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Immer schön der Reihe nach? Und wann ist Schluss mit dem Geschwafel? (September 2014)

Auf eine Mail mit Uschi ZietschImmer schön der Reihe nach?  
Und wann ist Schluss mit dem Geschwafel?

Jeder weiß, dass Filme meistens nicht chronologisch gedreht werden. Aber wie ist das beim Schreiben, wo man nicht von der Verfügbarkeit von Drehorten und Schauspielern abhängig ist? Schließlich muss man ja nur Buchstaben sinnvoll aneinander reihen, oder? Ich habe Uschi Zietsch gefragt, wie sie es mit der Chronologie hält. Und nebenbei sprechen wir über Bestseller-Autoren, denen keiner mehr sagt, wann zu viel zu viel ist.


Andreas
: Sprechen wir mal wieder über die Basics des Schreibens. Stellen wir uns vor, dass nicht nur deine Idee für eine Geschichte steht, sondern dass dein Handlungsverlauf feststeht, wo geht's los, wo willst du lang, wo endest du. Gehst du dann immer chronologisch vor oder pickst du dir gerne Kapitel raus, die du besonders gerne schreibst? Und wie gewichtest du in so einem Fall die einzelnen Kapitel, damit der Spannungsbogen erhalten bleibt und du nicht in einer super zu schreibenden Szene so lange schwelgst, bis auch der letzte Leser sich ein Voranschreiten wünscht?
Uschi:
 Auf mich trifft „Aller Anfang ist schwer“ zu hundert Prozent zu. Daran feile ich sehr lange, deswegen setze ich mich auch gleich zu Beginn des Schreibprozesses damit auseinander, um ein Gefühl für die Geschichte und die Personen zu bekommen. Wenn ich beginne, habe ich allerdings meistens schon einige Szenen geschrieben, die mir „einfach so“ eingefallen sind, manche haben auch erst zum Plotting geführt.
Ich versuche zwar, möglichst chronologisch zu schreiben, doch wenn mir zwischendrin andere Szenen „aus dem Kopf fallen“, schreibe ich diese sofort auf, damit nichts verloren geht. Denn ich kriege den Inhalt vielleicht später noch hin, nicht aber mehr die Formulierungen. Einsortiert werden die Szenen dann später.
Ab und zu erreiche ich Stellen, die mir nicht so sehr liegen. Bevor ich mich zu lange damit aufhalte und zu viel Zeit verliere – oder mich in eine „Blockade“ flüchte –, suche ich mir dann lieber Szenen heraus, die mir mehr liegen, und zu denen mir sofort etwas einfällt. Dabei löst sich der Knoten zumeist, und ich kann an der „unangenehmen“ Stelle fortfahren, die jetzt unproblematisch ist. Meistens zumindest, doch wenn das nicht der Fall ist, dann muss ich da mit Disziplin hindurch.
Die Gewichtung der Kapitel bildet sich erst so nach und nach im Fortschritt des Schreibprozesses heraus. Es kann sein, dass ich ein Kapitel streiche, meistens aber füge ich eher noch eines oder zwei hinzu, wenn es zu lange gerät. Es sei denn, ich verfolge eine bestimmte Absicht mit der Kapitelanzahl, wie etwa bei den „Bogins“, bei denen Zahlen eine sehr wichtige Rolle spielen. Hier lege ich die Anzahl und den ungefähren Handlungsrahmen pro Kapitel bereits im Vorfeld fest, um zu sehen, wo ich stärker am Spannungsbogen arbeiten muss.
Schwafeln ist natürlich toll. Manchmal treibt es einen einfach davon, vor allem, wenn man mitten im Weltenbau ist. Wie gut, wenn man dann einen Lektor oder First Reader hat, der einen darauf hinweist, dass autor mal wieder übers Ziel hinausgeschossen ist, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. ;-) Und mit ein bisschen Abstand erkennt man es auch selbst. Manchmal kloppe ich diese Szenen dann in die Tonne, manchmal aber, wenn ich zu sehr Abschiedsschmerz empfinde, speichere ich sie in einer gesonderten Datei ab und benutze sie dann später aufgeteilt als Versatzstücke in anderen Romanen.
Leider stelle ich aktuell fest, dass vor allem englischsprachige Bestsellerautoren immer mehr in Geschwafel ausufern, und mein Eindruck dabei: je mehr Erfolg sie haben, meinen sie, alles so schreiben zu wollen, wie sie es haben möchten – und es traut sich keiner mehr zu sagen: hör mal, das gehört gestrafft. Damit bekomme ich einen 700-Seiten-Schinken vorgesetzt, bei dem ich schon von vornherein weiß – und selbst wenn er/sie zu meinen Lieblingsautoren gehört –, dass 200 Seiten ersatzlos gestrichen werden könnten. Da meine private Lesezeit sehr beschränkt und kostbar ist, lasse ich mittlerweile die Finger von solchen dicken Wälzern und halte mich von Fortsetzungsgeschichten ganz fern.

Andreas:  Kommt es vor, dass du unliebsame oder sperrige Szenen beim ersten Mal nur grob skizzierst und dann beim Überarbeiten erst mit Fleisch versiehst? Beziehungsweise flechtest du manchmal zusätzliche Handlungsstränge in die vorhandene Geschichte ein, wenn sie dir noch nicht unterhaltsam genug ist?
Uschi: Ja, das kommt vor. Wenn ich die Szene partout nicht ausstehen kann und ich trotz aller Tricks schon wieder Gefahr laufe, eine „Blockade“ zu erleiden, zwinge ich mich zu einer Skizzierung, lasse den Rest beiseite und mache danach oder an anderer Stelle weiter. Irgendwann ist der Knoten dann doch offen und es ist gar nicht mehr schwer, „aufzufüllen“.
Zusätzliche Stränge kommen dann hinein, wenn sie sich so ergeben. Durch das Exposé habe ich dafür gesorgt, dass die Handlung per se unterhaltsam ist. Aber sie kann natürlich noch sehr viel unterhaltsamer werden, wenn die Figuren anfangen, ein Eigenleben zu entwickeln. Oder wenn eine neue Figur mitten hineinplatzt und Aufmerksamkeit verlangt. Und vielleicht dadurch sogar zur Schlüsselfigur wird.

Andreas: An dieser Stelle möchte ich gerne alle Leser an unseren Countdown bis November erinnern: An alle, die bis dahin einen Kommentar zu einer unserer Kolumnen abgegeben haben, verlosen wir eine Überraschung. Viel Glück!

Kommentare  

#1 Hermes 2014-09-20 22:20
Zitat:
Leider stelle ich aktuell fest, dass vor allem englischsprachige Bestsellerautoren immer mehr in Geschwafel ausufern, und mein Eindruck dabei: je mehr Erfolg sie haben, meinen sie, alles so schreiben zu wollen, wie sie es haben möchten
Sind das Autoren wie G.R.R. Martin oder Ken Follet?

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