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Hasta la vista, Tastatur! - Januar 2014

Auf eine Mail mit Uschi ZietschHasta la vista, Tastatur!

Wer im nächsten Leben eine Tastatur werden möchte, sollte dies nicht bei Uschi Zietsch tun.

Er erlebt dann zwar aus buchstäblich erster Hand jede Menge spannende Geschichten, aber leider nur für eine begrenzte Zeit: Nach eigener Aussage ist Uschi nämlich ein regelrechter Tastatur-Terminator.

Wie es ihren Schreibmaschinen ergangen ist und was sie zur Umstellung auf Computer zu erzählen hat, erfahren wir heute.


1Andreas: Alles mechanisch, oder was? Damit meine ich nicht, ob du deine Geschichten gedankenlos runterschreibst. Vielmehr interessiert es mich, wie für dich das Schreiben am Computer im Vergleich zu Schreibmaschinen ist. Manche Autoren schwören ja auf ihre Schreibmaschine (siehe auch den Film „You've got mail“), sei sie mechanisch oder elektrisch. Selbst das gute, alte Notizbuch hat nicht völlig ausgedient. Was gefällt dir persönlich besser, Schreibmaschine oder Schreibprogramm? Und beeinflusst das Schreibmittel das Endergebnis?


Uschi: Ganz ehrlich, ich bin sowas von heilfroh über Schreibprogramme und Computer, ich kann es gar nicht oft genug betonen. Vor allem, wenn man einen Heftroman schreibt, bei dem ja alles ein bisschen schneller gehen muss oder sich doch noch Änderungen ergeben nach Rücksprache mit den Kollegen ... ich kann es mir überhaupt nicht mehr vorstellen, wie das früher war.
Als ich angefangen habe, habe ich zuerst alles mit Bleistift aufgeschrieben und dann auf die Schreibmaschine übertragen, das war also meine Überarbeitung. Da lernt man natürlich, von vornherein sehr exakt zu arbeiten, um dann so wenige Änderungen wie möglich zu haben, wenn die Schreibmaschinenfassung erst mal vorliegt. Insofern also ein Vorteil, weil man auch beim Schreiben mit der Hand die Gedanken ganz anders sammelt und niederlegt als mal „schnell was in den PC gehackt“. Es war in jedem Fall ein ruhigeres, teilweise intensiveres und konzentrierteres, wohlüberlegteres Arbeiten. Aber auch gesundheitlich ruinös. Permanente, sehr schmerzhafte Sehnenscheidenentzündungen beidhändig waren die Folge, und die Fingergelenke haben Arthrose davongetragen; von der Hornhaut, die ich nie wieder losgeworden bin, ganz zu schweigen. Mit meinen bäuerlichen Arbeiten seit mehr als neun Jahren hier auf dem Hof habe ich inzwischen grobe, krumme, unschöne Hände bekommen, die sich über jede Erleichterung und Schonung im Schreibprozess freuen.
Da war ja die erste elektrische Kugelkopfmaschine schon ein gewaltiger Fortschritt. Brother war so nett, an heimische Tipper wie mich zu denken, und brachte eine Maschine auf den Markt, die nicht mehr als 15 Kilo wog und unter tausend Mark kostete. Und man musste nicht mehr in die Tasten hauen, sondern die Berührung war „zart“. (Also zumindest damals. Heutzutage bräuchte ich wahrscheinlich einen Hammer, um da was aufs Papier zu kriegen ...)
Also fix im Laden gejobbt, um das Geld zusammenzukriegen, und dann her damit! Das Problem war nur, dass die Maschine bereits nach einer Stunde ständigen Gebrauchs heiß lief und in den Kühlschrank gestellt werden musste, damit sie wenigstens nach 30 Minuten wieder einsetzbar war, sonst hätte die Wartezeit mindestens zwei Stunden in Anspruch genommen. Keine Frage, dass mir der erste Motor trotzdem nach vier Wochen abgeraucht ist. Aber wozu hat man Garantie? Die Austausch-Maschine hielt ein halbes Jahr, immerhin, dann flog mir der Kugelkopf entgegen und bescherte mir einige blaue Flecken an der Denkerstirn. Ab zur Reparatur, Ersatzmaschine, Maschine zurück, schon nach vierzehn Tagen das gleiche Problem. Und warum? Weil ich die Kugelköpfe öfter tauschte, nämlich zwischen normaler und Kursivschrift. Da wurde die nicht für exzessiven Gebrauch gedachte Befestigung nun einmal locker.
Doch der nächste Fortschritt stand an: Eine Typenradmaschine! Und die wog nur noch 5 Kilo (das Nachfolgemodell 3 Kilo), wie unglaublich war das denn? Und: sie überhitzte nicht mehr, weil sie automatisch nach 3 Sekunden Nichtbetätigung abschaltete. Und der Tastendruck, das war ja nur noch ein Streicheln! Meine Handgelenke dankten es mir ebenso wie meine Finger.
Aber: Auch das Typenrad verschliss schnell im Wechsel, bis zu einzelnen Typen, die einfach abbrachen, und die Tasten waren bald demoliert. Die konnten die Menge an Buchstaben einfach nicht aushalten, die ich eingab. Doch es gab bereits Abhilfe.
Inzwischen hatten wir 1986 erreicht und ich arbeitete bei einer Computerschulungsfirma, und siehe da, es gab XTs und ATs, mit dicken, großen Bildschirmen, und der Fortschritt: Gelbe Buchstaben, nicht mehr grüne! So ein Ding ging für ein paar Mark mit nach Hause, zusammen mit dem ersten Word, das irgendjemand drauf „vergessen“ hatte, und einem Satz Disketten (5 1/4'' natürlich, und da passte das Word-Programm auf eine einzige Diskette drauf!). Der Festplattenspeicher war riesig, 5 MB oder so. Der Arbeitsspeicher lag bei 640 KB.
Das Tolle an der (herrlich weichen) Tastatur war und ist, dass es ihr nichts ausmacht, wenn ich sie aufarbeite. Ausstöpseln, neue kaufen für ein paar Mark, einstöpseln. Das mache ich heute noch so. Meine jetzige externe Tastatur (ich habe nur noch Notebook) hält allerdings schon über ein Jahr, ich glaube, die ist zäh und wird den Rekord noch brechen. Buchstaben (e, a, s, c, n, m, b, d, r, h, l) kann man zwar so gut wie keine mehr lesen, aber wer braucht das schon? Zur Not schaue ich auf die NB-Tastatur. Ach so, auch schon blind ...
Wo war ich doch gleich?
Ach ja. Ich liebe den Computer, die Tastatur, die Programme, die es mir erlauben, gleichzeitig Notizen zu schreiben, nach vorn und hinten zu springen, hier zu streichen und dort zu ergänzen und dann auch einfach nur an irgendeiner Stelle draufloszuschreiben, wohin die Geschichte mich treibt, wenn meine Figuren unbedingt wissen wollen, welche Abenteuer sie gerade an diesem Ort erwarten. Oder an allen drei Büchern einer Trilogie gleichzeitig zu schreiben, damit die Geschichte insgesamt ineinander verzahnt ist. Ich hätte mein Arbeitspensum der vergangenen 18 Jahre niemals in der gleichen Weise bewältigen können, hätte ich nicht dieses Hilfsmittel. Und vor allem: im Speicher ruhen jede Menge „olle Kamellen“, die ich aufrufen, überarbeiten und publizieren kann, ohne alles mühsam neu tippen zu müssen.
Ich glaube nicht, dass der PC das Endergebnis eines aktuellen Romanes verändert – sehr wohl aber die Arbeitsgeschwindigkeit und meine Möglichkeit, dadurch vom Schreiben leben zu können, weil ich mehr schaffe. Das gute, alte Notizbuch verwende ich eigentlich nur noch zum Sammeln (ich liiiiiebe Kladden ...) – aber dafür habe ich haufenweise Handzettel, weil mir gerade hier oder da oder dort etwas eingefallen ist, das ich schnell notieren muss, bevor es weg ist. Das kann dann schon auch mal eine Serviette sein oder eine Schokoladenverpackung. Nicht geeignet ist Alufolie, so als Tipp nebenbei.
Ich betrachte immer neidisch die Arbeitstische der Kollegen, die wie geleckt aussehen. Bei mir schaut es trotz Computer immer noch aus wie in einer Schachtel, in der lauter Zeitkapseln explodiert sind.

Andreas: Ich habe vergeblich versucht, das 10-Finger-System auf einer mechanischen Schreibmaschine zu lernen. Meine beiden kleinen Finger haben sich dem erfolgreich widersetzt, ihr Anschlag war einfach zu schwach. Auf der Computertastatur hab ich es dann leider nie nachgeholt. Und Steno hat mich zwar fasziniert, aber nie wirklich gereizt. Hast du eines der beiden Systeme gelernt?

Uschi: Ich kann das 10-Finger-System auch nicht. Ich habe mal damit angefangen und ein paar Tricks sind hängengeblieben, sodass ich weitgehend blind schreiben kann und bis zu 450 Anschläge in der Minute schaffe, aber richtig gelernt habe ich es nie. Steno fand ich im Alter von zwölf Jahren lustig, sozusagen als Geheimschrift, weil es schon damals in den 70ern außer Mode kam und von kaum jemandem mehr beherrscht wurde. In der Schule wurde ein Kurs dazu angeboten, aber nach drei Stunden war mir das zu langweilig und vor allem meine Schrift einfach zu schlecht. Ich bin mit diesen dünnen Linien nicht zurechtgekommen, und eigentlich wollte ich sowieso etwas anderes machen – schreiben.

Andreas: Vielen Dank und fürs neue Jahr jede Menge Anschläge pro Minute!

Kommentare  

#1 Kerstin 2014-01-04 12:44
Ich erinnere mich noch mit Schrecken an den Schreibmaschinenunterricht in der Höheren Handelsschule anno 1986. Mit der mechanischen Maschine, die noch aus der Jugendzeit meiner Mutter herumstand, war kein 10-Finger-System möglich, mit Ring- und Kleinfingern kriegte man einfach die Tasten nicht gedrückt. Also machte mein Vater seufzend das Geld für eine elektrische Maschine locker, ein ganz einfaches Model.

Es ist mir schwergefallen, vom vorangegangen Gewalthacken mit vier Fingern plus Daumen auf 10 Finger umzustellen. Heute ist das aber kein Problem mehr, ich schreibe blind und auch ziemlich flott.

Aber mit einer Schreibmaschine käme ich gar nicht mehr klar. Dafür vertippe ich mich zu oft und beim freien Formulieren brauche ich auch die Möglichkeiten, die Uschi beschrieben hat, vor- und zurückspringen, ändern, ergänzen, Passagen löschen usw.

Das gilt für Geschäftsbriefe genauso wie für Texte und Zeitungsartikel. Gerade bei der Zeitungsarbeit ist das gar nicht mehr denkbar, wie früher zu arbeiten. Das muss alles ruckzuck gehen und online übermittelt werden, auch die Bilder.
#2 Schnabel 2014-01-04 14:56
Ja, die Zeiten der Schreibmaschine sind bei mir auch schon lange vorbei.
1978 kam eine elektrische Schreibmaschine ins Haus und ich habe meine ersten Seiten für die Dan Shocker's Fan-News aus Marlos abgetippt.
Dank einigermaßen Zehn-Finger-System ging es mit dem Abtippen voran.
Ich hatte sogar mal das Vergnügen, daß mich Werner K. Giesa aufsuchte, um einen Trucker-Roman mit meiner Maschine (wir hatten beide eine TA-Gabriel-Maschine) zu Ende zu bringen, denn seine hatte den Geist aufgegeben und der Termindruck für Autoren ist ja bekannt.
Der erste Schlepptop (Labtop)ist bei mir 1990 eingezogen und hat die Schreibmaschine sehr schnell verbannt.
#3 Kerstin 2014-01-04 16:55
Da fällt mir noch eine Sache ein, die ich kurz vor Weihnachten erlebt habe. Für die Zeitung musste ich zur Vorstellung eines neu erschienen Buches, der Chronik eines kleinen Dorfes hier in der Nähe.

Geschrieben und zusammegestellt wurde das Buch von einer Gruppe sehr rühriger Senioren, die sich um Geschichte und Heimatforschung seit Jahren verdient gemacht haben. Offenbar waren sie mit den Gedanken so sehr in der Vergangenheit, dass ihnen nicht klar war, dass der Verlag die Texte nicht in Form von Schreibmaschinen-Seiten annehmen wollte, und auch die Bilder mussten eingescant und online übermittelt werden.

Da war das Entsetzen bei den übrigens sehr netten älteren Herrschaften aber groß! In ihrer Not haben sie dann aber einen ebenfalls schon etwas älteren Herrn gefunden, der mit der notwendigen Technik und als Rentner auch der Zeit gesegnet war, alles in den PC zu schreiben und entsprechend zu verarbeiten. Die Buchvorstellung verschob sich zwar um zwei Monate, wurde aber immerhin kam es doch noch zustande.

Wäre aber auch schade gewesen, denn das Buch ist sehr gut gelungen.

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