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...Rebecca Gablé über das Mittelalter, den Hundertjährigen Krieg und ein legendäres Paar

Rebecca Gablé

... Rebecca Gablé ...
... über  das Mittelalter, den Hundertjährigen Krieg und ein legendäres Paar

Und weiter geht der Streifzug durch die englische Geschichte. Wir saßen auf der Buchmesse 2008 im Publikumsbereich des Lübbe-Standes und das Diktaphon lief vor sich hin und zeichnete unser Frage-und-Antwort-Spiel auf, das von Gelächter und lockerer Atmosphäre geprägt wurde. Das Gespräch wurde richtig interessant, als es um eines der legendären Paare der Geschichte ging: Henrich II. von England und seine Gattin Eleonore von Aquitanien. Aber lest selbst...
Von Ratlosen und LöwenherzenZauberspiegel: Was hat England vom Zeitpunkt der Eroberung (1066) bis zu Ende der Rosenkriege (1485) durchgemacht?
Rebecca Gablé: Das ganze Hochmittelalter mit all seinen ganzen geistigen, philosophischen, religiösen und gesellschaftlichen Spannungen. Das ist in etwa vergleichbar mit den Entwicklungen in Westeuropa. Das 12. Jahrhundert war eine sehr dynamische Zeit. Man spricht ja auch gern von der Renaissance des 12. Jahrhunderts. Da war plötzlich ganz viel Neues. Neue Wissenschaften, neue Lehren, man konnte viel freier denken, als im Jahrhundert davor und danach. Dann kam das von inneren politischen Unruhen, aber eben auch von enormen Fortschritten in der Baukunst geprägte 13. Jahrhundert. Man denke an die gotischen Kathedralen, die im 13. Jahrhundert zumindest begonnen wurden. Dann kam mein Lieblingsjahrhundert. Das 14. Jahrhundert war dann wieder kulturell, geisteswissenschaftlich und auch in sozialer Beziehung sehr dynamisch war. Es folgte das restriktivere 15. Jahrhundert. Das Mittelalter in England war in vieler Hinsicht sehr abwechslungsreich.

Zauberspiegel: Prägend für England war die Auseinandersetzung mit Frankreich, der Hundertjährige Krieg. Hat dieser Krieg England vorangebracht oder doch eher geschadet?
Rebecca Gablé: Dieser Krieg hat England eher mehr geschadet denn vorangebracht. Er hat Unmengen an Geld verschlungen, das anderswo gefehlt hat. Wenn das Geld im Land geblieben wäre, dann hätte zum Beispiel eine bessere Bildungsinfrastruktur schaffen können. Die Kriegskosten waren ein gewaltiger Aderlass. Dann hätte die Renaissance vielleicht in England angefangen und nicht in Italien, wer weiß. – Auf der anderen Seite hat der Krieg unendlich viele Kontakte mit dem Kontinent gebracht. Die gegenseitige Abhängigkeit mit den Niederlanden hat ja überhaupt erst die Tuchmacherindustrie in England möglich gemacht. Von daher hat England auch von diesem Krieg profitiert.
Zauberspiegel: Das ist ja von Ihnen im Herrn der purpurnen Stadt thematisiert worden.
Rebecca Gablé:  Genau.

Zauberspiegel: Wenden wir uns Heinrich II. zu. Der spielt dann auch in Ihrem nächsten Roman (das ist dann der 2009 erschienen Roman „Hiobs Brüder“ geworden) eine Rolle spielt. Heinrich und Eleonore, eine legendäres Paar.
Rebecca Gablé: Ja, legendäres Paar... absolut.
Zauberspiegel: Die beiden gelten als eines der Liebespaare der Geschichte, Thema zahlloser Romane. Was waren sie wirklich?
Rebecca Gablé: Niemand weiß es. Das komische an der Sache ist, dass mehr Gründe gegen diese Verbindung sprachen als dafür. Sie wäre lieber ein Single geblieben, obwohl sie natürlich ständig Gefahr lief von Irgendjemand entführt  und zu Ehe gezwungen zu werden, weil sie die beste Partie der Christenheit war. Aber warum sie dann ihren hergelaufenen Cousin aus dem Anjou geheiratet hat, das erschließt sich überhaupt nicht.
Er hat sich durch die Heirat mächtigen Ärger mit dem König von Frankreich eingehandelt, weil der französische Herrscher ja ihr Ex-Mann war.
Warum haben sie das getan? Diese Frage stellt man sich. Manche Historiker sind eben in ihrer Ratlosigkeit zu dem Schluss gekommen, dass die beiden in einander verliebt waren. Das war das Ergebnis ihrer Ratlosigkeit.
Zauberspiegel: Ich weiß nicht, wo ich es gelesen habe, aber es gibt Gerüchte, dass die beiden ein Verhältnis hatten, bevor Eleonores Ehe geschieden wurde.
Rebecca Gablé: Es gibt in der Tat dahin gehende Gerüchte, aber keine zuverlässigen Quellen. Alison Weir behauptet das in ihrer Eleonore-Biographie auch, aber sie führt keine guten Gründe an. Ihr einziges Argument ist, dass sie sich im Sommer vor der Scheidung begegnet sind.
Zauberspiegel: Immerhin haben die beiden ja eine konfliktreiche Ehe geführt.
Rebecca Gablé (lacht): So kann man es auch nennen...
Zauberspiegel: Es war eben eine ziemlich ereignisreiche Ehe geführt. Eleonore ist ja auch jahrelang weggesperrt worden...
Rebecca Gablé: Was das Paar Heinrich und Eleonore auch heute noch so faszinierend macht, ist ja nicht nur die Tatsache, dass sie ungeheuer reich oder intellektuell war oder dass er so ein militärisches Genie war. Sie waren beide – jeder für sich – ungeheuer willensstark. Sie waren richtige Ausnahmemenschen, die auch immer mit dem Kopf durch die Wand mussten und denen keiner ebenbürtig war. Nur sie waren einander ebenbürtig. Da haben sich die Richtigen gefunden und es muss auch geknistert haben.
Irgendwann hat es dann nicht mehr so positiv geknistert. Sie wollten unterschiedliche Sachen. Da war dann beider Dickschädel. Dann hat es eben nur noch geknallt.
Zauberspiegel: Als Ausnahmemensch muss man sich wohl eben einen anderen von der Sorte suchen.
Rebecca Gablé: Ja, wenn man sich ihre erste Ehe anguckt mit diesem wohlmeinenden, frommen Louis von Frankreich, der dann auf Kreuzzug ging. Und Eleonore alle überraschte, als sie sagte: ‚Da komm ich mit!’ – ‚Wie, du kommst mit?’- ‚Ja, ich komm mit.’ Alle waren schockiert, als sie tatsächlich mitging. – Ihr Mann war ihr überhaupt nicht gewachsen. Sie war eine Löwin, er war eine Maus.
Zauberspiegel: Wie ist es Ihrer Meinung nach  denn überhaupt möglich, dass eine Frau zur damaligen Zeit eine solche Rolle spielen konnte? Ihr Großvater war zwar begeistert von ihr. Aber Frauen war doch eher die untergeordnete Rolle zugeteilt.
Rebecca Gablé: Das liegt vor allem daran, dass Eleonore in Aquitanien aufgewachsen ist. Dort gingen die Uhren irgendwie etwas anders. Die Menschen dort waren ja ein eigener Schlag, die sich ja ganz bewusst vom restlichen Frankreich distanziert haben. Aquitanien hatte eigene Regeln. Die Stellung der Frau war stärker als im restlichen Europa. Die Aquitanier waren stärker geistig interessiert, weil sie ja auch regelmäßigen Kontakt zu den Juden und Muslimen jenseits der Berge pflegten. Das war ja nicht weit. Das war eine Stimmung in der sich so ein Charakter gut entwickeln konnte.
Die ganze Familie war ja völlig verrückt. Kürzlich habe ich gelesen, dass ihr Großvater die Großmutter entführt hat. Das war nicht seine Ehefrau. Er hat dann später seinen Sohn gezwungen, die Tochter der Geliebten zu heiraten. Das waren dann Eleonores Eltern.
 
Und weiter geht es dann am Sonntag, den 10. Januar 2010

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