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... Karla Paul über eBooks, kritische Haltung und »Social Reading«

Karla Paul... Karla Paul ...
... über eBooks, kritische Haltung und »Social Reading«

"Ich verlose zum Welttag des Buches keine Bücher aufm Blog! Geht gefälligst in den nächsten Buchladen und kauft Euch welche - so feiert man Literatur!"

Wer das auf seiner Facebook-Fanpage postet, der ist wahrlich jemand, der mit Herz und Seele ein Buchmensch ist: Karla Paul. Seit 2006 im Netz bloggt sie  in der Buchkolumne über ihre Leidenschaft - Bücher, Bücher, Bücher.


Sie ist darüber hinaus auch einer der Menschen, die in ihrem Leben viel beruflich "was mit Büchern" gemacht haben.

Zu nennen wären hier unter anderem die Redaktionsleitung von Lovelybooks, danach die Leitung für das Digitale Publizieren bei Hoffmann und Campe. Jetzt wechselt die engagierte Frau ihre Arbeitsstätte. Anlass genug, mal einige Fragen zu stellen: Über den Wechsel, über die digitalen Medien und über die Frage, ob Leser wirklich dieses Social Reading haben wollen.

Zauberspiegel: Sie wechseln jetzt von Hoffmann und Campe zu Edel – von einer eher bekannten Verlagsmarke zu einem eher kleinerem Label. Warum haben Sie sich dafür entschieden, was reizt Sie an der Aufgabe bei Edel?
Karla Paul: Der Eindruck täuscht – die Edel AG ist weit größer als der Verlag Hoffmann und Campe und allein der Digitalverlag, dessen Leitung ich ab Mai übernehme, veröffentlichte bereits über 750 Titel seit Gründung im Jahr 2012. Edel ist als Plattenfirma gestartet und betreut mittlerweile sehr viele Medien national sowie international – darunter auch einige Verlage. Mich reizt hierbei besonders das gemischte Medienhaus, da ich stets von den Inhalten ausgehe und dafür die perfekte Veröffentlichungsform für Autor und Leser finden möchte. Dies ist bei Edel schnell und unkompliziert möglich und Digital wird hier anders gedacht und gearbeitet als in den klassischen Buchverlagen. Ich werde den Digitalverlag Edel eBooks weiter ausbauen, den Bereich der Eigenveröffentlichungen verstärken und gemeinsam mit der kompletten Gruppe neue Erlösmodelle für zukünftiges Veröffentlichen und Lesen finden.

Zauberspiegel: Nun ist der Bereich, um den Sie sich kümmern werden, einer, der in Deutschland erst allmählich ernstgenommen wird: Der eBook-Bereich. Woran liegt es, dass wir Deutschen kritisch gegenüber dem Medium sind?
Karla Paul: Wir sind meinem Empfinden nach nicht kritischer als andere Nationen. In Amerika wuchs der Markt sehr schnell – dies liegt aber auch an anderen Voraussetzungen. Dort gibt es nicht an jeder Ecke einen Buchladen und keine Buchpreisbindung. Hier haben wir einen sehr gut funktionierenden bunten lokalen Buchhandel und die digitalen Ausgaben kosten ähnlich viel wie das gedruckte Buch. Zudem gibt es noch keinen Selfpublishermassenmarkt wie in anderen Ländern und die technischen Geräte wurden erst in den letzten 1-2 Jahren tatsächlich bedienerfreundlich. Inzwischen sieht man in der U-Bahn ebenso E-Reader wie Bücher und der Markt ist auf 5-10 Prozent angewachsen. Sicherlich gibt es hier noch viele Fragestellungen, die wir als Verlage schnellstmöglich lösen müssen (DRM, Flatrates, Preiskalkulation etc.), um dem Leser sämtliche Inhalte optimal darzubieten.

Zauberspiegel: Welche Aufgaben werden Sie in Zukunft als Leiterin der Abteilung eBooks bei Edel wahrnehmen? Wie genau definiert sich Ihr Aufgabenbereich?
Karla Paul: Die bisherigen Veröffentlichungen wollen ideal betreut sowie der Bereich der eigenen Originalinhalte verstärkt werden. Ich übernehme ein bereits sehr gut arbeitendes Team und wir werden gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten den Bereich weiter ausbauen, neue Inhalte schaffen sowie die besten Veröffentlichungswege dafür finden.

Zauberspiegel: Edel scheint bei den eBooks keine Berührungsängste mit Amazon zu haben – wer auf den „Bestell“Button der Homepage klickt, landet jedenfalls immer direkt bei Amazon. Obwohl auch einige bei Weltbild oder Beam zu finden sind. Wie sieht die Distributionspolitik für Edel-eBooks in der Zukunft aus, werden Sie weiterhin auf Amazon setzen, wenn es um die Bestellung direkt von der Homepage aus geht?
Karla Paul: Wir bieten unsere Inhalte überall dort an, wo der Leser zu finden ist. Amazon hat einen Marktanteil von bis zu 70 Prozent und deswegen ist es klar, dass wir weiterhin dort verkaufen werden. Selbstverständlich sind wir aber auch ständig auf der Suche nach Alternativen und arbeiten sehr gut mit Thalia, Apple, Weltbild und weiteren Anbietern zusammen. Je nach E-Book bieten sich Aktionen mit verschiedenen Handelspartnern an und wir stehen in engem Austausch mit allen Shops. Ziel ist, die Bücher (und das gilt selbstverständlich sowohl für gedruckte als auch für digitale Produkte) für den Leser so bequem und einfach wie möglich zu verkaufen, das gilt sowohl für die Form als auch den Anbieter.

Zauberspiegel: Sie waren lange Zeit für Lovelybooks.de in der Redaktionsleitung. Welche Erfahrungen von dort werden Sie nach Edel mitnehmen können?
Karla Paul: Meine wichtigste Erfahrung in den letzten Jahren ist, dass sich der Leser nicht erziehen lässt. Und das ist gut so. Es wird gelesen, was gefällt, und darauf hat das Marketing nur bedingt Einfluss. Nebenbei habe ich auch sehr viel über die Zusammenarbeit mit Autoren (und das Hegen der kreativen Künstlerseele) und Verlagen gelernt sowie die wichtigsten Marketingmechanismen. All dies bietet keine Garantie für Erfolg und genau dieses Glücksspiel macht die Arbeit im Buchmarkt auch weiterhin so spannend. Man bekommt ein gewisses Spür für die digitalen Entwicklungen, beliebte Inhalte und die perfekten Verkaufsvoraussetzungen. Im Idealfall kommt alles mit einem sehr guten Buch zusammen und dann verkauft es sich. Wir werden sehen, was ich in 12 Monaten vorzuweisen habe!

Zauberspiegel: Sascha Lobo hat beklagt, man hätte in Deutschland keine rechte Empfehlungs-Tradition was eBooks anbelangt. Teilweise natürlich auch, weil die meisten eBooks Print-Titel in einem neuen Format sind, aber für reine Neuerscheinungen bei eBooks fehlt abgesehen von der FAZ-Kolumne kürzlich tatsächlich ein Medium. Wie könnte man dem begegnen und welche Rolle könnte Edel dabei spielen?
Karla Paul: Das Feuilleton begegnet dem digitalen Veröffentlichen bisher eher verhalten bis skeptisch, aber das sehe ich gelassen. Eine gute Rezension von Literaturkritikern ist sehr wichtig für den Autor und inzwischen weit weniger wichtig für den Leser. Wir arbeiten sehr stark mit den größten Literaturnetzwerken sowie Bloggern zusammen und freuen uns, wenn die Titel dort besprochen und über Twitter, Facebook und Blogs weiterempfohlen werden. Wir verkaufen online und genau dort macht die Besprechung auch am meisten Sinn, jedoch völlig unabhängig vom Kritiker. Ein Buch soll geliebt werden, unabhängig vom Medium und wir freuen uns, wenn dies der Fall ist – egal ob im Kulturbereich, auf einem Hobbyblog oder Twitter.

Zauberspiegel: „Social Reading“ ist eines der Themen, das die Branche bewegt. Würden Sie mit all ihren Erfahrungen aus dem Alltag von Lovelybooks sagen, die Leser wollen gar nicht ständig beim Lesen diskutieren oder kommentieren?
Karla Paul: Man muss das differenziert sehen – auf der einen Seite gibt es das Social Reading, das wir schon seit Jahrhunderten kennen: Menschen wollen über gute Geschichten reden und das am Lagerfeuer oder im Lesekreis oder immer mehr online in den sozialen Netzwerken (z.B. sehr erfolgreich auf LovelyBooks oder Wattpad). Auf der anderen Seite gibt es inzwischen von einigen Anbietern die Möglichkeit, dies direkt im digitalen Text zu tun (Sobooks, Amazon Kindle etc.) und das ist der entscheidende und möglicherweise störende Unterschied. Die meisten Leser wollen den Text in Ruhe allein lesen und erst danach diskutieren (egal ob offline oder online). So geht es mir im Übrigen ebenfalls. Dies gilt allerdings nur für den Belletristik- und weniger für den Sachbuchbereich – hier ist nämlich ein fachlicher Austausch direkt am Text sehr wichtig und sinnvoll. Bisher gibt es relativ überschaubare Zahlen und wir werden sehen, wie sich das Nutzerverhalten hier in den nächsten Jahren mit einfacheren Geräten und Systemen entwickelt.

Zauberspiegel: Momentan haben wir bei den eBooks eine Situation, die der Wiegendruckzeit im Buchhandel ähnelt: Der Buchtext wird in ein elektronisches Format umgeändert, gleicht aber immer noch dem eigentlichen Print-Titel. Wenn Multimedia ins Spiel kommt, dann verändert sich auf einmal aber der Begriff und wir reden von einer App – nicht mehr von einem eBook. Glauben Sie, dass die Zukunft des Formats in dieser Art der Anreicherung liegt? Oder möchte der Leser erstmal nur den reinen Text an sich und möglichst diesen linear lesen?
Karla Paul: Die Erfahrungen mit enhanced E-Books der letzten Jahre zeigen, dass der Leser relativ wenige Experimente mitmachen möchte. Die Verlage haben hier von der Integration von Musik, Interview-Videos sowie z.B. interaktivem Kartenmaterial sehr viel ausprobiert und die Rückmeldungen der Käufer waren eher gering – der finanzielle Aufwand jedoch sehr hoch. Aktuell möchte der Leser also wohl nur den reinen Text, zumindest wenn es nach den Verkäufen geht. Aber wir werden sehen, wohin der Weg geht und jede Entwicklung weiter austesten.

Zauberspiegel: Wenn ich meine Lesegewohnheiten betrachte, stelle ich fest, dass ich bei Unterhaltungsliteratur und bei Heftromanen vermehrt zur elektronischen Ausgabe greife. Wie ist das bei Ihnen, was müssen Sie unbedingt als gedrucktes Exemplar und was als eBook lesen?
Karla Paul: Grundsätzlich lese ich immer noch weit mehr gedruckt als digital, ungefähr im Verhältnis Buch 70 Prozent, E-Book 20 Prozent und Hörbuch 10 Prozent. Sachbücher lese ich meistens digital – so kann ich schnell und unkompliziert etwas nachgoogeln, zudem sind sie im Original auf Englisch günstiger und schneller im Download. Deutsche Belletristik lese ich gedruckt, da ich diese oft für meine Webseite oder die ARD bespreche und hier mit Textmarker und Notizen direkt mit dem Buch arbeiten möchte. Danach verschenke ich diese aber auch gern weiter – ich habe mir das Sammeln von Literatur und anderen Dingen abgewöhnt. Auch das ist für mich ein sehr großer Vorteil der digitalen Welt, dass ich jederzeit problemlos wieder an die Inhalte komme und sie nicht bis an mein Lebensende horten muss.

Zauberspiegel: Zum Schluss: Gibt es eine Neuerscheinung im eBook, die Sie uns ans Herz legen können? Etwas, was wir unbedingt auf unsere Reader herunterladen müssen?
Karla Paul: Drei Titel – der Kriminalroman „Graben“ aus dem Liebeskind Verlag, „Weiter als der Himmel“ von Pippa Goldschmidt aus dem Digitalverlag culturbooks sowie die Novelle „Die letzte Kränkung“ von Christopher Ecker aus dem mitteldeutschen Verlag. Allesamt sehr beeindruckende und kraftvolle Texte abseits der Masse, die sowohl Unterhaltung als auch starken Inhalt bieten sowie überall digital erhältlich sind – viel Spaß beim Lesen!

Christian Spließ 

 Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Christian Spließ



Das Foto von Karla Paul stammt von: Yelda Yilmaz

 

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