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30 Jahre „Geisterjäger John Sinclair“ – 25 Jahre Langeweile

 „Ich wusste nicht, dass man Kaugummi lesen kann!“
Norbert Aichele

„Ich produzierte ein Röcheln, das den Mönch anmachen musste.“
Jason Dark in John Sinclair Bd. 453

Zauberwort30 Jahre Geisterjäger John Sinclair –
25 Jahre Langeweile

Gott, waren das Zeiten!

Am 17. Januar 1978 war ich noch nicht vierzehn Jahre alt und las seit mittlerweile fünf Jahren begeistert Horrorheftomane. Zunächst die von Dan Shocker, dem Vater des Horror- bzw. Gruselheftromans (und war fast immer begeistert).


CoverAber da war noch mehr: Die anderen Silber-Grusel-Krimis (in wechselnder Qualität), Vampir-Horror (überwiegend großartig), der Dämonenkiller (wunderbar), die Geister-Krimi (da mochte ich nur die „Rick Masters“-Romane), Monstrula (immer noch gut), Grusel- und Geister-Western (weder Fleisch noch Fisch), Dr. Morton (blutrünstig aber langweilig), Der Lord (nicht blutrünstig, aber auch langweilig) und auch die Gespenster-Krimis von Bastei hatte ich gelesen (da gefiel mir auch einiges).
 
 
Und da war auch diese wunderbare Sub-Serie von Jason Dark. Ein Geister jagender Inspektor bzw. dann Oberinspektor von Scotland Yard mit Namen John Sinclair erlegte im Gespenster-Krimi in schönster Regelmäßigkeit das Monster der Woche. 50 Ausgaben lang. Zwischen Sommer 1973 („Die Nacht des Hexers“) bis Herbst 1977 („Die Rache des Kreuzritters).

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Am 17. Januar 1978 wurde dann alles anders...
Da lag am Kiosk „Im Nachtclub der Vampire“. Der erste Roman der eigenständigen Serie „Geisterjäger John Sinclair“.

Wunderbar! Das erfreute mich.

Jason Dark hatte das Talent, simple Geschichten spannend zu erzählen. Kurzum: Das Böse taucht auf und tut dann was. Der Held erscheint. Im dramatischen Showdown wird der  Vampir/Werwolf/Dämon/Untote/Ghoul vernichtet (bzw. manchmal zurück geschlagen, um wiederzukehren). In der nächsten Woche beginnt das Spiel von vorn. Wie es Jerry Cotton mit Gangstern/Mafiosi/Killern und Lassiter mit Indianern/Outlaws machen.
Und es ging munter weiter. Die Romane waren nett zu lesen. Der Oberinspektor triumphierte ein ums andere Mal über das Böse und ich war amüsiert. Zunächst im vierzehntägigen Rhythmus.

Mit der Nummer sechs schrieb er zum ersten Mal einen Roman in der Ich-Form, die sich dann – nach einem kurzen Rückfall zur Dritten Person als Erzählperspektive – durchsetzte.

Mich störte das, aber ich gewöhnte mich daran. Noch heute glaube ich aber, dass das ein Fehler war. Im Grunde konnte Jason Dark mit der Ich-Form nichts anfangen, weil er Charaktere nicht glaubwürdig zeichnen kann. Seine Stärke liegt im Spiel mit Klischees und Schablonen. Das geht besser aus der Perspektive der Erzählung in der dritten Person.

Der Autor schuf einen wiederkehrenden Gegner, einen Superdämon mit Wurzeln in Atlantis, den Schwarzen Tod (mit farbigen Dämonen hatte es der Autor ohnehin, der grüne Dschinn, der gelbe Satan und andere bunte Gegner legen ein ‚farbiges’ Zeugnis ab). Aber er war ein faszinierender wiederkehrender Gegner. Im Gegensatz zu Doktor Tod (der manchmal sehr an Shocker’s Dr. Satanas erinnerte) war auf den ersten Blick kein direktes Vorbild auszumachen (wobei ich seit langem den Verdacht hege, dass Molochos – aus Macabros – in gewisser Weise Modell stand).

Dazu kamen der Spuk (wohl seine beste Schöpfung) und Myxin, der Magier. Insgesamt viel versprechend!
Bald war die Serie so erfolgreich, dass sie Anfang 1979 auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt wurde.

Fanclubs schossen wie Pilze aus dem Boden. Ein neuer Star am Himmel des Heftromans wurde geboren. Aus dem Redakteur und Teilzeitschriftsteller wurde der Star-Autor Jason Dark. Taschenbücher, Hörspieladaptionen, Hardcover, ein TV-Film und eine TV-Serie sind Meilensteine des Erfolges. Eine nicht weg zu diskutierende Leistung, die jedem (Kritikern wie Fans) Hochachtung abnötigt.

Lange wurde verheimlicht, dass eine zeitlang Co-Autoren eingesetzt wurden. Das sorgte unter Fans für Aufregung.

Nach dem Höhepunkt der Vernichtung des Schwarzen Todes in der Trilogie von Band 100 bis 102 der Serie, begann ein schleichender Abstieg der Serie (der dann im Laufe der Jahre zu einem galoppierenden wurde).
Jason Dark begann nämlich etwas, was er nicht beherrschte. Aus dem Geisterjäger, der das Monster des Tages erlegte (wenn er in seltenen Fällen auch mehrere Anläufe brauchte), sollte ein Geisterjäger werden, der einem Konzept folgte.

Großer Fehler!

Wäre John Sinclair ein Polizist geblieben, der jede Woche einen Fall löst (wie Jerry Cotton das macht) und hin und wieder jemanden nicht auf Anhieb erlegt, wäre alles wohl geraten. Er wurde aber zum Sohn des Lichts und Reinkarnation mancher Persönlichkeit. Verwirrend und dumm und nie konsequent umgesetzt.

Nur: Für ein Konzept braucht man einen Plan. Einen Plan, dem man folgt. Und je weiter die Serie fortschritt, desto offenkundiger wurde, dass der Autor keinen hatte. Zudem ist er, wie er selber immer wieder erklärte, jemand, der zu Beginn des Romans nicht weiß, wie er denn enden wird. Für eine Serie, die einem roten Faden folgen soll: tödlich.

So liegt, um nur mein Lieblingsbeispiel zu nennen, jetzt über 1000 Bände lang ein U-Boot der Royal Navy vor Babylons Küste. Die Mannschaft harrt ihres Retters. Aber er kommt nicht. Oder auch tote Gegner, wie Wikka, ließ Jason Dark wieder auftreten. Die Liste sich noch beliebig fortsetzen.

Die Dialoge erreichten, je weiter die Serie fortschritt, die Qualität von Stilblüten. Seiten füllend schwatzen Gute mit Guten ("Das glaube ich nicht John, das ist eine Kröte, die hat auch andere Ziele" JS 457), Gute mit Bösen, Böse mit Bösen – und man bekommt fast immer das Gefühl, der böse Peter hat der kleinen Lara Marie das Eis geklaut. Das war oft Grundschulniveau.

Verdammt!

Er schrieb, dass sich in Luzifers Gesicht nicht nur drei, sondern gar vier Dimensionen abzeichneten. Das begeisterte den Leser. Vampire wurden mit einem roten „D“ auf der Stirn ausgestattet, was sie als „moderne“ Vampire qualifizierte (und sie, meiner Meinung nach, der StVO anpasste). Allerhand Blödsinn trat er los.

Irgendwann wurden dann die unfreiwillig komischen Momente abgelöst von Langeweile (und das waren nicht nur Momente - das waren Romane). Aus Ideen für Kurzgeschichten macht der Autor Romane, aus Ideen für Romane macht er Trilogien. Da wurde mit Beschreibungen und hirnrissig langweiligen Dialogen gestreckt bis zum Erbrechen.

Ich zitiere Homer Simpson: „Langweilig!“

Einer der Höhepunkt der Langeweile war dann irgendwann Band 1000 der Serie. Ich gab auf Seite sieben auf. Da stand der Held mitten in der Nacht im Regen, vor einer Kapelle, es war unheimlich und er musste da hinein. Aber er ging nicht – sieben lange Seiten nicht. Ich weiß bis heute nicht, auf welcher Seite der Held dann endlich die Kapelle betrat, denn nach der Lektüre der siebten Seite flog das Heft in die Ecke.
Und daher weiß man nun nicht, ob man den Geburtstag feiern soll oder nicht.

Auf der einen Seite ist da die herausragende Lebensleistung Helmut Rellergerds. Fast 2000 Romane gehen auf sein Konto und die Serie hat Erfolg ohne Ende.

Auf der anderen Seite hat er die deutsche Sprache arg gebeutelt. Mich (und andere) hat der Autor ohne Ende gelangweilt.

Aber was solls: Trotz allem „Happy Birthday John Sinclair zum 30. der eigenständigen Serie!“ (später im Jahr feiern wird dann den 35. Geburtstag der Romanfigur) Und: „Auf die nächsten dreißig Jahre.“

Kommentare  

#1 Stefan Bayerl 2008-03-25 22:55
Als damaliger erklärter Zamorra Fan und Magazinherausgeber war mitunter die Lektüre von Sinclair-Romanen erklärte Pflicht, aber wahrlich kein Vergnügen.
Norberts Kommentar könnte man noch in der Form ergänzen, dass ich bis heute nicht verstanden habe, wie bereits gekauter Kaugummi in solch einer Auflage gelesen werden kann und wird.
Wer weiß, was aus PZ hätte werden können, wenn man die Serie nicht so stiefmütterlich behandelt hätte und auch ein wenig Geld und PR investiert hätte...
Wie auch immer, 30 Jahre sind ein Wort und wem es gefällt, der wird die Serie auch in der Zukunft lesen.
Laßt es Euch schmecken!
#2 Harantor 2008-03-25 23:05
Kaugummi kann man auch weit über die Geschmacksgrenze kauen...
#3 Stefan Bayerl 2008-03-25 23:13
Und in diesem Fall sogar zunehmend ohne Zähne!!!
#4 Thomas Tippner 2008-03-26 08:39
Hey!
Ich habe John Sinclair geliebt und die Romane verschlungen... Nun ja, dann hatte ich nachher keine Interesse mehr daran und heute lese ich sie nur noch gelegentlich, wenn ich langeweile habe...
Na ja, die Hörspiele gefallen mir um einiges besser.
#5 Dark Knight 2008-03-28 23:00
Tatsache ist das die Romane von mal zu mal immer schlechter geworden sind. Ich frage mich nur wie die Verkaufszahlen dann zustande kommen? Das müssen doch auch andere merken? Sinclair hat mich damals zum Heftromanlesen gebracht, das ist wohl auch der Grund warum ich ihm immer mal wieder (mit zeitlich immer größer werdenden Abständen) eine neue Chance gebe. Aber die letzten 3 mal hab ich die Romane einfach nicht mehr zuende geschafft. :-? Mir ist meine Zeit einfach zu schade um sie mit sowas zu vergeuden. Jason Dark sollte aufhören und in den wohlverdienten Ruhestand gehen. (Hätte er meiner Meinung nach spätestens mit Band 500 tun sollen)
#6 Stefan Bayerl 2008-03-29 01:20
Gott, was haben wir früher gesagt? Sinclair entbehrt zwar jedem Anspruch, aber zumindest hat er potentielle Leser für das Genre interssiert. Was hat Werner mal zu mir gesagt:
Junge, selbst wenn 1 Million Fliegen Sch.... fressen, würdest du das auch probieren?
Ich habe NEIN gesagt und trotzdem einen JS gelesen. Weia, weia, weia...
Egal, nach meinem Ausstieg aus dem Grusel Fanbereich war ich noch lange Jahre im STAR TREK Bereich aktiv und siehe da ==> genau die gleiche Situation!!! Die Fans der Originalserie laufen Amok gegen NEXT GENERATION und so weiter und so fort.
Und sobald die neuen Ableger auf den Markt kamen waren die beiden Erstgenannten einig und jaulten ggen die "Spätgeborenen". Herrlich.
Lasst den guten Herrn Sinclair und seinen Übervater wirkeln. Unsere Meinung hat früher keinen Einfluss gehabt und heute noch viel weniger. In Zeiten, in denen sehr nahmhafte Serien eine Auflage von maximal 5000 Stück haben, sollte man nichts übertreiben...
#7 Thomas 2010-07-29 15:45
Man kann es bloß bedauern, dass die Romane von Jason Dark nicht auf perforiertem Rollenpapier gedruckt werden - würden sie doch damit zumindest einem sinnvollen Zweck gerecht werden... :-*
#8 Larandil 2010-07-29 21:26
Also ich verdanke John Sinclair den Schubs, der mich zum Schreiben brachte. Da gab es nämlich in den Zweit- und Drittauflagen immer Leserkurzgeschichten, von denen einige so jenseits aller Beschreibung schlecht waren, daß ich mir eines Tages sagte: "Also - DAS kannst du auch!"

Band 246 der 3. Auflage gab mir dann recht ... 8)

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