Welch eine Faszination - Die Kassettenkinder
Welch eine Faszination
Die Kassettenkinder
Schon damals, wenn Mutter eine neue Langspielplatte kaufte, wurde das Abspielen zum familiären Ereignis.
Doch wenn wir im Musikbereich bleiben, dann ist die LP sicher bis zu einem gewissen Zeitpunkt Konkurrenzlos gewesen. Außer man wollte Musik im Auto hören. Dann gab es zwei andere Möglichkeiten. Man kaufte sich die MC oder man überspielte die Platte auf MC. Das war in den Siebzigern eine Aufgabe, die in der Familie meistens mir zufiel. Das hat sogar Spaß gemacht. Dann kam irgendwann die CD und das Zeitalter der LP war dem Ende geweiht. Die CD lieferte nun all die Möglichkeiten, die auf LP nur manuell zu bedienen waren, automatisch.
Man konnte per Tastenklick Songs überspringen und schneller vorspulen. Sehr praktisch für die Musikfreunde. Und auch der Klang war deutlich besser, wenn auch klinischer. Ein großer Kritikpunkt der ewig gestrigen: Der CD fehle es an Charme, am typischen Knistern. Doch wer mit der Zeit gehen wollte, musste sich geschlagen geben. Soweit zu den Musikliebhabern. Auch wenn die CD nur ein kleines Bild als Cover bieten konnte, die LP war aufgrund der großen Fläche sehr viel angenehmer für Bildinformationen zu gebrauchen. Doch bei genauer Betrachtung, war dies kaum ein Nachteil der CD. Denn die Booklets konnten viel mehr Inhalte bereitstellen, als man glaubte. Mehrseitig.
Für die Liebhaber des Hörspiels hatte die Schallplatte immer eine Sonderstellung. Man konnte die Cover immer in ihrer schönen ganzen Größe bewundern. Die Handlung war auf beiden Seiten untergebracht und am Ende der ersten Seite kam garantiert immer ein Cliffhanger. Dieser Effekt ließ sich auf MC natürlich wunderbar übertragen. Das Umdrehen der Medien war dann dabei ein ebenso zeremonienartiger Akt wie bei der Platte. Doch Kinder verfügten damals in aller Regel nicht über ein Plattenspieler. Die waren meist teuer und standen eher im elterlichen Wohnzimmer. Im Kinderzimmer war eher der Kassettenrekorder verbreitet - später auch noch der Walkman. Und Hörspiele wurden deswegen zumeist auf Kassetten gehört.
EUROPA stellte die LP-Produktion für Hörspiele 1982 ein. Ein deutliches Zeichen, dass sich hier gebührender Absatz nicht mehr lohnte. Denn LPs an sich gab es noch. Leider wurden auf diese Weise beliebte Serien nicht mehr auf Schallplatte weiter produziert, Die drei??? ab Folge 31, Fünf Freunde ab Folge 17, TKKG ab Folge 13, Die Gruselserie ab Folge 16. Das stieß diejenigen vor den Kopf, die ausschließlich nur auf LP kauften. Wollten sie ihren Serien treu bleiben mussten sie umsatteln. Für Drei???-Hörer gab es erst im Jahre 2000 eine zaghafte Rückkehr auf Vinyl. Inzwischen sind einige alte Folgen und auch alle neuen Titel limitiert auch auf Vinyl erhältlich. Da die Spielzeit der Hörspiele aber deutlich länger geworden ist, sind die neuen Folgen auf 2 Vinyl-Platten aufgeteilt. Gerade im Hörspielsektor aber haben die MCs bis heute überlebt. Jedenfalls bei einigen Serien. Voran liegt das?
Sicher an den Dingen, die MCs für Musikhörer längst unattraktiv gemacht hat. Man kann nichts überspringen und einzelnen Tracks anwählen. Bei Hörspielen ist das auch nicht notwendig. Man hört sich chronologisch und meist an einem Stück. Hinzu kommt sicher der Nostalgiefaktor. Kassettenkinder halt. Nichts spricht gegen die CD für Hörspiele - sie ist sogar sehr beliebt, aber MCs wohnt doch noch eine besondere Faszination inne.
Schlecht für die Hersteller. EUROPA hat momentan derbe Schwierigkeiten MCs auszuliefern. Das war während des CD-Booms schon einmal so. Es gibt kaum noch Anbieter die Kassettengehäuse herstellen. Und wenn diese Zulieferer Lieferschwierigkeiten bekommen wird es eng. EUROPA hat deswegen die MC-Auslieferung für einige ihrer beliebten Serien inzwischen verschieben müssen.