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Die erste Fahrt des Orient-Express

Die erste Fahrt des Orient-Express

Wenn man über berühmte Züge nachdenkt, landet man unweigerlich beim Orient-Express und bei dem Glanz und Glamour, den man damit verbindet. Georges Nagelmackers war ein Visionär, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen Zug zu schaffen, der die Staaten auf europäischem Gebiet verbindet und eine Strecke vom Westen Europas bis zum Tor in den Orient, Konstantinopel, bildet. Und das auch noch mit einem Komfort, der bisher kaum denkbar gewesen war.

Dieser historische Roman beschäftigt sich mit der ersten Fahrt des legendären Zuges.

David Janz, der Autor des Romans, veröffentlicht diesen Roman unter Pseudonym, soll laut Klappentext ein erfolgreicher Autor historischer Romane sein. Ich habe ein Interview mit ihm geführt.

Am Abfahrtstag des Orient-Express ist am Bahnsteig des Gare de Strasbourg in Paris die Hölle los. Nicht nur die Reisenden finden sich am 4. Oktober 1883 auf dem Bahnsteig ein, auch jede Menge Schaulustige bevölkern den Bahnsteig. Sie alle wollen sich die erste Fahrt des neuen Zuges nicht entgehen lassen.

Der Journalist Henri Stephan Opper de Blowitz schreibt: "Als ich am Gare de l'Est ankomme, finde ich ihn strahlend erleuchtet. Auch die Abfahrt des ersten Zuges wurde von der Bahnverwaltung mit aller Brillanz umgangen.
Überall im Bahnhof verteilte sich elektrisches Licht. Die Mitarbeiter zeigen Ihnen beim Betreten den Bahnsteig, auf dem der Orient-Express steht. Zahlreiche Menschen kamen, um die Abreisenden zu grüßen, und da die meisten von ihnen zum ersten Mal nach Konstantinopel reisen, erfolgt die Trennung nicht ohne ein wenig Rührung, gepaart mit großer Freude."

Mitten unter ihnen steht der Erschaffer des Wunders: Georges Nagelmackers. Der junge Belgier träumt schon lange davon, eiine Eisenbahn in Europa zu konstruieren, die den höchsten Ansprüchen an Qualität und Luxus genügt.

Nagelmackers stammt aus einer wohlhabenden Familie, die seiner Liebe zu seiner Cousine (im Roman ist diese junge Frau nicht mit ihm verwandt) entscheidet, den jungen Mann erst einmal nach Amerika zu schicken, damit er dort das Bankgewerbe dort kennenlernt. Viel faszinierender als diese Dinge sind für ihn jedoch die Pullman-Züge, die zur damaligen Zeit modernsten Züge weltweit.

Zurück in Europa macht sich Georges daran, selbst einen Zug zu entwickeln, der denen Pullmans noch überlegen ist und seinen großen Traum verwirklichen kann: Einen Luxuszug auf einer Strecke durch die 8 damaligen Staaten auf dem europäischen Kontinent durchreisen zu lassen - vom Westen bis hin nach Konstantinopel.

1883 ist es dann endlich soweit. Der Zug verlässt mit so illustren Gästen wie dem Autor Jules Verne oder dem Journalisten Henri Stephan Opper de Blowitz und einem türkischen Sultan den Bahnhof.

Blowitz beschreibt den Zug so: "Der Zug selbst hat ein markantes Aussehen. Es besteht aus zwei Schlafwagen, zwei Güter- und Proviantwagen, einem Speisewagen, der Lokomotive und ihrem Tender. Er nimmt eine Gesamtlänge von fünfundsiebzig Metern ein. Die Personenwagen und der Speisewagen stehen nach neuestem System auf vier Gelenkachsen und rollen dadurch mit einer solchen Laufruhe, dass man trotz Geschwindigkeiten von teilweise achtzig Kilometern während der Fahrt über die Strecke gleiten kann.
Jeder der Waggons verfügt über zwanzig Schlafplätze, aufgeteilt in drei Abteile mit vier Schlafplätzen und vier mit zwei Schlafplätzen. Der Speisewagen besteht aus drei unterschiedlich großen Abteilen. Der erste, kleiner als der zweite, verwandelt sich außerhalb der Essenszeiten in einen geselligen Aufenthalts- oder Raucherraum mit Sofas und drehbaren Tischen. Das zweite ist eine Lounge für Damen und das dritte ist das Restaurant selbst..."

David Janz verändert die Reisegruppe an Bord des Orient-Express und passt sie so seiner Erzählung an. Jules Verne war nicht Mitreisender der ersten Fahrt, Blowitz und ein türkischer Sultan sehr wohl. Unter den vierzig Fahrgästen befanden sich unter anderem so illustere Personen wie der rumänische König Karl oder der türkische Sultan Abdul Hamid. Insgesant waren acht Deutsche mit an Bord. Ganz wichtig für Nagelmackers war Henri Stephan Opper de Blowitz, Chefkorrespondent der Londoner "Times", denn seinen Berichten von seiner Fahrt mit dem Orient-Express ist es zu verdanken, dass der Zug in aller Munde war, so trug er nicht unerheblich zum finanziellen Erfolg des Unternehmens bei.

Blowitz schreibt zu Beginn seines Buches "Une course à Constantinople": "Bahnreisen führen zu kaleidoskopartige Beschreibungen. Jeder versucht durch die Fenster seines Wagens den Charakter des Landes, das er durchquert, zu erfassen, zu verstehen und zu erraten. Die Beschreibungen, die wir auf diese Weise machen, sind nicht gründlich oder unbestreitbar, aber sie sind unaufhörlich und vielfältig..."

Bei David Janz ist auch von Beginn an eine Frau an Bord; eben jene Henriette, deretwegen es zu seinem Amerikaaufenthalt kam, und von der sich Georges allen familiären Wünschen zum Trotz nicht getrennt hat.

Die Unterschiede zwischen der tatsächlichen ersten Fahrt und der Fahrt, die Janz in seinem Roman beschreibt, sind auch inhaltlich nicht unerheblich. So ziemlich alles, was schief gehen kann, geht auch schief, von Problemen mit den Achsen bis hin zu einem hinterhältigen Attentatsversuch, dem Georges und Henriette mit Hilfe von Jules Verne auf der Spur sind.

Dies tut dem Lesespaß jedoch keinen Abbruch, wenn man sich der Tatsache bewußt bleibt, dass es sich um einen historischen Roman handelt, der nur teilweise den Anspruch hat, tatsächliche Ereignisse der ersten Fahrt zu schildern. Es ist ein unterhaltsamer, durchaus spannender Abenteuerroman entstanden, in dem David Janz eine in sich glaubwürdige und tragfähige Geschichte webt, die so tatsächlich hätte passieren können.

In seinem Nachwort geht David Janz auf die Unterschiede zwischen seinem Roman und der tatsächlichen Fahrt ein, ich hätte mir noch ein paar Sätze mehr zur tatsächlichen ersten Fahrt gewünscht, gerne verbunden mit Hinweisen auf die Quellen, aus denen David Janz geschöpft hat.

Wer Interesse daran hat, mehr über die Fahrt zu erfahren wie sie hätte sein können, sollte das Buch von David Janz lesen.

Die erste Fahrt des Orient-Express
von David Janz
Verlag: Lübbe
Paperback
383 Seiten
ISBN: 978-3-7577-0027-0
Ersterscheinung: 26.07.2024

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