel nur stückweise entzogen. Das war schon oft so in den Perryzyklen, etwa im Schwarm,  wo der Grundbegriff des "Schwarmes"  zwar seit Band 500 "Sie kamen aus dem Nichts" bekannt war, aber die Einzelheiten erst in den frühen zwanzig Bänden erschlossen werden mussten. Spätestens dann aber war der Rest des Zyklus klar und für den Leser folgerichtig extrapolierbar.

Andere lange Serien- Folgen waren von vornherein klar angelegt. Der Leser wusste von Anfang, worum es ging, jedenfalls im Prinzip und musste sich nicht durch die Handlung rätseln … sondern nur den gut ausgearbeiteten Erzählungen wöchentlich folgen. Auch das kkann ja spannend sein, denn selbst wenn die Grundhandlung bekannt ist, so ist doch die jeweilige Romandarstellung der lokalen Handlung erst durch das Lesen wirklich erschließbar.

Aber es gibt eben auch Leser, die Klarheit als langweilig empfinden. Sie möchten den Nebel haben, die Geheimnisse, welche die Expokratur nur stückweise gnädig vor den Lesern Heft für Heft und Woche für Woche enthüllt, so dass diese mitraten können wie bei den ??? oder anderen Krimi-und Mysteryserien. Mitfiebern und Rätselraten ist eben erlaubt.Was tut denn nun dem Perry am Besten? Was möchte der Leser haben? Nun, „den Leser“ gibt es ja gar nicht, aber ein vielfältiges Spektrum an Meinungen. Viele Leser halten Klarheit für langweilig, da sie dem selbsternannten Anspruch an den Sense of Wonder widerspricht, der hier fälschlicherweise mit dem Nebel des Krieges verwechselt und gleichgesetzt wird. Sie finden Geheimnisse eben spannend und möchten den jeweiligen, konkreten Zyklus nur stückweise enthüllt sehen, bis mit dem letzten Band, vielleicht ein Neunundneunziger, dann der ganze Zyklus endgültig klar und enthüllt wird, indem dann meistens zu guter Letzt ein Kaninchen aus dem Hut gezogen wird.

Andere Leser hingegen nervt dieses Versteckspiel, bei dem relevante Informationen nur wie Brosamen in wenigen Sätzen marginal in die Romanhandlungen eingstreut werden …  die man also gezielt siuchen muss, auch, wenn es Niemandem schadet, das Heft aufmerksam zu lesen ... oder ein zweitesmal ... und der Leser, der das ganze Heft kaufen muss, sich eigentlich mit drei Sätzen zufrieden geben könnte, weil diese die eigntliche, essentielle Aussage des jeweiligen Romanheftes enthalten. Der Rest ist dann nur Dreingabe einer vielleicht gut erzählten Geschichte, die aber für die zyklische Haupthandlung banal sein mag.
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Nun ist die Perryserie ja keine Deetektivstory mit einem klassischen who-dunnit-Effekt … aber irgendwie muss man den Leser ja bei der Stange halten über zwei Jahre hinweg, also rund hundert Wochen und Hefte. Da bietet sich das Versteckspiel natürlich an, long run but short end, wie man sagen könnte. Wie es aussieht, gibt es kaum eine andere Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die erzählte Handlung spannend bleibt -  denn wenn die Leser im Prinzip wissen, was in den folgenden achtzig Bänden passieren wird, so werden manche vom Zug des Heftkaufes  bereits frühzeitig abspringen. Das wäre ja nicht gut für den Verkauf.  Man muss als Expotatur die Leser ja irgendwie bei der Stange halten. Stückweise Entdeckung und Entwicklung gab es schon in den frühen Zyklen, etwa bei den Cappins . … der Leser ist also  als Langleser zumindest daran gewöhnt …
Zwischendurch, etwa bei Feldhoff findet man aber auch klarere Zyklen, die zwar ebenfalls ihre kleinen Geheimnisse enthielten, wo aber die Grundhandlung durchaus bereits von vornherein klar auch für den Leser durchdacht war …  das „Was oder wer?“ war also bereits bekannt, nur das „wie wird es denn nun durchgeführt?“ hielt den durchaus neugierigen Leser dann bei der Stange. Auch so kann man ja Neugierde erwecken oder zumindest fördern, wenn sie bereits vorhanden ist … es muss nicht immer die Haupthandlung im Nebel des Krieges enden, bei dem die schwarzen Verhüllungen der Nacht nur langsam entblättert werden.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Explorerabenteuer.

Ich als Leser weiß nun, dass es auf einem unbekannten Planeten stattfinden wird. Ich weiß, dass wahrscheinlich unbekannte Dinge entdeckt werden, Artefakte untergegangener Kulturen oder Dimensionstore in fremde Welten. Das ist von vornherein angelegt und klar. Was aber darüber hinaus folgt, ist ungewiss. Wird sich eine galaxisweite Bedrohung daraus entwickeln? Es wird ein Gleichgewicht gebracht zwischen denjenigen Begriffen, die von vornherein klar sind, und die der Leser mit etwas Extrapolation erwartet und den unbekannten Größen, die  erst das Geheimnisvolle der Erzählung ausmachen. Die Schwierigkeit der Offiziellen ist wohl, die richtige Balance von der Erzählerseite aus zu finden, bei der sowohl Hinweise auf folgende unbekannte Dinge oder zu enthüllende Geheimnisse den Leser dazu bringen, weiterzulesen.

 Andererseits sollte bereits früh genug im Zyklus soviel klar sein an Begriffsbildungen und Handlungssträngen, das man als Leser, der nur im Nebel tappt wie Bienzle, sich nicht an der Nase herumgeführt fühlt wie der Tanzbär. Dann explodieren wieder die Vermutungen, Meinungen  und Erahnungen in den begleitenden Foren. Eine gewisse Klarheit, wo es hingeht im Zyklus ohne allzuviel Rätselraten wie in Krimiserien, sollte der Leser erwarten dürfen, solange der Kurs des Raumschiffes nicht in die nächste Sonne führt … denn Klarheit ist Wahrheit … das gilt auch für erfundene Erzählungen.

© 2019 by H. Döring

Kommentare  

#1 Kaffee-Charly 2019-04-10 15:26
Ich mag es durchaus, wenn Geheimnisse erst während des Lesens nach und nach entschlüsselt werden und ich zwischendurch immer wieder mal mit einem Aha-Erlebnis beglückt werde. Auch mit dem Auftauchen neuer Handlungsstränge (die ja i.d.R. aufgrund überraschender Wendungen in der Story entstehen) habe ich nicht das geringste Problem.
Genauso mag ich es aber auch, wenn gleich zu Beginn erkennbar ist, worum es geht, nur eben noch nicht klar ist, wie es am Ende ausgeht.
Irgendwie verstehe ich nicht, was das Problem ist.

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