... Dietmar Kuegler über ein goldenes Jubiläum, Ronco in jungen Jahren und das Tagebuch
... Dietmar Kuegler ...
... über ein goldenes Jubiläum, Ronco in jungen Jahren und das Tagebuch
: Ein magischer Augenblick. In diesem Moment hat sich mein Leben verändert. Wenn ich mich recht entsinne, hatte ich Tränen in den Augen. Meine Mutter lief zum nächsten Zeitungsladen und bestellte noch einmal 10 Stück nach, um sie unter der Verwandtschaft zu verteilen. Ein Belegstück lag am Abend neben mir auf dem Bett, als ich einschlief. Für mich war an diesem Tag klar, dass es ... Dietmar Kuegler über ein goldenes Jubiläum, Ronco in jungen Jahren und das Tagebuch keinen anderen Weg im Leben mehr für mich geben würde. Ich würde über kurz oder lang meinen Job bei einer Zeitung aufgeben, war jetzt Autor und wollte es bleiben.
: Ich hatte als Junge nicht nur die Romane Karl Mays gelesen, sondern auch dessen Lebensgeschichte. (Mays Buch „Ich“ halte ich für eines seiner besten überhaupt.) Er hat nicht nur mein Interesse an der Pionierzeit Amerikas und den Indianern geweckt, sondern mich auch dahingehend beeinflusst, wie mein Leben verlaufen sollte. Ich wollte genau das machen, was er auch gemacht hat.
Die Spezialisierung auf die Pioniergeschichte und der Entschluss, Autor zu werden, gingen Hand in Hand. Aber der Wunsch zu schreiben war vorher da. Ich hatte als 14jähriger schon auf der alten Schreibmaschine einer Tante Märchen verfasst, Geschichten von Waldgeistern und Zwergen – einfach so zum Spaß. Meine Aufsatznoten in der Schule waren immer glänzend. Ein journalistisches Volontariat war der Anfang. Aber im Hinterkopf hatte ich immer, dass ich „Karl-May-Geschichten“ schreiben wollte. Amerika – und damit der Western – war immer mein Ziel. Der Heftroman war zu meiner Zeit das adäquate Medium für so etwas. Die Leihbuchzeit ging zu Ende. Der Heftroman war im Aufstieg. Western waren populär. Es gab einen hohen Bedarf an Autoren. Das war meine Chance.
Von „John Grey“ war erstmal gar nicht die Rede. Als ich „John Grey“ wurde, war ich schon gut im Geschäft. Mit „John Grey“ fing RONCO an. Davor war ich „John Gilmoor“.
: Nach meinen ersten Romanen bei Zauberkreis hatte ich Manuskripte an Pabel und an Moewig geschickt – die zu dem Zeitpunkt noch getrennte Verlage waren. Beide hatten Romane von mir akzeptiert. Zu der Zeit war Werner Dietsch Redakteur von Pabel. Er verpasste mir das Pseudonym „John Gilmoor“ und garantierte mir eine Abnahme von mindestens 10 Romanen im Jahr. Da war ich 18, 19. Von diesem Moment an wusste ich, dass ich vom Schreiben würde leben können.
Als Dietsch dann zum Marken-Verlag wechselte und dort die Serien „Red Rock Ranch“ und „Cliff Copper“ installierte, holte er mich nach. Ich hatte zu dieser Zeit gar keine Vorstellung davon, für jemand anderen zu arbeiten.
In der Zwischenzeit übernahm die Bauer-Gruppe Pabel und Moewig, und es wurde eine neue Programmstruktur aufgebaut. Offenbar hat man sich bei Pabel an meine ersten Romane erinnert, jedenfalls wurde ich von Werner Müller-Reymann angerufen und gefragt, ob ich mich an einer neuen Western-Serie beteiligen wolle. Mir wurde sofort ein Honorar geboten, das um fast 300 DM höher war als ich es bis dahin bekommen hatte.
Das und die Aussicht, an einem völlig neuen Projekt mitschreiben zu können, haben mich dazu gebracht, mich vorerst von Werner Dietsch zu verabschieden. Er war nicht erfreut darüber, aber er hatte Verständnis. Das Honorar, das Pabel mir bot, konnte Marken damals nicht bezahlen. (Ich bin ja später noch einmal zu ihm zurückgegangen, und wir hatten eine äußerst produktive Zeit zusammen.)
: Ich habe es manchmal bis heute nicht ganz begriffen. Aber erstmal zum Anfang: So wahnsinnig erfolgreich war der Start der RONCO-Serie nicht. Die ersten 4 Romane waren eigentlich läppisch. Als ich das erstemal nach München flog und die einzige Konferenz mitgemacht habe, bei der fast alle Start-Autoren dabei waren, zeigte sich Kurt Bernhardt im höchsten Maße frustriert. Die Sache lief nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Er hatte nach dem flauen Beginn zunächst Hans Gamber als Exposé-Autor engagiert, mit dem ich mich sehr gut verstanden habe. Der sollte die Reihe aufpeppen. Gamber hatte jede Menge originelle Ideen, aber war überhaupt kein Mann des Western. Seine Qualitäten lagen woanders. Die Exposés waren zum Teil einfach nur schrecklich. Aus diesen Geschichten Western-Romane zu machen, war eine Strafarbeit. Ich fing tatsächlich an zu bereuen, von Werner Dietsch weggegangen zu sein.
Sowohl Kurt Bernhardt als auch Werner Müller-Reymann erkannten den Ernst der Lage sehr schnell, und die Zahlen waren offenbar nicht sonderlich gut. Die ersten Autoren des Start-Teams verabschiedeten sich bereits.
Ob nun der Gedanke von Müller-Reymann oder von Bernhardt kam, mich aufzufordern, ein paar Probe-Exposés zu schreiben, weiß ich nicht. Beiden hatten offenbar meine Manuskripte gefallen. Tatsächlich sagte mir Müller-Reymann später, dass ich der einzige Autor in den ersten Monaten war, der die Intentionen der Reihe, das Medium Western „aufzufrischen“, verstanden hatte. Wieso, weiß ich auch nicht mehr. Ich habe einfach meine Arbeit gemacht, wie ich sie für richtig hielt.
Jedenfalls rief Müller-Reymann mich an, „bestellte“ zunächst 4 Exposés – und drei Wochen später wurde ich erneut nach München eingeladen und war plötzlich der „Herr der Serie“.
Der Gedanke, Romane in Fortsetzungen zu schreiben, kam übrigens von Kurt Bernhardt, der wohl sehr gute Erfahrungen damit bei Perry Rhodan gemacht hatte. Mir kam das sehr gelegen, weil ich immer der Meinung war, dass es den Geschichten gut tun würde, wenn man Ereignisse und Charaktere etwas breiter anlegen konnte, als sie sklavisch auf 115 Manuskriptseiten zusammenzustauchen.
Außerdem hielt ich nichts von dem Begriff „Italo-Western“. Was mir gefiel war, dass Günter König auf den Titelbildern dieser Linie folgte und damit das sterile Saubermann-Image des Western negierte. Das kam optisch gut an. Dieses visuelle Element habe ich auch weiter verfolgt, indem ich entsprechend aussehende Charaktere erfunden habe. Die Pionierzeit Amerikas war keine weichgespülte Seifenoper. Die Männer liefen nicht alle in gebügelten Hemden und Hosen herum, waren nicht täglich glattrasiert und rochen nach Kernseife. Die Frauen sahen nicht aus, als bereiteten sie sich auf eine Miss-Wahl vor. Die „Frontier“ war eine Region in der Wildnis, in der die Raubtierinstinkte des Menschen geweckt wurden. Da gab es Gier und Gewalt, Gnadenlosigkeit und Rücksichtslosigkeit. Dreck und Elend. Mir gefiel allerdings die teils abstruse, teils perverse Präsentation der Italo-Western nicht.
Solche Geschichten wollte ich nicht. Ich wollte die Romane lediglich inhaltlich realistischer machen, was das Umfeld, die Charaktere und deren Erscheinung anging, und ich wollte die historisch belegbaren Ereignisse einbeziehen.
Ich habe gar nicht so viel über meine Überlegungen geredet, weil ich immer die Sorge hatte, dass ich auf Widerstand stoßen würde. Aber meine Exposés waren von Anfang an darauf angelegt, die Italo-Western-Schiene einzumotten.
Ich habe ziemlich früh entschieden, immer Vierer-Zyklen zu machen, so dass ein monatlicher Rhythmus entstand. Das hat sich bewährt. Innerhalb weniger Monate, nachdem ich angefangen hatte, meine Ideen umzusetzen, gingen die Zahlen konsequent nach oben. Mir wurde das selbst erst bewusst, als Kurt Bernhardt mir völlig freiwillig, ohne dass ich danach gefragt hatte, die Honorare erhöhte.
: Von meiner Seite aus auf jeden Fall. Günter König hat sich diese Gedanken mit Sicherheit nicht gemacht. Ich bin nicht sicher, ob er jemals einen der Romane gelesen hat. Wahrscheinlich nicht.
Das ist kein Vorwurf. Er war ein viel gefragter Zeichner, der ja nicht nur für RONCO und LOBO, sondern auch für andere Serien tätig war. Er hat auch für Horror- und Fantasy-Serien gemalt. Er hatte gar keine Zeit. Wir haben ihm jeweils inhaltliche Stichworte genannt, dann hat er sich geeignete Szenenfotos aus Filmen gesucht und diese als Vorlagen mit entsprechenden Veränderungen benutzt. Kurt Bernhardt mochte die bizarren Gestalten aus den Italo-Western, und in Kombination mit meinen eher realistischen Western-Geschichten paßte das.
Wenn man mir schon den größten Teil des Erfolgs von RONCO zuschreibt, sage ich, daß Günter König ebenfalls sehr starken Anteil hatte.
: Schwierige Frage. Es ist lange her. Es war aber so, dass ich die Gestalt des LOBO erfunden habe, der zum fast gleichberechtigten Partner RONCOS heranwuchs. Ich habe dann das Grundlagenkonzept für eine eigene LOBO-Serie gemacht, und ich habe – was vielfach vergessen worden ist, zumindest im ersten halben Jahr die Konzepte für die LOBO-Romane geschrieben, um die Reihe ins Laufen zu bekommen.
Der Erfolg führte dann dazu, dass auch eine LOBO-Taschenbuchreihe entstand, und hier wurde mir die Möglichkeit eröffnet, statt Heften Taschenbücher zu schreiben.
Daneben habe ich konsequent mein Ziel verfolgt, ins Sachbuch zu gehen. Irgendwie muss ich wohl gespürt haben, dass die große Zeit der Heft-Romane irgendwann zu Ende gehen würde. Außerdem wollte ich nicht bis an mein Lebensende Romane schreiben. Die sachliche Beschäftigung mit der amerikanischen Pioniergeschichte war ja schon seit meiner Kindheit ein treibendes Element gewesen. Das war schon damals gewissermaßen mein „Endziel“ als Autor.
Das alles hat dazu geführt, dass mir die Zeit knapp wurde. dass die Leser meine Story-Konstruktionen mochten, dass die Serie gewissermaßen mein „Brandzeichen“ trug und von meinen Konzepten abhängig war, wurde in dieser „Pause“, wie Du sie nennst, deutlich. Die Zahlen wurden schlechter, und die Redaktion holte mich wieder zurück.
: Ich war trotz des wachsenden Erfolgs der Serie nicht zufrieden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich – trotz origineller Geschichten – alles wiederholte. Der Mann war dauernd auf der Flucht. Mir war klar, dass das irgendwann aufhören würde. Aber das Potential sah ich noch nicht als ausgeschöpft an, weil eigentlich außer einigen kurzen Hinweisen über ein paar Ereignisse aus seiner Vergangenheit kein Mensch wußte, wer RONCO wirklich war. In meinen Augen fehlte RONCO eine echte Basis. Ein Mensch wird irgendwann geboren, wächst heran, durchläuft seine Jugend und wird im Laufe der Jahre zu dem Menschen geprägt, der dann das Erwachsenensein bestreitet. Ein Mensch, der so ein extremes Leben führte wie RONCO, mußte durch seine Vergangenheit bereits Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringen, um überleben zu können.
Kurz: Mir fehlte der Figur eine gewisse Tiefe. Was hatte er gemacht, bevor er ständig weglaufen mußte?
Ich war auch der Meinung, dass die Identifikation des Lesers mit dem Helden – ein ganz wichtiger Punkt für den Erfolg einer Serie – stärker werden würde, wenn mehr über sein Werden und Wachsen bekannt war, wenn die Entwicklungsphase seiner Stärken und Schwächen offengelegt wurden.
Wie diese fehlenden Lebenselemente in die Serie einfließen sollten, war mir lange nicht klar. Und dann las ich während meiner Recherchen für einen Sachtext in einem amerikanischen Fachmagazin die Geschichte von einem Mann, der in den 1960er Jahren beim Aufräumen auf seinem Dachboden Briefe und Tagebuchaufzeichnungen seines Großvaters gefunden hatte, der als Offiziersbursche im Hauptquartier von General U. S. Grant während des Amerikanischen Bürgerkrieges gedient hatte.
Das löste bei mir den Geistesblitz aus – warum soll RONCO nicht auch ein Tagebuch schreiben? Warum soll er nicht aufschreiben, wie er aufgewachsen ist, wie er in die missliche Lage geraten ist, in der er jetzt steckt? Und dieses Tagebuch müsste man auch irgendwo finden. In irgendeinem alten Haus in der Einöde des amerikanischen Westens.
Die Idee basierte also auf tatsächlichen Ereignissen.
Bis heute werden manchmal in alten Truhen persönliche Dokumente aus der Pionierzeit entdeckt. Nur ein Beispiel: Vor gut 20 Jahren fand eine ältere Dame in den Unterlagen ihres Vaters Kopien von Briefen, die ein entfernter Verwandter 1864 geschrieben hatte, der Augenzeuge des brutalen Sand Creek Massakers an friedlichen Cheyenne war. Der damalige Staatshistoriker von Colorado, ein guter Freund von mir, erzählte mir, dass ihm die Haare zu Berge standen, als die alte Dame mit einem Schuhkarton zu ihm ins Büro kam und er die Briefe erstmals in den Händen hielt. Diese Briefe lösten eine regelrechte Lawine aus, die zur Erhebung des Massakerplatzes zum Nationalmonument führte.
Ich war mit meinen damaligen Überlegungen also dicht an der Realität. Deswegen war die Geschichte für die Leser auch so glaubwürdig. Jetzt ging es darum, wie man diese Tagebuchaufzeichnungen oder Jugenderinnerungen in die Serie einbauen konnte, ohne den Ablauf zu stören.
Die Lösung war: Sonderbände. Eine Serie in der Serie, wobei jeder Roman durch eine Einleitung und einen Ausklang mit der laufenden Hauptserie verbunden werden sollte.
Kurt Bernhardt besuchte mich damals ab und zu auf der Insel Föhr. Er mochte die Nordsee – und er mochte mich. Wir hatten zeitweise fast ein „Vater-Sohn-Verhältnis“. Wann immer er auf Föhr war, mal mit seiner Familie, mal ohne, lud er mich zum Essen ein, und wir haben stundenlang über die Weiterentwicklung der Reihen geredet. Bei diesen Treffen entstand auch die Gestalt des LOBO. Und bei so einem Treffen habe ich ihm meine Idee von den RONCO-Tagebüchern nahe gebracht.
Bernhardt war ein absoluter Instinktmensch, weitaus mehr als ich selbst. Ich konnte/kann meine Überlegungen, so verrückt sie manchmal auch waren, letztlich immer in eine disziplinierte und organisierte Struktur bringen. Das konnte Bernhard nicht. Er war in dieser Beziehung ein liebenswerter Chaot, der aber einen ungeheuer scharfen Blick für das Potential eines Vorschlags hatte.
Er war vom ersten Moment an elektrisiert und gab mir spontan den Auftrag, ein Rahmenexposé zu schreiben. Kurz danach wurde ich wieder nach München geholt. Wir saßen zusammen: Bernhardt, Müller-Reymann, Rainer Delfs und Wilhelm Kopp, der Außenlektor der Romane. Bernhardt hatte entschieden: das Kuegler-Konzept wird gemacht. Es ging jetzt nur noch darum, wann und wie. Wir einigten uns auf den Band 100 als Beginn und auf einen 5-wöchigen Erscheinungsrhythmus. Dann wurde Günter König hinzugezogen, der versprach, passende Bilder zu malen. Tatsächlich malte er das Portrait eines seiner Neffen, der dann als charakteristischer Hintergrundkopf auf den Titelbildern der Sonderbände erschien.
Bernhardt war von Anfang an voller Enthusiasmus. Ohne jemandem Unrecht zu tun – ich glaube, die anderen waren nicht ganz so überzeugt. Aber ich hatte eine Erfolgsgeschichte hinter mir. Ich hatte die RONCO-Serie nach oben gebracht. Also ließen sie mich machen. Und gegen die Dampframmen-Entscheidungen Bernhardts kam sowieso niemand an.
: Erst als ich anfing, den ersten Roman zu schreiben, wurde mir bewusst, auf was ich mich eingelassen hatte. Bei aller puren Begeisterung für den Western, bei aller Hingabe an die Ereignisse der Pionierzeit – Unterhaltungsromane folgen bestimmten Erzähltechniken und einer bestimmten Struktur. Das hatte mir Werner Dietsch beigebracht.
Autoren schreiben zwar mit Instinkt, Emotion und Einfühlungsvermögen, aber der Aufbau eines solchen Romans muß handwerklichen Regeln folgen, wenn man Leser „einfangen“ und von der ersten bis zur letzten Seite fesseln will. So wie ein Schreiner nicht einfach aus dem Handgelenk einen Schrank bauen kann, der am Ende krumm und schief ist, weil nicht zuerst genaue Maße festgelegt wurden, muss ein Romanautor ein solides Gerüst haben, um eine überzeugende Geschichte zu schreiben.
Alle meine Exposés waren nach den Regeln, die ich bei Werner Dietsch gelernt hatte, aufgebaut, und so mußte ich es natürlich auch bei den Sonderbänden machen.
Nach den ersten 20 Seiten hätte ich die ganze Idee am liebsten ins Klo geworfen. Aber jetzt war nichts mehr rückgängig zu machen. Die Planung lief. Sogar eine eigene Werbung war vorbereitet worden. Nach den ersten quälenden Tagen begann es dann plötzlich zu laufen. Ich stellte mir nicht nur vor, selbst RONCO zu sein, ich fing an, Kindheitserlebnisse zu beschreiben, von denen ich als Junge immer geträumt hatte. Der erste Roman wurde fertig. Normalerweise brauchte ich 4 oder 5 Tage für ein Manuskript. Diesmal etwa die doppelte Zeit. Ich fing sofort mit dem nächsten Roman an.
Innerhalb weniger Tage bekam ich einen Anruf von Wilhelm Kopp, der mein Manuskript lektorierte und mir sagte, dass er völlig „hingerissen“ sei. Ich hatte ihn überzeugt. Müller-Reymann und Delfs auch. Mehr noch – Kopp sagte, dass er sehr gern an den Tagebüchern mitschreiben würde. (Uns war damals klar gewesen, dass nicht alle Autoren dafür geeignet waren.)
Was es letztlich leichter machte war, dass ich RONCO schon als Jungen zu den Apachen versetzte. Bei Indianern wuchsen männliche Kinder sehr schnell zu vollwertigen Kriegern heran. Die Pubertät war üblicherweise die Grenze der Kindheit. Danach trat ein Junge in die Welt der Männer ein. Mit 13, 14 Jahren ging er mit auf Jagd- und Kriegszüge. Die historisch-kulturellen Tatsachen ließen sich also gut in RONCO integrieren und Romane mit starker Action kreieren – obwohl der Held nach unseren Standards noch nicht erwachsen war.
Man darf auch nicht vergessen, dass im amerikanischen Westen viele Teenager frühreif agierten. Im Bürgerkrieg meldeten sich manche 14- und 15jährigen zu den Armeen beider Seiten. Im Pony Express ritten 14- bis 18jährige. An der „Frontier“ mussten Jungs vollwertige Farmarbeit leisten. Daniel Boone hatte sich schon als Junge an der Ernährung der Familie beteiligt. Kit Carson ging als 16jähriger (oder sogar eher) auf den Santa Fe Trail. Buffalo Bill musste als 14-/15jähriger nach dem Tod des Vaters seine Familie unterstützen. Also, das war alles gar nicht so fernab der realen Verhältnisse.
Schon die folgenden Bände schrieb ich wie in Trance. Sie flossen förmlich aus mir heraus. Die Konzepte, nach denen dann auch andere Autoren in diese Serie einstiegen, habe ich in einer Weise verfasst, das auch die auf Linie blieben.
Der Erfolg war überwältigend. 1974 schloss Kurt Bernhardt einen Exklusiv-Vertrag mit mir, weil er plötzlich Angst hatte, ich könnte zu einem anderen Verlag weglaufen. Und er schrieb in diesem Vertrag fest, dass alle Exposé-Rechte bei mir bleiben sollten. So bin ich noch heute – nicht etwa der Verlag – Inhaber aller RONCO-Konzepte, die ich verfasst habe. Die Honorare, die er mir in diesem Vertrag einräumte, waren für einen jungen Mann wie mich atemberaubend, aber er war der Meinung, dass ich einen gerechten Anteil am Erfolg des Verlags bekommen müsse.
Manche Leute kamen mit Bernhardt nicht klar. Er konnte ein äußerst cholerisches Temperament haben. Aber ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Er mochte manchmal bullern, aber er war immer menschlich und fair. Für seine guten Autoren hat er alles getan.
: Für die Co-Autoren bin ich tiefer ins Detail gegangen. Ich habe manchmal sogar das Intro mitgeliefert. Im Prinzip waren die Exposés aber ähnlich, weil ja die späteren Autoren auf den vorhergehenden Geschichten aufbauen mußten. Daher habe ich auch für mich selbst immer sehr eingehende Konzepte verfaßt – mehr im Hinblick auf die anderen als auf meine eigene Arbeit bezogen. Mir hätten persönlich ein paar Stichworte genügt; ich wußte ja immer genau, was ich wollte.
: Ja. Ich erinnere mich, dass ich für mindestens 20 Sonderbände die Grundideen parat hatte, als es losging.
: Ich konnte es einfach nicht schaffen: Exposés für die reguläre Serie. LOBO-Taschenbücher. Sachbücher. Fachartikel. Das RONCO-Forum (die Leserbriefseite), mit der Beantwortung aller Briefe…
Es gab keinen besonderen Aufwand – auch die Exposés, die ich für mich selbst machte, wurden bezahlt. Von daher war es kein Unterschied, ob ich die Romane für mich plante und dann selbst schrieb oder für einen anderen Autor.
: Das geht aus dem ersten Intro hervor. Er war wohl um die 30, als er anfing zu schreiben. Im Grundlagentext hieß es, dass er die Sorge hatte, als Geächteter und unschuldig Verfolgter zu sterben und daher wollte, dass irgendwann die Wahrheit über ihn bekannt wird.
: Nein. Hans Gamber hatte Einzelstories verfaßt und so gut wie überhaupt keine biographischen Grundlagen geliefert. RONCO kam aus dem Nichts und verschwand im Nichts. Es war immer nur die Rede davon, dass er beschuldigt wurde, einen Treck ins Verderben geführt zu haben. Aber selbst die Geschichte dieses Trecks blieb im Dunkeln.
Das war es ja gerade, was mich immer geärgert hat. Der Mann hatte kein echtes Profil. Das muss aber sein, wenn man eine Figur langfristig anlegt. Sie muss für den Leser zum guten Bekannten werden. Vielleicht sogar zum Freund. Im Idealfall zur Identifikationsfigur oder gar zum Vorbild. Das geht nur, wenn die Gestalt ausgeleuchtet wird. (So arbeiten heute ja auch die endlosen Soap Operas im Fernsehen; die tragenden Charaktere werden regelrecht zu „Nachbarn“ der Zuseher. Diese Linie habe ich damals instinktiv auch verfolgt.)
: Das habe ich ja gemacht. Jeder Sonderband fing mit einer Einleitung an, die Bezug auf die aktuelle Situation RONCOS nahm, so dass auch diese Romane mit den regulären Abenteuern verzahnt waren.
Ob das von Anfang an so vorgesehen war, weiß ich tatsächlich nach dieser langen Zeit nicht mehr. Im Verlauf der Tagebuch-Serie hatte ich dann schon den Gedanken, dass einige Ereignisse der Jugendzeit in RONCOS späterem Leben mal eine Rolle spielen sollten. Aber dazu ist es ja dann nicht mehr gekommen.
: Ich bin nach den ersten Fahnenkorrekturen selbst überrascht, wie glatt und logisch sich die Geschichten lesen. Auch nach über 40 Jahren. Aber eine Bearbeitung ist trotzdem angebracht. Es kommen in diesen Geschichten historische Ereignisse und Personen vor, über die ich heute natürlich viel mehr weiß als damals. Das passe ich an. Es gibt stilistische Unsauberkeiten, die auch der Lektor damals in der Hektik der laufenden Produktion übersehen hat. Es werden manchmal Ausdrücke verwendet, die vor über 40 Jahren im deutschen Western gang und gäbe waren, die man aber bei Einbeziehung historischer Tatsachen nicht mehr verwenden darf. Beispielsweise das Wort „Squaw“ für eine Indianerfrau. Keiner von uns hat damals gewußt, was dieses Wort in der Übersetzung heißt. Es findet sich auch in zahllosen alten Schriften. Aber die heutigen Indianer empfinden diesen Ausdruck als schwere Beleidigung und Verunglimpfung – und das zu recht. Also solche Wörter werden nivelliert. Das sind nur wenige Beispiele. Es ist also schon ein gewisser Aufwand, die Romane wieder druckfähig zu machen.
: Man kann immer alles verbessern. Aber ich habe später keine Zeit mehr gehabt, darüber nachzudenken. Die Arbeit an einer solchen Western-Serie war mit hohem Zeitdruck verbunden. Die wöchentliche Erscheinungsweise hat exakte Termine erzwungen, an die sich alle zu halten hatten. Das war der Unterschied zum Einzelroman, bei dem es selten enge Terminvorgaben gab. Bei einer Serie musste es immer Schlag auf Schlag gehen. Woche für Woche. Manchmal war das Stress pur. Ich habe die Konzepte manchmal für 7 oder 8 Wochen im Voraus gemacht, bevor ich wieder selbst einen Roman schreiben oder andere Arbeiten machen konnte. Man konnte ja nicht einfach mal eine Woche pausieren. Pünktlich alle 7 Tage musste der jeweils nächste Roman in die Läden. Das war manchmal Akkord-Arbeit. Wenn ich mal ein paar Tage frei machen wollte, musste ich um so hektischer vor- und nacharbeiten.
Aus heutiger Sicht, mit meiner heutigen Erfahrung, würde ich vermutlich einige Abläufe der Geschichten verändern. Aber ich bin – und das sage ich jetzt, nachdem ich schon von 10 Romanen der Neuauflage die Fahnenbearbeitung gemacht habe – noch immer zufrieden. Ich war damals blutjung, hatte ein loderndes Feuer der Begeisterung in mir und habe Texte geschrieben, die ich noch heute als frisch, ungewöhnlich und ausgereift empfinde – manchmal kann ich es gar nicht fassen, was mir als 21jährigem so in die Schreibmaschine geflossen ist.
Ich schaue also mit einem gewissen Stolz auf meine damalige Arbeit.
Wenn mich etwas ärgert, dann tatsächlich die Tatsache, dass ich nicht noch mehr Manuskripte selbst verfasst habe. Aber ich empfinde wirklich die pure Freude über die jetzige Neuauflage. Zumal diese Neuauflage sich wirklich sehen lassen kann und mit aller möglichen Sorgfalt vorbereitet worden ist.
: Das wird es mit größter Sicherheit nicht mehr geben. Von der Planung, der Konstruktion und der Ausführung her sind die RONCO-Tagebücher in sich geschlossen. Da muss nichts mehr dazugeschrieben werden. Das wäre meines Erachtens eher kontraproduktiv.
Die einzige Idee, die mir in diesem Zusammenhang kommt, wäre ein Roman mit RONCO im Alter. Sein Ende blieb ja offen, nachdem der Verlag damals mit Nr. 493 aus programmtechnischen Gründen das abrupte Aus beschloß. Es müßte eine Story sein, die sich um den Tod RONCOS dreht und das Versteck der Tagebücher aufklärt.
Aber das sehe ich im Moment nicht.
: Ich arbeite seit rund 20 Jahren mit dem MARTIN-KELTER-VERLAG in Hamburg zusammen. Am Anfang stand der Auftrag des Senior-Chefs, Herrn Melchert, kurze, prägnante historische Artikel zur amerikanischen Pioniergeschichte zu schreiben, die als eine Art Bonus auf den Umschlagseiten der Western-Reihen des Verlags erscheinen sollten. Das war eine tolle Arbeit, die ich sehr gern gemacht habe. Es sind damals wohl zwischen 120 und 140 derartige Beiträge entstanden, die bis heute immer wieder nachgedruckt werden.
Irgendwann forderte Herr Melchert mich auf, ältere Romane zu schicken. Seither erscheinen viele meiner Western immer wieder im KELTER-Programm, eigentlich fast jeden Monat. JOHN GRAY „lebt“ also noch immer.
Ich bin dafür sehr dankbar, weil in meinen Augen der KELTER-VERLAG der letzte wirklich traditionelle Verlag für Western-Romane ist. Herr Melchert hat ein Gefühl für richtige Western. Hinzu kommt, daß KELTER ein Traditionshaus mit einem – man kann es nicht anders sagen – hanseatischen Geschäftsgebaren ist. Hier trifft man auf absolute Seriosität. Hier werden Autoren noch ernst genommen und auch menschlich vorbildlich behandelt. Da kann man manchmal ganz anderes erleben...
Wenn ich mit den Verantwortlichen dort zu tun habe, von Herrn Melchert angefangen, über den Chefredakteur, Herrn Dr. Schäfer, die Lizenzabteilung (Frau Engburg), bis zum Lektorat (Frau Mausolf), kommen fast nostalgische Gefühle auf: Dann fühle ich mich zurückversetzt in meine Zeit als junger Autor, als Anstand und gegenseitiger Respekt dazu geführt haben, dass man motiviert Hand in Hand arbeiten konnte. Man wußte damals – und bei KELTER weiß ich es noch heute –, dass man sich aufeinander verlassen kann.
Das Geschäft ist sehr schwierig geworden. Um so wichtiger ist es, dass man vertrauensvoll zusammenarbeitet. Natürlich müssen die Zahlen einigermaßen stimmen; es hängt schließlich ein großer Apparat an einer Verlagsproduktion. Bei KELTER merkt man aber, dass noch immer die Mission, das Publikum mit seinen verschiedenen Bedürfnissen gut zu unterhalten, mit Freude und Leidenschaft verfolgt wird.
Das ist übrigens auch der Hintergrund für meine Entscheidung, meine RONCO-Tagebücher bei BLITZ neu herauszugeben. Auch hier habe ich ein passendes Umfeld gefunden. Der Verleger hat mir weitgehend freie Hand gelassen und bringt durch verschiedene Gesten immer wieder die Wertschätzung meiner Arbeit zum Ausdruck.
: Ich danke ebenfalls für das Gespräch und die Aufmerksamkeit, die meiner Arbeit damit noch immer zuteil wird.
Kommentare
blitz-verlag.blog/2018/11/17/interview_kuegler/
sowie ein Kurzbeitrag des Autors ebendort:
blitz-verlag.blog/2018/10/07/dietmar-kuegler-50/
Die Ronco-Taschenbücher habe ich mir schon vor einiger Zeit aboniert und bin froh, dass sie jetzt bei Blitz rausgegeben werden. Es wäre schon toll, wenn das Interesse an Ronco immer noch dafür ausreicht, dass die restliche Serie auch noch veröffentlicht wird.
Es ist klug, dass D. Kuegler die Neuausgabe selbst bearbeitet. So entfallen lästige Diskussionen, ob denn die Originaltexte überarbeitet werden dürfen oder nicht.
Zur Überarbeitung der Originaltexte (#2 Ganthet): Wenn ich es richtig mitbekommen habe, war das Problem bei den Larry-Brent-Texten nicht alleine, dass die Romane überarbeitet wurden. Hier wäre ich auch noch ganz bei Verlag und sehe das gerade bei den Shocker-Texten als unbedingt notwendig an.
Das Hauptproblem war aber sicherlich die fehlende Kontinuität bei der Überarbeitung und die fehlenden Hinweise, dass die Texte überarbeitet wurden. Mehrere Umbrüche bei den Veröffentlichungen (zuerst 4 Bände, dann 2, dann nur noch einer), und dann die rigorose Umstellung von "kaum Überarbeitet" hin zu "fast neu geschrieben" war alles andere als einheitlich.
Bei Larry Brent und auch bei Promet-Neo hat sich der Blitz-Verlag in eine Sackgasse begeben. Dennoch werden hier auch viele sehr schöne Serien verlegt.
Karl May nannte seine (arg geschönte) Autobiographie "Mein Leben und Streben". Den Titel "ICH" hat ihr nachträglich der Verlag verpaßt. Nach dem Ableben Mays, so daß er nicht mehr protestieren konnte ...
"Squaw", "Neger" u.a. gehören z.B. bei Karl May halt zum originalen Text und werden in korrekten Ausgaben selbstverständlich nicht verändert ... Eine erklärende Fußnote tut's ggf. auch.
Unabhängig davon: "Neger" bzw. "Nigger" als wörtliche Rede muss natürlich beibehalten werden - dies trifft aber auch auf neue Romane zu, deren Handlung in dieser Zeit angesiedelt ist.
Neger hingegen beim Kontext (sofern es kein Ich-Erzähler ist, der den Text zeitnah zu Papier gebracht hat), sollte angepasst werden, um neue Lesergenerationen gewinnen zu können. Eigentlich sogar ein muss.
Es gibt ja sogar einige Schwachmaten, die die Bezeichnung "Neger" selbst in der heutigen Zeit für angemessen halten und nicht einsehen, dass sich die Sprache gewandelt hat.
Bei meinem Arbeitgeber zumindest wäre die Verwendung dieses Begriffs, egal ob in der Freizeit oder im Beruf, definitiv ein Kündigungsgrund.
Jahre nach Karl May schrieb der ansonsten zu, hemdsärmelig ausgedrückt, Humanitätsduselei neigende und entsprechend 'gehandelte' Stefan Zweig zum Thema Farbige übrigens Folgendes:
"eine Gleichberechtigung ist schon durch die Kraßheit des ethnologischen Unterschieds auf Jahrhunderte nicht zu erwarten, und man hat selbst beim allerbesten Willen eine gewisse Repulsion zu überwinden bei dem Gedanken, man sollte in einem Hotel mit diesen schmutzigbraunen, dickwulstigen, wollhaarigen und im Typus oft gorillamäßigen Wesen schlafen oder auch nur im barbershop mit demselben Pinsel eingeseift werden."
(in "Auf Reisen". Zitiert nach "Unterwegs mit Stefan Zweig", dtv, S. 213)
Gern geschehen.
Was möchtest Du damit sagen?
Der Begriff "Neger" ist sicherlich nicht negativ belegt, weil ihn heute einer für falsch hält, sondern weil die Masse der Menschen damit eine negativie Assoziation verbindet. Gerade die Menschen mit schwarzer Hautfarbe selbst lehnen den Begriff ab, so dass "Neger" als neutrale Umschreibung (wie er es früher durchaus war) heute im Sprachgebrach nicht mehr anwendbar ist. Dies hat nichts mit political correctness zu tun, sondern mit Respekt.
Deine Verwendung des Zweig-Zitates spricht für sich.
Auch wenn es sinnlos sein mag:
Stefan Zweig ist 1942 verstorben.
Der Begriff "Neger" hat sich im Laufe der 60/70/80er Jahre hin zum Negativen gewandelt. Das lässt sich anhand der Duden-Einträge durchaus nachvollziehen.
Sofern man dies will und einer Menschengruppe gegenüber Respekt zeigen will.
Mit "Piefkes", "Krauts", "Moffen" u.v.a. hat offenbar niemand ein Problem ... aber umgekehrt, ogottogott ...
Die Verwendung des Zitats geschah sozusagen aus reiner Schadenfreude, um den vor aufgesetztem Idealismus sozusagen Umkommenden mal eine Nase zu drehen ... nicht etwa aus Identifikation mit dem Geschriebenen ...