... Nicole Schuhmacher über »Sturmträume«, Fantasy, Rollenspiele und wie sie schreibt
: Das soll eine gemeine Frage sein? Es gibt eine ganz einfache Antwort darauf: weil das Buchcover richtig, richtig schön ist *g*. Aber ganz im Ernst, wenn Du Bücher nicht nur kaufst, um sie ins Regal zu stellen, Fantasy magst, die ohne Elfen, Orks und Trolle auskommt und auch mal auf Schwarzweißmalerei verzichten kann, dann solltest Du bei Sturmträume zugreifen. Es beinhaltet garantiert keine Figur, die um des Bösen willen böse ist oder sich auch nur für böse hält.
: Ich fand es an dieser Stelle einfach spannender, eine Klosterschülerin mit Buchwissen, aber ohne viel praktische Erfahrung zu entwurzeln und auf die Welt loszulassen als einen kampferfahrenen, reiferen und womöglich noch zynischen Helden. Zudem war ich selbst einmal ein junges Mädchen. Das hat es mir zumindest zu Beginn erleichtert, mich mit Rika auseinanderzusetzen.
: Fantasy für mich ein Genre, in dem auch abseits jeglicher Definitionen alles möglich ist oder zumindest doch sein sollte. Es ermöglicht mir, mich kreativ auszutoben; wenn ich wollte, könnte ich über all das, was mich interessiert, gleichzeitig schreiben. Nur so eine Idee *g*.
Meine ersten Fantasy-Lese-Erfahrungen sammelte ich zu Schulzeiten beim Lesen des Herrn der Ringe; im Anschluss hangelte ich mich durch einige von Robert E. Howards Werken und andere Sword & Sorcery-Titel, nur um wieder zu meinem damaligen Lieblingsgenre (der klassischen SF) zurückzukehren. Dann machte ich Bekanntschaft mit D&D, AD&D und einigen anderen Fantasy-Rollenspielen mein Bruder hatte mich zum Spielleiten überredet; als ich aber feststellte, dass es auch in diesem Sektor ein Science-Fiction-Angebot gab, wechselte ich flugs dorthin. Seit damals verwischten sich die Grenzen aber immer mehr... und je mehr Genre-Grenzen fielen, desto wüster sahen meine Bücherregale aus. Erst in den letzten Jahren, als Testleserin von Markus Heitz, habe ich wieder verstärkt reine Fantasy gelesen.
: Ein Urlaub in der Provence *g*. Ich dachte gerade an einer Geschichte über Naturmagie herum, als wir zeitgleich mit einem beginnenden Unwetter im schönen kleinen Ockerstädtchen Roussillon eintrafen. Als ich so im Nieselregen und bei blauschwarzem Himmel zwischen den roten Häuschen umhertappte, fiel mein Blick auf ein Schaufenster und aus dem Schaufenster starrte mir eine lebensgroße, historische Schneiderpuppe aus Holz und Metall entgegen. Und in diesem Moment wusste ich, dass in meiner Welt außer Elemetarmagie auch Automaten eine wichtige Rolle spielen würden.
: Oh weh, böse Falle! Früher waren meine - literarischen - Vorbilder Isaac Asimov und Robert A. Heinlein, später liebte ich den Stil von George MacDonald Fraser und Mark Bowden. Keiner von ihnen ist ein klassischer Fantasy-Autor...
Die typischen Fantasy-Elemente in Sturmträume sind Königreiche, Ritter und Elementarzauber, und die Geschichte an sich ist eine klassische Queste. Was nicht vorkommt, sind Drachen und all die anderen Kreaturen, die ich bereits erwähnt habe... dabei fällt mir gerade ein, dass auch keine Untoten auftauchen. Im Großen und Ganzen dürfte der Einfluss von beinahe 20 Jahren an Video- und Computerspielen stärker gewesen sein als der von fantastischer Literatur.
: Grenzen der Fantasy? Prinzipiell sehe ich keine, denn das Genre an sich ist breit gefächert und birgt viele Möglichkeiten. Sollten sich die augenblicklich großen Trends - Zauberergeschichten frei nach Harry Potter, romantische Vampirgeschichten a la Biss und Bücher über tolkiensche Fantasy-Rassen einmal totlaufen, gibt es sicher wieder neue. Insofern sehe ich keine imminente Gefahr für das Genre an sich.
: Es gibt eine Fortsetzung von Sturmträume, auch wenn es nicht daran liegt, dass etwas überlebt hat. Ohne zu viel verraten zu wollen bedingt nichtsdestotrotz das Ende des ersten Bandes den Beginn des zweiten. Ein Zyklus wird es aber eher nicht werden. Wenn die Überarbeitung der Fortsetzung abgeschlossen ist, werde ich mir überlegen, ob das abstrus-militärisch-apokalyptische Werk, das ich vor über zehn Jahren begonnen habe und an dem ich sporadisch schreibe, auf alle Zeiten in der elektronischen Schublade bleiben sollte oder nicht.
: Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo in der Mitte. Nicole Schuhmacher hört ein Lied, sieht ein Bild oder nimmt etwas wahr, das sie interessiert; darüber denkt sie ein paar Tage lang nach, ein Charakter entsteht. Dann stellt sie sich Fragen wie: wer ist diese Person, was tut sie hier? Daraus entstehen Szenen, die sie niederschreibt. Wenn es genügend Szenen innerhalb eines bestimmten Zusammenhangs gibt, dann setzt sich Nicole hin und schreibt erst in Stichworten, dann detailliert ein Exposé nieder. Und erst dann beginnt das eigentliche, disziplinierte Schreiben von der ersten bis zur letzten Seite. Natürlich gibt es immer Elemente, die sich während des Schreibens ändern, manchmal sogar verselbständigen...
: Dass das jahrelange Rollenspiel-Leiten Auswirkungen auf meine Schreiberei gehabt hat, will ich nicht verleugnen. Zum einen brachte mir das Spielleiten eine gewisse Routine im Entwickeln von Episoden und von Figuren samt ihrer Motivationen. Dann habe ich gelernt, auf die Bedürfnisse der Spieler einzugehen und trotzdem das Heft fest in der Hand zu behalten. Die Illusion freien Willens der Figuren zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens aufrechtzuerhalten, das ist für mich auch beim Schreiben wichtig.
Gewürfelt habe ich während des Schreibens nicht, aber wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle über die Motivation einer Nebenfigur nicht ganz schlüssig war, habe ich eine Tarotkarte gezogen. Was ich ab und an auch beim Rollenspielen für Nichtspieler-Charaktere getan habe *g*.
: Es war mir eine Ehre.
Wer ist Nicole Schuhmacher?