Aus dem Leben eines Heftchensammlers - Eindeutige Signale
Aus dem Leben eines Heftchensammlers
Eindeutige Signale
Zuletzt bin ich vor etwa 12 Jahren regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Mit dem Bus von Marburg nach Wiesbaden.
Damals wie heute sind vor allen Dingen Arbeiter und Schüler die Passagiere, aber es hat sich etwas Grundsätzliches verändert. Da war diese Studentin. Blond und hübsch gebaut, und ich lächelte freundlich, als ich sie ansah. Sie lächelte ebenfalls - und dann bot sie mir ihren Sitzplatz an.
Auf der Fahrt nach Wiesbaden bin ich immer früh dran gewesen und habe immer einen Sitzplatz bekommen. Auf der Rückfahrt war das schon anders. Da musste ich auch mal stehen, zumindest bis Gießen, wo sehr viele Fahrgäste ausstiegen. Aber seinen Sitzplatz hat mir noch keiner angeboten ... und das war für mich ein eindeutiges Signal: Thomas, du wirst alt!
Das hat Vorteile. In ein paar Jahren gibt es vielleicht keine Rente mehr, aber möglicherweise eine Seniorenermäßigung. Da freue ich mich schon drauf.
Aber es hat sich noch mehr geändert. Als ich vor 12 Jahren Zug fuhr, haben viele Menschen gelesen. Die Geschäftsmänner Zeitung, einige Kids Comics. Man sah öfters Taschenbücher und hin und wieder Heftromane. Dann zwinkerte man sich zu, von Heftchenleser zu Heftchenleser.
Heute haben sie alle Kopfhöhrer in den Ohren. Die Jungen und die nicht mehr ganz so Jungen. Das Smartphone ist zugleich MP3-Player und wird rege genutzt. Sie schreiben gleichzeitig SMSen oder spielen irgendwas und vielleicht schauen sich auch einige Filme an. So genau ist das nicht zu erkennen. In den 3 Wochen, in denen ich jetzt in Bussen unterwegs bin, habe ich nicht ein einziges Taschenbuch und auch keinen einzigen Heftroman gesehen. Mit Ausnahme derer, die ich mitbrachte.
Aber es kommt noch schlimmer: Weil Manfred Weinland bei Facebook eine Andeutung machte, ich könne mich auf Vampira 27 freuen, wollte ich diesen an seinem Erscheinungstag kaufen (ich bin heute nicht mehr so gierig auf die aktuelle Ausgabe. Ich kaufe ihn auf der grünen Wiese, wenn ich eh einkaufen fahre. Der Kiosk im Tegut ist sehr gut ausgestattet).
Bei der Haltestelle, bei der ich aussteige, ist ein kleiner Kiosk. Ich sofort rein und suche nach den Heftromanen. Für einen Drehständer ist das Büdchen zu klein, also frage ich: "Wo stehen die Bastei-Heftromane?"
"Habe ich keine", war die Antwort. "Fragt eigentlich nie jemand danach. Kann ich aber bestellen, dann sind sie morgen da."
Ich war, wie gesagt, begierig, mein Heft heute zu kaufen. Also bin ich in der Mittagspause zum nächsten Kiosk, der drei Sinclair-Romane über einem Stapel Gaslicht von Kelter im Ständer stehen hatte. Daneben gabs ein paar Liebesschnulzen, und der Rest war mit Rätselheften vollgestopft. Ich fragte sicherheitshalber nach. Dass ihnen Vampira zu exotisch sei, das könnte ich nachvollziehen, aber normalerweise sieht man zumindest Lassiter oder Jerry Cotton. Nein, da würde nicht danach gefragt.
Im nächsten Kiosk gab es gar keine Heftromane. Zeitschriften hatten sie einige, Taschenbücher auch, aber keine Hefte. War auch das ein eindeutiges Signal?
Dann bin ich tatsächlich bis zum Bahnhof gefahren, was für mich weitab liegt, und von wo es schwierig ist, busmäßig ins schöne Schönstadt zu kommen. Die Bahnhofsbuchhandlung war gut ausgestattet. Soweit ich sehen konnte das volle Bastei-Programm. Etliche Kelter (aber kein Mythenland). Zwar hinter einer Säule versteckt, aber präsent. Allerdings nahmen sowohl die Comic- als auch die Zeitschriftenfront erheblich mehr Platz ein, und die Taschenbücher füllten gar die Hälfte des Raumes. Früher waren da zusätzlich zu den normalen Heften noch drei Drehständer mit Sammelbänden. Aber da es kaum noch Hefte in den Kiosken gibt, gibt es auch keine Remittenden mehr ... ebenfalls ein eindeutiges Signal, oder?
Ich habe sogleich im Heft geblättert und einen Leserbrief von mir gefunden und ein Foto von mir und Manfred vom letzten Buchmessen-Con. Keine Kurzgeschichte, wie ich gehofft hatte. Deswegen kaufte ich das Heft nur einmal, statt wie ursprünglich geplant, alle die da sind. Und dann wartete ich eineinhalb Stunden auf den nächsten Bus nach Schönstadt und musste nur zweimal umsteigen.
Ich glaube nicht, dass sich viele Fans diesen Umstand machen für ein Heft. Aber weil mir wieder eine Studentin ihren Sitzplatz anbot, konnte ich es wenigstens im Sitzen lesen.
In der Zeit, in der ich Hefte lese, hat sich so wahnsinnig viel geändert. Ich bin jetzt 43 Jahre alt, und eigentlich druckt Bastei seine Heftromane nur noch für so Dinosaurier wie mich. Weil wir Altfans den Fortschritt aufhalten. Eigentlich sollte man an den Kiosken Handystationen aufstellen, an denen sich die Leser ihre aktuellen Romane via Bluetooth runterladen können. Oder besser noch, man kann eine Genre-Flatrate buchen und bekommt dazu für einen Euro extra ein Handy dazu. Ein Grusel-Sparabo von Bastei. Als ersten Zwischenschritt. Irgendwann in zwei oder drei Generationen lässt man sich dann einen Chip implantieren und bekommt die Romane direkt ins Gehirn geladen. Dann braucht man sie noch nicht einmal mehr zu lesen. Das spart Geld und Zeit und eine große Wohnung mit viel Platz für Regale braucht man dann auch nicht mehr ...
Die Signale sind bereits da, man muss sie nur zu deuten wissen!
Kommentare
Also, man kriegt die Auswahl der Hefte schon noch. Aber vermutlich nur da, wo sie auch gekauft werden. Also hat unser wunderschönes Dorf den Großstädten doch so Einiges voraus.
Insofern ist dieser Laden sicher nicht repräsentativ, leider. Ich hoffe, er hält sich noch lange.
Bei uns in der Gegend ist das Angebot schon schmäler, weil die meisten Läden viel größer sind, d. h. Filialketten, bei denen mehr Fläche hauptsächlich mit Mainstream-Ware vollgestellt ist. Noch vor einigen Jahren war das anders, da konnte man noch ganz anders einkaufen und das machte damals auch noch deutlich mehr Spaß.
Natürlich könnte man beim einen oder anderen Händler eine Serie fest bestellen und dann würde das Heft auch zurückgelegt, bis man es holt. Aber als Neuleser wird man so gewiss nicht auf eine Serie aufmerksam.
Ach ja, von wegen Alter... Thomas, du Glücklicher, mir bietet keine eine Sitzplatz an... und ich bin fast schon 46 Jahre.
Ich gebe zu bedenken, dass in dieser Zeitspanne niemand mehr weiß, was das Wort Lesen bedeutet, wenn das so weitergeht. Eine überaus traurige Entwicklung ist das.
Und wenn es auch Leute gibt - auch hier im Zauberspiegel -, die ständig trommeln, dass der Heftroman tot ist oder zumindest im Sterben liegt - ich wage zu behaupten, dass in wenigen Jahren der gesamte Buchmarkt im Sterben liegen wird, wenn wir "Dinosaurier" von dieser Erde verschwunden sind. Denn das, was Du hier sagst, dass niemand mehr irgendetwas liest von den jungen Leuten, das kann ich auch bestätigen aus meinen Erfahrungen.
Und wenn man sich die aktuelle Schulpolitik in unseren ach so modernen Staaten ansieht: wen wundert's?
Dieses Wahnsinns-Stress-Programm, was die armen Kinder da haben, ist sicher nicht dazu geeignet, viele Leser hervorzubringen. Die meisten Kinder sind froh, wenn sie mal keine Bücher sehen müssen, weil die zu sehr an Schulbücher erinnern.
Wenn wir uns an die erzwungene Schullektüre erinnern, dann auch meist mit Schaudern. Aber es war eben nicht abschreckend für alle, manch einer liest eben trotzdem. Aber wir hatten auch nicht die vielen anderen Ablenkungen damals, die es heute gibt, und auch nicht so einen qualvollen Terminkalender.
Ob in öffentlichen Verkehrsmitteln gelesen wird, kann ein Landei wie ich nicht beurteilen, weil es sowas hier nur rudimentär gibt. Beim Autofahren kann ich jedenfalls nicht lesen, sondern muss auf die Straße gucken.
Heftromane sehe ich allerdings kaum.
Der Hase liegt da doch schon so im Pfeffer, dass die Romane so modern und zeitgemäß sein können wie sie wollen und mitkriegen würden es wahrscheinlich im Groben nur wir Alten. Da habe ich dann schon eher den Verdacht, dass Lisa mit sagen wir 14 Jahren eher ein Taschenbuch bzw. den elektronischen Ableger (eBook) in Händen halten wird, und die Serien eher Mehrteiler wie Harry Potter und ähnliches sein werden (also begrenzt auf ein paar Bücher - so drei bis sieben an der Zahl). Ob das eBook der Phönix für die Heftroman-Langzeitserien ist, wo sie dann aus der eigenen Asche wieder auferstehen werden, sehe ich noch nicht und rate da eher zum abwarten und erst mal jede Menge Tee zu trinken, bis man da gesicherte Erkenntnisse hat. Ein anfänglicher Erfolg einer solchen Version mit weiterem Effekt-Schnickschnack kann da kurzzeitig schon Höhenflüge zeigen. Doch ob dieser Höhenflug von Dauer ist, dass wissen wir damit noch nicht - will sagen - sowas kann nach einer begrenzten Zeit auch wieder im Sande verlaufen. In dem Punkt würde ich dazu raten, die Sache kritisch zu begleiten statt gleich in Jubel auszubrechen.
Die Kinder werden eher durch das Merchandising für andere Produktgruppen bedient, Pokemon-Hefte und was weiß ich. Die sind nämlich in den Läden vorhanden. (Habe ich jetzt mal zufällig gesehen, weil meine Freundin ihrem Sprössling so ein Teil gekauft hat und der hat sich gleich draußen im Auto drüber hergemacht.) Dieses Ineinandergreifen von Merchandising wie z. B. bei Pokemon, wo es ja Sammelkarten und allerhand anderen Tand mit den Figürchen drauf gibt, bewirbt sich fast selber und verspricht Gewinn auf breiterer Ebene als eine quasi isolierte Heftromanserie. Also ist es das, worauf sich Industrie und Handel konzentrieren.
Wie soll da eine breite Leserschaft für Hefte zustande kommen, die nicht so einer Vermarkungskette angehören?
Es ist halt wie so oft in der gewinnorientierten Wirtschaft: Sogar gut gehende Produkte kann man kaputtsparen. Und das wird auch gemacht, besonders, wenn es etwas anderes gibt, das mehr Gewinn verspricht.
Auch bei den Horror-Heften haben Werner und ich immer von "Altersgrenzen" geredet. Mit dem Eintritt ins "Teeny-Alter" wurde "Erwachsenen-Lesestoff" genommen. Also "John Sinclair". So mit 16 kamen diese Kids dann zu "Larry Brent" oder zum "Zamorra". So haben wir das bei unseren Gesprächen damals auf Cons mitbekommen.
Ob sich das Romanheft halten kann oder sich das E-Book durchsetze? Seit dem man so ein Teil mit aufs "Häuschen" nehmen kann oder auch ins Bett lesen, wird sich die Elektronik auf länger Sicht vermutlich durchsetzen. Zumal man vermutlich die Hefte einer Serie auch bei über 100 Heften oder so jederzeit von Anfang an nachbekommen kann. Das geht nun mal beim Romanheft nicht.
Es hat alles seine Zeit - die Edison-Walze, die Schellack-Platte, die Venyl-Platte, die CD.. Crom mag wissen, was da noch nachkommt... aber - es werden ja auch noch von Musik-Stücken Vinyl-Platten gepresst.. für besondere Liebhaber...