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Ringo`s Plattenkiste: The Luv'd Ones - Truth gotta stand

 The Luv'd Ones - Truth gotta stand

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht        man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten  Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

 

Heute gibt es wieder einmal ein Novum, denn ich berichte über eine reine Frauenband. Frauen sah man zwar schon immer gerne im Rock, allerdings nicht in der Rockmusik. Umso erstaunlicher ist die heutige Band mit dem süßen Namen  The Luv'd Ones, die in den Sechzigern aktiv war. Dieses Jahrzehnt gab sich zwar offen für Alles, war in Punkto Frauenmusik aber eher reaktionär und maskulinen Traditionen verhaftet. Werfen wir also erstmal einen ganz weiten Blick zurück.

In den frühen Sechzigern begann eine junge Frau namens Charlotte Alyce Vinnedge Musik mit ihrer Girlband The Tremolons Musik zu machen, wobei sie tatsächlich alle Instrumente selbst spielte. Die Band veröffentlichte zwei Singles mit dem Titel Please let me know und Whole lot of Shaking going on bevor sie den Namen wechselte und einen Plattenvertrag bei Dunwich Records unterzeichnete. Das Label gab es seit 1965 und veröffentlichte hauptsächlich Singles, vornehmlich aus der Chicagoer Szene. Alben veröffentlichte Dunwich kaum. Gegründet wurde das Label von Bill Traut, Eddie Higgins und George Badonsky, offenbar Lovecraft-Fans. Der Name des Labels ist nämlich von Lovecrafts Story The Dunwich Horror inspiriert. Die Drei hatten zudem noch einen Musikverlag, der Yuggoth Music hieß, ebenfalls von H.P. inspiriert: Yuggoth war ein fiktiver Planet und diesem widmete der Autor ein Gedicht: Funghi from Yuggoth. Produziert und Lizenziert von Dunwich Records für Phillips erschienen auch 2 Singles einer Band, die sich H.P. Lovecraft (Ringo berichtete) nannten: The white Ship und Wayfaring Stranger, beide 1967. Dunwich hörten aber schon bald wieder auf, selbst Platten zu veröffentlichen und konzentrierten sich mehr und mehr aufs produzieren, bzw. überließen die entstandenen Masterbänder anderen Labels.

Die Brillenträgerin Charlotte war eher unauffällig, wandelte sich auf der Bühne aber komplett. Ihr verzerrter Gitarrensound war für die damalige Zeit sensationell und spektakulär. Vor allem traute man einen solch harten Sound einer Girlband wohl ebenfalls nicht zu. Schon gar nicht Mitte der sechziger. Anfangs sahen die Girls noch ganz brav und adrett aus, veränderten ihr Outfit aber mehr und mehr. Sie begannen enge, schwarze Kleidung zu tragen und ließen sich mit grimmigem Gesichtsausdruck ablichten. Char entdeckte bald die Musik von Jimi Hendrix und begann, ihm nachzueifern. Sie kaufte sich ein Fuzz-Pedal und begann, seinen Stil nachzuahmen. Leider wurde die Girlband von der Männerwelt nicht richtig ernst genommen und eher als Kuriosum betrachtet. Ein Schicksal, das einige Jahre später auch die Band Fanny erleiden musste.

 

 

 

Unsere Frauenband bestand inzwischen aus:

Char Vinnedge: Vocals, Lead Guitar

Chris Vinnedge: Bass Guitar

Mary Gallagher: Rhythm Guitar

Faith Orem: Drums

Es erschienen folgende Singles:

  • Yeah, I`m feeling fine
  • Dance, Kid, dance
  • I`m leaving you
  • Stand tall

Trotz allen Enthusiasmus und dem virtuosen Gitarrenspiels Chars blieb der Erfolg aus, die Singles wurden gar nicht erst im Radio gespielt und konnten sich nicht in den Charts plazieren, doch Char gab nicht auf. Sie investierte all ihre Zeit und Energie um neue Songs zu schreiben, aufzutreten und Werbung zu machen. Sie hoffte immer, mit der nächsten Single würde es klappen, was es aber nie tat. 1969 löste die Band sich schließlich auf und alle verschwanden für 2 Jahrzehnte in der Versenkung.

1990 aber unterzeichneten sie einen Vertrag mit Sundazed Records, die ihren gesamten Backkatalog wiederveröffentlichen wollten. 1999 erschien dann eine Compilation mit allen Dunwich-Singles sowie den noch existierenden Demos unter dem Titel Truth gotta stand. Und dieses Album bespreche ich heute. Char allerdings sollte dies nicht mehr erleben.

Das Album erschien 1999 im Klappcover mit einer Photographie der 4 Ladys auf dem Cover.

Hier die Tracklist:

Seite 1:

  1. Dance Kid Dance
  2. Up Down Sue
  3. Stand Tall
  4. Yeah, I'm Feelin' Fine
  5. Scratchy
  6. The Memory Of It All
  7. Please Get Up

Seite 2:

  1. I'm Leaving You
  2. Walkin' The Dog
  3. Come Back
  4. He Cried
  5. Truth Gotta Stand
  6. Your Mind Is
  7. Walk Me To The Door

2005 wurde abermals ein Deal unterzeichnet und ein alter Song wiederveröffentlicht. Rhino Records veröffentlichte den Song, Up down Sue, auf einer 4-CD-Anthologie mit dem Titel One Kiss Can Lead To Another: Girl Group Sounds, Lost and Found.

Sehen wir uns die Songs ein wenig genauer an

Dance Kid Dance war die zweite Single der Band, auf der Flipside war der Song I'm Leaving You. Eine typische Twistnummer der Sechziger mit leichten Surf-Anleihen.

Up Down Sue war die Flipside der allerersten Single. Ein sehr melodischer und melancholisch-beschwingtre Song mit Hitpotential. Hier ist sehr gut Chars sägende Gitarre zu hören.

 

 

Stand Tall erschien als letzte Single, zusammen mit Come Back. Der Song besticht vor allem durch den sphärisch-mehrstimmigen Gesang und die schwebende Melodie. Fast scheint sich hier ein wenig Wehmut ob des nahenden Endes der band breitzumachen.

Yeah, I'm Feelin' Fine war die erste Single, mit Up Down Sue auf der Rückseite. Eine recht brave Sixtiesnummer, ebenfalls mit Hitpotential.

Scratchy ist ein rumpelndes Garagen-Instrumental mit Twang-Gitarre, wie es bei Surfsongs üblich war. Würde sehr gut in einen Tarrantino-Film passen.

The Memory Of It All ist eine eher langsame Sixtiesnummer mit einem wunderschön-eingängigen Refrain.

Please Get Up beginnt mit einer sehr sägenden Fuzzgitarre, bevor Chars wunderschön-Samtige Stimme einsetzt. Der Song erinnert ein wenig an die Searchers und ihren Hit Needles and Pins.

Die drei letztgenannten Songs waren bisher unveröffentlicht. Die Plattenseite ist hiermit auch zu Ende.

I'm Leaving You war die vorletzte Single, auf der Flipside war der Song Walkin' The Dog. Ein cooler Song viel Bass und geschrammelter E-Gitarre.

Walkin' The Dog war die Flipside des vorigen Songs. Erinnert ein wenig an die Beatles (kennt die jemand?) und ihren Song Ticket to ride.

Come Back war die Backside von Stand tall und ist eine langsame Nummer mit viel Melancholie. Hier gibt`s auch mal ein kleines Solo von Char.

He Cried Shalalala mit Bass und mehrstimmigem Gesang, langsam und getragen, aber ohne einen nennenswerten Höhepunkt.

Truth Gotta Stand hier ist wieder Chars sägende Fuzz zu hören. Garagesound mit viel Gefühl und Surfeinschlag.

Your Mind Is Eine krachende Garagenummer mit Proto-Punkeinschlag. Ein spannender Song, der seiner Zeit weit voraus war.

Walk Me To The Door Eine eingängige Nummer im üblichen Gewand schließt die Platte mit einem krachend-sägenden Gtarrensolo ab.

Die vier letzten Songs stammen ebenfalls aus dem Archiv unveröffentlichter Songs.

Wer Garagemusik der Sechziger, sägende Gitarren, wunderschöne und oft melancholische Melodien, garniert mit mehrstimmigem Mädchengesang mag, wird hier bestens bedient. Die band war ihrer Zeit weit voraus und für die Sixties völlig untypisch. Die Members entsprachen wohl durchaus dem damaligen Schönheitsideal, wurden ihrer seit Generationen angestammten Rolle der unterwürfigen Hausfrau nicht gerecht. Eine Mädchenband, die mit verzerrten Gitarren arbeiteten? Das ging wohl gar nicht. Nicht nur April March wurde wohl von Char Vinnedges Girlband maßgeblich beeinflußt.

Ich stieß durch Zufall auf diese grandiose Band, als ich mich mit Billy Cox und seinem Projekt Nitro Function beschäftigte. Da wurde  in den Credits diese gitarrespielende Frau erwähnt, die den Nickname The electric Lady trug, und ich begann, neugierig geworden, ein wenig zu recherchieren und stieß auf dieses vergessene Juwel.

Was wurde aus den Beteiligten?

Char Vinnedge gründete nach dem Aus die kurzlebige und erfolglose Band Syrup, bevor sie mit dem ehemaligen Hendrix-Bassisten Billy Cox zusammenarbeitet und auf seinem Album Nitro Function Gitarre spielte und sang. Vor der geplanten Europa-Tournee aber warf sie das Handtuch und arbeitete für ein Musikgeschäft und verkaufte dort Instrumente. Nebenbei nahm sie weiterhin Songs auf, allerdings blieben diese unveröffentlicht. Char starb 1997 im Alter von 54 Jahren an Herversagen. Familie und Bekannte hielten ihr auch nach ihrem Tod die Stange und ermöglichten es, dass ihre unveröffentlichten Aufnahmen veröffentlicht wurden. 2012 erschienen fünf Singles im MP3-Format zum Download, ein jahr später das Album Friends forever, ebenfalls als MP3.

Chris Vinnedge verstarb 2004 im Alter von 53 Jahren.

Mary Gallagher und Faith Orem leben vermutlich noch.

 

 

 

 © by Ringo Hienstorfer  (05/2024)

Das wars mal wieder für heute. Beim nächsten Mal geht es um Prog-Rock, der gar keiner war.

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