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... Elmar Huber und Michael Schmidt über den Vincent Preis

Michael Schmidt... Elmar Huber und Michael Schmidt ...
... über den Vincent Preis

Was haben Markus K. Korb, Andreas Gruber und Alisha Bionda gemeinsam?

Alle drei wurden schon mit dem Vincent Preis ausgezeichnet. Was hat es eigentlich mit diesem deutschen "Horror Award" auf sich?

Zwei, die es wissen müssen, verraten den Zauberspiegellesern mehr darüber.


Zauberspiegel: Erst einmal vielen Dank, dass Ihr beide Euch die Zeit genommen habt, dem Zauberspiegel ein paar Fragen zum Vincent Preis zu beantworten. 2007 wurde diese Auszeichnung das erste Mal verliehen. Michael, was hat Dich damals dazu veranlasst, den Preis ins Leben zu rufen?
Michael Schmidt: Im deutschsprachigen Raum gab es damals (2006) vier Literaturpreise. DSFP und KLP sind SF Preise, der Deutsche Fantasy Preis vergeben für Fantasy, und der DPP, der zwar allen Genres offensteht, dessen Ergebnisse aber sehr fantasylastig sind. Einen Horrorpreis gab es nicht in Deutschland. Grund genug den deutschen „Bram Stoker Award“ ins Leben zu rufen. Es gab eine Diskussion im Horrorforum und da wurden wir uns 2006 nicht einig wie man hier nachlesen kann. Die einen wollten einen Jurypreis und andere einen Publikumspreis. Ich finde, Jurypreise haben immer etwas von eine Selbstbeweihräucherung. Die Jurypreisfraktion hat zwar eifrig diskutiert, aber den Preis nicht umgesetzt. Also habe ich mich 2007 hingesetzt, ein Konzept erdacht und so war der Vincent Preis 2007 geboren. Der Vincent Preis 2007 hat dabei nur eine Kategorie: Die Kurzgeschichte. Aber schon beim Vincent Preis 2008 wurden die Kategorien massiv ausgeweitet.

Ziel war es natürlich, die durchaus aktive Horrorszene auch nach außen hin zu zeigen. Einmal durch den Vincent Preis, aber auch durch Erstellung der Horrorlisten, da kann jeder Interessierte nachschauen, was im jeweiligen Jahr alles erschienen ist. Und der Ausstoß hat sich massiv erhöht, gerade durch den E-Book Markt. Wir haben 2013 625 Kurzgeschichten und 148 Romane erfasst. Und das waren mit Sicherheit nicht alle.

Zauberspiegel: Haben sich deine Erwartungen erfüllt oder ist es dann doch ganz anders gekommen?
Michael Schmidt: Ziel war es ja, einen unabhängigen Preis ins Leben zu rufen, bei dem die besten Werke nominiert werden und das überragende Werk dann gewinnt. Das gelingt halt nur bedingt. Es ist schwierig, Leute zum Abstimmen zu bewegen und dadurch, dass immer eine relativ überschaubare Menge mitmacht, haben manche Nominierten natürlich eine höhere Präsenz. Aber das hat man meines Erachtens bei anderen Preisen noch viel stärker. Beim Vincent Preis haben auch Debütanten eine Chance. Bei den Romanen wurden schon neun Debütanten nominiert. Und es ist ein Querschnitt aus der Horrorszene. Man bekommt sehr gut einen Überblick, welche der Künstler gut ankommen. Also mit Abstrichen bin ich schon zufrieden. Die Erwartungen sind erfüllt, auch wenn man sich hier und da noch ein wenig mehr erhofft hatte. Es sind auf jeden Fall sehr interessante Werke erschienen. Und mit dem Marburg Con wurde ein sehr schöner Veranstaltungsort gefunden, von dem beide, der Vincent Preis genauso wie der Marburg Con profitieren.

Zauberspiegel: Elmar, Du gehörst zum aktuellen Organisationsteam. Wie bist Du dazu gestoßen?
Elmar Huber: Das müsste dann 2008 gewesen sein, als Michael seine Fühler nach Unterstützung ausgestreckt und sein Netzwerk entsprechend aktiviert hat. Auf den Tipp von Alisha Bionda hin, die mich als Fan deutscher Horrorliteratur kennt, hat er sich dann bei mir gemeldet und angefragt, ob ich nicht Lust hätte, ihn zu unterstützen. Der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte laughing

Zauberspiegel: Wie sieht das genaue Prozedere des Vincent Preises eigentlich aus?
Elmar Huber: Zunächst einmal sammeln wir – momentan sind wir zu dritt – für alle unsere Kategorien das Jahr über die Neuerscheinungen im Bereich Horror. Da wir dafür nicht auf einen Automatismus zurückgreifen können, ist das eine ziemliche Fleißarbeit und manchmal bestimmt auch der Zufall, was uns so an Neuerscheinungen in die Hände fällt. Über Meldungen dritter sind wir also immer dankbar. Wir posten die Neuerscheinungen auf unserem Blog und nehmen die Werke in die Jahreslisten auf. Das sind dann auch gleichzeitig die „Long Lists“ der einzelnen Kategorien ohne jedwede Vorauswahl.
Kommt das neue Jahr, darf für das vorangegangene abgestimmt werden. Stimmberechtigt sind automatisch die Mitglieder des Horror-Forums (www.horror.forum.de). Prinzipiell steht die Stimmabgabe allerdings jedem Horrorbegeisterten und Genrefan offen. Es reicht ein formloses Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. In jeder Kategorie können (müssen aber nicht) 3, 2 und 1 Punkt vergeben für verschiedene Werke vergeben werden.
Die Vorrunde läuft meist bis Februar. Dann zählen wir die Stimmen aus und die fünf Werke pro Kategorie, die die meisten Stimmen auf sich verbuchen können, sind nominiert und dürfen in der Hauptrunde (bis Mitte April) gewählt werden. Dabei geht es dann also um die letztendliche Platzierung.
Die Bekanntgabe der Platzierungen und damit die Verleihung des VINCENT PREIS inkl. Urkunde erfolgt dann traditionell auf dem Marburg Con am letzten April-Wochenende.

Zauberspiegel: In welchen Größenordnungen bewegen sich die Teilnehmerzahlen bei den Abstimmungen? Wie groß ist überhaupt das Interesse am Vincent Preis?
Elmar Huber: Die Teilnehmerzahl ist schon sehr überschaubar und bewegt sich bisher unter 100 Personen. Dazu kann man natürlich Für- und Gegenargumente finden. So können wir relativ sicher sein, dass die Abstimmenden wissen, „wovon sie reden“ und sich in der Materie auskennen. Das hebt natürlich den ideellen Wert des Preises. Andererseits passiert es nicht selten, dass 1 oder 2 Punkte Unterschied darüber entscheiden, was auf der Nominierungsliste landet und was nicht.

Zauberspiegel: Was muss ein Zauberspiegelleser tun, um mit abstimmen zu können?

Elmar Huber: Wie bei Antwort 4 steht, reicht eine formlose Mail an vincent(at)defms.de aus, in der z.B. steht:
Bester deutschsprachiger Roman:
3 Punkte an ...
2 Punkte an ...
1 Punkt an ...
Usw. eben für alle Kategorien, für die man abstimmen möchte. Diese, sowie die jeweiligen Long Lists gibt es auf unserem Blog zu sehen. 
Der Zeitplan für 2016 sieht so aus:
01.01.2016 - 21.02.2016 Nominierungsrunde, 03.03.2016 Bekanntgabe der Nominierungen im Chat, 03.03.2016 - 10.04.2016 Endrunde, 23.04.2016 Preisverleihung.

Zauberspiegel: Namensgeber des Preises ist der Schauspieler Vincent Price (1911-1993). Warum wurde eigentlich ein Literaturpreis nach einem Filmschauspieler benannt?
Michael Schmidt: Ich hatte eine Diskussion im Horrorforum gestartet und irgendwie fand kein Name einen breiten Anklang. Dann kam Charlotte Engmann auf die Idee, aus Vincent Price, Vincent Preis zu machen und alle waren begeistert. Eine witzige Idee wie ich finde. Und fortan hatte der Deutsche Horrorpreis seinen Namen.

Zauberspiegel: Der Deutsche Phantastik Preis und der SERAPH stehen für alle Werke der Phantastik, also auch aus dem Bereich Horror, offen. Seht ihr da eine Konkurrenz?
Elmar Huber: Ich selber verfolge die Preise und Preisverleihungen gar nicht so sehr. Der DPP ist natürlich ein Begriff und damit werben die Verlage/Autoren auch. Der VP ist da schon noch eine Nummer kleiner, doch taucht er mittlerweile immer öfter in den Autorenvitae oder auf den Webseiten der entsprechenden Autoren und Verlage auf. Den SERAPH habe ich bisher kaum wahrgenommen und kann auch über die Zielrichtung gar nichts sagen.
Ein Konkurrenzdenken gibt es von unserer Seite aus nicht.

Zauberspiegel: Momentan wird der Vincent Preis in sieben Kategorien verliehen. Das war aber nicht immer so. Was spricht für die jetzige Praxis mit Kurzgeschiche, Roman, Grafik, Anthologie/Kurzgeschichtensammlung/Magazin, Hörspiel/Hörbuch, Internationales Literaturwerk, Sonderpreis? Warum gibt es z.B. keine Kategorie Bestes Debüt?
Elmar Huber: Die jetzigen Kategorien bestehen in dieser Form nun vier Jahre und haben sich damit auch bewährt. Wir diskutieren immer mal wieder, ob wir dieses oder jenes so beibehalten wollen. Dass wir es getan haben, spricht doch für sich. Bestes Debüt, um die Neuautoren besonders zu würdigen? Das klingt für mich auch gut und ist eine Überlegung wert.

Zauberspiegel: Aktuell wird der Grafikpreis an einen Grafiker für eine bestimmte Grafik vergeben. Ist das gerechter als eine pauschale Vergabe für das künstlerische Gesamtwerk im zurückliegenden Jahr?
Elmar Huber: In der Anfangsphase des VP gab mal ein Jahr mit Beste/r Grafiker/In und Beste Grafik. Das fand ich persönlich unglücklich zumal das Ergebnis deckungsgleich ausgegangen ist.
Erfahrungsgemäß ist in dieser Kategorie immer viel Musik drin, jeder kann schnell etwas dazu sagen, ohne erst ein Buch lesen zu müssen und das Rennen wird immer sehr spannend. Ist doch bestimmt ein tolles Gefühl, den Eyecatcher des Jahres abgeliefert zu haben. Ich denke, eine Festlegung auf das Jahreswerk würde die Ergebnisse sehr viel einseitiger ausfallen lassen. Übrigens auch ein Grund, weshalb es eine Dopplungsregel gibt und jede/r Künstler/In, Autor/In nur ein Werk auf der Nominierungsliste haben darf. Doppelte Nennungen auf der Nominierungsliste werden gestrichen und die Nachfolger rücken nach oben.

Zauberspiegel: Wie steht es mit dem Hörspiel/Hörbuchpreis? Es gibt ja eine aktive Hörspielszene mit vielen kleinen Labels in Deutschland, die aber nur bedingt in Kontakt zur Literaturszene steht. Gibt es da Verbindungen?
Elmar Huber: Das stimmt. Die Stimmabgaben zeigen immer wieder, dass die Schnittmenge von Lesern und Hörern relativ klein ist und das wäre auch ein Grund, unsere Aktivität und Bekanntschaft auf entsprechende Foren auszudehnen. Der Punkt ist in Diskussion. Nichtsdestoweniger gibt es eine erkleckliche Anzahl deutsche Horrorhörspiele, die wirklich wunderbar professionell produziert sind. Das wollen wir ebenfalls würdigen.

Zauberspiegel: Bei den Kategorien Kurzgeschichte und Anthologie sehe ich das Problem, das es auf diesem Gebiet etliche limitierte Veröffentlichungen mit Auflagen von 100 Exemplaren oder knapp darüber gibt. Viele Leser können sich doch so gar kein Bild von diesen Werken machen. Ist das ein zukunftsweisender Trend oder nur eine vorübergehende Erscheinung?
Elmar Huber: Das können wohl nur die entsprechenden Verlage beantworten. Allerdings ist es beim VP auch nicht die Ausnahme, dass limitierte Auflagen platziert waren. Hier bestätigt sich wieder, dass überwiegend Personen abstimmen, die sich mit der Materie beschäftigen.

Zauberspiegel: Der Sonderpreis ist bisher meist für herausgeberische oder verlegerische Leistungen vergeben worden. Für 2015 gibt es jedoch einige interessante Vorschläge, die in eine ganz andere Richtung gehen: Frank Zander, Torsten Sträter oder Jason Dark. Was sagt Ihr dazu?
Elmar Huber: Da kann man eigentlich nur sagen: Die Wähler bestimmen das. Wir treffen da keine Vorauswahl. Was den Zander angeht, ist der Vorschlag wohl nicht so ganz ernst gemeint. Alles andere hat doch durchaus seine Berechtigung. Ansonsten ist der Sonderpreis doch die Möglichkeit, mal über den Tellerrand zu schauen und z.B. Lebenswerke oder Sonstiges zu würdigen, was „Horror“ ist aber eben nicht durch die Kategorien abgedeckt wird. 

Zauberspiegel: Wie wirken sich die steigenden Selfpublisherzahlen auf den Vincent Preis aus?
Elmar Huber: Zumindest mal in der Form, dass die Long Lists noch länger werden J. Im Ernst. Wir behandeln die ebenso wie Verlagsveröffentlichungen, es kann eben nur passieren, dass uns aufgrund der schieren Anzahl, auch speziell an reinen ebook/Kindle-Veröffentlichungen einiges durch die Finger gleitet. Es ist ja auch längst nicht mehr so, dass nur der selbst veröffentlicht, der keinen Verlag finden würde. Dadurch, dass es inzwischen sehr einfach ist, ein ansehnliches Buch oder ein brauchbares ebook selbst produzieren zu lassen UND die Gewinnmargen anscheinend sehr viel größer sind, als bei einer Verlagsveröffentlichung, sollte man die Self Publisher nicht als Autoren zweiter Klasse abtun. Dass auch die Self Publisher ernsthafte Chancen auf den Preis haben, hat z.B. Tim Svart bewiesen.

Zauberspiegel: Habt ihr die Befürchtung, der Vincent Preis könnte eines Tages manipuliert werden, so wie es beim HUGO dieses Jahr passiert ist?
Elmar Huber: Ich kenne dazu nur das Stichwort „Manipulation“. Was da genau gelaufen ist, weiß ich gar nicht. In Sachen VP kann ich sagen, dass wir uns durch die „analoge“ Auswertung jede Stimme ansehen und uns vorbehalten, eindeutig erkennbare Sympathiestimmen von Schwagern, Tanten, Enkeln etc., sowie Massenvotings nicht in die Wertung zu nehmen. Traurig, dass man das extra erwähnen muss, immerhin gibt es beim VP keine Prämie oder sonst einen materiell wertvollen Preis zu gewinnen, doch es war alles schon da gewesen.

Uwe Weiher




Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Uwe Weiher

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