... Michael Schönenbröcher und Michael Marcus Thurner über "Das Volk der Tiefe"
... Michael Schönenbröcher & Michael Marcus Thurner ...
... über "Das Volk der Tiefe"
Um die Verwirrung bei dieser riesigen Ansammlung von Michaels gering zu halten (ja, ich finde, zwei sind bereits eine riesige Ansammlung! - Ich hoffe, ein Psychologe kann daraus nicht auf einen Minderwertigkeitskomplex schließen!), werden wir den Schönenbröcher'schen Michael mit dem bei MADDRAX gebräuchlichen "Mad Mike" ansprechen und Herrn Thurner nennen wir ... na ja, ihn nennen wir eben Michael.
Zauberspiegel: Mike, wurden vom ersten SpinOff MISSION MARS mehr Hefte als von MADDRAX verkauft?
Mad Mike: In der Tat wurden von MISSION MARS etwa zehn Prozent mehr Hefte verkauft. Und das, obwohl SF-Fans doch eher dem Taschenbuch zusprechen.
Zauberspiegel: Erwartet ihr bei DVdT eine erneute Steigerung?
Mad Mike: Beim VOLK DER TIEFE erhoffen wir uns dank der Gruselfans, die ja eher im Heftbereich angesiedelt sind, mindestens einen ähnlichen Erfolg – der dann auch MADDRAX zu Gute kommen wird.
Mad Mike: Was die Verknüpfung von MISSION MARS und DAS VOLK DER TIEFE angeht, wird Band 4 "Zwischen Leben und Sterben" alle Fragen beantworten. Sie war damals nicht geplant, weil wir ja nicht einmal wussten, ob es einen weiteren SpinOff geben würde – aber nachdem wir das Okay dafür hatten, fand ich es dramaturgisch interessant, beide Kurzserien zu verknüpfen. Natürlich ohne dass es nötig wird, zum Verständnis von DVdT auch MM gelesen zu haben! Das werden wir sicher auch bei eventuellen weiteren SpinOffs so handhaben.
Zauberspiegel:Wie sieht es aus mit dem Zusammenhang zur Hauptserie? Wie du uns schon einmal erzählt hast, umfasst alleine das Rahmen-Expose zu MADDRAX über 1000 Seiten, plant die Serie also offenbar schon sehr genau voraus. Sind in diesem Rahmen-Expo auch Matts Abenteuer auf dem Mars ab MADDRAX Band 150 und die Handlungsfäden enthalten, die sich an DVdT anschließen werden? Falls ja, wie hättet ihr die Grundlagen hierfür, die ja in den SpinOffs geschaffen werden, in MADDRAX einfließen lassen, wenn es keine SpinOffs gegeben hätte?
Mad Mike: Vermutlich mit einer Trilogie innerhalb MX. Viele der Hintergründe hätte man durchaus komprimieren können. Erst dank MM haben sie sich so episch entwickeln können. Dass die Hydree, bzw. Hydriten vom Mars kamen, stand schon lange fest, das "Wie" jedoch nahm erst mit MM Gestalt an und wäre ohne SpinOff sicher anders verlaufen. Bei DVdT ist der Hintergrund nicht so wichtig für die Hauptserie; hier können wir im Gruseln wuseln, ohne auf unfangreiche Verknüpfungen achten zu müssen. Diese Kurzserie ist also wesentlich eigenständiger als MM.
Zauberspiegel: Wie ging die Konzeption von DVdT vonstatten? Entwarf jeder Autor die Handlung für seine Trilogie selbst oder gab es ein Mastermind, das für alles verantwortlich ist?
Michael M. Thurner: Wo Mike den Zusammenhang zwischen der "morbiden wienerischen Ader" und dem Ambiente eines afrikanischen Dorfes sieht, ist mir allerdings ein Rätsel.
Zauberspiegel: Michael, wie immer in deinen Romanen bietest du in DVdT eine Reihe sehr einprägsamer Figuren auf. Insbesondere Lourdes und ihr Faktotum Chérie sind wieder außerordentlich gut gelungen. Auch Kaiser de Rozier hast du gewissermaßen "erfunden", wie Mad Mike uns erzählt hat. Verleihst du deinen Figuren absichtlich eine gewisse Skurrilität oder "geraten sie dir einfach so"?
Michael M. Thurner: Was die Skurrilität betrifft: Ich kann mit Außenseitern, Sidekicks und Bösewichtern mehr anfangen als mit aalglatten Helden. Ich richte meinen Fokus gerne auf diese seltsamen Gestalten, weil sie dankbarer in der Charakterführung sind. Was wäre schon Batman ohne Joker, was wären Laurel und Hardy ohne ihren schnauzbärtigen Widersacher James Finlayson, was wäre Dagobert Duck ohne Mac Moneysack?
Zauberspiegel: Mike, wie ging die Auswahl der Autoren vonstatten? Haben sie sich "beworben" oder wurden sie als Freiwillige bestimmt? Wie kam es dazu, dass sich mit Dario Vandis und Claudia Kern auch Autoren beteiligen, die nicht oder nicht mehr zum MADDRAX-Team gehören?
Mad Mike: Die Auswahl hing hauptsächlich von drei Vorgaben ab: 1. Die Autoren mussten die Zeit aufbringen können, um die Romane/Trilogien zu schreiben. 2. Sie sollten dem Grusel-Genre zugetan sein. Und 3. wollte ich auch für den neuen SpinOff mindestens einen Gastautor verpflichten, so wie bei MISSION MARS Wolfgang Hohlbein, Frank Rehfeld und Manfred Weinland. Mit Dario Vandis habe ich schon in meiner kurzen ZAMORRA-Redax-Phase zusammengearbeitet und mag seine Schreibe, und die allseits beliebte Claudia Kern hat – wie Timothy Stahl damals bei MM – aus alter Verbundenheit mit MX zugesagt. Für die Vergangenheits-Trilogie (DVdT 4-6) kam ehrlich gesagt für mich nur Jo Zybell in Frage, der schon das Prequel zu MX (Hardcover "Apokalypse") und die Hydree-Handlung auf dem Mars so genial umgesetzt hatte.
Zauberspiegel: Michael, die erste Trilogie teilst du dir mit Mia Zorn. Was für ein Gefühl ist es, wenn die eigenen Figuren plötzlich von einem anderen Autor geführt werden?
Michael M. Thurner: Da ist immer wieder Faszination, wie unterschiedlich Figuren interpretiert werden können. Manche Dinge, auf die ich niemals im Leben gekommen wäre, tauchen bei einem anderen Autor plötzlich auf und beleuchten neue Facetten einer Persönlichkeit und sorgen für ein großartiges Aha-Erlebnis. Das ist ein Punkt, der die Schreibarbeit zur unendlich dankbaren und interessanten Aufgabe macht.
Zauberspiegel: Im ersten Band "Eine Wunde in der Erde" dauert es immerhin bis auf Seite 5, bis du Kinga, einer der Hauptfiguren, zwei Fingerglieder abtrennst. Ist das Zufall oder als kleiner Seitenhieb auf diejenigen gedacht, die sich über das eine Fingerglied von Aruula schon so erregt haben?
Michael M. Thurner: Zufall. Kinga bekommt in der Einstiegssequenz ja einiges ab, die abgetrennten Fingerchen sind da nur eine klitzekleine Nebenerscheinung.
Zauberspiegel: Apropos Aruulas Fingerglied: Inzwischen hat sie es ja wieder. War das von Anfang an geplant oder war es ein Eingeständnis an die Leser, die sich beschwert hatten?
Michael M. Thurner: Ich hatte dazumal die Idee, die Verletzlichkeit unserer Protagonisten aufzuzeigen (Meine Ansicht, Aruula hopps gehen zu lassen und durch jemand Anderen ersetzen zu lassen, lässt sich ja nicht durchsetzen. ). Matt und Aruula sind Menschen, und keine Superwesen. Warum also statt einer Prellung, einer Verrenkung oder eines Bruchs nicht mal etwas Ernsthafteres? Ich machte also per eMail unter den Autoren eine Umfrage, ob man Aruula den einen oder anderen Körperteil amputieren könnte. Es gab durchaus geteilte Ansichten, die "Finger-ab-Fraktion" setzte sich schließlich knapp durch. Die Idee, einen Pflanzenfinger stattdessen herbeizuzaubern, gebar meines Wissens Mike ein paar Wochen später, noch bevor der Roman an den Kiosken war. Die Reaktionen der Leser waren nicht ausschlaggebend, für mich aber nichtsdestotrotz sehr interessant.
Zauberspiegel: Wie entstehen die Cover von DVdT? Bei dem von Band 1 handelt es sich ja quasi um ein "Szenenfoto". Wer war für die jeweilige Entscheidung verantwortlich, welche Szenen aus den Romanen Chris Noeth malen sollte?
Mad Mike: Auf Chris Noeth wurde ich im Internet aufmerksam, wo er als Comic-Künstler etliche Bilder präsentiert. Mir gefielen seine Farbgebung, die mich an Richard Corben erinnerte, und die Licht-Schatten-Effekte. Also fragte ich bei ihm an, ob er sich an den Covern zu DVdT versuchen wolle. Sein Bild zu Band 1 hat mich dann überzeugt. Ehrlich gesagt verstehe ich die Diskussion darüber im Bastei-Forum nicht. Da wird von einigen mokiert, die Arme des vorderen Zombies wären unterschiedlich lang (sind sie nicht, ich hab's nachgemessen), die Spitze des Vulkans müsse tiefer weggesprengt sein (ist sie auch – auf der anderen Seite), der Mond würde zu hell strahlen, die Figuren darunter wären zu dunkel (nun, eben weil der Mond so hell strahlt, sind sie dunkler), und überhaupt, es wäre ein fürchterliches Bild. Ich sehe es mir an – und finde es klasse. Genau was ich wollte: eine Symbiose aus modernem Stil, ein bisschen Comic und den Grusel-Klassikern der 80er Jahre, mit einer unheimlichen Stimmung und tollen Farben. Natürlich heben sich die Bilder von Kovecks MX-Covern ab; das sollen sie ja auch. Ich hoffe, bei der Mehrzahl der Leser kommen sie gut an. Wie die Cover entstehen, ist schnell erklärt: Ich spreche mit dem jeweiligen Autor über den Inhalt des Romans und wir überlegen uns gemeinsam eine Szene, dann verfasse ich eine Bildbeschreibung, Chris Noeth macht einige Entwürfe, bis alles okay ist, und dann malt er das fertige Bild.
Zauberspiegel: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für uns genommen habt.