Immer schön der Reihe nach? Und wann ist Schluss mit dem Geschwafel? (September 2014)
Immer schön der Reihe nach?
Und wann ist Schluss mit dem Geschwafel?
Auf mich trifft „Aller Anfang ist schwer“ zu hundert Prozent zu. Daran feile ich sehr lange, deswegen setze ich mich auch gleich zu Beginn des Schreibprozesses damit auseinander, um ein Gefühl für die Geschichte und die Personen zu bekommen. Wenn ich beginne, habe ich allerdings meistens schon einige Szenen geschrieben, die mir „einfach so“ eingefallen sind, manche haben auch erst zum Plotting geführt.
Ich versuche zwar, möglichst chronologisch zu schreiben, doch wenn mir zwischendrin andere Szenen „aus dem Kopf fallen“, schreibe ich diese sofort auf, damit nichts verloren geht. Denn ich kriege den Inhalt vielleicht später noch hin, nicht aber mehr die Formulierungen. Einsortiert werden die Szenen dann später.
Ab und zu erreiche ich Stellen, die mir nicht so sehr liegen. Bevor ich mich zu lange damit aufhalte und zu viel Zeit verliere – oder mich in eine „Blockade“ flüchte –, suche ich mir dann lieber Szenen heraus, die mir mehr liegen, und zu denen mir sofort etwas einfällt. Dabei löst sich der Knoten zumeist, und ich kann an der „unangenehmen“ Stelle fortfahren, die jetzt unproblematisch ist. Meistens zumindest, doch wenn das nicht der Fall ist, dann muss ich da mit Disziplin hindurch.
Die Gewichtung der Kapitel bildet sich erst so nach und nach im Fortschritt des Schreibprozesses heraus. Es kann sein, dass ich ein Kapitel streiche, meistens aber füge ich eher noch eines oder zwei hinzu, wenn es zu lange gerät. Es sei denn, ich verfolge eine bestimmte Absicht mit der Kapitelanzahl, wie etwa bei den „Bogins“, bei denen Zahlen eine sehr wichtige Rolle spielen. Hier lege ich die Anzahl und den ungefähren Handlungsrahmen pro Kapitel bereits im Vorfeld fest, um zu sehen, wo ich stärker am Spannungsbogen arbeiten muss.
Schwafeln ist natürlich toll. Manchmal treibt es einen einfach davon, vor allem, wenn man mitten im Weltenbau ist. Wie gut, wenn man dann einen Lektor oder First Reader hat, der einen darauf hinweist, dass autor mal wieder übers Ziel hinausgeschossen ist, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. ;-) Und mit ein bisschen Abstand erkennt man es auch selbst. Manchmal kloppe ich diese Szenen dann in die Tonne, manchmal aber, wenn ich zu sehr Abschiedsschmerz empfinde, speichere ich sie in einer gesonderten Datei ab und benutze sie dann später aufgeteilt als Versatzstücke in anderen Romanen.
Leider stelle ich aktuell fest, dass vor allem englischsprachige Bestsellerautoren immer mehr in Geschwafel ausufern, und mein Eindruck dabei: je mehr Erfolg sie haben, meinen sie, alles so schreiben zu wollen, wie sie es haben möchten – und es traut sich keiner mehr zu sagen: hör mal, das gehört gestrafft. Damit bekomme ich einen 700-Seiten-Schinken vorgesetzt, bei dem ich schon von vornherein weiß – und selbst wenn er/sie zu meinen Lieblingsautoren gehört –, dass 200 Seiten ersatzlos gestrichen werden könnten. Da meine private Lesezeit sehr beschränkt und kostbar ist, lasse ich mittlerweile die Finger von solchen dicken Wälzern und halte mich von Fortsetzungsgeschichten ganz fern.
Ja, das kommt vor. Wenn ich die Szene partout nicht ausstehen kann und ich trotz aller Tricks schon wieder Gefahr laufe, eine „Blockade“ zu erleiden, zwinge ich mich zu einer Skizzierung, lasse den Rest beiseite und mache danach oder an anderer Stelle weiter. Irgendwann ist der Knoten dann doch offen und es ist gar nicht mehr schwer, „aufzufüllen“.
Zusätzliche Stränge kommen dann hinein, wenn sie sich so ergeben. Durch das Exposé habe ich dafür gesorgt, dass die Handlung per se unterhaltsam ist. Aber sie kann natürlich noch sehr viel unterhaltsamer werden, wenn die Figuren anfangen, ein Eigenleben zu entwickeln. Oder wenn eine neue Figur mitten hineinplatzt und Aufmerksamkeit verlangt. Und vielleicht dadurch sogar zur Schlüsselfigur wird.
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