Die Moral des Helden – Ethik im Perryversum
Die Moral des Helden
Ethik im Perryversum
Niemand würde einen Perry Rhodan ernst nehmen, hätte er eine Persönlichkeit wie etwa der Overhead und die Fähigkeiten einer Tonne Terkonitstahl. Und ein Anti-Held-Konzept ist bei unserem Perry ja nun wirklich nicht vorgesehen.Für so etwas ist dann, zumindest in der Frühzeit der Serie Bully da, der manchmal etwas täppische „zweite“ Mann im Universum.
Man kommt aber auch nicht umhin, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Figur Perry Rhodan aktuell und früher angelegt ist bzw. war. Ich glaube, dass die Figur Perry Rhodan aktuell, wie natürlich auch früher, als Heldenfigur angelegt ist. Allerdings gibt es außerhalb der Figur Perry Rhodan nichts an Institutionen, Positionen oder ähnliches, was ihn sittlich oder moralisch positioniert.Er kann nicht über das Solare Parlament sittlich abgesichert werden. Perry Rhodan selbst „ist“ die moralische Instanz der Serie. Er selbst ist moralisch „nur" seinen eigenen Werten und seiner eigenen Wertewelt gegenüber verantwortlich. Das bedeutet jetzt nicht, dass diese moralischen Werte schlecht sind oder dass Perry Rhodan schlecht ist. Aber die einzige Legitimationsebene für Perry Rhodan in der Serie ist Rhodan selbst, nicht die anderen Unsterblichen, nicht ES oder die Kosmokraten oder sonstige Wesenheiten hinter den Materiequellen!
Das ist übrigens etwas, dass der heutig kanonierte Rhodan mit dem Rhodan der Scheer-Zeit gemein hat: Beide haben hehre Ziele und beide sind mit einer moralisch-sittlichen, ich sage mal, Selbstlegitimation ausgerüstet. Später gab es ja die Phase, dass man im Auftrag der Kosmokraten unterwegs war, man war Ritter der Tiefe, Bote THOREGONS oder im Sinne der Zwiebelschalenevolution tätig: man hatte quasi eine von außen herangetragene Agenda, die man erfüllte. Das kann man fremdbestimmt nennen oder im Dienst höherer Zwecke: es ist ein Spannungsfeld, in dem man sich da bewegt. Mir scheint es aber, dass der heutige Rhodan nicht mehr ist als eine Variante des Scheer-Rhodans und dass sich die aktuellen Autoren und Expokraten in der Anlage des Helden gar nicht so sehr von dem früheren, alten Handgranaten-Herbert unterscheiden, wie man vielleicht annehmen könnte.Selbst die Ironie, die den hehren Helden wieder auf Normalniveau absenkt, ist bereits unter Scheer und Darlton in die Serie eingebaut, wenn er etwa als Kofferträger für einen Leutnant dienen muss (Band 100) oder Schlager singen , um die Menschheit vor äußeren Bedrohungen zu retten (Band 376).
Nun hat man - und so komme ich nun zu den frühen, quasi-hypnotischen Fähigkeiten Rhodans - eine Figur, die sich moralisch nur sich selbst gegenüber zu verantworten hat (Widerspruch aus den eigenen Reihen kommt ja nicht; die ZA-Träger sind ja alle dicke Freunde und ein kleines Grummeln wird schnell wieder verziehen...), was eine extreme Überhöhung der Hauptfigur bedeutet. Und neben dieser Überhöhung gibt es dann auch noch eine Art "Mutantenfähigkeit" des Hypnotisierens. Eine weitere Überhöhung, da Mutanten und Mutantenfähigkeiten in der Perry Rhodan-Serie eine besondere Rolle spielen. Rhodan ist also nicht nur seine eigene sittliche Instanz, sondern auch noch zu "nahezu hypnotischen Fähigkeiten" in der Lage. Jedenfalls in der Frühzeit der Serie bringt er Thora mit dieser Eigenschaft der eisernen, überlegenen Willenskraft beinahe zur Weißglut.Neben dieser Durchsetzungsktaft besitzt er ja noch „leichte“ telepahtische Fähigkeiten, die später dann, in tausend Jahren, ab Band 400 mitunter durch den Khusaler Whisper, seinen Mentalsymbionten, verstärkt werden. Whisper ist an sich eine gute, phantastische Idee, aber bald versickert diese übermenschliche Mutantenfähigkeit im Sande der langen Erzählung, insbesondere, als Voltz zunehmend das Ruder übernimmt.Eigentlich erstaunlich, wo doch Voltz immer als der „psychologische“ Schreiber der Fruhzeit der Serie betrachtet wird.Aber schon im Schwarmzyklus ist nichts mehr zu lesen von Rhodans telepathischen Fähigkeiten.
Man könnte also annehmen, dass diese beiden Überhöhungen für einen Helden sehr fragwürdig sind. Und darum ist es schwer, die Scheer'sche oder die langjährig nachgeschobene Eschbach'sche Beschreibung von Rhodans "Super-Fähigkeiten" zu akzeptieren. Charismatisch zu sein, ist ein gutes Konzept für einen Helden, super - quasihypnotisch vor dem Hintergrund einer extremen moralischen Überhöhung, die er an sich selbst und andere stellt, ist aber doch extrem zu „supermannhaft.“ Jedenfalls wird diese Eigenschaft ja auch bald wieder abgestellt. Als Mann fürs Grobe dienen ohnehin Atlan oder Crest, deren arkonidisch imperialistisch geprägter Realitätssinn viel pragmatischer ausgeprägt ist, und die dann zweckinteressiert auch im Sinne der Menschheit handeln, damit der etwas zögernde Perry seine moralische Integrität im Hintergrund behalten kann. Im Zweifelsfall greift er eben lieber zum Narkosestrahler als zum Transformgeschütz.Andererseits ist es gerade diese Fähigkeit des moralisch guten Helden, der er ja nicht nur für die Leser zur Identifikation sein muss, die ihn für eine Superintelligenz wie ES interessant macht und wodurch er der Menschheit in seinem Universum erst den Kosmos öffnet.Das schon lange geplante Projekt von San sei noch nicht einmal erwähnt.
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