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Glaubensfragen - Der Heftroman und die Realität zum Zweiten

Zauberwort - Der Leit(d)artikelGlaubensfragen
Der Heftroman und die Realität zum Zweiten

Andreas Decker warf in die Diskussion um Harald Webers Perry Rhodan-Kolumne And the times, they are a-changing - Perry Rhodan und der Zeitgeist den Gedanken ein, dass so mancher (Horror)-Heftroman darunter litt, dass die Wirklichkeit ausgeblendet wurde. Der Gedanke wühlte in mir und forderte Widerspruch heraus. Ich setzte zu einem Kommentar an, erkannte aber bald: Das ist nun schon insgesamt vier Leit(d)artikel wert ...


In dieser zweiten Folge geht es um ›Glaubensfragen‹, und zum ersten Mal wird dann auch der Name (und die Serie) »Perry Rhodan« eine Rolle spielen.

Dabei geht es nach wie vor um triviale Unterhaltung. Diese ist dazu da, Erfolgsmuster trendiger Unterhaltung zu vervielfältigen. Dabei arbeiten wir mit dem Heftroman, in dem Realität - wenn überhaupt - nur in homöopathischen Dosen vorhanden ist, aber auch die Trends der Unterhaltung dann schon weiter verdünnt werden bzw. verblassen. Auch wenn das Bild nicht so ganz stimmt: Die Älteren unter uns werden sich an Spiritusumdrucke im Unterricht erinnern. Nach einer bestimmten Anzahl von Kopien begann die Schrift zu verblassen. Der Heftroman (und auch seine Nachfolgeformate) oder auch die Daily Soap sind diese verblassenden Kopien. Diese Formate sind ja dazu da, Erfolgstrends der Unterhaltung billig zu vervielfältigen. Diese sind dann ziemlich verdünnt bzw. verwässert.

Im Heftroman gibt es Dinge, Personen und Organisationen, die vom Leser hinterfragt, die Realität des Heftromans als potemkinsches Dorf entlarven würde. Da sprechen wir noch nicht mal von den fantastischen Elementen, die vom Leser in jedweder Darreichungsform akzeptiert werden, sondern viel mehr von der Scheinrealität der Serien, Reihen und Romane.

Nehmen wir mal die ›PSA‹ (= Psychoanalytische Spezial-Abteilung) der Larry-Brent-Romane. Da ist ein einzelner hochrangiger Geheimdienstmann, der mitten im ›Kalten Krieg‹ eine weltumspannende Organisation aufbaut, die gegen das Übersinnliche ankämpft. Er hat vierzig Agenten und Tausende von Nachrichtenagenten und einen Kommunikationssatelliten zur Verfügung. Die Zentrale mit zwei riesigen Großrechnern, Büros und was man so für das Herzstück eines Geheimdienstes braucht, wird klugerweise unter einem bekannten Speiselokal in einer der lebhaftesten Metropolen der Welt gebaut. Der abschließende Aufnahmetest erinnert fatal an eine Mischung aus Dr. Mabuse und Edgar Wallace …

Muss ich weitermachen? OK, ich machs … Da gibt es nämlich noch viele Fragen …

Wer finanziert die Truppe? Welchen Statuten folgt die Organisation? Wie kann der Gründer quasi autokratisch agieren? Wer hat die Massen von Nachrichtenagenten rekrutiert, wenn doch das Herzstück der Truppe aus dem Chef und maximal vierzig AgentenInnen besteht? Es gibt Fortbildungen und Schulungen bei Wissenschaftlern. Woher kommen die denn …?

Ich denke, jetzt reichts wirklich.

Würde man die PSA als Organisation einmal auf Herz und Nieren prüfen, bliebe ein Lügengebäude übrig, das dem oberflächlichsten Blick einfach nicht standhält. Die PSA ist ein Wolkenkuckucksheim, ein Luftschloss oder eben ein potemkinsches Dorf.

Aber da müssen sich so manch andere nicht die Hände reiben. Von ›Jerry Cotton‹ über ›Lassiter‹ bis hin zu den ›Bergdoktoren‹ und den Chefärzten der im Wortsinne ›trivialen‹ Unterhaltung. Die Krankenhäuser von der Schwarzwaldklinik bis hin zu denen im Heftroman halten keinem Vergleich mit dem realen Gesundheitswesen stand.

Aber auch ein Parapsychologe, der – wie W. K. Giesa einst feststellte - nie aufs Klo müsse und immer über Kleingeld verfüge, hat mit der Realität nichts zu schaffen, wie auch die Polizeiorganisationen und Anwaltskanzleien in der Welt des Heftromans keinen Vergleich mit der Realität standhalten.

Und erst recht haben ›Solare Imperien‹ (oder wie immer das gerade heißt, dem ein ›Perry Rhodan‹ gerade mal vorsteht) nichts mit der Realität zu tun. Da geht es auch wieder nicht um die Tatsache an sich, dass die Menschheit überlichtschnell in den Weltraum heizt, sondern die Staatengebilde an sich, die in keiner Weise mit realpolitischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen sind.

Was bleibt ist: Die triviale Unterhaltung verfügt über Wolkenkuckucksheime und Luftschlösser, dass diese schon Legion sind. Es ist so, als versuche man einen Godzilla-Film auf eine wie auch immer geartete schlüssige Handlung hin zu analysieren.

Aber wie geht man als Leser mit diesen Scheinwelten um? In etwas aufwendiger konstruierten Unterhaltungswelten kann man sagen, so lange die Welt für die Romane funktioniert, reicht das. Doch dem Heftroman gelingt nicht einmal das. Dem Leser bleibt nur eins:

Der Leser muss das (schlicht und einfach) glauben, was ihm der oder die Autoren da vorsetzen. Er muss Organisationen wie die PSA hinnehmen. Mehr bleibt ihm nicht. Der Leser muss an Krankenhäuser jenseits der Gesundheitsreformen glauben. Ein Dr. Frank würde am realen System verzweifeln … Und man muss daran glauben, dass die Politik Rhodans dem Wohl aller dient.

Einigen Ursachen dafür gehen wir in zehn Tagen auf den Grund …

Kommentare  

#16 Harantor 2013-08-11 18:21
zitiere Pisanelli:
Agenten stell' ich mir eher gewissenlos vor - oder sagen wir, nur ihrem Land verpflichtet. James Bond hat das, glaube ich mal, in einem der neueren Filme gesagt: "Ich bin eine Hure!"


Ein doch sehr romantische Vorstellung. In der tat gab es - wie mehrere Dokus kürzlich zeigten die unterschiedlichsten Motivation von Agenten. Die reichten von Patriotismus, Idealismus bis zum finanziellen Interesse.
#17 McEL 2013-08-11 18:45
Fakt ist: In JEDEM Roman (Heft oder nicht) oder Film (sofern es sich nicht um eine echte Dokumentation handelt, keine "Doku-Soap") gibt es die Fiktion, sonst wäre es eine Dokumentation. Das heißt, wenn es dem Plot dient, werden Dinge erfunden wie PSA oder ein DOC (Department of Occult Crimes ;-) ). Das liegt in der Natur der Unterhaltungsliteratur. Im Krimi sind ja auch die darin begangenen Verbrechen fiktiv und nicht real (auf Tatsachen basierende „Tatsachenromane“ ausgenommen), werden aber auch im Roman auf real machbare Weise begangen (zumindest in guten Romanen). Diese Art von „Wolkenkuckucksheimen“ ist das Kennzeichen jeder Unterhaltungsliteratur, egal ob Heft oder Buch.

Ich wage aber zu behaupten, dass heutzutage (bis auf einige extrem blauäugige Menschen) niemand auf den Gedanken käme, PSA oder DOC oder Jerry Cottons geheime FBI-Abteilung für real zu halten. Solche Dinge zu Unterhaltungszwecken zu erfinden, ist Sinn der Sache. Hier liegt der Reiz u. a. darin, mit der Möglichkeit zu spielen, was wäre/könnte sein, wenn es diese Organisationen, wenn es Magie und Reisen zu fernen Galaxien etc. gäbe.

An dieser Stelle setzt m. E. die geforderte Realitätsnähe ein. Wenn ich solche Dinge erfinde, bin ich meiner Überzeugung nach als Autor verpflichtet, sie so aufzubauen, dass sie real existieren KÖNNTEN, und zwar im Buch ebenso wie im Heft. Das heißt, ich mache mir VORHER Gedanken darüber, wie so eine Organisation aufgebaut wäre (wenn wir beim Beispiel PSA bleiben), wie würde sie erhalten, finanziert, welchen Standort, Ausrüstung braucht sie usw. Das erzähle ich später natürlich NICHT seitenlang dem Leser. Hier genügt es, an entsprechenden Stellen einen Satz oder zwei einzuflechten, die das logisch nachvollziehbar erklären.
(Sinngemäßes) Zitat aus „Independence Day“, als der Präsident (?) zum ersten Mal von der „realen“ Existenz von Area 51 erfährt und fragt: „Und wer finanziert das alles?“ und jemand antwortet ironisch: „Sie glauben doch nicht etwa, dass Sie jemals 20.000 Dollar für eine Klobrille bezahlt haben.“ – Solche Hinweise genügen, um die Glaubwürdigkeit und logische Nachvollziehbarkeit IN DER FIKTION zu schaffen und zu erhalten.
Habe ich in meiner fiktiven Welt aber gewisse Gesetzmäßigkeiten festgelegt, dann MUSS ich denen konsequent folgen, andernfalls die Geschichte unglaubwürdig wird. Und wenn der Leser wegen ihm aufstoßenden Ungereimtheiten oder nicht nachvollziehbaren Dingen geistig aus der Fantasie seines Lesestoffes fliegt, ist er sauer. Mit Recht, wie ich meine.

Zur absoluten Realitätsdarstellung bin ich nach meiner Überzeugung immer dann verpflichtet, wenn ich reale Dinge beschreibe, z. B. real existierende Orte. (Lediglich bei realen Hausnummern u. ä. muss man als Autor aus rechtlichen Gründen fiktive nehmen, sofern es sich nicht um öffentliche Gebäude handelt. Nebenbei: Die gegenwärtige Riege der z. B. Jerry-Cotton-Autoren wird von Verlagsseite dazu angehalten, ihre Ortsbeschreibungen per Google Streetview real zu gestalten.) Oder bei Polizeiarbeit, Medizinerwissen usw. Ein Beispiel: Wenn ich jemanden durch den Biss einer Vogelspinne sterben lassen will, MUSS ich dem Opfer eine Allergie gegen Spinnengift mitgeben, sonst lacht mich jeder Leser aus, der weiß, dass das Gift einer Vogelspinne nicht schlimmer wirkt als der Stich einer Wespe.
Und nein, meiner Überzeugung nach darf ich die Realität nicht deshalb beugen, weil ich ja „nur“ einen Heftroman schreibe. Diese Einstellung empfinde ich als absolut respektlos und sogar diskriminierend gegenüber dem Leser und ist für mich persönlich ein absolutes No Go, auf das ich mich nur einlasse, falls der Verlag nachdrücklich auf der Unkorrektheit besteht. (Und auch dann nur unter Protest.)

Wenn ich eine ganze Grafschaft (z. B. „Midsomer“) erfinde, dann kann ich darin natürlich schalten, wie ich will – innerhalb der von mir dort festgelegten Gegebenheiten. Ich kann zwar eine fiktive Schwarzwaldklinik erfinden, in der das Personal realitätsfern eitel Freud’ und Sonnenschein für die Patienten ist; das ist eine legitime Fiktion, von der eine solche Serie lebt. Und auch die ließe sich glaubhaft „realitätsnah“ damit begründen, dass die Klinik z. B. in privater Hand ist und (wie viele Kliniken in den USA) privat geführt und finanziert wird und deshalb mit bestens geschultem Personal und den technisch neuesten medizinischen Möglichkeiten aufwartet. Schon habe ich zwar Fiktion, weil diese Klinik nicht existiert, aber trotzdem Realität, was die Machbarkeit betrifft: Es könnte sie real geben. Aber die Operation(smöglichkeit)en, die ich in einer solchen fiktiven Klinik beschreibe MÜSSEN im Rahmen realer (gern auch modernster) Möglichkeiten liegen. Erfindet hier ein Autor Dinge, die gar nicht existieren oder versetzt er mangels Wissen die Leber dorthin, wo beim Menschen die Niere sitzt, verarscht er damit seine Leser und handelt sich berechtigte Schelte von denen ein, die es besser wissen.

Hier spielt auch die veränderte Leserrealität eine Rolle. Als Larry Brent erfunden wurde, gab es weder Google Streetview noch Wikipedia (und auch dort ist nicht alles korrekt) noch überhaupt die Möglichkeit, Sachverhalte in Sekundenschnelle im Internet zu überprüfen. Heute sind die Leser, wenn sie wollen, erheblich informierter über „den neuesten Stand des Wissens“ als damals. Außerdem sind viele Leser heute sehr viel kritischer als damals. Früher haben sich die meisten damit begnügt, von einem (Heft)Roman gut unterhalten zu werden; ob darin Realität porträtiert wurde oder nicht, war meistens egal (sofern einem die Ungereimtheiten oder „dichterischen Freiheiten“ nicht geballt und entsprechend schmerzhaft ins Gesicht sprangen). Heute erwarten nach meinen Erfahrungen die Leser auch vom Heft, dass es sich zumindest in den ihnen bekannten Dingen an die Realität hält bzw. der in einem vom Autor geschaffenen fiktiven „Universum“ festgelegten „Realität“ konsequent folgt.
Und ich spreche aus meiner langjährigen Erfahrung als Heftroman- wie auch Buchromanschreiberin, wenn ich sage, dass es nicht das geringste Problem darstellt, auch im Heft die Realität größtmöglich abzubilden (abzüglich der jeder Unterhaltung dienenden fiktiven Elemente), ohne die Leser mit langatmigen Erklärungen zu langweilen.

Worum es bei dieser Diskussion m. E. im Kern aber eigentlich geht, ist nicht die Forderung, dass im Heftroman wie auch Roman die Realität 1 : 1 abgebildet werden soll(te), denn schon die Handlung ist in der Regel fiktiv, sondern die Forderung, dass dort, wo real existierende Gegebenheit geschildert werden (siehe Beispiele oben), diese korrekt dargestellt werden. Diese Forderung unterschreibe ich hundertprozentig.
#18 Pisanelli 2013-08-11 19:00
McEl, Du sprichst mir aus dem Herzen. Jetzt ist die Frage: arbeiten Verlage so oder kann man diese von Dir geschilderten Anforderungen nicht erwarten? Denn ich muss sagen, dass ich da gerade im Heftroman als Leser immer wieder an meine Grenzen stoße. Habe ich zu hohe Erwartungen, wenn ich finde, dass man sich an die Regeln seines eigen geschaffenen Universums halten sollte (kleine Beugungen und Ausnahmen nimmt ja jeder in Kauf)? Ich werde inzwischen regelmäßig von Macherseite bei MX beschimpft, weil ich Logikbrüche nicht kommentarlos hinnehme und auf "Regeleinhaltung" bestehe und die Regelbrüche gnadenlos zur Sprache bringe.
Wenn z.B. ein Permanenter EMP ausnahmslos ALLE Maschinen mit elektrischen Bauteilen zum Erliegen bringt und plötzlich Motorräder auftauchen, die doch fahren können, dann kann ich doch als Leser feststellen, dass ich das "nicht richtig" finde, weil das gemogelt ist. Mir ist natürlich klar, dass 99 von 100 Lesern das vermutlich NICHT EINMAL AUFFÄLLT, aber deswegen hat die Kritik doch ihre Berechtigung. Da ich das Maddraxikon miterstelle, bin ich bei solchen Sachen sensibel und sie fallen mir immer SOFORT auf. Und ich gehöre nun mal zu der Sorte von Leser, die da ihre Klappe nicht halten können.
#19 Hannes 2013-08-11 19:43
@Pisanelli: Bei den Mittorrädern stellt sich aber die Frage,ob diese nur per Elektrik (Batterie) und Kickstarter gestartet werden oder mittels elektronichen Zünder und mit Elektronik fahren. Da gibt es durchaus Unterschiede.
#20 Larandil 2013-08-11 19:45
zitiere Pisanelli:

Wenn z.B. ein Permanenter EMP ausnahmslos ALLE Maschinen mit elektrischen Bauteilen zum Erliegen bringt und plötzlich Motorräder auftauchen, die doch fahren können, dann kann ich doch als Leser feststellen, dass ich das "nicht richtig" finde, weil das gemogelt ist. Mir ist natürlich klar, dass 99 von 100 Lesern das vermutlich NICHT EINMAL AUFFÄLLT, aber deswegen hat die Kritik doch ihre Berechtigung.

Sind das möglicherweise Motorräder mit Dieselmotoren? ;) Die brauchen keine Zündfunken, und mit ein bißchen Technik braucht es nicht mal einen elektrischen Anlasser.

In den 70ern war so was mal als Idee/Konzept in einer Motorradzeitschrift, wenn es dem Fahrer nicht so auf die Beschleunigung ankommt. Es hat sogar mal Dieselmotoren für Flugzeuge gegeben ...
#21 Hermes 2013-08-11 20:23
GoMar schrieb:
Zitat:
Es ist in erster Linie nur wichtig, dass der Roman unterhält. Alles andere ist Makulatur ...
Ich denke ganz so einfach ist es denn doch nicht! Ich sehe dass so wie McEL:

Zitat:
Zur absoluten Realitätsdarstellung bin ich nach meiner Überzeugung immer dann verpflichtet, wenn ich reale Dinge beschreibe, z. B. real existierende Orte. (Lediglich bei realen Hausnummern u. ä. muss man als Autor aus rechtlichen Gründen fiktive nehmen, sofern es sich nicht um öffentliche Gebäude handelt. Nebenbei: Die gegenwärtige Riege der z. B. Jerry-Cotton-Autoren wird von Verlagsseite dazu angehalten, ihre Ortsbeschreibungen per Google Streetview real zu gestalten.) Oder bei Polizeiarbeit, Medizinerwissen usw. Ein Beispiel: Wenn ich jemanden durch den Biss einer Vogelspinne sterben lassen will, MUSS ich dem Opfer eine Allergie gegen Spinnengift mitgeben, sonst lacht mich jeder Leser aus, der weiß, dass das Gift einer Vogelspinne nicht schlimmer wirkt als der Stich einer Wespe. Und nein, meiner Überzeugung nach darf ich die Realität nicht deshalb beugen, weil ich ja „nur“ einen Heftroman schreibe.
Der Heftroman ist zwar kein Buch und mit diesem nur bedingt vergleichbar. Aber das Format ist deshalb nicht naturbedingt oder zwangsläufig auf qualitativ minderwertige Inhalte beschränkt.
#22 GoMar 2013-08-11 20:26
Dass die Lesegewohnheiten von heute gegenüber von vor 50, 40 oder 30 Jahren andere sind und waren, bestreite ich ja überhaupt nicht. Auch ich kann mit vielem von dem, was ich früher leichter akzeptieren konnte, nicht mehr viel anfangen. Aber wer will z. B. ständig nur Westernromane lesen, die sich ganz exakt an den historischen Gegebenheiten orientieren? Die würden ja bald nur noch langweilig wirken, nachdem sich herauskristallisierte, dass es den heroisierten Wilden Westen überhaupt nicht gegeben hat. Oder Seeräuberabenteuer, wo kapitelweise nur über Borddienst und Langeweile auf See geschrieben werden würde, weil im Endeffekt weitaus weniger kaperfähige Handelsschiffe unterwegs waren entgegen der inzwischen kolportierten (Leser)Meinung. Das würde kaum jemanden interessieren.

Natürlich hat McEL damit recht, dass die geografischen und historischen Gegebenheiten möglichst genau geschildert werden müssen, aber selbst das kann nicht nur in konkreten, dürren Worten geschehen, sondern muss auch etwas ausgeschmückt werden. Sonst würde es auch genügen, zu schreiben: Er wohnte in der x-Gasse in einem zweistöckigen Haus mit einer Eingangstür und mehreren Fenstern zur Gassenseite hin. Punkt. Damit wäre alles gesagt. Aber irgendwie nicht genügend, um den Leser zu fesseln und mit hineinzuziehen in die Geschichte, oder?

Und zum Thema PSA: Wer kann denn wirklich sagen, dass es so eine Organisation nicht doch geben könnte, die von den beschriebenen Räumlichkeiten her so aufgebaut ist, wo alles nach außen hin durch die Hände eines Einzelnen läuft? Wer weiß denn schon, wem er oder sie weisungsgebunden wäre? Und in den Sechzigern gab es schon diese riesigen Computer, die ganze Gebäude füllten und im Endeffekt weniger Leistung hatten als heutzutage ein normaler PC. Sonst hätte es keine Mondflüge der NASA gegeben. Und ich bin überzeugt davon, dass sich viele Mitarbeiter von Geheimdiensten oder ähnlichen Organisationen keine Gedanken darüber machen, woher ihr Gehalt kommt, so lange es nur auf ihrem Konto einlangt.

Gerade Dan Shocker hatte immer viele vorausschauende Ideen, was seine Themen anging, die nicht lange danach oftmals Wirklichkeit wurden, obwohl ich mir auch damals des Öfteren dachte, dass das wohl wieder sehr weit hergeholt ist. Plötzlich gab es das alles - und war somit sogar auch ein wenig real geworden.

Das von McEL angesprochene Area 51 ist doch auch so ein wunderbares Beispiel: Gibt es das nun oder gibt es das nicht? Stimmt die Behauptung, dass die Amis dort die abgestürzten UFOs und deren Technik ausschlachten und studieren? Oder stimmt das Gerücht, dass die Amis selber an so geheimen Antrieben arbeiten, die es ihnen ermöglichen, diese ungeheuerlichen Geschwindigkeiten zu erreichen, auch das momentane Stehenbleiben in der Luft und das Abbiegen in extremen Winkeln? Ich würde sagen, diese letztere These hätte sogar die meiste Logik in sich, denn an die Besucher aus dem All mag ich irgendwie doch nicht so recht glauben, denn die hätten uns ja noch nicht mal wahrgenommen ob der riesigen Entfernungen und der "kurzen Zeitspanne", die wir erst existieren am Rande unseres Spiralarmes in der Bedeutungslosigkeit.

So gesehen könnte die PSA genauso real existieren (Dan Shocker beschrieb sie ja immer als absolut geheime Organisation) wie viele andere Organisationen, von denen wir möglicherweise nicht einmal etwas ahnen und noch weniger wissen. Ich dachte früher auch immer, die NSA wäre nur für den Heimatschutz auf amerikanischem Boden zuständig. Aber wie man inzwischen erfahren hat ... :-x
#23 GoMar 2013-08-11 20:45
zu #21 Hermes:

Der Fazitsatz war vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber ich sage ja nicht, dass der Heftroman nur auf qualitativ minderwertige Texte beschränkt ist oder sein soll. Habe ich auch nie gesagt!

Ich sagte lediglich, dass er in erster Linie spannend zu unterhalten hat und nicht seitenlange unnötige Charakterstudien aller Protagonisten oder Beschreibungen über z. B. Hausfassaden und Stuckaturarbeiten etc. bringen sollte. Die Hauptfunktion des Heftromans war sicherlich das Entführen normaler Menschen in andere Gedankenwelten zu erschwinglichen Preisen, die sich hochgeistige Literatur nicht leisten konnten und auch meistens nicht leisten und lesen wollten. Deswegen waren die wenigsten davon dumm (wie das ein Zauberkreis-Redakteur mal darlegte), sondern stellten in ihren Berufen durchaus kompetent ihren Mann und ihre Frau ...

Und mein Nickname schreibt sich GoMar, lieber Hermes ...
#24 Hermes 2013-08-11 22:27
#23 GoMar

die Diskussion ging doch darum, dass (bzw. inwieweit)(Heft-)Romantexte in sich schlüssig sein sollen und wieviel Realität dort einbezogen sein soll. Dein Posting ging da schon in eine ganz andere Richtung. Und die Vorredner hatten übrigens nirgends seitenlange Charakterstudien der Protagonisten oder Beschreibungen über Hausfassaden gefordert. ;-)

Für mich ist der völlige Verzicht auf Realitätsbezug und innere Logik ein zentrales Kennzeichen für qualitativ minderwertige Texte.

Die Einführung fanstastischer Elemente ist auch kein Argument dagegen. Gerade wenn das übrige nachvollziehbar und in sich schlüssig ist, gewinnen auch die fantastischen Elemente an Akzeptanz und Glaubwürdigkeit.
#25 McEL 2013-08-11 22:29
zitiere Pisanelli:
McEl, Du sprichst mir aus dem Herzen. Jetzt ist die Frage: arbeiten Verlage so oder kann man diese von Dir geschilderten Anforderungen nicht erwarten? Denn ich muss sagen, dass ich da gerade im Heftroman als Leser immer wieder an meine Grenzen stoße. Habe ich zu hohe Erwartungen, wenn ich finde, dass man sich an die Regeln seines eigen geschaffenen Universums halten sollte (kleine Beugungen und Ausnahmen nimmt ja jeder in Kauf)?


Das ist von Verlag zu Verlag verschieden bzw. von Lektor zu Lektor. Ich zitiere immer gerne das, was mir ein Heftromanlektor mal gesagt hat, als ich mich über "gebeugte" Realtität beschwerte: "Das ist doch egal. Das ist ein Heftroman, da schreibst du für Leute mit Bildzeitungsniveau."
Das fand ich noch schlimmer als den Realitätsbruch, denn damit hat er das Gros der Leser m. E. beleidigt.
Was mich persönlich betrifft: Nein, du erwartest nicht zuviel, denn deine Erwartungen hinsichtlich der Realitätsnähe bzw. des Einhaltens der Regeln in einer fiktiven Welt, die der Autor selbst aufgestllt hat, sind meiner Überzeugung nach berechtigt, und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich um ein Heft oder ein Buch handelt.
Die Einstellung, dass ich es beim Heft nicht so genau nehmen müsste, ist m. E. mit dafür verantwortlich, dass das Heft immer noch mit "Schund" gleichsetzt wird und Heftautoren als Autoren "2. Klasse" belächelt werden.

Zitat GoMar:
Zitat:
Natürlich hat McEL damit recht, dass die geografischen und historischen Gegebenheiten möglichst genau geschildert werden müssen, aber selbst das kann nicht nur in konkreten, dürren Worten geschehen, sondern muss auch etwas ausgeschmückt werden. Sonst würde es auch genügen, zu schreiben: Er wohnte in der x-Gasse in einem zweistöckigen Haus mit einer Eingangstür und mehreren Fenstern zur Gassenseite hin. Punkt. Damit wäre alles gesagt. Aber irgendwie nicht genügend, um den Leser zu fesseln und mit hineinzuziehen in die Geschichte, oder?
Hier greift die Schreibtechnik "Show, don't tell". Ich kann solche Beschreibungen wunderbar in eine Handlung einbetten und spannend (oder zumindest interessant) schildern, OHNE die Realität zu beugen ("auszuschmücken"), indem ich z. B. der Fassade bei diesem Beispiel eine Eingangstür andichte, auf der das geschnitzte Relief einer Teufelsfratze zu sehen ist. (Du verstehst, was ich meine.) Auch solche Dinge sind, unabhängig davon, ob ich ein Heft oder ein Buch schreibe, problemlos machbar.

Zitat:
Aber wer will z. B. ständig nur Westernromane lesen, die sich ganz exakt an den historischen Gegebenheiten orientieren? Die würden ja bald nur noch langweilig wirken, nachdem sich herauskristallisierte, dass es den heroisierten Wilden Westen überhaupt nicht gegeben hat. Oder Seeräuberabenteuer, wo kapitelweise nur über Borddienst und Langeweile auf See geschrieben werden würde, weil im Endeffekt weitaus weniger kaperfähige Handelsschiffe unterwegs waren entgegen der inzwischen kolportierten (Leser)Meinung. Das würde kaum jemanden interessieren.
Hier besteht die Kunst darin, fiktive Handlungen (!) in die damalige Realität einzubetten. Oder zu dem sehr bewährten Trick des Perspektivwechsels zu greifen. Rein theoretisch (und auch praktisch) kann ich aus demselben Ergeignis - zum Beispiel der Kaperung ein und desselben Schiffes - mindestens ein Dutzend spannender Heftromane schreiben, indem ich jeden Roman aus der Sicht einer anderen Person schildere. Die Schlacht selbst würde dabei nur zweimal thematisiert werden: einmal aus Sicht des Handelskapitäns und einmal aus der des Piratenkapitäns. Daraus lassen sich zwei völlig verschiedene Romane machen, in denen der Leser kein einziges Mal das Gefühl hätte, er liest eine Wiederholung. Und selbst wenn man "nur" den Borddienst und die Langeweile auf See als Ausgangspunkt für eine Handlung zur Verfügung hätte, ließen sich auf dem Hintergrund dessen noch spannende Handlungen erfinden (Intrigen, Streitereien, Freundschaften, Vorratsdiebstähle, Mord & Totschlag ...), die dann zwar fiktiv wären, die es garantiert aber in der Form real irgendwann gegeben hat.
Ich wiederhole (mal wieder ;-) ): Die einzige Einschränkung, um spannend zu schreiben und Themen zu finden, liegt in der Kreativität der Autoren. ;-)

"Realität" heißt selbst bei historischen Themen eben NICHT, dass ich mich auf die Schilderung von realen historischen EREIGNISSEN beschränke, die in den Geschichtsbüchern stehen (z. B. US-Bürgerkrieg), sondern dass ich meine Romanhandlung so schreibe, dass sie in die damalige Realität passt und so stattgefunden haben könnte - angefangen bei der Handlung selbst, über die Kleidung meiner Figuren usw. bis hin zu der Art, wie sie im Sommer ihre Lebensmittel gekühlt haben, als es noch keinen Kühlschrank gab.
Was NICHT passt, sind Dinge wie Kaiser Nero ins Kolosseum zu setzen (das existierte zu seinen Lebzeiten noch gar nicht) oder einen Bürgerkriegssoldaten mit einer Winchester 73 schießen zu lassen, die zu der Zeit noch gar nicht erfunden war. Bei solchen Klöpsen werfe ich dem Autor Schlampigkeit vor, denn solche Fehelr lassen sich mit ein bisschen Recherche heutzutage problemlos vermeiden. Und um die Vermeidung solcher Fehler geht es bei der Forderung nach "Realität".

Oder um es am Beispiel eines Krimis auf den Punkt zu bringen: Es gibt in der Realität Tausende von Morden, bei denen das Opfer erstochen wurde. Lasse ich in meinem finktiven Roman das Opfer ebenso erstechen, ist die erstochene PERSON (und alle anderen Personen) zwar fiktiv, die Beschreibung des Mordes entspricht (zumindest bei mir) aber ebenso der Realität wie die Ermittlungsarbeit der Polizei. DAS ist die Form von Realität, die auch in jedem Heftroman problemlos machbar ist, ohne dass auch nur ein Jota an Spannung dabei verlorengeht.

PS: Wenn ich alle elektrische Maschinen durch irgendetwas funktionsunfähig mache und dann doch welche funktionieren, MUSS ich dem Leser wenigstens in einem Nebensatz erklären, wie das möglich ist, sonst mache ich mich der Beugung meiner eigenen fiktiven Realität schuldig und verprelle dem Leser den Spaß am Lesen.
#26 McEL 2013-08-11 22:34
Zitat:
Für mich ist der völlige Verzicht auf Realitätsbezug und innere Logik ein zentrales Kennzeichen für qualitativ minderwertige Texte.
AMEN!!! Für mich fallen auch Texte in die Kategorie "minderwertig", wenn sie die Realität "nur" teilweise beugen, weil der Autor (evt.) zu faul gewesen ist, seinen Plot realistisch zu konstruieren oder vernünftig zu recherchieren.

Zitat:
Die Einführung fanstastischer Elemente ist auch kein Argument dagegen. Gerade wenn das übrige nachvollziehbar und in sich schlüssig ist, gewinnen auch die fantastischen Elemente an Akzeptanz und Glaubwürdigkeit.
So ist es!
#27 Pisanelli 2013-08-12 09:09
zitiere McEL:

Das ist von Verlag zu Verlag verschieden bzw. von Lektor zu Lektor. Ich zitiere immer gerne das, was mir ein Heftromanlektor mal gesagt hat, als ich mich über "gebeugte" Realtität beschwerte: "Das ist doch egal. Das ist ein Heftroman, da schreibst du für Leute mit Bildzeitungsniveau."

Die Einstellung, dass ich es beim Heft nicht so genau nehmen müsste, ist m. E. mit dafür verantwortlich, dass das Heft immer noch mit "Schund" gleichsetzt wird und Heftautoren als Autoren "2. Klasse" belächelt werden.

Und genau das passiert bei mir. Ich empfinde mich als Leser 2. Klase, der von Autoren 2. Klasse bedient wird. Nur, wenn man das laut sagt, erntet man lauter beleidigte Reaktionen (verständlicherweise). Aber ganz genau so empfinde ich es zur Zeit und deswegen bin ich inzwischen zu dem Schluss gekommen, es soll nicht anders sein. Ich finde das furchtbar, denn damit wird sich der Heftroman meiner Meinung nach auf Dauer sein Grab schaufeln - oder sagen wir, er wird sich sicher nie mehr in die Höhe schwingen, sondern höchstens noch eine Nische bedienen. Auch die jüngere Generation greift sich lieber ein 250-Seiten-Harry-Potter als 64 Seiten Zamorra oder Maddrax-Seichte-Unterhaltung. Wenn man das so beibehält, wird es auch nichts bringen, auf Ebook umzusteigen. Es gibt dann einfach bessere Literatur, die vielleicht teurer ist, von der man aber auch deutlich mehr hat. Und Geld ist heute nicht mehr so das Problem.
#28 Pisanelli 2013-08-12 09:20
zitiere Hannes:
@Pisanelli: Bei den Mittorrädern stellt sich aber die Frage,ob diese nur per Elektrik (Batterie) und Kickstarter gestartet werden oder mittels elektronichen Zünder und mit Elektronik fahren. Da gibt es durchaus Unterschiede.

Die einzige Erklärung war, dass die mit Alkohol und nicht mit Benzin laufen. Das war mir zu dünn und zu simpel als Erklärung.

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