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... Brent Weeks über Fantasy, Farben, Magie und das »Überangebot in den 80ern«

Brent Weeks ... Brent Weeks über Fantasy, Farben, Magie und das »Überangebot in den 80ern«

to the English version Die »Nightangel«-Trilogie von Brent Weeks ist bei Blanavlet (Random House) in Deutschland komplett erschienen und hat Brent Weeks auch hier bekannt gemacht. ›Heroic Fantasy‹ mit düsterem Einschlag ist sein Markenzeichen. In den USA ist der erste »Lightbringer«- Band unter demTitel »The Black Prism« erschienen.

Grund genug einmal mit dem Autor über Fantasy allgemein und seinen Beitrag dazu zu sprechen...

 

Zauberspiegel: Wer ist Brent Weeks? Wie ist er an Fantasy gekommen?
Brent Weeks: Ich bin der Typ ohne Plan B. Ich wollte Fantasy schreiben, seit ich mein erstes Buch im Alter von 13 zu schreiben begann. Irgendwann im College habe ich dann beschlossen, es zu tun. Ich dachte, wenn ich früh anfange und scheiterte, würde ich noch genug Zeit haben, um etwas anderes mit meinem Leben anzufangen. Das Problem ist, ich war ziemlich hartnäckig. (Ich hatte auch eine Frau, die meine Verrücktheit unterstützt. - Ohne sie würden wir jetzt dieses Interview nicht führen)

Zauberspiegel: Was bedeutet Fantasy für Brent Weeks?
Brent Weeks: Fantasy bedeutet schöpferische Freiheit. Ich kann über alles schreiben  was mich fasziniert, solange es genug andere Leute interessiert! Ich kann mich in der Nähe eines historischen Zeitraum oder einer historische Figur herumtreiben, oder ich kann die Geschichte einfach ignorieren. Ich kann fragen, was-wäre-wenn, dann eine Geschichte von dort aus aufbauen. Es gibt ganz eigene Herausforderungen innerhalb dieser Freiheit, aber es macht auch einige Dinge viel einfacher.

Zauberspiegel: Vor 30, 40 Jahren war Fantasy irgendwas zwischen den Eckpfeilern Robert E. Howard und J.R.R. Tolkien. Das Genre ist seither vielfältiger geworden, zum Teil weil Marketingfachleute neue Label gesucht (und gefunden) haben und zum anderen weil Autoren das Spektrum des Genres erweitert haben.
Wie siehst Du diese Entwicklung? Wohin führt der Weg der Fantasy?

Brent Weeks: Ich denke, es ist in jeder Hinsicht großartig, abgesehen von der Tatsache, dass Gespräche über das Genre schwerer macht. Wenn jemand sagt, er möchte Fantasy lesen, bedeutet das, dass sie Bücher lesen möchten, die im heutigen New York City angesiedelt sind - nur mit ein bisschen Magie und jeder Menge Sex? Oder experimentelle literarische Werke, in denen Magie real sein mag oder auch nicht? Oder bedeutet es, dass sie gerne Geschichten mit Jungen und Schwerter lesen?
Die Leute werden weiter experimentieren, aber das Feld ist von den großen Machern der Verkaufszahlen besetzt. Rowlings Erfolg brachte Verlage dazu andere Fantasy zu finden, die sowohl Kinder und Erwachsene gleichzeitig ansprechen würden. Das bedeutete eine enorme Expansion im Fantasybereich für junge Erwachsene (zumindest in Amerika). Auf der anderen Seite haben wir, vielleicht aus diesem Grund, Laurell K. Hamilton und George R.R. Martin - beide schreiben etwas, das sehr erwachsene Fantasy ist.
Ob neuere Trends wie Steampunk oder die Zombies mithalten können und das ganze Genre wirklich ändern können, bleibt abzuwarten.
Ich denke, dass HBO mit „A Game of Thrones“ etwas Großes sein wird  - nicht so groß wie Vampire, aber groß. Ob das tatsächlich für mehr Fantasy-Leser sorgen wird, oder ob es einfach dazu führen wird, dass eine Menge Leute mehr George R.R. Martin lesen, ist eine ganz andere Frage.

Zauberspiegel: In Deutschland wurde die »Nightangel«-Trilogie mit dem Aufdruck ›Heroic Fantasy‹ versehen worden. Kannst Du das nachvollziehen? Siehst Du Dich in der Tradition von Howard und/oder Moorcock?
Brent Weeks: Ich bin mit dem Etikett "Heroic Fantasy" ziemlich zufrieden. Als ich die Bücher schrieb, stellte ich mir „The Way of Shadows“ als Heroic Fantasy vor - es ist eine einfachere Erzählung vor einer begrenzten Kulisse - und dann dachte ich an „Shadow's Edge“ und „Beyond the Shadows“ als epische Fantasy. Die beiden Geschichten befassen sich mit mehreren Ländern, verschiedenen Kulturen, Politik und höheren Einsätzen als „The Way of Shadows“. Das heißt, alle drei Bücher haben etwas über Heldentum zu sagen, über das Schicksal und Entscheidungen, und selbst über Gut und Böse. Howard und Moorcock sind keine direkten Einflüsse. Leider habe ich niemals etwas von Howard gelesen, und das eine Moorcock Buch, das ich gelesen habe, hat mir nicht gefallen. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass diese beiden Männer durch andere Autoren, die sie beeinflusst haben, auch Einfluss auf mich hatten. Ich würde sagen, meine eigene Arbeit liegt irgendwo in den Shadowlands zwischen den Giganten Tolkien und Martin.

Zauberspiegel: Deine Fantasy ist mit dunklen (sprich Horror-Elementen?) durchsetzt.
In Deutschland sieht das so aus: Horror an sich funktioniert supergut im Kino und auf DVD, aber bei Büchern funktioniert Horror im Bestsellerbereich nicht mehr so Recht (außer bei King und Straub). Horror wird gar zur Nischenliteratur der Kleinverlage.
Ist das in den USA auch so? Und wenn ja: Woran kann es liegen, dass in der Fantasy düstere Element begeistert aufgenommen werden, während das Horrorgenre darbt?

Brent Weeks: Es ist in den USA das Gleiche. Wie ich das sehe,  implodierte die Horrorliteratur nach einem Überangebot in den 80er Jahren und konnte sich nicht erholen. Ich denke, vielleicht sind da viele Leser mir ähnlich: Ich habe nichts dagegen in Angst versetzt zu werden, oder zu verfolgen, wie ein Charakter durch eine höllische Erfahrung geht, aber ich will nicht zehn Stunden lang Angst haben. Meine Bücher sind mehr wie eine Achterbahn, mit tiefen scharfen Drips und aufregende Wendungen, als ein Schlurfen durch das Tal der Schatten des Todes.

Zauberspiegel: Die »Nightangel«-Trilogie ist nun auch in Deutschland abgeschlossen. In den USA gerade »LIGHTBRINGER« gestartet. Wird das auch wieder eine Trilogie? Gibt es schon einen Vertrag für die deutsche Ausgabe? Wie würdest Du »LIGHTBRINGER« beschreiben?
Brent Weeks: Ich bemühe mich sehr darum, Lightbringer in der Form einer Trilogie zu halten, denn wenn ich damit erst fertig bin, werde ich zu dem  Night Angel Universum zurückkehren, das ich liebe. Ich habe bereits die deutschen Rechte für den Lightbringer Bücher verkauft, also werden sie definitiv kommen! Die Lightbringer-Trilogie ist eine Geschichte, die an einem alternativen Mittelmeer angesiedelt ist, um das Jahr 1500. Es gibt rudimentäre Schusswaffen und Schwerter gemeinsam mit Magie. In der Tat ist die Magie wirklich grundlegend für diese Gesellschaft: Es gibt viele Leute, die Magie benutzen, und es wirkt sich auf jeden Teil der Welt aus. Die Geschichte dreht sich um zwei Charaktere: Gavin Guile (der mächtigste Mann in dieser Welt, die sowohl weltliche und religiöse Macht ausübt, wie ein alter japanischer Kaiser oder ein mittelalterlicher Papst), und sein unehelicher Sohn Kip, von dessen Existenz er noch nicht einmal etwas weiß. Es ist eine Geschichte voller Geheimnisse und Intrigen und Loyalität und Verrat und Liebe.

Zauberspiegel: Unser Rezensent Jochen Adam fand »Black Prism« (»LIGHTBRINGER 1«) zwar sehr gut geschrieben, aber er hat Schwierigkeiten mit dem Konzept der Welt und der Magie (die aus Farben erwächst) klar zu kommen. Das erscheint ihm zu kompliziert, vielleicht, so möchte ich ergänzen, zu gewollt. Dazu waren nur wenige Hinweise und Erklärungen eingestreut.
Wie ist diese Welt und das Konzept der Magie entstanden? Kannst Du diese Schwierigkeiten verstehen? Kann man Jochen, Hoffnungen machen, dass Du tiefer in das Konzept der Magie eindringst?

Brent Weeks: Die Magie ist einfacher als Quantenphysik. Das ist natürlich ein Scherz, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Die Magie beschäftigt sich mit Farbe und Licht. Farben existieren objektiv - wir können das quantifizieren, Orange liegt bei einer Wellenlänge von etwa 600 Nanometern. Aber wir kennen Farben nur durch unsere Erfahrung mit ihnen, mit Auswirkungen sowohl auf unsere Kultur wie unsere Biologie. Einige Kulturen haben nur zwei Begriffe für Farben - weiß und schwarz. Kulturen, die drei Farbwörter haben, fügen immer die Farbe Rot hinzu. Wenn man zwei unterschiedlichen Menschen aus der gleichen Kultur einen Farbbegriff nennt, wird man für sie beide jeweils von unterschiedlichen Dingen sprechen. Nimm zum Beispiel Khaki oder Hasel. (Ich weiß, dass ihr dies übersetzen werdet, das macht es noch schwieriger.) Dann hat auch die Biologie Einfluss darauf, was man sieht. Jemand mit einer Rot-Grün-Blindheit (statistisch gesehen sind es weit überwiegend Männer, die farbenblind sind) erlebt rot und grün ganz einfach nicht so wie du oder ich. Für ihn existieren die beiden nicht als getrennte Farben, und er muss einfach daran glauben, dass wir ihn nicht belügen, wenn wir ihm sagen, dass sie unterschiedlich sind.
Die Biologie ist, was das angeht, wirklich faszinierend, wenn du mir einen kurzen Exkurs erlaubst. Es gibt drei Farben-Rezeptoren im menschlichen Auge, und der Mittlere ist auf dem X-Chromosom kodiert (von dem Männer nur eine einzelne Kopie). Wenn Männer also einen genetischen Fehler auf diesem Chromosom haben, werden sie nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden (ein wenig vereinfacht). Da Frauen zwei Kopien des X-Chromosoms haben, haben sie eine Sicherungskopie. Wenn das eine Chromosom Fehler aufweist, wird das andere dies ersetzen. So ist Farbenblindheit bei Frauen sehr selten. Aber eine coole Sache passiert, wenn Frauen eine Variation bei diesen beiden Chromosomen haben, die für die mittlere Farb-Erkennung zuständig sind. Wenn diese nicht genau deckungsgleich sind (dies geschieht bei der Hälfte aller Frauen), sind diese Frauen dazu in der Lage, zwischen Rosa- und Rottönen bis zu einem superfeinen Grad zu unterscheiden. (Nur einer von tausend Männern kann sich damit messen.)
Also beruhen die alten Witze über Männer, die nicht dazu in der Lage sind, eine passende Krawatte zum Hemd auszuwählen, nicht auf einem Desinteresse der Männer an den Farben der Kleidung – es liegt daran, dass sie es überhaupt nicht erleben!
All dies ist reale Biologie und echte Kultur, aber meine Magie basiert auf Farben, also verwende ich das.
Das wichtigste Element meines Magie-Systems ist, dass es das Gegenteil einer brennenden Kerze darstellt. Wenn eine Kerze brennt, löst sich das Wachs (meist) in Wärme und Licht auf (weil Materie nicht erschaffen oder zerstört werden, aber in Energie umgesetzt werden kann). Meine Magie lässt diesen Prozess rückwärts laufen. Statt Materie zu nehmen und daraus Energie zu schaffen, nimmt man Energie und macht daraus Materie. Wie ist diese Substanz? In meiner Welt, wird rotes Licht  zu rotem Luxin, das klebrig und leicht entzündlich ist. Blaues Licht wird blaues Luxin, hart und spröde, und so weiter. Jede Farbe hat ihre eigenen Eigenschaften: Gewicht, Festigkeit, Geruch, und damit verbunden, Nutzen.
Nun, all dies in einem Roman zu kommunizieren, in der die Menschen vorwissenschaftlich sind und das Konzept der Chromosomen nicht kennen, aber – da sie mit jeden Tag mit ihr zu tun haben - viel von Farbe verstehen, ist keine einfache Angelegenheit. Vor allem auch, da ich nicht gerne großen Vorlesungen über dem Leser auskippe. Also habe ich die Informationen langsam ausgebreitet. Ich versuche dies in einer Weise zu tun, dass der Leser die Aktion der Szene verstehen kann, auch wenn er vielleicht nicht jede Nuance der Magie versteht. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass es für einen muttersprachlich deutschen Leser nochmals viel schwieriger ist, dies auf Englisch zu lesen!

Zauberspiegel: Wir waren schon bei den düsteren Elementen in Deinen Romanen. Wäre eine wahrlich natürliche Heimat solcher Elemente nicht eine Art ›Steam-Fantasy‹ vor dem Hintergrund eines alternativen 19 Jahrhunderts, in dem die Kraft des Dampfes regiert. Aber sich eben auch die Ursprung der ›Gothic Novel‹-Figuren (wie Dracula, Varney, Frankenstein, Hyde und der Unsichtbare) wieder finden? Ist das nicht ein Szenario für Brent Weeks?
Brent Weeks: Das ist eine faszinierende Verbindung. Ich kann mir vorstellen, dass die dunklen Eindrücke von Jack the Ripper in London etwa das gleiche Gefühl erzeugen, das man auch in Cenaria bekommen kann, -  was ich nicht beabsichtigt habe. Es gibt sicherlich keinen Grund, warum Fantasy nicht dorthin gehen sollte. Mein eigenes Wissen über diese Zeit kommt vor allem aus der populären Literatur, ich hätte also eine Menge Arbeit vor mir, bevor ich das Gefühl hätte, etwas Neues hinzufügen zu können. Aber es ist eine tolle Idee, und einer eurer Leser würde gut daran tun, sie zu nutzen! Und übrigens: Danke dir für das ist schöne Kompliment.

Zauberspiegel: Was kann man in Zukunft von Brent Weeks erwarten? Gibt es konkrete Pläne über die Du sprechen kannst?
Brent Weeks: Ich stecke gerade tief in Lightbringer, der den vorläufigen Titel „The Blinding Knife“ trägt, und ich habe gerade eine Novelle, die davon handelt, Durzo Blint zu Durzo Blint wurde. Diese habe ich habe noch nicht einmal verkauft, es war einfach eine Geschichte, die ich erzählen musste, und es ist ein bisschen experimentell für mich. Sie fordert ein wenig mehr vom Leser, aber es  war eine Menge Spaß. Wenn die Lichtbringer-Trilogie fertig gestellt ist, plane ich, zu Midcyru zurückzukehren. Ich weiß, was in dieser Welt nach dem Ende der Night Angel-Trilogy geschehen wird, aber ich habe noch nicht entschieden, wo ich anknüpfen möchte, und wessen dessen Geschichte ich zuerst erzählen möchte. Aber zwischen diesen beiden Projekten liegen wahrscheinlich die nächsten zehn Jahre meines Lebens!

Zauberspiegel: Besten dank für das Interview und alles Gute?
Brent Weeks: Vielen Dank, es war mir eine Freude, mit euch dieses Interview zu machen und so direkter mit dem deutschen Publikum sprechen zu können. Ausgezeichnete Fragen, danke für die Veröffentlichung.

Kommentare  

#1 Loxagon 2010-11-28 19:58
Ein tolles Interview. Hmm ... Es wird also eines Tages eine Fortsetzung des Nachtengels geben. Wäre toll wenns dann etwas weniger Sprünge in der Handlung geben würde. Das aber auch das einzige was ich an der Trilogie auszusetzen habe dass da gerne hin am Fließband hin und her gesprungen wird.

Und eine Vorgeschichte Zu Durzo? Ich hoffe die kommt auch zu uns.

Auf diese Lichtbringer Trilogie bin ich auch mal gespannt. Auch wenn mein Buchregal mich seid Jahren darum bittet: "Keine neuen Bücher mehr!". Aber es ist schwer zu widerstehen.

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