Der leichte Weg ... Wenn man mit Mythen und Serien spielt
Der leichte Weg ...
Wenn man mit Mythen und Serien spielt
Wenn man mit Mythen und Serien spielt
Fantasy so Dr. Helmut W. Pesch sei das Spiel, die Variation von bekannten Mythen und Motiven. Das lässt sich auch ganz problemlos auf die Serie um den Meister des Übersinnlichen aus dem Loiretal übertragen. Bei »Professor Zamorra« findet dieses Spiel seit Jahrzehnten statt.
Aber heißt Spiel und Variation immer, dass man auch den Kern des Mythos' ändern muss? Dass man eben aus einer Hölle, die dem dualen Weltbild entsprungen ist, etwas machen muss, das ganz anders ist, um es möglicherweise einem moderneren Weltbild anzupassen?
Ich meine: nein.
Allerdings, so soll sich zeigen, gibt es keine einfachen Antworten, denn ...
Aber der Reihe nach.
Dieses Höllenbild mittelalterlicher Vorstellung ist reizvoll. Gleichwohl erfordert es ein Studium von Büchern (die zum Teil auch online verfügbar sind), damit es auch authentisch umgesetzt werden kann. Aber man muss sich ohne Zweifel tief(er) in die Materie einlesen. Wenn man dies denn getan hat, ergeben sich daraus Herausforderungen und Möglichkeiten, die sehr interessant sind. Gerade aus diesem traditionellen Bild lassen sich viele Dinge entwickeln. Dabei schließt das an sich duale Bild nicht aus, dass es dabei Grauzonen bzw. Charaktere gibt, die nicht eindeutig einzuordnen sind. Es ist nur etwas schwerer, diese Ideen umzusetzen und in das Konzept einzupassen. Rolf hat das aber mehrfach in seinen Romanen gezeigt, dass in dieses duale Weltbild auch Grauzonen einzupassen sind. Und vielfältiger Stoff hätte sich allein daraus ergeben: Da wären - nur um zwei zu nennen - der zweite Ministerpräsident der Hölle gewesen und dazu noch die sechs Kreise der Hölle. Daraus hätte sich viel entwickeln lassen. Man muss es nur wissen bzw. recherchiert haben.
Dazu muss man das Höllenbild aber kennen und es benutzen wollen. Man muss, wie es eigentlich (zu Rolfs Zeiten) im Zamorra war, das Höllenbild aus dem Mittelalter als gegeben betrachten. Für mich als Leser war das ungeheuer reizvoll, diese Kombination zu verfolgen.
Das ist ebenfalls ein Kennzeichen von Fantasy, wenn man nicht nur der Argumentation des Doktors der Fantasy (und anderer) folgt, dass übernatürliche Dinge nicht nur real sind, sondern einmal definiert, den gegebenen Gesetzen folgen. Im anderen Fall wird die Fantasy- zur Märchenwelt (in der alles wandelbar ist). Auch diese These ist auf den Zamorra übertragbar - und dem Leser sollte klar sein, dass die Unwandelbarkeit im Rahmen der Zamorra-Serie nicht immer ehernes Gesetz war.
Dass aktuell im Zamorra das Höllenbild nicht mehr so ist bzw. die Hölle gar vernichtet wurde, kann man diesem aktuellen Team eigentlich schon nicht mehr zum Vorwurf machen, da schon W. K. Giesa sich nur oberflächlich mit den Höllenbildern aus den Grimorien befasst hat bzw. seine Infos von Rolf bezog und ihm nicht Genehmes im Laufe der Jahre aufweichte. Giesa selbst schrieb, sobald er den Zamorra allein in Händen hielt, frei nach Schnauze und wandelte Motive ab, ließ sie gar fallen oder weichte sie auf. Erklärungen für diese Veränderungen gab er in der Regel nicht ab. Er tat dies einfach auch, um Dinge passieren lassen zu können, die hielte man sich an die Vorgaben der Grimorien nicht oder nicht so leicht durchzuziehen wären.
Manche nannten dieses Vorgehen Giesas einen Vorteil. Für mich war das einer der Gründe, als regelmäßiger Leser aus der Serie auszusteigen. Ich bin ein großer Anhänger des Auslotens des Potentials einer Idee und ihrer Variation(en), ohne den Kern der Idee in Frage zu stellen - oder eben gar aufzuweichen und auszuhebeln. Für mich war der Weg mit mittelalterlichem Höllenbild (mitsamt aller Heerscharen) reizvoller, weil der Autor seine Ideen sorgsamer und im Einklang entwickeln musste.
Zudem war es nicht W. K.s Welt, etwas als festgelegt zu betrachten, weil manches dann seinem Spieltrieb zuwiderlief, den er dann als Autor nicht, oder nur erschwert, hätte ausleben können. So suchte auch der Mann, der Zamorra über lange Jahre geprägt hat gemäß seinem Motto »Wer wirds merken« -, auch den einfachen Weg.
Rolf hat sich seinerzeit bei seinem Zamorra-Engagement mit den Grimorien befasst. Er hat sich eingelesen und das Potenzial erkannt. Allerdings gibt es auch einen kleinen, feinen, aber nichtsdestotrotz bedeutenden Unterschied zwischen Rolf und seinen Kollegen. Rolf hat (bis auf 1986) nie zum Broterwerb geschrieben. Miete und alles andere Lebensnotwendige zahlte die Stadt Kassel als Gegenleistung für Rolfs Laufbahn im mittleren Dienst. Daher konnte er es sich leisten, Zeit zu opfern. Ein Autor, der vom Schreiben von Heftromanen lebt, muss Seiten produzieren. Recherche ist da nur manchmal ein notwendiges Übel.
Nur wird diese Recherche, die zeitintensiv sein kann, vom Honorar gedeckt? Lohnt sich das? Ist nicht wirklich der einfachere Weg der bessere? Eben der, sich selbst was zu bauen? Und hier hört die Antwort auf, einfach zu sein.
Als ich den Hüter erfand und die Serie später mit Oliver Fröhlich weiterentwickelte, haben wir ganz bewusst einzelne Bilder und Motive genommen und zu etwas Eigenem (nein, nicht zum Jodeldiplom) variiert. Denn: Es wäre zu aufwendig gewesen, den Höllenbildern der Grimorien zu folgen. Und eine solche Serie ist schon Aufwand genug.
Und sieht man sich an, wie die Hölle im Laufe der Jahre, die Hölle im deutschen Horrorheftroman dargestellt wurde bzw. ihre Vertreter in Form von Dämonen und anderen Wesen, man sieht eher den Weg des jetzigen Zamorra-Teams bestätigt.
Anders liegt der Fall bei den neuen Romanen der Serie »Larry Brent« bei Blitz. Dort greift man noch tiefer in die Konzeption der Serie ein. Nicht, dass Jürgen Dan Shocker Grasmück die Hölle da besonders authentisch geschildert hätte. Neben Einflüssen wie der Präastronautik hat sich Jürgen Grasmück da seinen eigenen Kosmos gestrickt. Nein, hier liegt der Fall in der Neuausrichtung der Romane und neuen Elemente, die echt fehl am Platz sind.
Dabei gestehe ich gern und freimütig ein, noch keinen dieser Romane gelesen zu haben. Aber die Rezensenten werden sich die Verwandten und den Bruder Galluns und die Andeutungen dazu nicht aus den Fingern gesogen haben ...
Und es geht dabei nicht darum, wie die einzelnen Romane geschrieben wurden (die ausgewählten Autoren sind gute Vertreter der Zunft). Es geht um die Grundausrichtung der Serie als Polizeiserie. Eine solche Organisation braucht keine besondere Mission, Erbe oder Prophezeiung, um gegen das Übersinnliche zu Felde zu ziehen.
Polizisten bekämpfen das Verbrechen, weil es passiert. In der Regel aber nicht, weil ein Onkel erschossen wurde und der Polizist auf Rache sinnt. Oder ihm irgendein Heiliger im Traum erschienen ist, oder der Opa mütterlicherseits mal Verbrecher war und man in sich die moralische Verpflichtung fühlt, dem Verbrechen den Kampf anzusagen. Oder weil Papa ihm seine Polizeimütze vererbt hat ...
Dieses Höllenbild mittelalterlicher Vorstellung ist reizvoll. Gleichwohl erfordert es ein Studium von Büchern (die zum Teil auch online verfügbar sind), damit es auch authentisch umgesetzt werden kann. Aber man muss sich ohne Zweifel tief(er) in die Materie einlesen. Wenn man dies denn getan hat, ergeben sich daraus Herausforderungen und Möglichkeiten, die sehr interessant sind. Gerade aus diesem traditionellen Bild lassen sich viele Dinge entwickeln. Dabei schließt das an sich duale Bild nicht aus, dass es dabei Grauzonen bzw. Charaktere gibt, die nicht eindeutig einzuordnen sind. Es ist nur etwas schwerer, diese Ideen umzusetzen und in das Konzept einzupassen. Rolf hat das aber mehrfach in seinen Romanen gezeigt, dass in dieses duale Weltbild auch Grauzonen einzupassen sind. Und vielfältiger Stoff hätte sich allein daraus ergeben: Da wären - nur um zwei zu nennen - der zweite Ministerpräsident der Hölle gewesen und dazu noch die sechs Kreise der Hölle. Daraus hätte sich viel entwickeln lassen. Man muss es nur wissen bzw. recherchiert haben.
Dazu muss man das Höllenbild aber kennen und es benutzen wollen. Man muss, wie es eigentlich (zu Rolfs Zeiten) im Zamorra war, das Höllenbild aus dem Mittelalter als gegeben betrachten. Für mich als Leser war das ungeheuer reizvoll, diese Kombination zu verfolgen.
Das ist ebenfalls ein Kennzeichen von Fantasy, wenn man nicht nur der Argumentation des Doktors der Fantasy (und anderer) folgt, dass übernatürliche Dinge nicht nur real sind, sondern einmal definiert, den gegebenen Gesetzen folgen. Im anderen Fall wird die Fantasy- zur Märchenwelt (in der alles wandelbar ist). Auch diese These ist auf den Zamorra übertragbar - und dem Leser sollte klar sein, dass die Unwandelbarkeit im Rahmen der Zamorra-Serie nicht immer ehernes Gesetz war.
Dass aktuell im Zamorra das Höllenbild nicht mehr so ist bzw. die Hölle gar vernichtet wurde, kann man diesem aktuellen Team eigentlich schon nicht mehr zum Vorwurf machen, da schon W. K. Giesa sich nur oberflächlich mit den Höllenbildern aus den Grimorien befasst hat bzw. seine Infos von Rolf bezog und ihm nicht Genehmes im Laufe der Jahre aufweichte. Giesa selbst schrieb, sobald er den Zamorra allein in Händen hielt, frei nach Schnauze und wandelte Motive ab, ließ sie gar fallen oder weichte sie auf. Erklärungen für diese Veränderungen gab er in der Regel nicht ab. Er tat dies einfach auch, um Dinge passieren lassen zu können, die hielte man sich an die Vorgaben der Grimorien nicht oder nicht so leicht durchzuziehen wären.
Manche nannten dieses Vorgehen Giesas einen Vorteil. Für mich war das einer der Gründe, als regelmäßiger Leser aus der Serie auszusteigen. Ich bin ein großer Anhänger des Auslotens des Potentials einer Idee und ihrer Variation(en), ohne den Kern der Idee in Frage zu stellen - oder eben gar aufzuweichen und auszuhebeln. Für mich war der Weg mit mittelalterlichem Höllenbild (mitsamt aller Heerscharen) reizvoller, weil der Autor seine Ideen sorgsamer und im Einklang entwickeln musste.
Zudem war es nicht W. K.s Welt, etwas als festgelegt zu betrachten, weil manches dann seinem Spieltrieb zuwiderlief, den er dann als Autor nicht, oder nur erschwert, hätte ausleben können. So suchte auch der Mann, der Zamorra über lange Jahre geprägt hat gemäß seinem Motto »Wer wirds merken« -, auch den einfachen Weg.
Rolf hat sich seinerzeit bei seinem Zamorra-Engagement mit den Grimorien befasst. Er hat sich eingelesen und das Potenzial erkannt. Allerdings gibt es auch einen kleinen, feinen, aber nichtsdestotrotz bedeutenden Unterschied zwischen Rolf und seinen Kollegen. Rolf hat (bis auf 1986) nie zum Broterwerb geschrieben. Miete und alles andere Lebensnotwendige zahlte die Stadt Kassel als Gegenleistung für Rolfs Laufbahn im mittleren Dienst. Daher konnte er es sich leisten, Zeit zu opfern. Ein Autor, der vom Schreiben von Heftromanen lebt, muss Seiten produzieren. Recherche ist da nur manchmal ein notwendiges Übel.
Nur wird diese Recherche, die zeitintensiv sein kann, vom Honorar gedeckt? Lohnt sich das? Ist nicht wirklich der einfachere Weg der bessere? Eben der, sich selbst was zu bauen? Und hier hört die Antwort auf, einfach zu sein.
Als ich den Hüter erfand und die Serie später mit Oliver Fröhlich weiterentwickelte, haben wir ganz bewusst einzelne Bilder und Motive genommen und zu etwas Eigenem (nein, nicht zum Jodeldiplom) variiert. Denn: Es wäre zu aufwendig gewesen, den Höllenbildern der Grimorien zu folgen. Und eine solche Serie ist schon Aufwand genug.
Und sieht man sich an, wie die Hölle im Laufe der Jahre, die Hölle im deutschen Horrorheftroman dargestellt wurde bzw. ihre Vertreter in Form von Dämonen und anderen Wesen, man sieht eher den Weg des jetzigen Zamorra-Teams bestätigt.
Anders liegt der Fall bei den neuen Romanen der Serie »Larry Brent« bei Blitz. Dort greift man noch tiefer in die Konzeption der Serie ein. Nicht, dass Jürgen Dan Shocker Grasmück die Hölle da besonders authentisch geschildert hätte. Neben Einflüssen wie der Präastronautik hat sich Jürgen Grasmück da seinen eigenen Kosmos gestrickt. Nein, hier liegt der Fall in der Neuausrichtung der Romane und neuen Elemente, die echt fehl am Platz sind.
Dabei gestehe ich gern und freimütig ein, noch keinen dieser Romane gelesen zu haben. Aber die Rezensenten werden sich die Verwandten und den Bruder Galluns und die Andeutungen dazu nicht aus den Fingern gesogen haben ...
Und es geht dabei nicht darum, wie die einzelnen Romane geschrieben wurden (die ausgewählten Autoren sind gute Vertreter der Zunft). Es geht um die Grundausrichtung der Serie als Polizeiserie. Eine solche Organisation braucht keine besondere Mission, Erbe oder Prophezeiung, um gegen das Übersinnliche zu Felde zu ziehen.
Polizisten bekämpfen das Verbrechen, weil es passiert. In der Regel aber nicht, weil ein Onkel erschossen wurde und der Polizist auf Rache sinnt. Oder ihm irgendein Heiliger im Traum erschienen ist, oder der Opa mütterlicherseits mal Verbrecher war und man in sich die moralische Verpflichtung fühlt, dem Verbrechen den Kampf anzusagen. Oder weil Papa ihm seine Polizeimütze vererbt hat ...
Und so ist das dann auch bei den Abenteuern Larry Brents. Die PSA ist gegründet worden, um außergewöhnlichen und übersinnlichen Verbrechen nachzugehen. Da braucht es keine Logen und Familienmysterien. Dergleichen passt besser zu Macabros. Dort wird aber wenig in Richtung der Familie (weder der Hellmarks, Brados oder Mahays) unternommen. Dabei liegt da noch so viel Potential brach.
Die Sinclair-Serie hat das schon hinter sich gebracht, wo auch ein Polizist zum Sohn des Lichts mutierte, und so der Serie überflüssiger Ballast aufgepfropft wurde.
Eine Modernisierung der Serie sehe ich mehr auf anderen Ebenen, ohne dabei an der grundsätzlichen Ausgangssituation einer Polizei wider dem Übernatürlichen zu rütteln. Aber außer den angedeuteten Verwandten und Familienmysterien sehe ich keine Modernisierung der Serie. Brent löst sonst seine Fälle wie eh und je. Da reizt es mich auch nicht mehr, noch einmal zuzugreifen. Zumal eben hier an den Kern der Serie gegangen wird.
Und hier ist die Antwort einfach: Das brauche ich zumindest nicht. Das ist überflüssig wie ein Kropf - oder Hämorrhoiden, die jucken. Wo man für das Zamorra-Team Verständnis aufbringen kann, fehlt es mir hier völlig.
Die Sinclair-Serie hat das schon hinter sich gebracht, wo auch ein Polizist zum Sohn des Lichts mutierte, und so der Serie überflüssiger Ballast aufgepfropft wurde.
Eine Modernisierung der Serie sehe ich mehr auf anderen Ebenen, ohne dabei an der grundsätzlichen Ausgangssituation einer Polizei wider dem Übernatürlichen zu rütteln. Aber außer den angedeuteten Verwandten und Familienmysterien sehe ich keine Modernisierung der Serie. Brent löst sonst seine Fälle wie eh und je. Da reizt es mich auch nicht mehr, noch einmal zuzugreifen. Zumal eben hier an den Kern der Serie gegangen wird.
Und hier ist die Antwort einfach: Das brauche ich zumindest nicht. Das ist überflüssig wie ein Kropf - oder Hämorrhoiden, die jucken. Wo man für das Zamorra-Team Verständnis aufbringen kann, fehlt es mir hier völlig.
Kommentare
Das Festklammern an den Grimorien könnte man in dieser Hinsicht auch den einfacheren Weg nennen, denn die Grund-Struktur ist damit vorgegeben und der Autor kann nur noch in Feinheiten ausschmücken. Im übrigen sollte angemerkt sein, dass auch die Grimorien sich aus Mythen und Sagen zusammensetzen, die sich irgendjemand im Laufe der Jahrhunderte ausgedacht haben und - wenn man nicht gerade ein gläubiger Mensch ist - auch nur eine Aneinanderreihung von Fiktionen darstellen. War schon mal jemand in der Hölle und kann die Überlieferungen bestätigen? Ich kenne niemanden
Da könnte man gegenhalten, dass es schwieriger ist, sich was ganz Eigenes auszudenken. Dass ein Autor diesen Wunsch verspürt, kann man ihm nicht verdenken, denn Autoren leiden unter Phantasieanfällen, die sich Bahn brechen müssen - kurz, die Kreativität kennt keine Grenzen und will sich von solchen nicht einschränken lassen. Unter einen solchen kreativen Kopf zähle ich auch Werner, der sicher nichts mehr hasste, als sich an Vorgaben zu halten, von wem auch immer die kamen. Er musste und wollte seinen eigenen Weg gehen.
Damit - und damit komme ich zur anderen Seite der Medaille, ist aber auch der Beliebigkeit Tor und Tür geöffnet (wie es ein Forumsteilnehmer immer so schön sagt und kritisiert). Wenn nichts mehr unmöglich ist, dann geht die Spannung verloren, die besonderen Momente werden geopfert, denn besonders kann ja jetzt alles sein. Und damit wird das Besondere zum "Normalen" und nun, wenn Leser hier anfangen zu nölen und "das Besondere" nicht mehr zu erkennen vermögen, kann man ihnen daraus keinen Vorwurf machen.
Wenn das erschaffene Universum keinerlei Regeln mehr unterworfen ist - nun, dann ist es ein sterbendes Universum und vermutlich eine sterbende Geschichte, denn da muss ich Horst recht geben: spannend ist für den Leser doch zu erfahren, wie die Figuren innerhalb gewisser Parameter ihrem Schicksal begegnen. Dabei sind den Figuren stets Möglichkeiten und Grenzen gesetzt. Ihre Möglichkeiten sollten erweitert und genutzt werden, ihre Grenzen nur langsam und auch nur bis zu einem gewissen Punkt überschritten werden. Sie sollten niemals unbesiegbar oder unbekümmert sein. Selbiges sollte aber auch für die Gegner gelten. Wächst der Feind in seinen Möglichkeiten, muss es auch der Held, sonst hat er ja irgendwann keine Chance mehr. Aber wann verliert der Held dann seine Menschlichkeit (und damit sein Identifikationspotential für den Leser).
Da gilt es, die richtige Balance zu finden und zu bewahren - und das ist gar nicht so einfach.
Edit: ich persönlich finde es gar nicht immer so gut, Mythen zu vergewaltigen. Manche kommen einem auch schon zu den Ohren raus, z.B. die Artussage oder die Sache mit den Tempelrittern. Ich sehe sowas auch durchaus immer ein bißchen kritisch bei MX. Die Serie "Die Abenteurer" habe ich deswegen sogar aufgehört zu lesen, weil einfach alles miteinander vermixt wurde. Das ist dann einfach der Overkill und für mich nicht mehr glaubhaft.
Es hat durchaus was, wenn man sich was Eigenes ausdenkt, aber auch da müssen gewisse Parameter gesetzt werden, um einen dramaturgischen Rahmen zu schaffen. Auch hier sollte keine Willkürlichkeit herrschen.
Mir persönlich gefällt die Idee einer neuen - und letztendlich eher noch bedrohlicheren - Form der Hölle. Zumal ich eh schon immer ein Gegner von Hierarchien war (vor allem am Arbeitsplatz). Zwar wird es immer irgendeine Rangordnung geben, aber es ist doch mal ganz erfrischend wenn diese ursprüngliche Höllenhierarchie mal ein bisschen durcheinandergewirbelt wird. Das war mir beim Zamorra auch immer etwas suspekt. Hab nie so richtig kapiert, warum nu der Ministerpräsident über der Fürstin steht usw.
Davon ab, manche Serien kommen auch ohne die klassische Hölle aus. War das nicht sogar beim Dämonenkiller der Fall? Ich meine, da gabs die schwarze Familie, aber diese hatte keinen Sitz. Man möge mich korrigieren, wenn ich mich da vertue...
Einfach ausgedrückt.
Mit diesen Elementen kann man arbeiten. Aber so wie kein Anti-Held sich mit Gott anlegen darf, so darf eben auch kein Held dem Teufel das Licht ausblasen. Einem oder vielen seiner Unterteufel, das schon, ja. Allemal dann, wenn sie auf Erden Gestalt annehmen - so einen "Avatar" darf, kann, soll man bekämpfen und vernichten, aber damit hat man den echten gefallenen Engel dahinter nicht vernichtet. Aber dem Teufel im Zentrum seiner Macht am Zeug flicken? Das darf Gott selbst, aber sonst keiner.
Gegner wie Lovecrafts Große Alte sprengen diesen Rahmen, weil sie einer ganz anderen Auffassung vom Universum entstammen. Bei Lovecraft gibt es keinen mehr oder weniger gnädigen und gerechten Gott, der die Welt erschaffen hat und die Menschen, darin; es gibt Azathoth, blind und wahnsinnig im Zentrum seiner Schöpfung, und verschiedene andere Mächte, die mit menschlichen Maßstäben nicht zu fassen sind. Der Teufel ist hinter den Seelen der Menschen her, um Gott eins auszuwischen. Für Lovecrafts "Götter" spielen Menschen überhaupt keine Rolle. Falls sie nicht gerade bei irgendwas stören, lästig werden wie eine summende Fliege, und dann rollt der Gott eben sein Zeitungsäquivalent zusammen und löscht sie aus ...
Was die Ausgestaltung der Hölle usw. angeht, da gibt es jede Menge Möglichkeiten kreativ zu wirken und da muß man nicht unbedingt Bibelfest alles übernehmen. Raum bietet sich also genug für die Autoren und ich glaube mal das in diesem Sinne Giesa auch verfahren hätte, ohne hier gleich alles, einschließlich Luzifer platt zu machen!
Insgesamt gesehen passt diese Entwicklung nicht einmal in die Serie, da bekanntlich jede Menge höllischer Luschen einfach nicht weg zu kicken sind und dann kommt mal Luzifer und "PLÖP" ist der ehemalige Erzengel Geschichte. Also nee, die Romane mögen ja spannend geschrieben sein, aber im Gesamtkontex sind sie einfach nur unglaubwürdig!
Und seien wir mal ehrlich, sowas kann man doch mit unserem Luzifer nicht machen, dass gehört sich doch nicht.
Da wären dann ziemlich viele gefallene Engel mächtig sauer auf ihren ehemaligen Anführer ...
(Die einzelnen Inkarnisationen wie Tod, Teufel, Gaia, Nornen, Chronos usw sind normale Menschen die halt den Job der Götter übernehmen. Bei Tod und Teufel muss der Inhaber getötet werden, Chronos lebt rückwärts und "stirbt" vor der Geburt.
Wer mehr wissen will - lesen! )
Allgemein zu der Idee, Luzifer/die Hölle zu vernichten: Die finde ich (padron) saublöd und (pardon) dumm, weil man sich damit den Antagonisten wegnimmt, womit die Serie eigentlich zu Ende ist. Ohne Antagonist fehlt was. Und ob es gelingt, einen neuen zu erfinden, der dasselbe Potenzial besitzt, wage ich zu bezweifeln, denn woher sollte der "plötzlich und unerwartet" glaubhaft (!) kommen?
Davon abgesehen (jetzt wird's philosophisch!): Ohne Licht kein Schatten, ohne Finsternis kein Licht. Ohne Luzifer hört auch das Gute auf zu existieren bzw. wird relativiert. Das wurde in einer Szene von Raumschiff Enterprise (Folge "The Enemy Within") hervorragend thematisiert, als Kirk nicht mehr entscheidungsfähig war und das Kommando nicht mehr führen konnte, weil ihm seine "harte" (finstere) Seite abhanden gekommen war. Wenn das Böse = die Hölle nicht mehr existiert, gerät die Welt aus den Fugen, weil es dann ganz sprichwörtlich "des Guten zuviel" gibt. Aber wie gesagt, das ist eine rein filosofische Betrachtung.