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Was war zuerst da? - Der Ego-Shooter oder der Amokläufer? – Oktober 2011

Auf eine Mail mit Uschi ZietschWas war zuerst da?
Der Ego-Shooter oder der Amokläufer?
Oktober 2011

Wie moralisch muss eine Romanfigur sein? Fördert Gewaltdarstellung in der Literatur die Gewalt in unserer Gesellschaft? Welche Verantwortung trägt der Autor? Oder überspitzt gefragt: Ist der Thriller-Autor von heute der Serientäter von morgen?

 

Beim Schreiben meiner letzten Story hat sich zu meinem Erstaunen herausgestellt, dass der Hauptcharakter moralisch sehr fragwürdige Ansichten hat. Ist eigentlich ein Autor für die Handlungen seiner Figuren verantwortlich? Oder anders herum gefragt: Wenn ein Charakter sich falsch verhält, muss der Autor dies dann deutlich machen oder sich von den Ansichten seiner Figur distanzieren? Nicht zuletzt, um Nachahmungseffekte zu vermeiden?

Uschi: Nein, der Autor trägt keine Verantwortung, und er muss auch keinesfalls erzieherisch wirken. Die Figuren sind fiktiv, und sie müssen überhaupt nicht dem entsprechen, was der Autor tun oder denken würde. Im Gegenteil, das macht eine Geschichte umso glaubwürdiger und facettenreicher. Meine Figuren, auch Hauptfiguren, agieren oft überhaupt nicht so, wie ich es will oder tun würde, und oft genug benehmen sie sich ganz und gar nicht so, dass ich es gut finde. Es entspricht ihrem Charakter. Dieser Charakter aber ist eine Erfindung. Gewiss kommt immer mal der eine oder andere Charakterzug von mir mit zum Tragen, aber im Allgemeinen distanziere ich mich völlig von mir selbst im Schreibprozess, da ich ja nicht über mich, sondern über "andere" schreibe. Anders bei Kinderbüchern: Protagonisten haben in einem Kinderbuch eine echte Lehr- und Vorbildfunktion, hier muss man sehr genau auf Inhalt und Ausdruck achten.

Aber bei Erwachsenenliteratur sind die Leser in der Lage, Fiktion von Realität unterscheiden zu können, und sie wissen auch, was "gut" oder "schlecht" ist. Wenn sie fragwürdige Ansichten einer fiktiven Figur teilen, so haben sie diese Ansicht bereits vorher und entwickeln sie nicht erst. Und was die Nachahmung betrifft, so ist das immer nur eine Ausrede für etwas, das man sowieso schon immer tun wollte, und sich damit quasi eine Bestätigung einholt. Vor allem frage ich mich, wenn man schon vom Nachahmungseffekt spricht, wieso Kriegsfilme, wie sie jedes Jahr zu Weihnachten gebracht werden, und die täglichen Nachrichten mit ihren Filmbeiträgen über Krieg, Gemetzel, Tod und Folter nicht denselben Effekt haben sollen. Es wird doch täglich vorgeführt, dass Gewalt aus unserer Gesellschaft, angefangen innerhalb der Familie bis zu internationalen Konflikten, nicht wegzudenken ist. 

Wo wir über Gewalt reden: Wenn mal wieder ein Mensch Amok gelaufen ist, wird viel über den schlechten Einfluss von Ego-Shootern diskutiert. Sind Romanfiguren nicht auch ein Mittel für den Autor, "Dampf abzulassen"? Muss man sich, überspitzt gesagt, am Ende sogar Sorgen machen, wenn die Handlungen der Romanfiguren besonders krude sind?

Uschi: Ja, das ist ein beliebtes Thema für Filme: Wenn der Autor anfängt, seine Geschichten zu leben. Johnny Depp hat uns das schon schön vorgeführt, und es war auch Thema in mehreren TV-Krimiserien, letzte Woche habe ich so eine Folge in "Criminal Intent" gesehen, wenn ich mich recht erinnere (und die Serien nicht durcheinanderbringe). Aber auch das ist nur Fiktion und der Autor dreht nicht durch, weil er Geschichten schreibt, sondern weil er krank ist.

Wenn ein Mensch Amok läuft, wird gern die Schuld bei allem anderen gesucht, nur nicht dort, wo die Ursache tatsächlich entstanden ist. Es fängt bei dem Täter an, der sensibler ist als andere und durch einen Reizimpuls (das kann etwas ganz Harmloses sein) in eine geistige Ebene kippt, die den Gesunden vom Kranken unterscheidet. Man kann nicht sagen, ob all diese Vorfälle hätten vermieden werden können, wenn die Umwelt mehr auf diese Menschen geachtet und Rücksicht genommen hätte. Vielleicht wäre es dann nicht jetzt, sondern erst später passiert ... aber ganz deutlich muss festgehalten werden, solche Taten werden niemals von Gesunden begangen. Die meisten Menschen schaffen es, schlimmste Tragödien zu überstehen, ohne zum Amokläufer oder Serienmörder zu werden. Wenn Ego-Shooter und andere äußere Reize wirklich den enormen Einfluss hätten, der ihnen zugeschrieben wird, müsste es ungleich mehr Serienmörder und Amokläufer geben, oder überhaupt müssten überproportional viele Menschen durchdrehen, wenn ihnen Schlimmes widerfährt. Der gesunde menschliche Verstand kann differenzieren.

Bis zur nächsten »Mail mit Uschi« im November!
 
 

Kommentare  

#1 localhorst 2011-10-01 13:08
blablabla, EgoShooter machen böse etc.. Wird das Thema "unbekanntes Medium mit erschreckendem Unhalt" irgendwann einmal zu einem Punkt kommen? Ich glaube nicht.

Ich Stimme Uschi voll und ganz zu. (Wo Frau Zietsch im Interview sich mit ihrem Vornamen bennen läßt, nehme ich mir einfach auch dieses Recht raus. Ich hoffe das geht okay.) Besonders bei der Trennug von Literatur für Erwachsene und Kindern. Ich möchte zwische mündigen und nicht mündigen Benutzern eines Mediums trennen.
Dabei habe ich kein Problem, den Begriff nicht mündiger Benutzer nicht weiter zu definieren. Denn ich bin der Überzeugung, dass eine solchen Festlegung in einen intimen Verbund wie Familie gehört.
Als mündiger Benutzer ist man in der Lage Fiktion und Realität zu trennen. Man hat gefässtigte Moralvorstellungen und kommt beim Konsum von Literatur mit unethischen Inhalten nicht in die Versuchung sich oder andere ohne außreichende Gründe zu gefährden.
Eine übergeordnete Instanz, die mir die Freiheit nimmt, das Medium oder dessen Inhalt zu wählen ist schlicht und einfach Zensur.

Bei diesem Standpunkt muß man sich aber auch bewußt sein, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Medien und ihren Inhalten, fester Bestandteil jeder Erziehung sein muß.
Tja, und da hätten wir zumindest einen Aspekt unseres Problem mit "neuen Medien". Kinder und Jugendliche gehen viel intuitiver und selbstverständlicher mit Veränderungen ihrer Umwelt um, sie sind einfach anpassungsfähiger. Wir Erwachsenen brauchen entweder viel länger um uns Anzupassen, oder passen uns auch schon mal gar nicht an. "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.", bekommt so für uns Erwachsene eine ganz neue Bedeutung.
Wie können wir Kindern einen sinnvollen Umgang mit Medien beibringen, die uns selber unbekannt sind oder sogar überfordern. Das ist in meinen Augen eine spannende Frage.
Nun zu behaupten, man könne zumindest die Ethik und Moral unabhängig vom Medium vermitteln ist vieleicht richtig. Aber nicht unabhängig vom Zeitgeist und der stattfindenden Entwiklungen. Und in eben diesen sind neu auftretende Medien eingebettet. Ich denke man kann nur versuchen einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien und Inhalten zu vermittel, selbst wenn man noch so quallifiziert sein sollte. Wie Uschi andeutete, es wird immer Einzelfälle geben

Wenn man heute einen männlichen Teenager fragt, ob er Ego-Shooter spielt, so wird dies der weitaus größte Teil bejahen. Daraus zu schließen, dass Ego-Shooter zu Gewaltausbrüchen animieren ist genauso ein Fehlschluss wie beispielsweise zu behaupten, dass alle Türken Diebe sein, nur weil man mal von einem überfallen wurde.

Ich hoffe mein Kommentar ist nicht allzu redundant zum Inhalt des Interviews. Allen einen schönen Tag noch. Euer,

localhorst
#2 Mikail_the_Bard 2011-10-01 18:50
Stimme dem Artikel und meinem "Vorschreiber" zu. Kein Normalo wird zum durchgeknallte Amokläufer und metzelt Leute nieder. Egal ob er brutale Spiele spiel, rohe Comics od. Romane liest, oder das TV Programm sieht. Man muss schon vorher einen "Hau" weg haben, oder wirklich so psychisch am Boden sein, da einem alles Scheißegal ist... aber dann müssten mindestens 50% der Call Center Mitarbeiter (wenn nicht mehr) zu Telefonschnur greifen und auf der Fußgängerpassage Leute erdrosseln, bzw. mit dem "Schnurlosen" erschlagen! Das war jetzt triefender Sarkasmus!!! Ich arbeite nämlich seit 11 !!! Jahren in dem Bereich und mein Telefon ist noch heil!!!
Also, der Böse ist Böse und tut böses - je nach Roman mehr oder weniger detailiert beschrieben! Ansonsten müsste Tom & Jerry sofort aus dem Programm genommen werden! :)
#3 Kerstin 2011-10-02 11:41
Amokläufe hat es längst gegeben, bevor die Ballerspiele erfunden wurden. Auch früher sind Leute durchgedreht, haben Knüppel, Axt, Messer etc. gepackt und sind damit wie im Wahn auf andere losgegangen.

Im wesentlichen sind es drei Gruppen von gestörten Persönlichkeiten, die zu Amokläufern werden: Psychopathen (die andere oft nicht für lebenswert erachten), Menschen mit Psychosen (die beispielsweise "Stimmen" hören und ihnen gehorchen) und traumatisierte Menschen, denen übel mitgespielt wurde und die damit nicht zurechtkamen.

Diese drei Gruppen hat es immer gegeben und wird es immer geben.

Vielleicht ist es heute leichter, sich bei all dem Medienangebot Anleitungen einzuholen, wie man möglichst viele Leute um die Ecke bringen kann. Und wenn irgendwo in Neuseeland, Ostsibirien oder Südamerika einer ausrastet, kriegen wir das brühwarm von den Nachrichtenmedien mitgeteilt.

Aber die Ursache liegt schon beim Täter selbst bzw. seinem engsten Umfeld, das seine Probleme nicht erkannt und ihm nicht geholfen, ja oft sogar noch Öl ins Feuer gegossen hat.

Das ist natürlich eine sehr unbequeme Erkenntnis, die die braven Bürger lieber von sich schieben, indem sie die Ursachen ganz woanders suchen, besonders im Falle der traumatisierten Täter. Würde man das Trauma erkennen, untersuchen oder überhaupt erst mal seine Existenz anerkennen, hätte man damit ja schon zugegeben, dass da etwas im Umfeld des Täters komplett schiefgelaufen ist, und zwar von Seiten der anderen, nicht des Täters, der in dem Fall Opfer war. Und keiner hats gemerkt oder merken wollen. Schrecklich unangenehm, dieser Gedanke.

Viele Nutzer von Ballerspielen sagen ja auch, dass sie sich gerade damit den Frust von der Seele ballern, anstatt wirklich auf einen loszugehen, der sie beständig nervt. Ich selber spiele sowas nicht und lese auch keine entsprechenden Texte, daher kann ich nicht sagen, ob das hilft.

Literatur und Filme machen oft gerade diejenigen zum Helden, die nach einem schweren Schicksalschlag zu einem Rachefeldzug aufbrechen. Da könnte man Michael Kohlhaas nennen, Mad Max, Hamlet usw. Das ist ein sehr häufiges Motiv, weil es ja auch für Action steht und für den Leser bzw. Zuschauer relativ leicht nachzufühlen ist.

Selbstverständlich ist das alles nichts für Kinder, die sich noch nicht ausreichend vom Helden einer Geschichte abgrenzen können.

Die nächste Überlegung in der Frage sollte sein: Wieso liest/spielt/sieht der eine blutrünstige Sachen und der andere nicht? Da sucht doch wohl auch ein jeder Bestätigung in seinem Weltbild, wenn er sich seine Bücher, Spiele oder Filme aussucht.

Man denke da an die christlichen Verlage mit ihrer sanften Literatur voll Nächstenliebe und dem Segen ihres obersten Chef. Dort wird allerdings bestimmt keiner ein Buch kaufen gehen, der nicht sowieso schon in dieser Richtung denkt. Umgekehrt wird ja auch keine fromme Glaubensschwester die neueste Ausgabe eines Splattermagazines verschlingen.
#4 Wolfgang Trubshaw 2011-10-02 12:46
Es gibt einen sehr gelungenen Film zum Thema, welcher speziell die psychologische Komponente in den Köpfen (mancher) Amok-Läufer hervorragend beleuchtet:

www.imdb.com/title/tt0839938/

Und nein, es gibt natürlich keinen Zusammenhang zwischen "Killer-Spielen" und Amok-Läufen. Wenn überhaupt eher noch einen therapeutischen.
#5 Laurin 2011-10-02 23:22
Sieht man z.B. in andere Fanzine hinein (Beispiel: Phantastik Couch) findet man auch Kommentare von 14 oder 16 jährigen (zum Großteil sogar junge Frauen) die ihren Lesestoff in der härteren Welle suchen, wo Hirn spritzt oder Vergewaltigungen vorkommen können. Dabei bleiben sie so normal wie jeder andere auch, weil sie zwischen Realität und Fiction durchaus zu unterscheiden wissen. Auch wenn diese Art Horror eher als Realo-Horror zu bezeichnen ist (also ohne Monster, Werwölfe und Co.). Wenn also jemand Amok läuft, so sind solche fiktiven Geschichten, Filme oder Spiele nie die eigentlichen Auslöser, wohl aber für Politiker und Co. ein billiger Sündenbock, weil man weder Zeit noch Geld aufwenden will, um den tatsächlichen Ursachen auf den Grund zu gehen. Und hier noch ein kurzes Wort zur christlichen Literatur, wer es im Leben noch nicht getan hat, der lese einmal die Bibel. Mich wundert es da doch sehr, dass da das Blut nicht gleich Literweise rausläuft, wenn man den Einband öffnet. Soviel also zur Nächstenliebe... :-* :P
#6 localhorst 2011-10-03 01:15
@Laurin:
Das "Alte Testament" : Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Das "Neue Testament": Nächstenliebe und Vergebung der Sünden

Ich glaue, küzer kann ich die Bibel nicht zusammenfassen. Wieso sich Nächstenliebe und literweise Blut ausschließen bleibt mir unklar. Die Grausamkeiten an Jesu machen seinen Akt der Nächstenliebe nur um so bewundernswerter. Ist allerdings eh Off-Topic. (Wäre halb so Wild diesen Beitrag nicht zu veröffentlichen.)
#7 Kerstin 2011-10-03 18:32
Das Thema Amok ist sehr viel komplexer, als dass man es auf die Sache mit den Ballerspielen oder Horrorfilmen zurückführen könnte. Da kommt einfach sehr vieles zusammen, bevor einer so durchdreht. Wer es nicht glaubt, besorge sich eine Landkarte und markiere die Orte, an denen es solche Massaker beispielsweise an Schulen gegeben hat. Er wird erstaunt sein, dass es überwiegend mittlere und kleinere Städte sind. Dabei sind die Gewalt-Medien doch genausogut oder sogar besser in der Großstadt verfügbar.

Man kann darüber diskutieren, woran diese Verteilung liegt. Manche meinen, der gesellschaftliche Druck ist in kleineren Gemeinden sehr viel stärker, wo ein Mensch mit Problemen nicht einfach in der Masse untergehen kann. Außerdem kann man in ländlichen Gebieten nicht so einfach die Schule wechseln, wenn man an seiner Bildungsanstalt gemobbt wird. Es ist oft keine andere vergleichbarer Art in erreichbarer Nähe vorhanden. Wenn man dann noch Eltern hat, die auf einem Abitur bestehen und denen dabei der Seelenzustand des Kindes egal ist, hat man gelost. Auf dem Land sind viele Eltern auch weniger bereit, gegen Ungerechtigkeiten von Lehrern vorzugehen und das staatliche Schulamt, das dafür zuständig wäre, ist weit weg.

Diese Mobberei, die von den überlebenden Lehrern hinterher geleugnet werden (Wer soll schon das Gegenteil beweisen? Außerdem muss ja der Ruf der Einrichtung gewahrt bleiben, also weist man alle Schuld dem Amokläufer zu, der entweder tot ist oder durch seine Tat absolut unglaubwürdig in den Augen der Öffentlichkeit.), solche Mobbereien also, können durchaus zu einem Trauma und Rachefantasien führen. Wie viele Kinder träumen davon, die Schule von der Landkarte auszuradieren und den Lehrkörper wie die fiesen Mitschüler ins Jenseits zu befördern? Gibt es darüber eine Untersuchung? Keine Ahnung. Aber sicher ist es einfacher und billiger, den einzelnen, der ausgerastet ist, zu stigmatisieren, als zu überlegen, was ihn dazu gebracht hat und diesen Missstand abzuschaffen.
#8 Advok 2011-10-05 18:36
Ein paar Anmerkungen kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen:

zu # 6 localhorst: Deine Bibeldefinition ist gut gemeint, aber schlecht erklärt. "Auge um Auge, Zahn um Zahn" hat zu früheren Zeiten und eben in den biblischen Regionen bedeutet, man setzt sich mit seinem Gegner (Kontrahenten, Widerpart) hin und bespricht von Auge zu Auge das Thema, quasi ein Streitgespräch.
Inhaltlich hast du natürlich recht.

Die Bibel ist insgesamt mit Vorsicht zu genießen: Viele Übersetzungsfehler, der Klassiker schlechthin: "eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr ...". Nun muss man wissen, dass sich "Kamel" und "Tau" in in der Ursprungsschriftsprache sehr ähneln.

Zurück zum Ursprungsthema:
Bei deinem ersten Beitrag, localhorst, versuchst du zwischen mündigen Nutzern und nichtmündigen zu trennen. Hierr sehe ich schon die erste Schwierigkeit:
a) Wo trennt man hier genau (hier tut sich auch die Rechtssprechung schwer, und die Gerichte tun gut daran, oft bis 21 das Jugendgesetz anzuwenden)? und
b) wie sorgt man dafür, dass die für Erwachsene geeignete Sachen eben nicht in Kinderhände gelangen?

Tja, und das Grenzen ziehen wird dann auch schon schwer. Mir persönlich fällt da die Geschichte ein von Kindern, fast schon Jugendlichen, durchaus clever und intelligent, die "Wrestling" spielen. Man möchte meinen, der Showcharakter wäre allgemein bekannt, doch dem war nicht so. Die Kinder haben das alltäglich gesehene nicht verstanden und haben es umgesetzt, wie im Fernsehen gezeigt und von ihnen verstanden. Ergebnis: Krankenhaus für einen. (Keine Erfindung, sondern selbst erlebt).

Hier wird man dann schon nachdenklich.

Ebenso nachdenklich werde ich dann bei Kerstins Satz aus der #4:
"Viele Nutzer von Ballerspielen sagen ja auch, dass sie sich gerade damit den Frust von der Seele ballern, anstatt wirklich auf einen loszugehen, der sie beständig nervt."

Whow!
Gäbe es die Killerspiele nicht, hätten wir noch mehr Amokläufer?

Fakt ist leider, dass tatsächlich fast alle Amokläufer im Besitz von Killerspielen waren. Ich denke aber ebenfalls, dass diese Spiele sicherlich weder der Auslöser noch das Schlüsselmoment waren, aber ich denke, dass sie potentielle Amokläufer in ihrer Vorgehensweise geschult und geübt haben.

Zudem: Was ist daran so entspannend, stundenlang ein Spiel zu spielen, wo es darum geht, möglichst viele Gegner zu beseitigen? Sorry, kann ich nicht nachvollziehen...

Aber ich glaube, dass auch das noch nicht das eigentliche Kernthema für die Gesellschaft ist. Amokläufer wird es immer geben (hier gilt es, vielleicht Frühwarnmöglichkeiten zu entdecken), gravierender halte ich aber den Einfluss der Medien insgesamt auf die Gesellschaft. Die Verrohung an sich, die eben durch viele Medien forciert wird. Nicht eine einzelne Sequenz, sondern das permanente einprasseln von Informationen, von Bildern (und seien sie nur im Kopf), dem man nicht mehr entweichen kann.

Zu #7: Ich glaube, hier machst du es dir zu einfach, Kerstin. Amokläufer sind immer schuldig. Aus. Sie töten unschuldige Menschen - denn sie morden nicht. Es geschieht willkürlich. Wer über den Weg läuft, hat Pech. Hier gibt es nichts schön zu reden.

Bei Mord mag das anders sein (so zynisch sich das jetzt anhören mag). So manchen Mörder kann man verstehen (wenn auch nicht gut heißen). Nennt man dann wohl mildernde Umstände. Doch bei einem Amokläufer, der ausrastet, dies vorher aber oft wochen- oder gar monatelang geplant hat - nein, hier fehlt mir jegliches Verständnis.
#9 Hermes 2011-10-05 22:29
Das ist wirklich ein sensibles Thema. Einerseits ist es tatsächlich reiner Populismus, wenn behauptet wird, die "Killerspiele" produzieren Amokläufer. Andererseits verstehe ich die Position mancher Verteidiger dieser Spiele auch nicht ganz. Gibt es so etwas wie ein Grundrecht auf virtuelles (aber möglchst relatistisches) Töten im Spiel? Und das Argument, damit würden reale Amokläufe verhindert, weil die Spieler sich hier abreagieren können, überzeugt mich nicht.
#10 Kerstin 2011-11-03 17:32
Jetzt sehe ich erst die letzten Antworten hierzu.

Ich habe bei der Sache mit den Ballerspielen, die angeblich Aggressionen abbauen können, nur zitiert. Selber habe ich sowas nicht und keinerlei Interesse an solchen Sachen. Ich kann nicht aus eigener Erfahrung sagen, ob man sich damit abreagieren kann. Ist das anders als einen Sandsack zu verhauen? Weiß ich auch nicht, habe ich auch nie ausprobiert.

Ich will auch nicht die Schuld der Amokläufer kleinreden. Ich stelle nur infrage, ob sie in dem Moment, belastet wie sie sind, erkennen können, was sie da anrichten. Amokläufer, die selbst ihre Tat überlebt haben, haben sie hinterher, z. T. nach einer Therapie, die ihnen den Kopf wieder klarer gemacht hat, sehr bereut. Kommt halt auch auf dem psychischen Zustand vor, während und nach der Tat an. Psychopaten können nicht bereuen, was sie anderen angetan haben. Die versinken höchstens in Selbstmitleid, wenn sie die Konsequenzen spüren.

Das ist eben ein Thema für Fachleute, die sich besser mit Psychologie auskennen.
#11 Postman 2011-11-03 20:08
Traurig in der Gesellschaft ist, dass es leichter ist etwas "Schuldiges" zu verbieten als da anzusetzen wo der Ursprung in einem potentiellen Amoklauf liegt.

Wie viele in der immer engstirniger werdenden Gesellschaft, in der keine Schwächen oder Individualität mehr ertragen wird, brodeln in Ihren privaten Höllen einsam vor sich hin?

Der eine findet ein Ventil in Hobbys oder Sport, viele andere sind jedoch schon dermassen isoliert, dass es alleine oft keinen Ausweg mehr gibt. Psychologen versuchen zwar (falls der Betroffene diesen Gang überhaupt noch wagt) ein Gegengewicht auf die Waage zu stellen, wie soll man jedoch bei etwas fachkundig helfen was man selbst vielleicht nie mitgemacht hat?

Selbst wenn es im Elternhaus noch stimmt, wer passt noch auf das Jungvolk auf, wenn beide Elternteile rund um die Uhr arbeiten müssen dass die Kohle überhaupt noch reicht?


Darum werden weiterhin viele erwachsene Menschen für Verbote oder Zensuren plädieren, obwohl sie selbst:

a.) noch nie einen Egoshooter zu Ende gespielt haben
b.) in der Kindheit meistens auch "Räuber und Gendarm" gespielt hatten welches dem Agressionsabbau von Shootern gleichkommt
c.) die Verantwortung in der eigenen Familie übernehmen sollten
d.) mißachten, dass Erwachsene in Deutschland nur noch für dumm verkauft werden (Beispiele: Verboten nach Paragraph 131 oder 184 bzw. Einschüchterung der privaten Wirtschaft mit angedrohten Indizierungen um "freiwillige" Zensurmassnahmen im Rahmen des Absatzes aufgrund des daraus resultierenden Werbeverbots zuzulassen)

'Ironie Anfang*

Mein Tipp:
Am besten keine Bilder Cover mehr auf Spielen, der Literatur oder Filmen sondern nur noch große FSK Flatschen :D

*Ironie Ende*

Die EU und das Internet bieten mittlerweile schon lange Möglichkeiten Altersfreigaben und plumbe Gesetze und damit auch unserer überalterten Politikerzunft als Minderjähriger eine Nase zu drehen. Das hat dort aber noch keiner begriffen, die viel zu sehr damit beschäftigt weltweite Kontrollreglungen fürs Internet einzuführen *laut loslach*

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