... Roger Aeschbacher über Schweizer Morde, Motivation und Testleser
: Schweizer Autoren morden vielleicht weniger blutig als beispielsweise amerikanische Krimiautoren. Die Mordtat wird seltener in allen Details zelebriert. Auch sind die Täter meist keine irren Verbrecher, sondern eher verzweifelte Gestalten, die aus innerer Not handeln.
: Die Figuren sind fiktiv, aber natürlich sieht man bestimmte Charaktere in seiner Umwelt, lässt sich von ihnen inspirieren. Aber das ist nur der Startpunkt. Interessant ist es, wenn die Personen innerhalb der Krimihandlung wachsen und sich entwickeln.
: Krimis heißen auf Englisch Crime Fiction. Es ist also auch im Krimi sehr viel Fiktion dabei, nicht unähnlich der Science Fiction. Ich selbst lasse mich gerne von Figuren auf der Straße oder in Cafés inspirieren. Schräge Typen interessieren mich, mehr noch, wie handeln sie, wenn sie mit anderen Menschen in Berührung kommen. Sagen sie Gopferdammi oder Danke vielmals, gern geschehen.
: Nicht wirklich. Das würde mich einengen im Entwickeln von Geschichten. Ich will ja nicht reale Personen abbilden, sondern Geschichten erzählen. Es ist daher auch besser, die Figuren leicht unscharf zu zeichnen. So hat jeder Leser, jede Leserin, die Möglichkeit, die Figur wiederzuerkennen. Der Krimi ist gelungen, wenn der Leser etwa sagt: Dieser Polizeichef ist ja genau so ein korrupter Kerl wie mein eigener Chef.
: Ich habe gewisse Autoren sehr gern. Von Raymond Chandler habe ich jedes Buch mehrmals gelesen. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass die Badische Zeitung meinen Kommissar als einen Basler Philipp Marlowe bezeichnete. Aber Chandlers Stil ist trotzdem völlig anders als meiner. Ich versuchte nie, etwas zu kopieren oder zu imitieren.
: Jedes Lob freut, aber man sollte trotzdem auf dem Teppich bleiben und sich nicht blenden lassen. Wichtig bleibt, dass man weiter an seinem ganz eigenen Stil arbeitet.
: Ein Krimi macht eine große Bühne auf, der Kampf von Gut gegen Böse. Mich interessierten nun aber die leiseren Zwischentöne. Warum ist der Böse bös? Kann ich ihn vielleicht sogar verstehen? Was ist seine Geschichte? Plagen ihn moralische Skrupel oder ist er ein gnadenloser Killer. Und der Kommissar? Könnte er selbst vielleicht morden, in ähnlicher Situation, in ähnlicher Bedrängnis.
: Durchaus, ja. Ich schaue tatsächlich sehr gerne hochwertige Science Fiction-Filme, auch habe ich sehr gerne gute Science Fiction-Literatur gelesen: Solaris z.B. von Stanislaw Lem oder Fahrenheit 451 von Ray Bradbury. Diese Art Bücher zeigen vielleicht auch, was mich generell interessiert. Solaris ist natürlich eine Science Fiction-Story, aber doch primär eine Reise ins eigene Ich. Die Story spielt zwar in der fernen Zukunft auf fremdem Planet, und doch trifft der Protagonist letztlich nur auf sich selbst, auf seine eigenen Wünsche, Hoffnungen, Projektionen. Diese Wünsche werden vom Magma des fremden Planeten zu realen Dingen materialisiert und werden dadurch zur echten Bedrohung. Solche Geschichten faszinieren mich, egal in welchem Genre.
: Ja, sicher. Ich habe keinerlei Berührungsängste mit Groschenromanen. Im Gegenteil. Ich habe zum Beispiel Jerry Cotton-Hefte sehr gern. Ich bewundere deren Autoren sehr in ihrer Fähigkeit, spannende Geschichten einfach und prägnant, aber immer auch mit überraschender Handlung zu texten.
: Wissen Sie, ich brauche nicht motiviert zu werden. Ich schreibe einfach sehr gerne in allen Formen und Variationen. Wenn ich keine Krimis schreibe, dann schreibe ich ein Jugendbuch oder Erzählungen. Und jetzt denke ich gerade: Ein Science Fiction-Buch schreiben? Hey, das ist eine Superidee. Das könnte unglaublich Spaß machen
: Das freut mich.
: Sehr leicht - und sehr schwer. Leicht war die Rohfassung. Ich schreibe fast meditativ, kann mich gut in die Arbeit versenken. Danach beginnt die Arbeit. Korrigieren, wieder korrigieren, präzisieren. Schreiben ist Kunst und Handwerk zugleich.
: Vielleicht, aber ich sage immer: Jeder, der reden kann, kann auch schreiben. Jeder hat Talent zum Schreiben, irgendwo. Mir fällt das Schreiben vielleicht einfacher als anderen, aber jeder kann auch auf seine eigene Art schreiben. Ich halte es mit dem Künstler Joseph Beuys, der gesagt hat: Jeder Mensch ein Künstler. Aber Achtung. Mit Talent alleine kommt man nicht weit.
: Ich habe nie eine Schreibwerkstatt besucht. Roger Smith, der südafrikanische Bestsellerautor von Krimis (z.B. Blutiges Erwachen), riet mir sogar einmal davon ab, in solche Kurse zu gehen. Aber natürlich versuche ich mir soviel Wissen über das Schreiben als möglich anzueignen. Ich las zum Beispiel einmal ganz bewusst wichtige Klassiker (Krieg und Frieden, Ulysses, Moby Dick, Les Misérables usw.). Viel lerne ich jetzt auch über das exzellente Feedback von der promovierten Germanistin Frau Dr. Anette Kleszcz-Wagner, die meine Krimis bei Prolibris lektoriert.
: Der zweite Band kommt jetzt Ende März heraus. Der dritte ist in Rohfassung fertig. Aber entscheiden wird das Publikum. Wenn es meine Krimis weiterhin so fleißig kauft wie bisher, wird es noch viele weitere Abenteuer mit Baumer und seinen Freunden geben.
: Oh, die Ideen gehen mir eigentlich nie aus. Mein erstes Opfer wurde mit einem Samuraischwert erschlagen. Das zweite Opfer wird erstochen. Ich habe also noch nicht einmal zum Revolver greifen müssen, um zu morden. Und dann gibt es da ja noch Gift, Strangulieren, Ertränken (lacht). Wichtiger ist aber: Baumer und seine Freunde entwickeln sich immer weiter. Es gibt noch so viel zu erzählen.
: An einem Schreibtag kann ich sofort loslegen, wenn ich aufstehe. Dann schreibe ich etwa zweieinhalb bis drei Stunden. Dann ist meist für ein paar Stunden Schluss. So gegen 15 Uhr geht es wieder los. Wieder zwei bis drei Stunden. Wieder Pause. Ab 21 Uhr nochmals zwei bis drei Stunden.
: Vom belletristischen Schreiben alleine können in der Schweiz vielleicht grad mal ein Dutzend Personen leben. Ich arbeite im Hauptberuf als wissenschaftlicher Autor für die Pharmaindustrie.
: Ich hatte keinen Agenten, sondern machte zu Beginn alles selber. Ich schickte Exposé und Manuskriptauszug von 20 Seiten an ein paar Verlage. Der bekannte deutsche Krimiverlag Prolibris hat dann zugegriffen.
: Sehr gut. Der Verlag ist engagiert. Rolf Wagner, der Besitzer, kam extra auf eine Vertriebs- und Promotionsreise in die Schweiz. Der Verlag unterstützt Kommt Schnee sehr und gab das Buch auch als Beitrag ein für den Wettbewerb um das beste Debüt im diesjährigen Friedrich-Glauser-Wettbewerb.
: Da war ich im Gymnasium und habe Homo Faber von Max Frisch verschlungen. Weil mir der Autor so gefallen hat, las ich dann auch Montauk und Der Mensch erscheint im Holozän. Ich habe es nicht bereut.
: Die Druckfahnen von Schweizer Ware, dem 2. Band der Basel-Krimi-Reihe mit Kommissar Andi Baumer. Ich merze die allerletzten Schreibfehler aus.
: Ich habe im Antiquariat ein Buch von John Grisham gekauft, auch eines von Ian Rankin. Das sind Krimibestsellerautoren. Da will ich hineinlesen, um mich weiterzubilden.
: Mit Unterbrechungen etwa 7 Monate für die Rohfassung. Dann weiteres intensives Korrigieren und Lektorieren. Aber so genau kann ich es gar nicht sagen. Auf jeden Fall ging in dieser Zeit jede freie Minute fürs Schreiben drauf.
: Etwa gleich lange.
: Es ging etwa gleich schnell.
: Das war ein bewusster Entscheid. Interessant ist vielleicht, dass Heinzmann erst durchs Schreiben entstanden ist. Plötzlich war er da - ich fand die Figur interessant, entwickelte sie weiter. Jetzt hat Baumer einen Kumpel. Ist es nicht toll zu sehen, wie die zwei interagieren und miteinander arbeiten? Beide sind aus gleicher sozialer Schicht und doch so grundverschieden in ihrer Art.
: Beim Ersten legte ich einfach los. Das hatte ich als Kunstpraxis so verinnerlicht aus meinem Kunststudium. Zuerst machen, dann erst bewerten! Aber kaum waren die ersten Seiten geschrieben, entstanden Ideen für weitere Szenen. Bei Band 2 und 3 plante ich bereits mehr im Voraus. Beim Dritten hatte ich zum Beispiel den ganzen Plot schon fast fertig im Kopf, als ich loslegte.
: Das ging gut. Ich will ja nicht das Münster im Detail beschreiben. Wichtig sind die handelnden Personen. Dass der Krimi in Basel spielt, vereinfacht die Sache sogar. Da muss ich keine großen Recherchen über die Orte anstellen, ich kenne sie ja supergut (lacht).
: Nun, das war ein Regelbruch, ja. Aber ohne Regelbruch bleibt man eben auch im normierten Stil eines Schreibkurses hängen. Clockwork Orange von Anthony Burgess wäre so nie geschrieben worden. Wichtig ist einfach, ob ein Regelbruch wirklich eine Funktion hat, also der Geschichte und dem Lesevergnügen dient. Dann ist es erlaubt.
: Ich habe folgende Erfahrung gemacht: Zu viele Köche verderben den Brei.
: Um den deutschen Comiczeichner Ralf König zu zitieren: Ein Drittel ist selbst erlebt, ein Drittel selbst gehört, ein Drittel selbst erfunden.
: Dieses Fachbuch schrieb ich als Innovationsexperte. Es ist ein populärwissenschaftliches Werk. Hier musste ich trockene Fakten korrekt wiedergeben, aber in leicht verständlicher Form formuliert. Das war die besondere Herausforderung.
: Der geplante Erscheinungstermin ist Ende März 2011. Das Team mit Baumer, Heinzmann, Danner und Regazzoni ist natürlich auch wieder dabei.
Kommentare
Ich hoffe das es noch manche dieser tollen Krimi gibt.