... Anne Grießer über Jerry Cotton, Trauben rot, Liebchen tot, Das Heilige Blut und ihre Tätigkeit als Herausgeberin
... Anne Grießer ...
... über Jerry Cotton, Trauben rot, Liebchen tot, Das Heilige Blut und ihre Tätigkeit als Herausgeberin
Wie die meisten Autoren habe ich viel ausprobiert, bis ich meinen Weg gefunden habe. Ich bin Dipl.-Bibliothekarin, habe Ethnologie, Volkskunde und Germanistik studiert, habe als Reiseleiterin und Reisejournalistin gearbeitet, als Buchhändlerin, Schauspielerin und vieles mehr.
Geschrieben habe ich allerdings schon immer. Also war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich aus dem Hobby einen Beruf machte.
2003 nahm ich an dem Kurzgeschichten-Wettbewerb „Storyolympiade“ des Wurdack-Verlages teil und belegte einen respektablen neunten Platz, worauf ich sehr stolz war. So kam die Geschichte in die Wettbewerbsanthologie.
Die Geschichte erzählt von einer extravaganten älteren Dame, die in ihrer Eckbadewanne mit Blick auf die Sterne von amourösen Abenteuern mit Außerirdischen träumt.
Als sich eines Tages tatsächlich drei verzweifelte Aliens in ihre Wanne verirren, entsprechen sie nicht ganz den Traumvorstellungen...Ich mag diese Geschichte bis heute und gebe sie gern bei Lesungen zum Besten.
Ein Erstling ist immer etwas Besonderes. Man schreibt ihn mit viel Herzblut – meist ohne Verlagsvertrag und ohne allzu viele Gedanken an eine spätere Veröffentlichung.
Als er fertig war, ging ich den „klassischen“ Weg: Ich schrieb mehrere kleine Verlage an (bei den großen versprach ich mir als Neuling keinen Erfolg) – und die Rechnung ging auf. Ich erhielt mehrere Anfragen und konnte mich am Ende sogar zwischen zwei Verlagen entscheiden. Der Freiburger Schillinger-Verlag war damals für mich die beste Wahl.
Um drei junge Frauen, die sich als Privatdetektivinnen selbstständig machen wollen, um ukrainische Saisonarbeiterinnen, die von einem südbadischen Weingut verschwinden – und um einen notgeilen Weinbauern, der mit selbst gebrauten Liebestränken mehr Schaden anrichtet, als ihm selbst bewusst ist. (Letzteres kann ich hier getrost verraten, denn der Roman ist seit einigen Jahren vergriffen).
Die beiden sind einerseits moderne, junge Frauen auf der Suche nach privatem Glück – andererseits sind sie auch ziemlich verträumt, gerade was ihre Zukunftsplanung angeht.
Myriam ist die ernsthaftere von beiden, während sich Katrin mit ihrer leichtfertigen und chaotischen Art immer wieder in verzwickte Situationen bringt.
S
Vorerst nicht. Obwohl es noch zwei fertige Exposés für die Reihe gibt, habe ich mich inzwischen doch in eine andere Richtung entwickelt. Aber man soll ja niemals nie sagen!
Meine Ermittler sind blutige Laien. Sie machen Fehler und sind keine Superhelden. Sie haben oft ungewöhnliche Vorgehensweisen.
Das alles ist mir wichtig, denn so sehr mich die akribische Polizeiarbeit im wahren Leben fasziniert, so wenig möchte ich im Fiktiven darüber schreiben.
Viele reale Fälle werden am Schreibtisch und im Labor gelöst, während meine Ermittlerinnen sich (oft anonym) mitten ins Geschehen begeben. Dadurch entstehen viele tragische und auch komische Momente. Meine Krimis sind nie bierernst.
Die junge Magd Fronika muss Ende des 14. Jahrhunderts aus ihrer Heimat Mainz flüchten. Ein neues Zuhause findet sie bei ihrem Großonkel, einem Leutpriester in einem kleinen Städtchen im Odenwald.
Der beichtet ihr am Sterbebett, dass ihm vor Jahrzehnten ein Wunder begegnete und beauftragt das Mädchen, das wirkmächtige Altartuch zu bergen, das er all die Jahre versteckt hat.
Die Reliquie weckt Begehrlichkeiten und bald schwebt Fronika in Lebensgefahr und weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann.
Ich habe mit „Das Heilige Blut“ die Wallfahrtslegende meines Geburtsortes Walldürn verarbeitet. Während des Volkskunde-Studiums hatte ich mich auch wissenschaftlich mit der Entstehung und Bedeutung der Walldürner Wallfahrt beschäftigt. Schon damals entstand die Idee, dem Ganzen in Form eines Romans Farbe und Leben einzuhauchen.
Ich war in meiner Kindheit ein häufiger Gast in der Stadtbibliothek. Ich habe Enid-Blyton-Bücher verschlungen, habe Kalle Blomquist geliebt, ebenso die Drei Fragezeichen und Detektiv Kim aus Kopenhagen.
Krimis waren in meinem Bücherregal also schon immer präsent. Später mochte ich Dorothy Sayers, die Ariadne-Krimis aus dem Argumentverlag, aber auch Thriller à la Stephen King.
Ich könnte keinen einzelnen Schriftsteller als Vorbild nennen, habe mir aber letztendlich von vielen etwas abgeschaut.
Die meisten Kurzgeschichten sind Auftragsarbeiten, da ist das übergeordnete Thema schon vorgegeben. Die besten Ideen kommen mir meist beim Joggen oder Spazierengehen. Zu Hause wird dann alles in einem altmodischen Notizbuch festgehalten. So ist im Laufe der Jahre ein Fundus entstanden, auf den ich zurückgreifen kann.
Romane haben natürlich eine deutlich längere Vorlaufzeit. Erst wenn mich eine Idee monate- oder gar jahrelang nicht mehr loslässt, entschließe ich mich, sie umzusetzen.
Ganz klassisch: Am Anfang steht die Recherche. In Archiven, Museen, Bibliotheken und natürlich vor Ort. Bevor ich beispielsweise in „Die tote Spur“ über Windhundrennen schrieb, habe ich mir einige angesehen und mit Hundehaltern gesprochen.
Danach gliedere ich die Handlung grob. Den wichtigsten Figuren schreibe ich Lebensläufe. Es folgt die Feingliederung, die bei mir aber unbedingt Platz für spontane Einfälle lassen muss. Dann erst geht es ans Schreiben.
Sechs bis zehn Monate
Der nächste Roman ist schon so weit fertig. Im März 2019 erscheint „Der Fluch des Blutaltars“ im Silberburgverlag. Der historische Krimi spielt wieder in Walldürn, allerdings 200 Jahre später als „Das Heilige Blut“. Die Wallfahrt ist nun schon in vollem Gange. Obwohl der 30-jährige Krieg begonnen hat, gibt der Pfarrer bei der Künstlerfamilie Juncker einen neuen Reliquienschrein für das Wundertuch in Auftrag.
Das Werk von Zacharias Juncker und seinem blinden Bruder Philipp scheint unter einem bösen Stern zu stehen. Mysteriöse Unglücksfälle häufen sich. Menschenwerk oder schwarze Magie? Bald wird der Ruf nach dem Hexenbrennen auf dem Scheiterhaufen laut ...
2010 habe ich gemeinsam mit einigen krimibegeisterten Lesern und Autoren den Schreibwettbewerb „Freiburger Krimipreis“ ins Leben gerufen. Die Siegergeschichten sollten natürlich in einem Buch veröffentlicht werden und so stieß ich bei meiner Suche auf den Wellhöfer-Verlag in Mannheim. Die Zusammenarbeit klappte bestens, „Die lange Tote vom Münsterplatz“ verkaufte sich gut – und so entstanden weitere Anthologien.
Den Freiburger Krimipreis gibt es übrigens noch immer, er wird alle drei Jahre ausgeschrieben. 2019 wäre es eigentlich wieder so weit, diesmal wird er aber aufgrund des 900-jährigen Stadtjubiläums auf 2020 verschoben.
1999 wurde ich Mitglied der Theatergruppe „Die Mordsdamen“. Wir gehörten zu den ersten, die die englischen Murder-Mysteries, die interaktiven Rätselkrimi-Shows nach Deutschland brachten. Ich wurde als Autorin und Schauspielerin angeheuert.
Das szenische Schreiben war damals eine neue und sehr spannende Erfahrung für mich.
Mittlerweile spiele ich gemeinsam mit meiner Theaterkollegin Annette Dressel. Unsere aktuellen Stücke heißen „Hopfen & Totschlag“ (live in der Brauerei) und „Verflucht, verdammt, vergoren“, ein Rästelkrimi mit Weinprobe. Beides sind schwarzhumorige Komödien.
„Das Schweigen der Bestie“ erschien bereits 2017. In dem Roman will ein eiskalter Killer als Kronzeuge gegen seine ehemalige „Firma“ aussagen. Doch kurz vor dem Prozess wird sein Sohn entführt und der Killer zeigt plötzlich Gefühl: Das Leben seines Jungen geht ihm über alles andere.
Jerry und Phil müssen den Kidnapper also möglichst schnell finden und den Jungen befreien, wenn das ganze Unternehmen nicht platzen soll. Aber nicht alles ist so, wie es scheint ...
Schon im Herbst 2016 suchte die neue Cotton-Lektorin beim Bastei-Verlag über die interne Mailingliste des Syndikats (Vereinigung der deutschsprachigen Krimiautoren) weitere Autoren. Ich ließ mir die Infos schicken und fing Feuer.
Der erste Cotton-Roman war eine echte Herausforderung! Ich hatte noch nie über das FBI geschrieben und musste mich erst einmal gründlich einarbeiten. Natürlich las ich auch ziemlich viele Cotton-Romane, um die Reihe besser kennenzulernen. Dabei hat es mich gepackt und ich stieg ein.
Sobald ich eine Idee habe, arbeite ich ein umfassendes Exposé dazu aus. Dieses wird beim Verlag eingereicht. Dann bekomme ich entweder sofort den Startschuss, oder es gibt Änderungswünsche, die besprochen werden. Erst danach beginnt die eigentliche Schreibarbeit.
Unbedingt! Ich habe sehr viel für die Cotton-Romane recherchiert. Über die mafiösen Strukturen des weltweiten Sandhandels zum Beispiel, oder über die US-amerikansiche Kronzeugenregelung. Via Google fahre ich auch alle Straßen ab, auf denen Jerry und Phil unterwegs sind.
Als ich für „Ein bombensicherer Coup“ einen geeigneten Sprengstoff suchte und mich über Zusammensetzung und Mengenangaben informieren musste, stieß ich allerdings an Grenzen.
Alle Bücher zum Thema „Bombenbasteln für jedermann“ stehen logischerweise auf einer Art Index und man kommt nicht ohne Weiteres ran. Schließlich gelang es mir doch noch ... (Jetzt hoffe ich mal, dass der BND, falls er hier mitliest, von einer Hausdurchsuchung Abstand nimmt ;-)
10 Tage bis zwei Wochen. In dieser Zeit bleibt dann allerdings kaum Platz für andere Tätigkeiten.
Es gibt ein ausführliches Reihenexpose, in dem die wichtigsten Eckdaten der Cotton-Welt festgehalten sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich die einzelnen Autoren nicht gegenseitig widersprechen. Innerhalb dieses Rahmens haben wir freie Hand.
Der Roman ist der Showdown einer sechsteiligen Mini-Serie, bei der einer kriminellen Vereinigung namens CITU, die ihren Sitz auf der (fiktiven) Honduranischen Insel Untaba hat, das Handwerk gelegt wird. Die Serie habe ich gemeinsam mit einem Kollegen geschrieben. Im vorletzten Teil („An den Hebeln der Macht“, Heft 3192) wird deutlich, wer bei der CITU das Sagen hat.
In „Ein bombensicherer Coup“ müssen Jerry und Phil dann in Washington drei Bomben aufspüren, die der Gangster zu seinem Schutz gelegt hat. Die beiden laufen natürlich zu Höchstform auf!
Derzeit mache ich eine Cotton-Pause, da andere Projekte in der Warteschleife stehen. Ab Sommer 2019 wird es aber vermutlich weitere Jerry Cotton-Romane aus meiner Feder geben. Titel und Themen stehen noch nicht fest.
Jerry ist eine zeitlose Figur, weil er ein absolut integrer Mensch ist. Die Leser können sich blind darauf verlassen, dass er niemals unmoralisch handeln wird. Diese Berechenbarkeit auf der Seite des Helden lässt viel Spielraum für das gegnerische Böse, das in allen Facetten gezeigt werden kann.
Ich denke (und hoffe), dass das Interesse an integren und moralischen Persönlichkeiten weder im Roman noch in der Realität jemals erlischt.
Die Cotton-Romane von Anne Grießer
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