... Uschi Zietsch übers Schreiben, Workshops, Teilnehmer und Eigenerfahrung
: Ich habe 2004 zum ersten Mal als Dozentin an einer von Andreas Findig in Österreich veranstalteten Schreibwerkstatt teilgenommen. Kurz vor dem Termin in 2005 erhielt ich den Anruf des Seminarhauses, dass Findig ausfallen würde, und so bin ich eingesprungen. Das hat gut funktioniert, woraufhin ich mich entschied, künftig auch dazu in Süddeutschland Seminare anzubieten. Bei mir in der Nähe gibt es das ideale Ambiente, insofern war das die beste Voraussetzung.
Es gibt für alle Künste Kurse und Ausbildungen, aber so gut wie nichts fürs Schreiben. Die meisten Schreibkurse behandeln Spezialthemen, aber kaum die Basis. Ich hatte einst das Glück, mit guten Lektoren zusammenzukommen, aber heutzutage haben die Lektoren gar keine Zeit mehr für Autoren- bzw. Nachwuchsbetreuung. Deutsche Autoren werden kaum gefördert, wohingegen im englischsprachigen Raum sogar Universitäten Kurse anbieten. Die meisten englischsprachigen Bestsellerautoren haben Creative Writing-Kurse besucht. Diese Lücke wollte ich zumindest für den Einstieg schließen, auf dem die Autoren dann aufbauen können. Nach über 20jähriger Erfahrung kann ich als Praktiker, somit authentisch meine Kenntnisse weitergeben. Und eine gute Basis ist nun mal für jeden, der schreibt, unerlässlich.
: Das ist jedesmal eine spannende Sache, vom Schüler bis zum Selbstständigen ist alles dabei. Wenn alle eingetroffen sind, gibt es erst mal die Vorstellungsrunde. Da erfahre ich schon ein bisschen was über die Teilnehmer und kann mich entsprechend auf ihre Bedürfnisse und Erwartungen einstellen. Das kann bis zu individuellen Schreibübungen führen. Der Vorteil bei meinen Kursen ist, dass es nur 5-7 Teilnehmer sind, da bleibt genug Raum für individuelle Betreuung, und jeder kommt mit seinem Text ausführlich an die Reihe.
: Zum Basisseminar müssen sie einen Text zur Analyse einreichen. Das kann eine Kurzgeschichte sein, aber für die meisten ist es gewinnbringender, einen Romananfang mitzubringen, denn meistens hapert es gerade beim Einstieg. Der Autor zerbricht sich oft vergeblich den Kopf, woran es liegt, dass er immer noch nicht zufrieden ist. Auch Geschichten, die für Storywettbewerbe gedacht sind, werden eingereicht. So kann im Seminar unmittelbar am Text der Knopf aufgehen. Das Wichtigste ist der Wille, sich kritisch mit seinem Text auseinandersetzen zu wollen und sich die Vorschläge der anderen anzuhören.
Am Ende des Seminars nimmt jeder Teilnehmer eine Menge Motivation mit und Kenntnis über seine Stärken und Schwächen, und er weiß, wie er sich in Zukunft besser strukturieren kann, damit das Schreiben leichter fällt und mehr Spaß macht.
: Nein, solche Teilnehmer habe ich nicht. Wer zu mir kommt weiß, dass seine Geschichte gründlich analysiert wird, und dass Schreibübungen nach engen Zeitvorgaben gefordert werden wenn er sich dem nicht stellen will, meldet er sich gar nicht erst an. Alle Teilnehmer sind immer mit sehr großem Engagement dabei, wobei sich auch eine erste Niedergeschlagenheit spätestens mit den Schreibübungen legt und da schon ein ganzes Lichtgewitter aufgeht. Das gesamte Basisseminar ist aufeinander aufbauend, und das immer positive Ergebnis zeigt sich bereits mit den letzten Übungen am Sonntag.
: Nein. Wer soweit geht, sich bei mir anzumelden, ist sehr engagiert und vor allem selbstkritisch, will lernen und weiterkommen. Jemand, der gänzlich untalentiert ist, kommt gar nicht soweit.
: Das Talent ist die Grundvoraussetzung. Sprich die Fähigkeit, Kreativität und Fantasie zu entwickeln und diese in gut strukturierte Form zu bringen, dass am Ende eine Geschichte dabei herauskommt. Aber ohne Handwerk nutzt die schönste Geschichte nichts. Nur, wer die Regeln kennt, kann sie auch aufbrechen. Das ist bei allen Künsten so, sonst wird man nie zum Profi und produziert Texte, die andere toll finden. Und Disziplin ist natürlich das ganz große MUSS, ohne die man zwar viele Texte anfängt, aber keinen zu Ende bringt. Da ist es wie im Sport wer nix tut, bringt's auch zu nix.
Viele normale Leute, mit denen ich irgendwo ins Gespräch komme und sie erfahren, was ich mache, sagen: Ja, Ideen habe ich auch viele, ich kann sie nur nicht aufschreiben. Das stimmt eben nicht, diese Leute haben keine Ideen. Sie setzen einfach Erlebtes um, was als Anekdote in einer gesellschaftlichen Runde erheiternd sein mag, aber noch lange nicht für eine gute Geschichte reicht. Zu sagen das kann ich auch reicht nicht aus und stimmt auch nicht. Eine Idee muss gut und möglichst originell sein, sonst braucht man gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, sie aufzuschreiben. Manchmal komme ich bei solchen Unterhaltungen nicht drumrum, mir auch noch einige dieser tollen Ideen anhören zu müssen, und frage dann: Und was glauben Sie, wie viel Umfang das wohl gibt? Und stelle noch ein paar Fragen dazu, über Hintergrund, Person usw., und dann habe ich meist schnell meine Ruhe. Das ist eben das Talent: In einer kurzen Inspiration eine gute Idee zu erkennen und daraus dann mehr zu machen, nämlich eine Geschichte. Und das Handwerk sorgt dafür, dass man das auch gut strukturiert in lesbare Form bringt und auf 500 Seiten kein Chaos veranstaltet, das niemand versteht.
: Eine Kurzgeschichte ist insofern schwieriger, weil man sehr knapp und präzise eine Geschichte erzählen muss. Da muss man ganz pointiert sein, jedes Wort treffsicher setzen, ohne in episches Geschwafel auszuarten, und die Schlusspointe muss zu hundert Prozent mit nur einem, höchstens zwei Sätzen sitzen. Dementsprechend ist die Story eine hervorragende Fingerübung für den Autor, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Andererseits braucht man für eine Story nicht so viel Recherche, weil sie zumeist nur eine Szene ist, ein Ausschnitt aus einer viel größeren Geschichte. Sie beginnt gleich im 2. Akt, mitten im Geschehen, im Konflikt, steuert sofort auf den Höhepunkt zu und endet zumeist schon am 2. Plot Point mit der überraschenden Pointe. Während im Roman die Geschichte zumeist an der Person festgemacht wird, wird sie in der Story eher am Thema festgemacht.
Ich selbst gehöre zur Masse der Romanleser, mit Kurzgeschichten kann ich nicht viel anfangen. Wenn sie mir gefallen, sind sie mir zu kurz, wenn nicht, zu lang. Oft sind sie auch sehr verkopft, gestelzt geschrieben und ich verstehe sie gar nicht. Das höre ich dann sowieso gleich zu lesen auf. Ich kenne nur sehr wenige funktionierende Kurzgeschichten und bevorzuge die epische Breite eines Romans. Da habe ich eine ganze Welt, die vor mir ausgebreitet wird (egal in welchem Genre), in dem ich mich zusammen mit dem Protagonisten bewege und Abenteuer erlebe oder Konflikte löse. Da kann ich auch leichter mal über kleine Schwächen hinwegsehen. Eine Story aber muss zu 100% funktionieren.
: Und ob. Ich nehme jedesmal etwas mit, und manchmal geht auch bei mir ein Knopf auf. Indem ich die Basis stets wiederhole, habe ich sie inzwischen so sehr verinnerlicht, dass ich mir mit dem Schreiben viel leichter tue. Und ich entdecke viele neue Ansichten und Anregungen durch die Teilnehmer. Es ist immer ein sehr fruchtbarer Austausch über das Schreiben und Literatur.
: *Lach* Nein, gar nicht. Das pure Gegenteil ist der Fall. Ich fördere den individuellen Stil, weise auf Formulierungsschwächen und Stilbruch hin, dass mehr Sicherheit entsteht. Auf die Vielfalt kommt es doch an, und gerade, dass der persönliche Stil gefunden wird und erhalten bleibt! Ich will eine möglichst große Bandbreite an Erzählstil und keinen Einheitsbrei, der dem Mainstream folgt.
: Das aktuellste Beispiel ist der Schweizer Autor Marc A. Herren, der von der Perry Rhodan-Redaktion ziemlich gut beschäftigt wird, dazu Verena Themsen, die ihr Debut gleich in zwei Genres gegeben hat: Als Fantasy-Autorin bei Elfenzeit, und als Science Fiction-Autorin bei Perry Rhodan Action. Jana Paradigi und Michelle Stern/Stefanie Rafflenbeul sind neben der Elfenzeit auch bei Maddrax, diversen anderen Heftromanen und Genres wie Kinder/Jugendbuch und Erotik zugange. Einige Teilnehmer haben ihr Debut in unserer SunQuest-Serie bei Fabylon gegeben, andere haben Literaturpreise gewonnen und Kurzgeschichten veröffentlicht. Manche haben das Schreiben wiederentdeckt und sind ebenfalls gut beschäftigt.