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Romantasy - Fluch oder Segen?

Zauberwort - Der Leit(d)artikelRomantasy,
Fluch oder Segen?
 
Wenn der muskulöse Barbar seine Arme um die Taille der nur noch spärlich bekleideten und am ganze Leibe bebenden edlen Königstochter schlingt und seine Lenden in Aufruhr geraten, sie ihr Becken seinem Liebeskrieger entgegenstreckt, dann ist das Romantasy...
 
...und natürlich ein Sujet, das der Konsument von US-amerikanischen Liebesromanen nur allzu gut kennt.

Ersetze Barbar durch Pirat, ersetze Königstochter durch Gouverneursnichte ersetze mythisches Land durch Karibik – und schon ist man mitten in einem neuen Set, wo Lenden in Aufruhr geraten, und Frauen erbeben können.
 
Dieser Typ Liebesroman, der in US-Sitcoms schon von den Bundys, den Simpsons, der Nanny, Immer wieder Jim und anderen veräppelt wurde, erweitert sein Spektrum nun energisch in Richtung der Fantasy. Barbaren, Paladine, Elben und Zwerge werden sich in mancherlei Hinsicht weniger mit gewaltigen Schlachten und Kämpfen mühen, als mit den Regungen ihrer Herzen und Lenden, denn die Andeutung von Sex gehört dazu (zumindest bei dieser Spielart des Liebesromans).

Man sehe sich nur die Cover an. In tausend Variationen sieht man Männer mit freien Oberkörpern, die ihre muskulösen Körper zeigen, mit markanten Gesichtszügen und wallenden (blonden) Haaren, die Frauen mit schmachtendem Blick und zerrissener und/oder knapper Kleidung in ihren Armen halten.

Passt das überhaupt: Fantasy und Liebesroman? Generell kann man sagen: Warum nicht? Natürlich geht das zusammen. Das ist kein Problem. Es ist des Autors/der Autorins Entscheidung so was zu schreiben, eines Verlags Entscheidung so was zu verlegen und eines Leser/einer Leserins Entscheidung so was zu kaufen und zu lesen. Auch hier gilt der persönliche Geschmack jedes Einzelnen als Richtschnur.

Und die Verfasser bringen ihre Leser sogar mit ins Reich der Fantasy. Denn oft sind es gestandene Autorinnen, die Fantasy als Hintergrund für ihre Liebesgeschichten entdecken. Wenn Nora Roberts (eine der besseren und kaum typischen Vertreterinnen des (Massen-)Liebesromans, den wir  in seiner trivialsten Ausprägung in Deutschland in erster Linie bei der Springer-Tochter Cora in einer Vielzahl unterschiedlicher Themenbereiche finden) oder eine andere mehr oder weniger begabte oder erfolgreiche Autorin, sich an der Fantasy versucht, greifen ihre Leserinnen auch zu diesen Romanen. Die Leserin folgt eben ihren Favoritinnen.

Denn: Letztlich ist es doch egal, ob der Held auf einem Piratenschiff segelt, auf einer Harley, als Cowboy, Musketier, als Detektiv oder auf einem Einhorn daher kommt – die Liebesgeschichte kann sich vor jeder beliebigen Kulisse abspielen (Hollywood lebt seit bald 100 Jahren davon). Die Klischees lassen sich beliebig über jede Kulissen-Schablone stülpen. Warum also soll das nicht in den Welten funktionieren, wo Elben spitze Ohren, Zwerge Bärte haben und der Held hin und wieder einen Drachen erschlägt.

Nun kann dieser Held vor dem Erschlagen des Drachens noch schnell den erbebenden Leib einer Frau vernaschen (was ihn mit Lassiter eint, nur dass der Held der Romantasy seinen Akt im romantischem Mondlicht – sein Haar von einer Brise aufgewühlt –, voller Zärtlichkeit und liebevollem Flüstern vollbringt, während Basteis „Western“-Held einen rasanten Quickie hinterm Kaktus macht, derweil die Staubwolke der angreifenden Indianer/Outlaws größer wird). Der Leser erfährt möglicherweise auch mehr über Accessoires an den Ohren von Elben (ein modischer Clip in Ringform mit ein paar Brillies vielleicht) oder über die Bartmode bei den Zwergen (gestriegelt, nicht gekämmt). Der Schnitt der Gewänder von Held und Heldin dürfte dann auch eine größere Rolle zu spielen (es gäbe auch weniger Rüstungen und Kettenhemden und die Griffe von Schwert, Rapier und Degen wären verspielt und mit modischen Intarsien versehen). Glutvolle Vollmondnächte werden die sengende Sonne ablösen, die Landschaften und Schlösser werden romantischer und verspielter werden (wehrhafte Burgen, kombiniert mit der Verspieltheit barocker Wasserschlösser). Solche Traditionen müssen sein und gehören einfach dazu. Ich hätte kein Problem damit, wenn beides bedient würde: Romantische Gefühle und der – gern beschworene – ‚sense of wonder’...

Ob diese Fantasy gut oder schlecht wird, liegt an der Autorin bzw. dem Autor und deren Talent, Liebesgeschichte und die aus der Fantasy gewohnten Sujets miteinander zu verbinden. Gelingt das, mögen diese Geschichten eine echte Bereicherung beider Genres werden, gelingt das nicht... Nun ja, dann haben wir Pech gehabt und der Roman ist schlecht. Das ist nichts Außergewöhnliches. (sowohl in der Fantasy als auch beim Liebesroman gibt es zahllose Beispiele, die das Fazit "Trotzdem bin ich gegen Bücherverbrennung" zulassen). – Und: Neu ist das nicht wirklich, schon in den Achtzigern versuchte es Heyne mit der „Phantasia“-Reihe mit romantischer Fantasy – und das hat nicht so recht geklappt. Aber: Heyne versuchte es mit mehr oder weniger romantischen Romanen von Marion Zimmer Bradley, Tanith Lee und anderen Autorinnen aus dem Bereich SF- und Fantasy. Die sollten SF- und Fantasyleser ansprechen, erreichten sie aber nicht, weil das nicht das war, was die LeserInnen damals wollten. Ob sie es heute wollen ist nicht so wichtig, weil in erster Linie nicht der SF- und Fantasyleser angesprochen werden soll, sondern in erster Linie die Konsumentin von Liebesromanen.

Die heutige romantische Fantasy bringt nicht nur ihre Autoren, sondern eben auch das Publikum mit und wird vielleicht aus der gewachsenen weiblichen Fanschar der Fantasy weitere Leserinnen generieren, so dass durchaus mit kommerziellem Erfolg zu rechnen ist. – Und bekanntermaßen ist das ja, was für Verlage (zu Recht!) zählt.

Wie bei der traditionellen Fantasy und wie beim Liebesroman wird es auch in der Mischform, der Romantasy, wieder Gutes und Schlechtes geben. Das liegt in der Natur der Sache. Und wahrscheinlich wird – wie so oft – mehr Schlechtes denn Gutes erscheinen. Um es mit den Engländern zu sagen mehr „Millstones“ als „Milestones“.

In den letzten Tagen hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, Bettina bei der Lektüre eines solchen „Millstone“ zu erleben und zu erleiden. Es war der Roman „Sons of Destiny Part 1: The Sword“ von Jean Johnson in seiner deutschen Übersetzung unter dem Titel „Söhne der Insel“ (zur Rezension). Ein geradezu wunderbares Beispiel für einen misslungenen Versuch der Romantasy. Geschrieben von einer Autorin, die sich lieber noch ein paar Jahrgänge Dr. Sommer aus der „Bravo“ übersetzen lassen sollte, um sich besser mit dem Sexualverhalten des homo sapiens vertraut zu machen.

Da umfasste der Held die Oberschenkel der Frau (entweder ist sie magersüchtig oder er hat verdammt riesige Hände – Ich zumindest kann nicht einmal mein Handgelenk umfassen – bei (Torwart-)Handschuhgröße 13), da zuckten linke Körperhälften (und was macht die rechte?). Oder er erwachte am Morgen und fand sich mit seinem Liebeskrieger noch in ihr. Aber die Helden Jean Johnsons können gleich nach dem Aufwachen noch weiter den Liebesakt vollziehen, nachdem ihr Johannes die ganze Nacht in der Dame ruhte (das ist vorpubertär).

Bettina bestand darauf mir jede dieser Szenen (und noch einige mehr) vorlesen zu müssen. Sie, die jedem Buch etwas Positives abzugewinnen versucht, konnte es nicht mehr aushalten und saß mehrmals lauthals lachend im Sessel. Das Hardcover hat sie nicht überzeugt... Ganz und gar nicht.

Das ist selbst für einen Billigroman enorm schlecht geschrieben. Weder als Liebesschnulze noch als Fantasyroman brauchbar – grausam.

Aber der eigentliche Fehler war, dass PENHALIGON diesen Roman als Hardcover für 19 € auf den Markt brachte. In einer Ausstattung, die etwas verspricht (nämlich einen niveauvollen, epischen Fantasyroman), was der Roman nicht halten kann. Das verrät schon der Blick auf die US-Ausgabe.

Vergleich der Cover der deutschen Ausgabe (li) und der US-Ausgabe (re)Vergleicht nebenstehende Cover. Das US-Cover suggeriert genau das, was der Roman letztlich ist: Ein Liebesroman mit den typischen Versatzstücken vor der Kulisse einer Fantasywelt. Das deutsche Cover hingegen suggeriert eben einen epischen Fantasyroman und mit dem Zusatz im Verlagsprogramm „Romantasy“ könnte der Konsument daran glauben, dass die Betonung auf der Liebesgeschichte liegt.

Wie heißt es: Du kannst eine Sau so lange parfümieren wie Du willst, es bleibt eine Sau.
 
Dass Jean Johnsons Roman kaum den Ansprüchen der billigen Liebesromane genügt, steht auf einem anderen Blatt. Aber so wie von PENHALIGON verpackt, erwartet man deutlich mehr als nur eine hinreichende Umsetzung des Prinzips Liebesromans mit Fantasykulisse.

Als Taschenbuch für sieben bis zehn Euro mit entsprechendem Cover weiß man als Leser/Leserin was geboten wird, und kann seine Erwartungshaltung entsprechend justieren. Kaufe ich mir einen „Historical“ von Cora, erwarte ich auch keinen Gablé-Roman oder etwas in der Art, sondern eine flotte Liebesgeschichte vor historischer (Hollywood-)Kulisse. Schnell erzählt, romantisch mit seichtem Abenteuer, ein paar erotischen Sequenzen, ohne explizite Gewalt.

Wenn ich also keine Romantik auf hohem Niveau verkaufen und zudem noch die offensichtlich beständig vorhandene Klientel derartiger Liebesromane anlocken will (Bastei Lübbe gibt seit Jahren Monat für Monat einen Titel in entsprechender Aufmachung in seinem Taschenbuchprogramm  heraus), so muss ich dieser Klientel auch durch die entsprechende Aufmachung demonstrieren: Halt! Hier gibt es einen Liebesroman, wie ihr ihn mögt!

Also gilt fürs Cover: Verschnörkelte (romantische) Schrift, der muskulöse Kerl mit freiem Oberkörper und die schmachtende Dame im Arm mit Steuerrad, Schwert oder so in der Hand.

So erreiche ich die Zielgruppe mit Sicherheit. Schreibe ich noch Fantasy dazu, besteht die gute Chance noch diese oder jene Leserin dazu zu gewinnen, die sonst eher der "reinen" Fantasy zugeneigt ist.
 
Alles wäre gut. Verlage und LeserInnen könnten zufrieden sein. Auch jene, die Romantasy nicht wollen, wüssten Bescheid und könnten einen Bogen um das Buch machen.
 
Dann wird sich also entscheiden ob der kommerzielle Erfolg ausreicht, um sich am Buchmarkt zu etablieren. Das führt uns dann zur Ausgangsfrage zurück. Wird die Romantasy zum Fluch oder zum Segen für das Genre Fantasy? Ich denke, die Antwort ist: Romantasy ist weder das Eine noch das Andere, sondern einfach nur ein weiteres Segment der Fantasy, das seine Leser finden und sich möglicherweise sogar dauerhaft und erfolgreich etablieren wird.

Doch sollten die Verlage diese Spielart auch so anbieten, dass ihre potentielle Leserschaft sie auch erkennt und mit einem Preis, den die mutmaßliche Klientel zu bezahlen willig ist. Denn ansonsten könnte Romantasy als Zeiterscheinung in die Annalen der Fantasy eingehen (was manche begrüßen würden).
 

 

Kommentare  

#1 Thomas Rippert 2008-09-11 23:50
"Da umfasste der Held die Oberschenkel der Frau (entweder ist sie magersüchtig oder er hat verdammt riesige Hände ? Ich zumindest kann nicht einmal mein Handgelenk umfassen ? bei (Torwart-)Handschuhgröße 13), da zuckten linke Körperhälften (und was macht die rechte?). Oder er erwachte am Morgen und fand sich mit seinem Liebeskrieger noch in ihr. Aber die Helden Jean Johnsons können gleich nach dem Aufwachen noch weiter den Liebesakt vollziehen, nachdem ihr Johannes die ganze Nacht in der Dame ruhte (das ist vorpubertär)."

:D :D :D

Was für Brüller, danke Horst - ich trockne mir gerade noch die Lachtränen weg. :lol:

Da lohnt sich ja direkt der Auskuck auf den Grabbeltisch nach diesem Schmachtschinken, zumindest um mal was zu lachen zu haben. Das scheint ja eher eine Art "Comefantasy" zu sein!!! ;-)
#2 Bettina.v.A. 2008-09-12 00:10
wow ... Luke, du schaffst gerade einen neuen Marketingbegriff ... Comefantasy :eek:

Wie in der Rezi geschrieben: Ich lese auf Anfrage gerne ein paar Goldabschnitte vor. ;-)
#3 Thomas Rippert 2008-09-12 00:14
Genau, machen wir ein neues Fass auf: Comefantasy (da ich mich gerade wieder über "Urban Fantasy" amüsiere). Autoren scheinen ja vorhanden zu sein deren Ideen abgedreht genug sind. :lol:

Vielleicht sollte man wirklich mal einen vergnüglichen Abend in Kassel mit einer Lesung der "spannenden Teile" machen! ;-)
#4 Larandil 2008-12-09 16:15
Zitat:
Man sehe sich nur die Cover an. In tausend Variationen sieht man Männer mit freien Oberkörpern, die ihre muskulösen Körper zeigen, mit markanten Gesichtszügen und wallenden (blonden) Haaren, die Frauen mit schmachtendem Blick und zerrissener und/oder knapper Kleidung in ihren Armen halten.
Also in der Hinsicht haben doch schon vor dreißig bis vierzig Jahren Frank Frazetta, Boris Vallejo und Richard Corben ihre Cover- und Postermarken hinterlassen.
Und dann wäre da noch John Norman mit seinen Geschichten von Gor, der Gegenerde. Den habe ich Mitte der 70er Jahre kennengelernt und kann im Rückblick schon irgendwie verstehen, daß er's mittlerweile auf den Index geschafft hat.
#5 Harantor 2008-12-09 16:32
Nee, nicht die Frazetta Cover. Die Cover von denen ich spreche sind anders. Es ist alles romantischer verklärter. - Guck mal hier hin. Ich habe ein Beipiel im Artikel untergebracht... www.zauberspiegel-online.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1697&Itemid=136#1
#6 Stefan Holzhauer 2008-12-09 18:42
Hat Gor es nicht inzwischen wieder vom Index runter geschafft? Aber doch irgendwie die Antithese zu Romantasy... :lol:
#7 Harantor 2008-12-09 18:50
Gor ist nicht mehr auf dem Index. Heyne hat ja versucht, die sache wiederzubeleben, aht wohl nicht mehr so recht geklappt. Jetzt läuft GOR bei Basilisk www.basilisk-verlag.de/index2.php?buecher=1&news=1

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