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... Rebecca Gablé über Drake, Superlative, Sprache und Elisabeth & Maria

Rebecca Gablé... Rebecca Gablé ...
... über Drake, Superlative, Sprache und Elisabeth & Maria

Rebecca Gablé ist seit ihres (historischen) Erstlings »Das Lächeln der Fortuna« (1997) eine der führenden Autorinnen des historischen Romans. Mit »Der Palast der Meere« legt sie nun ihren neunten historischen Roman vor. Wieder einmal stehen die Waringhams im Mittelpunkt der Handlung. Mit dieser Saga hat sie (inklusive des Romans »Der König der purpurnen Stadt«) schon rund zweieinhalb Jahrhunderte englischer Geschichte überbrückt.


Wir hatten mal wieder ein paar Fagen an die Autorin. Und wir bedanken uns für die Antworten, denn es macht immer wieder Spaß, Fragen an die populäre Autorin zu richten. Die Antworten haben immer Hand und Fuß und sind nicht immer die, die man so zu erwarten meint ... Das machen diese Interviews spannend.

Der BusZauberspiegel: Zu allererst: Auf Facebook hast Du ein Bild von Dir und ›Deinem‹ Bus gepostet. Ist so ein Ding nicht etwas unpraktisch fürs Einkaufen in der Stadt?
Rebecca Gablé: Mit dem „Palast der Meere“-Bus, der 2 Wochen lang als rollende Plakatwand in der Republik unterwegs war und  Kunden vor Buchhandlungen eingesammelt hat, um sie zu Kaffee, Stadtrundfahrt und Leseprobe einzuladen, hat der Verlag sich wirklich etwas Großartiges einfallen lassen. Die Idee ist beim Publikum sehr gut angekommen, weil sie einfach Spaß gemacht hat. Ich war von der Aktion begeistert und finde sie zukunftsweisend. Manche in der Buchbranche denken immer noch, ein Qualitätsprodukt wie das gedruckte Buch hat etwas so Vulgäres wie Marketing nicht nötig. Aber ich sehe das anders. Kurzum: Der Bus war phantastisch, aber für den Alltag im Stadtverkehr ziehe ich meinen Smart eindeutig vor.

Der Palast der MeereZauberspiegel: Die Waringham-Saga ist mit »Der Palast der Meere« in die nächste Runde gegangen. Diesmal werden die Waringhams im Umkreis von Elisabeth I., englischen Seefahrern und der Seeschlacht wider der spanischen Armada gesichtet. Titel des Romans ist: »Der Palast der Meere«. Wie nähert man sich als Autor dieser Zeit an, die für das Vereinte Königreich und dessen Selbstverständnis wohl die wichtigste ist? Immerhin hat England dem anscheinend übermächtigen Spanien widerstanden und den Grundstein für seine mehrere hundert Jahre dominierende Marine gelegt.
Rebecca Gablé: Mit Superlativen bin ich nie so glücklich. Ich glaube nicht, dass das elisabethanische Zeitalter „die wichtigste Zeit“ für das Selbstverständnis der Briten war, und der Sieg über die Armada hat auch nicht wirklich den Grundstein für die britische Herrschaft auf den Weltmeere gelegt, denn es folgten erst einmal wieder rund 200 Jahre Schattendasein und maritime Tristesse, ehe es mit der Weltherrschaft etwas wurde. Trotzdem war es natürlich eine wichtige und prägende Epoche, obendrein die, welche für fiktionale Darstellungen in Büchern und Filmen wohl am häufigsten interpretiert wird. Ich habe mich ihr angenähert wie jeder anderen Epoche auch: Mit Quellenstudium und der Lektüre historischer Fachliteratur. Die elisabethanische Zeit ist sehr dicht und vielschichtig dokumentiert, sodass ich – anders als beim Mittelalter – aus dem Vollen schöpfen konnte. 

Zauberspiegel: Ich hatte mich über den Auftritt von Francis Drake gefreut, der ja nicht nur in Hollywood als der Prototyp des englischen Kapitäns ist. Dann aber die Überraschung. Vom Meistertaktiker, der die spanische Armada im Alleingang besiegte keine Spur. Stattdessen folgt da ein Mann seiner persönlichen Gier. Woran liegt es, dass dieser Mann – nicht nur von Hollywood-, zum großen Helden stilisiert wird? Bedarf es da nicht einer Korrektur des Mythos Drake? Oder sollte der Western »The Man Who Shot Liberty Valance« recht haben: »When the legend becomes fact, print the legend.«
Rebecca Gablé: Das schmeichelhafte Image von Francis Drake als Gentleman-Pirat und Bezwinger der Armada wurde vor allem in der viktorianischen Epoche geprägt (aus der auch sein gigantisches Standbild in Plymouth stammt), denn es passte hervorragend ins Selbstverständnis des Empire. Diese Überhöhung hat auch die Hollywood-Filme der 1930er bis 50er und die BBC-Serie über Drake in den 60ern stark beeinflusst, die die Wahrnehmung der Person Francis Drake bis heute maßgeblich  bestimmen. Das ist tatsächlich Legendenbildung, gegen die die Wahrheit es immer schwer hat. Neuere Biografen haben viel Fleißarbeit geleistet, um den Mythos abzukratzen und den wahren Drake ans Licht zu fördern, der eben auch weniger schöne Eigenschaften hatte, ein Sklavenhändler und ein Opportunist war, seine Freunde im Stich ließ, seine Matrosen miserabel bezahlte und Kritiker unter dem Stiefelabsatz zertrat, wenn er konnte. Manchmal war er ein richtiger Drecksack, und bei der Schlacht gegen die Armada hat er sich nach einer Stunde verkrümelt, um das spanische Schiff mit der fettesten Beute aufzubringen. Aber das alles schmälert ja nicht seine unbestreitbaren Leistungen: Er hat die Welt umsegelt, als die Navigation noch in den Kinderschuhen steckte, und er besaß enormen persönlichen Mut. Wenn man versucht, in einem Roman die vergangene Realität zu rekonstruieren, muss man diese schwierige Persönlichkeit mit allen Facetten darstellen, denke ich. Und überhaupt sind Figuren mit Licht- und Schattenseiten ja auch viel spannender als strahlende Helden à la Erol Flynn in „Der Herr der sieben Meere“.

Zauberspiegel: Auch in den Abenteuern von Issac of Waringham finde ich – zu meinem Entsetzen - nicht jede Legende wieder. Stattdessen: Menschenraub und Sklavenhandel gegen die Luxusgüter der neuen Welt. Sehe ich dagegen Hollywoods Piratenfilme um Drake & Co., so überwältigen tapfere, gute Engländer böse und gierige Spanier auf hoher See und plündern sie aus, statt ihnen Sklaven zu verkaufen, die sie den Portugiesen geraubt haben. Waren die englischen Freibeuter also nicht nur die edlen Männer, die uns Hollywood, aber auch Geschichtsbücher vermitteln? Was haben die Brüder noch auf dem Kerbholz?
Rebecca Gablé: Siehe oben – die „Geschichtsbücher“ beteiligen sich eigentlich nicht an den schönen Lügengeschichten, jedenfalls nicht die aktuellen. John Hawkins, der ältere Cousin und Lehrmeister von Francis Drake, hat den englischen Sklavenhandel zum Big Business entwickelt (wofür seine Nachkommen sich vor einigen Jahren entschuldigt haben), und das ist heute eigentlich allgemein bekannt. Die englische Piraterie, die den Spaniern das Leben schwer machte, hatte immer auch oder vielleicht sogar an erster Stelle mit Profitdenken zu tun. Auch die Königin hat daran gern mitverdient, um die chronisch leeren Schatullen der Krone zu füllen. Zu ihrer Verteidigung kann man allerdings anführen: Es war eine willkürliche Entscheidung des berüchtigten Borgia-Papstes Alexander VI., die Neue Welt und die dort erbeuteten Profite unter Spanien und Portugal aufzuteilen. Da kann man verstehen, dass das englische Unrechtsbewusstsein, was den Raub spanischen Goldes betraf, eher unterentwickelt war.

Zauberspiegel: Das Schicksal der Ureinwohner der Kanaren wird auch angerissen, die versklavt, ihrer Kultur beraubt und ausgerottet wurden. Wie erklärt sich das Handeln der »guten Christenmenschen«?
Rebecca Gablé: Das musst du die guten Christenmenschen fragen … Die Kanaren wurden im 15. Jahrhundert unter dem Vorwand der christlichen Mission von Spanien erobert und erwiesen sich als wertvolles Ackerland für den Anbau von Zuckerrohr und unentbehrlicher Zwischenstopp für die Fahrten in die Neue Welt. Hier ging es also wiederum um großes Geld. Die Ureinwohner passten nicht ins Konzept und wurden kurzerhand als billige Arbeitskräfte auf den Zuckerplantagen verheizt. Weil sie „Heiden“ waren, musste man praktischerweise noch nicht einmal Gewissenbisse deswegen haben.

Zauberspiegel: Im Nachwort gibt es die bemerkenswerte Passage über die Benutzung von zeitgemäßer Ressentiments, Vorurteilen und Bezeichnungen. Muss sich eine Autorin in Zeiten von PC dafür entschuldigen sich zeitgemäßer Schilderung und Schmähungen zu bedienen? Ist das nicht irgendwie klar, dass im 16. Jahrhundert – lange vor ›Political Correctness‹ - sich einer anderen, heute als unangemessen empfundenen Sprache bedient, die aber dem Setting des Romans angemessen ist?
Rebecca Gablé: Sollte man denken, ist aber nicht so. Ich habe in der Vergangenheit oft empörte Zuschriften bekommen, weil der/die jeweilige LeserIn die Anschauungen meiner Figuren mit den meinen verwechselt hat. Darum habe ich dieses Mal gedacht, es kann nicht schaden, dazu mal ein paar klärende Worte zu sagen.
Zauberspiegel: Dazu zwei Nachfragen. Die erste an die Autorin. Wie fühlst Du Dich, wenn Deine Leser und Leserinnen Dir solche Briefe schreiben? Wie beantwortest Du diese Briefe? Wie macht man klar, dass Romanfiguren längst nicht der persönlich-privaten Einstellung der Autorin übereinstimmen (können)?
Rebecca Gablé: Ich habe überhaupt kein Problem mit solchen Zuschriften, denn ich finde es großartig, wenn Leserinnen und Leser sich mit den Büchern auseinandersetzen und einen bestimmten Aspekt sogar wichtig genug finden, um mir deswegen zu schreiben. Wer nicht beruflich mit Literatur zu tun hat, für den ist vielleicht nicht so sonnenklar, dass die Meinungsäußerungen einer Figur und insbesondere eines Erzählers sich nicht zwangsläufig mit denen der Autorin decken. Genau das versuche ich dann in meiner Antwort zu erklären.

 

Zauberspiegel: Die zweite Nachfrage zu Lindgren, Twain und gesäuberte Sprache. Wir, die wir noch Kinder waren als PC noch keine Rolle spielten haben noch über den »Negerkönig« gelesen, ohne zu Rassisten zu werden. Warum also säubern? Warum den Eltern, Verantwortung abnehmen, die Kinder mit diesen Begrifflichkeiten, Werte zu vermitteln? Snd nicht Werte und Taten wichtiger als die Worte? Warum also sollen Bücher Ihre originären Worte beraubt werden?
In Sachen Twain wird dem ›Säubern‹ doch eher die Zeit in der die Geschichten spielen verfälscht. Ist das nicht viel schlimmer als die Worte. Zeichnet nicht gerade Twain auch ein Bild seiner Zeit und wie soll der Leser – egal ob jugendlich oder nicht – daraus lernen?
Und nehmen wir den Fall eines historischen Romans z.B. der Waringham-Saga in der Zeit von 1933-45 an. Dort käme die Autorin Gablé nicht um die Nazis und ihrer menschenverachtendes Vokabular herum. Wie würdest Du als Autorin das angehen?
Rebecca Gablé: Sprache transportiert Werte und Ideen, aus Werten und Ideen werden Taten. Ich glaube, anders als du, dass der in unserer Generation so weit verbreitete latente Rassismus durchaus mit den Sprachklischees unserer Kindheit zu tun hat. Darum ist es richtig, den „Negerkönig“ aus der Kinderliteratur zu verbannen.

Wie bereits gesagt, ist es etwas völlig anderes, wenn es sich um einen historischen Roman handelt, denn dort muss man, soweit möglich, auch die sprachliche Realität der Vergangenheit rekonstruieren, um ein einigermaßen zutreffendes Abbild zu erschaffen. Beim Mittelalter können wir das nicht, weil wir keine O-Töne der Umgangssprache haben. Aber wer über die Nazizeit schreibt, muss sich auch in den sprachlichen Sumpf der Nazis wagen.

Zauberspiegel: In diesem Zusammenhang gleich die Frage, was Du davon hältst, dass Texte von Mark Twain und Astrid Lindgren ›bereinigt‹ werden, um diese PC zu machen?
Rebecca Gablé: Bei Astrid Lindgren finde ich es richtig, denn diese Bücher sollen ja kein Abbild der Vergangenheit wiedergeben, sondern Kindern Spaß machen. Dass Leseanfänger oder vorlesende Eltern keine große Freude an Büchern haben, wo sie über rassistische Wörter stolpern, kann ich verstehen. Es ist besser, die Bücher zu „bereinigen“, als sie einzumotten, denn wer ohne Astrid Lindgren aufwächst, wird um ein wunderschönes Stück Kindheit betrogen. Bei Mark Twain finde ich es viel schwieriger, weil Rassismus zu der Lebenswelt gehörte, die seine Romane beschreiben.

Zauberspiegel: Die zweite große Geschichte in »Der Palast der Meere« ist das Ränkespiel um Maria Stuart. Das von dir gezeichnete Bild der Stuart ist ja zu nächst das einer Königin, die dann gebrochen wird. Was ist da passiert? Was ist Vermutung von dir, was ist historisch zu belegen?
Rebecca Gablé: Genau wie bei Elizabeth, bleibt auch bei ihrer Cousine Mary Stewart nicht viel Raum für Vermutungen, weil die Geschichte umfassend dokumentiert ist. Sie kam mit denkbar schlechten Startchancen als junge Königin aus Frankreich zurück nach Schottland: Sie konnte die Landessprache nicht, kein Mensch kannte sie, sie war eine Katholikin in einem unlängst protestantisch gewordenen Land. Trotzdem ist ihr in den ersten Jahren alles gelungen, und sie hat alles richtig gemacht. Aber sie hatte kein glückliches Händchen bei der Wahl ihrer Ehemänner und hat – im Gegensatz zu Elizabeth – zugelassen, dass Männer die Initiative ergriffen und Entscheidungen über ihren Kopf hinweg trafen und durchsetzen. Das große Fragezeichen in ihrer Biographie bleibt, ob sie an der Ermordung ihres zweiten Ehemannes beteiligt war oder nicht. Da die Originale der Briefe, die sie als Komplizin belasten, verloren sind, wird sich das wohl nicht mehr klären lassen. Aber für ihren Sturz ist die Frage letztlich unerheblich.

Zauberspiegel: Kurze Zwischenfrage, bevor es denn weiter um Elisabeth und Maria geht. Was ist Dir als Autorin historischer Romane lieber, eine gut dokumentierte Quellenlage oder die eher lückenhaften Quellen?
Rebecca Gablé: Als ich mit Der dunkle Thron erstmals über die Zeit nach der Erfindung des Buchdruck geschrieben habe, hat die Fülle des Quellenmaterials mich ein wenig erschreckt, weil ich vorher an das eher karg dokumentierte Mittelalter gewöhnt war. Aber inzwischen empfinde ich es als Bonus, wenn ich auch das Alltagsleben meiner Figuren aus schriftlichen Quellen erschließen kann – wie z.B. in der Renaissance – und nicht auf archäologische Erkenntnisse angewiesen bin – wie etwa im 10. Jahrhundert – die oft nur ein sehr verschwommenes Bild zulassen. Je dünner die Quellen, um so mehr Raum bleibt für die Phantasie der Autorin. Je üppiger die Quellen, desto exakter wird das Bild. Beides hat Vor- und Nachteile, denke ich.

Zauberspiegel: Ist die Stuart in ihren späten Jahren aus deiner Sicht eher eine Intrigantin oder mehr Spielball und Werkzeug von katholischen Kräften oder politischen Interessen von Monarchen?
Rebecca Gablé: Sie war sicherlich beides. Philipp von Spanien hat versucht, ihre mögliche Wiedereinsetzung als Droh-Szenario gegen Elizabeth zu verwenden, hat Mary also instrumentalisiert. Aber es ist unbestritten, dass Mary an der Planung der Babington-Verschwörung, bei der Elizabeth ermordet und Mary die englische Krone bekommen sollte, aktiv beteiligt war.

Zauberspiegel: Was hätte aus Deiner Sicht Elizabeth I. anders machen können wenn es um Maria Stuart ging? Hätte Sie das Gespräch suchen sollen? Welche Möglichkeiten siehst du da?
Rebecca Gablé: Keine. Elizabeth hätte sich selbst demontiert, wenn sie das Gespräch mit Mary Stewart gesucht hätte, die unter Mordverdacht stand. Der ermordete Ehemann Henry Stewart, Lord Darnley, stand ja auch als Elizabeths Erbe zur Debatte, und die katholischen Kräfte, die Elizabeth gern mit seiner Ermordung in Zusammenhang gebracht hätten, standen regelrecht Schlange. Nach der Babington-Verschwörung konnte Elizabeth Mary aber auch nicht leben lassen, die schottische Rivalin war einfach zu gefährlich. Ihre Hinrichtung war – jedenfalls nach der politischen Logik des 16. Jahrhunderts – alternativlos.

Zauberspiegel: Wenn es um Elisabeth I. geht dann ist Robin Dudley immer ein Thema. Zweifellos hatten die Königin und der Earl of Leicester eine besondere Beziehung, wenn Du – wie die Historiker – eine sexuelle Beziehung für ausgeschlossen hältst. Wie darf man sich das zwischen den beiden ›lief‹ vorstellen und wie begründete sich diese – sagen wir mal – besondere Freundschaft?
Rebecca Gablé: Ich bin so wenig wie die Historiker in der Lage, eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden auszuschließen, weil wir diese spannende Frage einfach nicht beantworten können. Ich halte es lediglich für unwahrscheinlich. Das Schwangerschaftsrisiko war zu groß, und der Skandal hätte die Königin ruiniert und die Krone gekostet. Elizabeth war aber machtbewusst und auch machtverliebt. Ich glaube einfach nicht, dass sie ihre Krone für Dudley aufs Spiel gesetzt hätte. Trotzdem hat er eine besondere Rolle in ihrem Leben gespielt und war wohl ihre große Liebe, um es mal blumig auszudrücken. Warum das so war, kann man natürlich nicht wissen. Sie haben Teile ihrer Kindheit gemeinsam verbracht. Als junge Erwachsene waren sie gleichzeitig im Tower inhaftiert. Manche glauben, dass es da „gefunkt“ hat. Sie hatten viele gemeinsame Interessen. Darüber hinaus entsprach Robin Dudley physiognomisch, modisch und charakterlich dem höfischen Männerideal seiner Epoche. Braucht man noch mehr Gründe? wink

Zauberspiegel: Robin Dudleys Frau ist bei einem Trepppensturz ums Leben gekommen. Du erklärst das da damit, dass sie einen Mord an sich in Auftrag gab, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung sterben wollte, aber als gläubige Christin keinen Selbstmord begehen konnte. Das ist pure Spekulation, aber erscheint schlüssig. Gibt es Theorien von Historikern dazu oder ist das die blanke künstlerische Freiheit?
Rebecca Gablé: Nein, das habe ich mir ausgedacht. Es passt allerdings hervorragend zu den bekannten Indizien. Für einen Selbstmord ist ein Treppensturz zu ungewiss. Außerdem wies ihr Leichnam Kopfwunden auf, die der Treppensturz allein nicht erklärte. Gegen einen Mordanschlag einer dritten Partei spricht, dass Amy Himmel und Hölle bewegt hat, um an dem bewussten Tag allein im Haus zu sein. Das passt alles hervorragend zu meinem erfundenen Tathergang. Aber die Wahrheit liegt leider im Dunkeln.

Zauberspiegel: Woher weiß man, dass Dudleys Frau krank war? Warum ist der Schluss zulässig, dass sie Brustkrebs hatte?
Rebecca Gablé: Es gibt zwei unabhängige Quellen, die von ihrer Brusterkrankung berichten. Die eine ist ein Bericht des spanischen Gesandten Àlvaro de la Quadra in die Heimat, die andere fällt mir leider gerade nicht ein. Und offenbar war es eine lebensbedrohliche Krankheit, denn es ist belegt, dass Königin Elizabeth während ihrer Geburtstagfeier – einen Tag vor Amys Tod – gesagt hat, Amy werde nicht mehr lange leben. Das kann sich nur auf den Gesundheitszustand bezogen haben. Aus diesen Indizien setzt sich die Brustkrebs-Theorie zusammen.

Der dunkle ThronZauberspiegel: Elisabeth I. hatte ja nicht gerade die leichteste Kindheit wie im vorigen Band der Waringham Saga »Der dunkle Thron« zu lesen war. Welches Psychogramm kann man da zeichnen. Was war Elisabeth I. für eine Frau? Kann man aus ihrer Kindheit auch schon ihre Ehelosigkeit ablesen und war sie damit nicht deutlich klüger als Maria Stuart?
Rebecca Gablé: Ja, wie so viele Königskinder hatte auch Elizabeth eine ziemlich finstere Kindheit. Sie war zweieinhalb, als ihre Mutter hingerichtet wurde. Davon hat sie sicher nichts mitbekommen, und sie hat ja auch vorher nie mit ihrer Mutter zusammengelebt. Trotzdem musste sie mit dieser Bürde aufwachsen. Als Katherine Howard – Henry Ehefrau Nr. 5 und Elizabeths Stiefmutter Nr. 3 – hingerichtet wurde, war Elizabeth acht, und es ist belegt, dass sie bei der Gelegenheit geschworen hat, sie werde niemals heiraten. Weder in ihrer Kindheit noch in der Pubertät hat sie je so etwas wie Geborgenheit gekannt. Trotzdem ist sie eine enorm starke Persönlichkeit geworden, was ich sehr bewundere. Zeitgenössische Quellen berichten aber, dass sie zeitlebens an Depressionen und Panikattacken litt. Kein Wunder, denke ich. Dass sie am Vorsatz der Ehelosigkeit festgehalten hat, beweist ihren starken Willen, aber nicht unbedingt Klugheit. Was wir heute als Ausdruck von Unabhängigkeit bewundern, war damals eine politische und dynastische Katastrophe: Elizabeth hat keinen Erben hervorgebracht und damit die Stabilität ihres Reiches riskiert. Dieses „Versagen“ hat ihre letzten Regierungsjahre überschattet, aber zum Glück nicht ihren Nachruhm.

Zauberspiegel: Auch der Geheimdienst ihrer Majestät kommt in »Der Palast der Meere« vor. Wie organisiert war das Netz von Spitzeln und Agenten eigentlich? Kann man schon von einem Geheimdienst sprechen wie wir uns den heute vorstellen?
Rebecca Gablé: Zumindest in Ansätzen. Francis Walsingham, Elizabeths „Spy Master“, hat ein leistungsfähiges Spionagenetz aufgebaut, hatte eine umfassende „Datenbank“ mit Informationen über alle, die im In- und Ausland mächtig und wichtig waren, und er beschäftigte einen genialen Verschlüsselungsexperten, der Nachrichten chiffrieren und dechiffrieren konnte. Schon alles ganz schön ausgefuchst im damaligen Geheimdienst ihrer Majestät …

Zauberspiegel: Jetzt kommen ja spannende Zeiten auf England zu. Cromwell, ein geköpfter König… Wie geht es weiter mit den Waringhams und wie weit bist du gedanklich in Sachen der Saga?
Rebecca Gablé: Wenn ich das wüsste … Momentan tendiere ich zu einem Prequel: Die Waringham im 13. Jahrhundert mit dem abscheulichen König John. Oder so. Vielleicht wird es aber doch König James, der Gunpowder Plot und das 17. Jahrhundert? Ich weiß es einfach noch nicht.

Zauberspiegel: Was kommt denn als Nächstes aus der Feder von Rebecca Gablé?
Rebecca Gablé: Eine Fortführung von Das Haupt der Welt – Otto der Große, seine faszinierende zweite Frau Adelheid von Burgund und die wilden Ungarn …

Zauberspiegel: Besten Dank fürs Gespräch…
Rebecca Gablé: Gern geschehen.

Horst Hermann von Allwörden




Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Horst Hermann von Allwörden

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2015-12-06 16:02
Schönes Interview.

Ein paar Dinge regen zum Nachdenken an. Auch wenn Elisabeth zweifellos eine starke Persönlichkeit war, hat sie die Politik doch oft ihren Staatssekretären Cecil und Walsingham überlassen. Und wäre es nach Walsingham gegangen, der als Protestant genauso fanatisch wie zb Philip als Katholik war, wäre Mary Stuart schon Jahre früher hingerichtet worden. "Eine bösartige Kreatur, die uns Gott als Plage schickte, um uns für unsere Sünden und Undankbarkeit zu bestrafen", schrieb er mal über sie. Seine Unversöhnlichkeit ist verständlich; er hat die Regierungszeit von Mary I. im Exil verbringen müssen und musste den französischen Staatsmord an den Hugenotten in der Bartholomäusnacht als Botschafter in Paris miterleben. Für ihn verkörperten Leute wie Mary Stuart den Antichristen.

Das Faszinierende und heute so schwer verständliche an diesen Menschen ist oft ihr widersprüchliches Verhalten. Walsingham musste sein Spionagenetz aus der eigenen Tasche bezahlen, Elisabeth war berüchtigt für ihren Geiz. Sie hat es den Männern, die sie zum Mythos gemacht haben, nicht besonders gedankt. Das passt auch nicht zu der Lichtgestalt, zu der sie wurde.

Die Position "Es gibt eine 'gute' und 'schlechte' Geschichtsfälschung beim Bereinigen alter Texte" halte ich für heikel. Dieses "Autor XY wusste es nicht besser, also korrigieren wir ihn für das Allgemeinwohl" finde ich letztlich entmündigend und herablassend. Ist das wirklich die richtige Botschaft für kommende Generationen? Wir ertragen unsere Widersprüche nicht mehr und müssen sie darum unter den Teppich kehren? Ist das die richtige Lösung?
#2 Hermes 2015-12-06 18:55
Zitat:
Die Position "Es gibt eine 'gute' und 'schlechte' Geschichtsfälschung beim Bereinigen alter Texte" halte ich für heikel.
Wo wird denn so eine Position vertreten?
#3 Larandil 2015-12-06 23:00
Zitat:
Wenn es um Elisabeth I. geht dann ist Robin Dudley immer ein Thema.
Also ich bin mir ziemlich sicher, dass der Earl von Leicester Robert Dudley hieß.
#4 Harantor 2015-12-06 23:03
zitiere Larandil:

Also ich bin mir ziemlich sicher, dass der Earl von Leicester Robert Dudley hieß.


Stimmt, Robert hieß er offiziell, aber sein Spitzname und Rufname untrer Freunden und diesem Roman ist eben "Robin".
#5 Andreas Decker 2015-12-07 09:56
zitiere Hermes:
Zitat:
Die Position "Es gibt eine 'gute' und 'schlechte' Geschichtsfälschung beim Bereinigen alter Texte" halte ich für heikel.


Wo wird denn so eine Position vertreten?
Bei Lindgren ist es okay, bei Twain eher nicht. Kann man das anders interpretieren?
#6 Advok 2015-12-07 13:02
Zu #2 und #5:
Andreas, ich denke, dass Frau Gable den Unterschied ziemlich hervorgehoben hat. Pipi Langstrumpf dürfte tatsächlich ziemlich zeitlos sein, während Mark Twains Romane aus dem geschichtlichen Zeitrahmen nicht zu entfernen sind.

Ich finde, Frau Gable hat die Notwendigkeit einer Überarbeitung bei manchem Klassiker schön auf den Punkt gebracht.
#7 Hermes 2015-12-07 13:25
Zu #5:

Den Begriff 'Geschichtsfälschung' gebraucht Rebecca Gablé aber nirgends. Eigentlich versteht man darunter, dass historische Tatsachen verfälscht werden. Wenn Begriffe ausgetauscht oder modernisiert werden, verändert man doch nicht die Tatsachen an sich.
#8 Andreas Decker 2015-12-07 17:26
zitiere Hermes:
Zu #5:

Den Begriff 'Geschichtsfälschung' gebraucht Rebecca Gablé aber nirgends. Eigentlich versteht man darunter, dass historische Tatsachen verfälscht werden. Wenn Begriffe ausgetauscht oder modernisiert werden, verändert man doch nicht die Tatsachen an sich.


Natürlich erkenne ich den Konflikt, der dahintersteckt. Aber kann es die Lösung sein, Reizwörter zu entfernen? Und ja, wenn man einen alten Text nimmt und ihn nachträglich reinigt, biegt man sich auch in diesem Fall die Geschichte zurecht, wie man sie gerade haben will. Finde ich schon.
#9 Advok 2015-12-07 20:03
#8 Andreas:
Deine Frage möchte ich mit einem vorsichtigem "Ja" beantworten. Zumindest bei jenen zeitlosen Romanen, in denen die Reizwörter der heutigen Zeit damals beim Verfassen/Veröffentlichen eben keine Reizwörter waren, sich mittlerweile inhaltlich also gewandelt haben.
#10 Hermes 2015-12-07 22:18
Rebecca Gablé schrieb:
Zitat:
Sprache transportiert Werte und Ideen, aus Werten und Ideen werden Taten. Ich glaube, anders als du, dass der in unserer Generation so weit verbreitete latente Rassismus durchaus mit den Sprachklischees unserer Kindheit zu tun hat.
Da gibt es doch so eine Redensart:
Achte auf Deine Gedanken, denn aus Gedanken werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn aus deinen Worten werden Taten. (frei zitiert)

Wenn man das für richtig hält, macht es Sinn, alte Texte entsprechend zu bearbeiten.

Auch in George Orwells "1984" gibt es in seinen Ausführungen zu "Neusprech" (wenn ich das richtig in Erinnerung habe) entsprechende Überlegungen. Die Sprache wird (zwangsweise) so verändert, dass es unmöglich wird, bestimmte Konzepte überhaupt noch zu formulieren.
#11 Laurin 2015-12-08 11:21
zitiere Hermes:
Rebecca Gablé schrieb:
Zitat:
Sprache transportiert Werte und Ideen, aus Werten und Ideen werden Taten. Ich glaube, anders als du, dass der in unserer Generation so weit verbreitete latente Rassismus durchaus mit den Sprachklischees unserer Kindheit zu tun hat.


Da gibt es doch so eine Redensart:
Achte auf Deine Gedanken, denn aus Gedanken werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn aus deinen Worten werden Taten. (frei zitiert)

Wenn man das für richtig hält, macht es Sinn, alte Texte entsprechend zu bearbeiten.
an sich würde ich dir da sogar recht geben, Hermes, wenn es denn so einfach wäre. Aus meiner Jugend kenne ich viele, die z.B. Pipi Langstrumpf gelesen hatten und trotz solcher Reizworte hat sich da bei niemandem der Rassismus Bahn gebrochen. Unsere Kinder werden da mit so vielen Reizworten schon überflutet, ohne das sie je einmal ein Buch in die Hand genommen hätten, in denen sie noch vorhanden wären. Ich wäre da auch immer vorsichtig, z.B. mich selbst von einem latenten Rassismus völlig frei zu sprechen. Es ist eher die Frage, ob ich ihn im Griff habe. Wirklich gefährlich wird es nämlich dann, wenn Menschen sich von Ängsten leiten lassen (Angst seinen Job zu verlieren, Angst vor sozialem Abstieg usw. usf.) und sich von der Politik nicht mehr verstanden, geachtet und vertreten fühlen. Nehmen diese Ängste immer mehr gesellschaftlichen Raum ein, kann man so viele Reizworte entfernen wie man will, es bleibt vergebliche Liebesmühe. Für ein Reizwort das Kinder so nicht lesen, erhalten sie 20 Reizworte, die sie in ihrem persönlichen Umfeld mitbekommen. Das sehe ich als noch viel gefährlicher an bei kleineren Kindern, denn die Erwachsenen sind nicht selten Bezugspersonen mit Vorbildfunktion.
Wie gesagt, ich halte die Argumentation an sich nicht für falsch, aber das Übel sitzt an anderen wesentlichen Stellen und hier einzugreifen ist unlängst schwerer als nur ein paar Reizworte in einem Buchtext zu verändern.

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