... Wolfhart Luther über viel Arbeit, Reisen nach England und Grenzüberschreitungen
: Welche Motive sollte Luther haben, Verlage zu gründen? Endlich - nach fast zwanzig Jahren - hatte ich genug davon, anderen die Taschen zu füllen. Wer will dann nicht endlich selbst ein paar Millionen machen? Die Kosmetikerin Anne Erber (früher mit einem Kosmetik-Studio in Würzburg und jetzt Kosmetik-Versand) dachte ebenso.
: Investiert haben wir "aus der Hosentasche", also vom laufenden Konto bei der Bank. Niemals Kredit aufgenommen, fast alles bar bezahlt, nur dadurch Sonderrabatte, auch bei Auto- und Maschinenkäufen bis 400.000 DM, dadurch keine Lieferzeiten, auch bei Mercedes nicht. Alles zur Freude meiner "alten Kollegen" vom Finanzamt bei der siebenmonatigen Prüfung mit bis zu neun Beamten Ende der Siebziger: sie sind alle mit Ergebnis NULL ins Amt zurück (sie wussten allerdings nicht, dass ich ein Altbeamter mit abgeschlossenen Prüfungen war). Was niemand verstand, war meine Barankaufmasche; auf die Frage, warum nicht alles über die Banken läuft: "Denen traue ich nicht". Wir kauften mindestens zwei Autos pro Jahr und verdienten zusammen mit den ausgehandelten Rabatten auf alle anderen Dinge die Baukosten für Bürohaus, Druckerei und Lager und später mehr als unseren Lebensunterhalt. Alles wurde korrekt verbucht.
: Nachdem ich das Grosso und die Kioske mit Schallplatten und Humorkarten belieferte, kam gegen Ende 1970 Anne Erber mit ihrem Kosmetik-Vertrieb dazu. Wir planten und starteten die Verlage Wolfhart Luther-Verlag, Anne Erber-Verlag, Erber und Luther Vertriebsgesellschaft mbH & Co. Weil ab 25 Mitarbeitern ein Gewerkschaftler dabei sein musste, starteten wir jeweils eine neue Firma.
Somit blieben unsere Firmen sauber und die Mitarbeiter bekamen dafür höhere Gehälter. (siehe nebensehendes Bild).
Die Rolle meiner Frau Anne Erber war das Wichtigste bei Gründung und Verlauf. Sie war zuvor als Selbständige erfolgreich, und das später auch, weil sie alles mit mir zusammen plante und durchsetzte. Und unsere Arbeit ging von 7 Uhr früh bis 10 oder 22 Uhr im Verlag, und das montags bis samstags, sonntags bis 14 Uhr.
: Unsere Autoren verdienten am Besten, sonst wären wir nicht so schnell vorangekommen.
: Bevorzugt wurden die Horror- und Grusel-Titel und die Krimi-Taschenbücher.
: Die Vertriebswege waren Grosso, Bahnhofsbuchhandlungen, WBZ und einige Lesezirkel.
: Die Auflagen der Hefte bei ERBER+LUTHER: zwischen Sechzig- und Neunzigtausend, Dr. Morton weit über Hunderttausend, gedruckt und verkauft durch Phasenauslieferung und Sammelbandproduktion.
: Zu Ihrer Frage Erstauflage/Zweitverwertung: Erstauslieferung war immer 100%. Davon gab es unterschiedliche Remittendenquoten bei den einzelnen Grossisten, zwischen 15 und 30%. Diese Remittenden lieferten wir in die zuvor freigehaltenen Grossogebiete, z. B. Berlin, Saargebiet und Österreich. Die Remission davon war gering und wurde zu Sammelbänden verarbeitet - und dann war die Auflage so gut wie weg, Reste gingen an ausgewählte Einzelhändler.
: Die Entwicklung von "Dr. Morton" stand von Anfang an fest. Er sollte eine Spezialität neben den wenigen bisherigen leichten Gruselserien werden.
Die Entwicklung von Dr. Morton erfolgte mit nur einem Autor. Wir schickten ihn für mehrere Wochen nach England, wo er einen langen Katalog abarbeitete. Danach wurden die Einzelheiten festgelegt, und zwar ohne Rücksicht auf irgendwelche Vorschriften. Horror macht erst Spaß, wenn er über die Grenzen geht. Und heute wäre es noch kräftiger. Schaut man nur auf das, was so genannte Politiker jeden Tag "verbrechen".
(Anmerk. der Red.: In der Bildergalerie zu diesem Interview findet sich ein gut lesbarer Detailausriss zum Thema Morton - drittletztes Bild)
: Kalkül und Gewalt waren bewusst angelegt.
: "Der Lord" wurde als Beruhigungsobjekt entwickelt.
: Bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hatte ich vor Jahren für "Jerry Cotton" in Lübbes Auftrag eine spezielle Lösung getroffen. Das wollte ich diesmal vermeiden. Deshalb brachten wir den "Lord" und verkauften "Dr. Morton" weiter ans Grosso. Der Anteil von Ausfällen bei den Einzelhändlern war minimal gegenüber den Direktverkäufen an Private und Clubs, und das haben wir noch Jahre später nutzen können. Diese zahlten ja den Bruttopreis und verursachten keine Remittenden. Trotz der zunächst anfallenden Mehrarbeit können wir der Bundesprüfstelle noch heute dankbar sein. Den größten Teil unseres Reingewinns haben wir aufgrund der Indizierungen erzielt.
?
: Die spezielle Lösung für Jerry Cotton bleibt speziell... Das war die Bundesprüfstelle.
: Der "Dr. Morton"-Autor bleibt geheim. Zwei Autoren wollten unbedingt ihr Glück versuchen, sind aber bei uns gescheitert.
: Der Titelbildzeichner Thomas arbeitete für den SWF und für uns. Wir beschäftigten übrigens mehrere SWF-Leute.
: John Forbes war das Standard-Synonym für die betr. ERBER-Taschenbücher
: Rainer-Maria Schröder hat drei MS für die Dr. Morton-Reihe verfasst. Kassau war kein Co-Autor, schrieb aber manchmal für andere Hefte bzw. Taschenbücher.
: Ob ich den "Klammer"-Autor von früher kannte? Ja!
: Der "Klammer"-Autor hat auch die JAHRHUNDERT-SAGA geschrieben.
: Ich war kein Lektor für Dr. Morton und Co.; Werner Star (in leitender Position beim SWF) war Chefredakteur, Joachim Puhle war ein guter Verlagsautor bei diversen Serien und außerdem teilweise Lektor.
Rolf Kalmuczak war während meiner Verlagsleiter-Tätigkeit bei Bastei Lektor für Jerry Cotton, schrieb auch einige Jerry-Cotton-Romane. Und weil er der geschickteste und erfahrenste Autor in der Branche war, gewann ich ihn als DON BOSTON ausschließlich für ERBER+LUTHER-Taschenbücher.
: "Dr.Morton"-Wühltische: Zu Unrecht wurden sechs Hefte "nachgedruckt". Wir haben in den Achtzigern/Neunzigern keine gebracht.
: Die Grossbrände waren tatsächlich nur Testproduktionen.
: Rolf Kalmuczak war mein beste Lektor bei Bastei und schrieb deshalb auch bei uns eine ganze Reihe Romane
Die Schwarzwald-Spezialitäten ließen sich bestens durch Beiheftern in Romanen verkaufen. Es war eine gute "Versorgung".
ildfläche? Hatten Sie die Lust verloren oder zeichnete sich schon der Niedergang des Heftes ab?
: Der Erber-Verlag und der Luther-Verlag wurden eingestellt, nachdem die Nachfolge aus der Familie nicht geregelt werden konnte.
Es geht uns nicht anderes als Herrn Pabel am Beginn der Siebziger.
: Eine Totalumstellung der Herstellungs-Technik - Druckerei usw. hätte meinen Staatstheater-Chefdramaturgen-Sohn überfordert. Heftromane gehen dem Ende entgegen. Dafür kann "Dr.Morton" an anderer Stelle auferstehen.
Die Zeit als Verlagsleiter und Verleger hat Spass gemacht, weil wir gern gearbeitet haben. Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger spürte man das Aufkommen des Fernsehens, das ja heute fast ganz die Rolle des Heftromans übernommen hat. Wir bekamen das Problem des Nachfolgers. Unser Sohn war Chefdramaturg an verschiedenen Landes- und Staatstheatern, seine Frau Ballettmeisterin am wichtigsten Staatstheater, weshalb eine solche Lösung nicht infrage kam. Die Arbeit an den Veränderungen der Zeit nach dem Ende der ERBER+LUTHER-Produktion wäre im Übrigen zu gravierend gewesen
: Ob und wann wir die "Auferstehung" von Dr. Morton an anderer Stelle und in welcher Form erleben - warten wir's ab.
Kommentare
Aber nicht für 10 ? für 2 Bände im Paperback. Das ist imo absolut inatkzeptabel!