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... Wolfhart Luther über Gründgens, Verleger und Grundsatzfragen

Wolfahrt Luther... Wolfhart Luther über Gründgens, Verleger und Grundsatzfragen

Wolfhart Luther ist  interessanten Menschen begegnet.

Wir haben da noch ein bißchen nachgefragt. Zum anderen haben wir ihm noch ein paar Fragen zum Thema Heftroman gestellt, die mehr oder weniger unabhängig von seinen verschiedenen ›Jobs‹ bei den Verlagen waren und dabei waren auch einige ›Grundsatzfragen‹...

 

Zauberspiegel: Sie sind ein Schauspielschüler von Gustav Gründgens, dem Mephisto des deutschen Theaters. Wie war Gründgens denn als Lehrer?
Wolfhart Luther: Ich war nicht Schüler von Gustav Gründgens, ...
Zauberspiegel: Da habe ich was missverstanden.
Wolfhart Luther: ...sondern habe während seines Generalintendanten-Daseins meine Prüfung gemacht. Die verantworteten Otto Gries und Peter Esser als Vorstand der "Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen". Mit Gustav Gründgens trafen sich neben meinem Schwiegervater Paul Maletzki (Senior vom Düsseldorfer Schauspielhaus) und mir eine ganze Reihe von Schauspielern wie Hans Müller-Westernhagen (Vater von Entertainer Müller-Westernhagen) und andere Kollegen.

Zauberspiegel: Konnte man Gründgens als Mensch erleben, wenn man Schüler war. Gab er sich wie ein Star, sprich erfüllte er das Klischee mit allen Marotten und Allüren?
Wolfhart Luther: Gründgens hatte aus meiner Sicht überhaupt keine Marotten oder Starallüren.

Zauberspiegel: Sprechen wir einmal über Menschen. Sie sind zwei Heftromanverlegerpersönlichkeiten begegnet. Zum einen Gustav Lübbe, zum anderen Erich Pabel. Beide haben auf Ihre Weise die Publikationsform geprägt. Worin ähnelten sich die beiden? Was unterschied Sie? Kann man beide Patriarchen nennen?
Wolfhart Luther: Von Patriarchen bei Lübbe und Pabel keine Spur. Beide waren angenehme Verlegerpersönlichkeiten, Pabel vielleicht ein wenig mehr Drucktechniker.
Als ich mit Pabel verhandelte, wünschte er sich, dass ich das Rauchen einstelle. Ich hatte es zwar bereit zweimal versucht...  Aber ich stimmte zu für den Fall, dass er mir Zeit liesse. Mit unserer Besprechung zum Ende der Zusammenarbeit erfüllte ich seinen Wunsch. Noch heute bin ich ihm dankbar! Meine Chancen, die geplanten 108 Jahre zu erreichen und damit vielleicht mit Joopi Heesters gleichzuziehen bzw. ihn zu übertreffen, sind stark gestiegen. Nochmals vielen Dank, Erich Pabel!

Zauberspiegel: Wie war es in Leitender Position unter Beiden zu arbeiten? Bekam man von Beiden freie Hand?
Wolfhart Luther: In Leitender Position arbeitete ich mit beiden Verlegern problemlos zusammen. Man tauschte sich aus, legte sich fest und hatte freie Hand. Beide amüsierten und freuten sich, wenn ich zuschlug und die Aktionen Erfolg zeigten. Lübbe hatte die angenehme Art, sich öfter mit Schecks zu revanchieren, Pabel zahlte gleich schon mehr (ich fing ja auch "Fertiger" an).

Zauberspiegel: Sie lernten ja am Set der Cotton-Filme den Hauptdarsteller George Nader kennen. Der war ja immerhin Golden Globe-Gewinner. Von Stewart Granger ist überliefert, dass der sich am Set der Karl May-Filme Verhalten hat wie ein Star. Wie hat sich George Nader gegeben?
Wolfhart Luther: George Nader war freundlich, zuvorkommend und benahm sich über die Drehzeiten hinweg wie ein Kumpel. Schließlich war auch ich mal Schauspieler, habe sogar einen Film gemacht und kam auch meine erste Frau Hannelore Maletzki als Schauspielerin gut mit ihm aus, wenn wir zusammen Promotion machten. Und das war ja für den Film, aber vor allem für uns als Bastei-Verlag sehr wichtig.

Zauberspiegel: Wie hat Nader die Rolle des Jerry Cotton gefunden? Wie ist ihm die Figur nahe gebracht worden? Hat der Star selbst Vorschläge zur Rollengestaltung gemacht?
Wolfhart Luther: Nader hat sich sehr gut in die Jerry-Cotton-Rolle hineingefunden. Er spielte sie so, wie wir es gemeinsam mit dem Regisseur abgesprochen haben. Vor allem musste das Zusammenspiel mit Heinz Weiss als Phil Decker klappen, der eine sehr starke Persönlichkeit ist und darstellte.

Zauberspiegel: George Nader privat. Wie haben Sie ihn erlebt?
Wolfhart Luther: Privat waren wir mit George Nader so häufig zusammen, dass man sich wie in einer Familie fühlte.

Zauberspiegel: Hat der Hollywoodstar ein Geheimnis aus seiner Homosexualität gemacht? Seinerzeit war das ja noch ein Karrierehemmnis.
Wolfhart Luther: Homosexuelle bei den Schauspielern gab es genug, so dass man auch Witze machte ohne zu beleidigen. Wir hatten im Dritten Reich ja noch den Paragraph 175 (der später gestrichen wurde). Bei den Amis hatte Nader es nicht so leicht.

Zauberspiegel: Richard Münch kannten Sie vom Düsseldorfer Theater. Sind Sie ihm am Set der Cotton-Filme begegnet? Haben Sie die alte Bekanntschaft wieder aufgefrischt?
Wolfhart Luther: Mit Richard Münch hatte ich während der Cotton-Verfilmungen durchgehend Kontakt, auch schriftlich.

Zauberspiegel: Heinz Weiss war ja als Phil Decker besetzt. Er war auf dem Höhepunkt seines Ruhm nach dem TV-Straßenfeger „Soweit die Füße tragen“. Dennoch heißt es, dass Heinz Weiss ein ausgesprochen sympathischer Zeitgenosse ist. Wie haben sie das erlebt?
Wolfhart Luther: Von Heinz Weiss haben alle am Set geschwärmt, weil er ein fantastischer Mensch ist. Ihm und den anderen Prominenten, z.B. Helmut Förnbacher, bin ich stets gern begegnet.

Zauberspiegel
: Bestimmt kannten Sie auch verschiedene der Cotton-Autoren. Heinz Werner Höber war ja nicht der Erfinder des Jerry Cotton, aber über Jahre hinweg ein Autor, der die Serie geprägt hat. Wie war der Mann als Autor und Mensch?
Wolfhart Luther: Über Heinz Werner Höber haben Sie soviel Material, und trotzdem: Ich habe einmal für gewisse Zeit Höber mit van Buggenum auf die Insel Texel geschickt. Dort sollte er in Ruhe schreiben. Aber das Alkoholproblem konnte auch der vorsichtige van Buggenum nicht so ohne Weiteres in den Griff kriegen. Der Aufenthalt war dann nicht so lang wie gedacht...

Zauberspiegel: Welche der prominenten Autoren der Heftszene haben Sie näher kennen gelernt. Eigentlich pflegt ja die Redaktion den Kontakt zum Autor, aber seinerzeit wurden Autoren betreut. Wen möchten Sie da noch erwähnen?
Wolfhart Luther: Autoren der Heftszene habe ich selbst reihenweise noch im Außendienst kontaktiert, wie z,B. Hans Peter Weissfeld, Irma Siegl, und den guten alten Hans Ernst in Kolbermoor.

Zauberspiegel: Dann wäre da noch Rolf Kalmuczak, der besondere Popularitätt mit TKKG erreicht hat. Was war Rolf Kalmuczak für ein Mensch?
Wolfhart Luther: Rolf Kalmuczak war der beste Lektor von Jerry Cotton und der beste Autor, den man sich wünschen konnte. Seine Manuskripte konnte man eigentlich sofort in die Setzerei geben. Ein grossartiger Mensch, ein toller Mitarbeiter!

Zauberspiegel: Der Star unter den Krimiautoren bei Pabel war der Erfinder von Kommissar X und Mister Dynamit, C.H. Günther. Haben Sie ihn kennengelernt? Was war er für ein Mensch?
Wolfhart Luther: Neben Günther schrieben rund neunzehn Autoren an Kommissar X. Da war Günther der Beste, aber als Mensch habe ich ihn nicht gekannt. Da muss ich passen.

Zauberspiegel: Herr Luther, Sie waren fast drei Jahrzehnte im Heftromangeschäft. Zu guter Letzt wollen wir noch einige grundsätzliche Fragen zum Thema stellen.
Zu allererst diese, in der sie Erfahrungen aus ihren drei Stationen einfließen lassen können: Was war der absatzstärkere Typ Roman, der für die ›Frau‹ (Liebe, Arzt, Adel, Heimat) oder der für den ›Mann‹ (Krimi, Western, SF, Horror)? Wie war das Verhältnis zueinander?

Wolfhart Luther: Den Vergleich Romane „Frau“ zu „Mann“ kann ich leider nicht präzise für die ganze Zeit ziehen. Die Gewichtung änderte auch innerhalb der Jahre bei den drei Stationen. Zum Beispiel stieg der Anteil Männer bei Bastei mit dem Erfolg von Jerry Cotton; das kann sich in späteren Jahren aber wieder geändert haben.
Bei Pabel (1968-1969) war der Typ Roman für den Mann absatzstärker, bei Erber-Luther von Anfang an der Typ Roman für den Mann.

Zauberspiegel
: Warum hat aus Ihrer Sicht die Serie oft über die Reihe mit Einzelromanen triumphiert?
Krimi – das waren »Jerry Cotton« und »KX«, der Horror war: »Larry Brent«, »Dämonenkiller«, ihr »Morton«, »John Sinclair«. Im Western war Unger außen vor und der Name des Autors das Markenzeichen, aber auch hier gab es starke Serien mit »Ronco« und »Lassiter«. In der SF triumphierte »Perry Rhodan«.
Oder ist der Triumph der Serie nur ein Irrglaube?

Wolfhart Luther: Warum die Serie oft über die Reihen mit Einzelromanen triumphierte, war neben der höheren Auflage mit dem breiteren Angebot im Handel und damit dem stärkeren Eindruck beim Kaufinteressenten die Tatsache, dass über die „Helden“ gesprochen wurde. Die Romane für die Frau waren zwar auch hervorragend aufgemacht, verschwanden aber schnell in der Einkaufstasche, wurden gelesen, konnten aber kein Dauerthema werden.

Zauberspiegel: Kann man sagen, dass die sechziger und siebziger Jahre die Jahrzehnte des Heftromans waren und schon in den Achtzigern der langsame und schmerzhafte Abstieg begann, auch wenn der Horror – zumindest in der ersten Hälfte – in Gestalt von »Larry Brent«, »John Sinclair« und anderen noch boomte?
Wolfhart Luther: Die Jahrzehnte des Heftromans gingen mit den Achtzigern zu Ende. Kein Wunder, die Fortsetzung fanden die Interessenten in den Fernsehprogrammen. Von Jahr zu Jahr boomten die Telenovelas auf den einzelnen Sendern immer stärker. Heute sind es pro Tag bereits vier verschiedene „Rote Rosen“ für die Frau und „Notruf Hafenkante“ für den Mann. Nur der Spezialist „Horror“ konnte sich etwas halten. Aber wer soll jetzt noch Heftromane kaufen, wenn man die Fünfzigminuten-TV-Geschichten nicht nur zu Hause, sondern auch auf Handys am Strand oder auf der Parkbank sehen kann.

Zauberspiegel
: Eine Frage, die regelmäßig diskutiert wird, ist die der Phasenauslieferung. Bastei schaffte sie in den Neunzigern ab. Kelter macht das heute noch. Können Sie uns das Prinzip der Phasenauslieferung erläutern? Wann lohnt die sich, wann nicht mehr?
Wolfhart Luther: Die Phasenauslieferung bot sich anfangs an, weil wir die Remittenden als Zweit-auslieferung verkaufen mussten. Dafür boten sich das „ausgeklammerte“ Berlin und das Saargebiet, vor allem auch Österreich an. Wir betrieben das Geschäft noch bis zum Ende.

Zauberspiegel: Warum hat der Heftroman das Leihbuch von den späten Fünfzigern und erst recht den frühen Sechzigern an als Hauptlieferant von Unterhaltungsliteratur abgelöst? Wo lagen die Vorteile des Heftromans gegenüber dem Leihbuch?
Wolfhart Luther: Gegenüber dem Leihbuch punktete der Heftroman, weil er dünner und leichter war, sauberer und - wenn überhaupt - kaum teurer war. Man brauchte nicht immer mit dem Paket in der Tasche zum gleichen Laden zu laufen.

Zauberspiegel
: Was machte den Heftroman in den sechziger Jahren so erfolgreich? Warum wurden die 60 Seiten-Romane so häufig gelesen?
Wolfhart Luther: Der Erfolg des Heftromans in den Sechzigern war das Ergebnis der Verlagsvertreter im Aussendienst, denn nur die Produktion allein brachte nichts. Das Grosso, die Babus und der Einzelhandel waren der Segen.

Zauberspiegel: Gab es (neben Perry Rhodan) Heftserien, die mehr als 100.000 Exemplare pro Woche verkauft haben? Wie hoch waren die verkauften Auflagen in den Sechzigern im Schnitt?
Wolfhart Luther: Mehr als 100000 verkaufte Auflagen in den Sechzigern: von Jerry Cotton, sonst unbekannt.

Zauberspiegel
: Sie erzählten uns im Interview über ihre Zeit bei Pabel, dass »Bei Sitzungen mit den Konkurrenzverlagen sich Lübbe stets von mir vertreten [ließ]«. Worum ging es in diesen Sitzungen denn. Gern wird den Interessierten am Heftroman erklärt, dass es eine gewaltige Rivalität gab. War das so?
Wolfhart Luther: Bei den Sitzungen mit den Konrrenzverlagen verlief alles in gutem Einvernehmen. Starke Rivalität ja, aber nicht in Aneinandersetzungen, wenn man sich austauschte. Krach: keinen.
Die Themen bei Treffen mit den Konkurrenzverlagen waren zum Beispiel:
  • Lieferprobleme im In- und Ausland
  • Abstimmungen wg. verschiedener Grossisten im gleichen Auslieferungsgebiet.
  • Verhaltensweise unterschiedlicher Art bei Differenzen mit Abnehmern diverser Kategorrien. Autorenverhalten wg. Gagenforderungen oder Pleiten.
  • Copyright-Probleme und deren Abstimmung sowie Umschreibung alter Romane durch Auswechslung der Namen innerhalb einer Story (aus Alt mach Neu), was schon mal bei schwachgewordenen Autoren vorgekommen ist.

 
Weitere Gespräche mit Wolfhart Luther

Kommentare  

#1 Thomas Langes 2010-09-01 16:43
Super das es euch gelungen ist einen der alten Heftroman/Verlagskenner zu befragen. Vielleicht könnte man noch andere finden die (auch Autoren?) Auskunft geben möchten. Einige -wenige- leben noch.
Zum Beispiel Jürgen Dünsing der sowohl Leihbücher wie auch Heftromane schrieb, und vor 2 oder 3 Jahren sein 50 jähriges Schriftsteller Jubiläum feiern konnte.
#2 Thomas Langes 2010-09-01 16:48
Nur zur Kenntnisnahme:

Joopie Heesters IST Raucher, und zwar seit über 90 Jahren. Will Herr Luther also so alt werden wie Joopie muss er wieder anfangen (mit dem Rauchen natürlich !).
#3 Harantor 2010-09-01 16:50
Die Chancen stehen auch ohne Rauchen nicht schleht. Es hat schon eine über 100jährige in der Familie gegeben...

Und Jüergen Duensin steht auf der "To-Do"-Liste. Wie auch so manch anderer...
#4 Sarkana ~^v^~ 2010-09-06 02:24
Interessant wäre mal die Voigts. Wenn man denen bekommt. Wäre auch mal bißchen was zu Kelter, wo man sonst von niemanden überhaupt was erfährt, bzw. mit niemanden gesprochen wird.
Ansonsten, interessantes Interview. Immer toll sowas zu lesen.
#5 Billy the Pig 2010-10-31 18:35
George Nader war als Lebensgefährte von Rock Hudson der Universalerbe seines Vermögens. Man kann also davon ausgehen, dass er nach Rocks Ableben keine finanziellen Sorge mehr hatte. Es heißt, dass er sich die Zeit mit dem Schreiben von (homo-) erotischen Romanen vertrieb... :-*

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