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Österreichische Raritäten - Heftreihen der Jahre 1945 bis 1965 - Pie Grièche, der Würger Frankreichs

Österreichische Raritäten - Heftreihen der Jahre 1945 bis 1965Österreichische Raritäten
Heftreihen der Jahre 1945 bis 1965
Pie Grièche, der Würger Frankreichs

In den 1940er bis 60er Jahren haben sich mehrere österreichische Heftromanverlage auf allen möglichen Gebieten der Unterhaltungsliteratur versucht - wobei diese Reihen im Laufe der Zeit weitgehend, meiner Meinung nach zu Unrecht, in Vergessenheit geraten sind. Sie dürften letztlich der übermächtigen Konkurrenz der deutschen Verlage erlegen sein; auch sind die Autoren meist unbekannt.

Bei meiner Beschäftigung mit dem Interlit Verlag in Wien, der um 1950 unter anderem Miniserien wie die SF-Reihe Tom Sharg oder die Piratenreihe Einaug, der Pirat und 3 Hawai Kriminalromane herausgebracht hat - habe ich auch einige sogenannte erotische Romane im Verlagsangebot entdeckt.

Hier möchte ich mich mit einem solchen Produkt befassen, der Reihe Pie Grièche. In den Jahren 1949/1950 erschienen im Interlit Verlag (Josef Schweidlenka) 3 von insgesamt 10 geplanten Heftchen sowie ein etwas umfangreicherer Sonderband. Autor war Pierre de Carnot, der auch die Sex-Appeal-Romane und einige Krimis im selben Verlag schrieb.

Da diese Heftchen nur zu einem dreistelligen Betrag, wenn überhaupt, zu bekommen sind, ließ ich sie mir von der Österr. Nationalbibliothek scannen. Selbst war das nicht möglich, da die Heftchen in einer gesperrten Sammlung aufbewahrt werden.

Die Gefangene des VampirsDie Heftchen sind auch deshalb so selten, weil sie damals nicht nur zensiert sondern auch später indiziert d.h. verboten und beschlagnahmt wurden, wie ein handschriftlicher Vermerk auf einem Titelbild zeigt. Allein der Verlag war damals kreativ und verkaufte die restliche Auflage mit neuem Titelbild als Kriminalroman. Lediglich zum 3. Heft habe ich einen Nachweis dazu gefunden, es dürften ebenfalls nur wenige Exemplare gewesen ein.

Bei der Originalserie handelt es sich um diese Hefte:

  • 1. Der Würger in Mantes
  • 2. Mord in den Katakomben
  • 3. In den Klauen des Vampirs
  • 4. Sonderband: Wolf im Dunkel

Als Autor firmierte Pierre de Carnot, wobei ich vermute, daß es sich dabei um ein Pseudonym Schweidlenkas oder eines seiner Redakteure handelt. Allerdings, was damals vor mehr als 65 Jahren als erotisch galt, entlockt einem heutzutage bestenfalls ein müdes Lächeln. Also ein Horror- und Sittenroman, wie er für die damalige Zeit üblich war.

Bezüglich des vorhandenen Bildmaterials in Heft 4: es handelt sich um nette Schwarzweißbilder, die damals wohl das Jugendverbot rechtfertigten. Heutzutage findet man diese spärlich bekleideten Damen wohl eher harmlos.

Da diese weitgehend unbekannten Heftchen praktisch kaum mehr erhältlich sind, werde ich daher versuchen, zumindest etwas über den Inhalt dieser Romane zu erzählen.

Der Würger in MantesPie Grièche - Der Würger Frankreichs
Band 1: Der Würger in Mantes
Autor: Pierre de Carnot
32 Seiten
Die Story ist eher banal. Ein Lustmörder treibt in Frankreich um 1750 sein Unwesen, indem er vor allem junge und hübsche Mädchen erwürgt und schändet.
Captain d'Anviere kehrt nach Mantes zurück, um die Tochter des Herzogs zu heiraten. Während er sich mit seiner Braut Jeanne vergnügt, tötet der Würger irrtümlich die Dienerin, die im Bett ihrer Herrin schläft. Vor der Hochzeit schlägt der maskierte Würger wieder zu und erwürgt Jeanne; eine Verfolgung in die Katakomben bleibt erfolglos.

Mord in den KatakombenBand 2: Mord in den Katakomben
Autor: Pierre de Carnot
32 Seiten
d'Anviere trauert um Jeanne und sinnt auf Rache an ihrem Mörder. Zufällig stößt er auf eine fahrerlose Kutsche, in der Pie Grièche gerade ein Mädchen würgt. Er vertreibt den Täter und rettet so das Leben der Tänzerin Angele, die in Mantes auftreten soll. Er faßt Zuneigung zu dem Mädchen und möchte sie heiraten als der Würger wieder zuschlägt und das Mädchen entführt. Die Spur verliert sich in den Katakomben von Mantes.

In den Klauen des VampirsBand 3: In den Klauen des Vampirs
Autor: Pierre de Carnot
32 Seiten
d'Anviere und seine Soldaten suchen vergeblich nach dem Mädchen in den einsturzgefährdeten Gewölben unter der Stadt. Angele erwacht in einem Verlies, wo sie der Würger gefangen hält und für sich tanzen läßt. Seine Mordlust lebt er inzwischen in der Stadt an anderen Opfern aus. Als er Angele dennoch würgt, sticht sie ihm mit einem Dolch in den Rücken und entkommt aus dem Verlies. Die Leiche des Würgers bleibt verschwunden. Angele und d'Anviere heiraten, aber der Schatten des Würgers schwebt weiter über ihnen.

Wolf im DunkelBand 4: Sonderheft: Wolf im Dunkel
Autor: Pierre de Carnot
48 Seiten
Dieses Heftchen fällt insofern aus dem Rahmen, da es das Tagebuch bzw. Psychogramm eines Lustmörders ist. Er schildert seine Morde und Motive, bis er sich in ein Mädchen verliebt. Er kämpft mit dem Zwang, sie zu erwürgen und tötet an ihrer Stelle andere Frauen.
Als er die Ausweglosigkeit seines Daseins erkennt, beendet er sein Leben und schickt seine Beichte bzw. Tagebuch an seine Freundin.

Ob die Zensur im 1. Heft zugeschlagen hat, läßt sich nicht mehr feststellen, ich vermute, das war eher ein Marketinggag, um die Neugierde der Leser anzureizen. Sicher ist nur, daß die Heftchen verboten wurden und eine Beschlagnahme erfolgte.

Wenn diese Hefte auch nicht zu meinem Sammelgebiet gehören und meinem Geschmack nicht entsprechen, kann man sie lesen.

Es ist interessant, den Dingen auf den Grund zu gehen und auch ganz lustig, wenn man den alten Spuren nachgeht. Und da war der Interlit-Verlag ein guter Ausgangspunkt. Es ist wirklich erstaunlich, was die alles angefangen und nicht weitergebracht haben. Ich vermute, das Kommerzielle hat nicht gestimmt und so waren der Verlag und seine Produkte irgendwann nach 1952 Geschichte. Selbst diese erotischen Romane und einschlägige Bildserien, die auch vertrieben wurden, haben es letztlich nicht gebracht. "Sex sells" stimmt halt nicht immer.

Es waren zwar weitere Hefte geplant, mehr als diese 4 Hefte sind nicht erschienen. Das typische Schicksal, wie ich sagen muß, vieler österr. Kleinserien.

Falls man sich selbst ein Bild machen möchte, was damals als unmoralisch und jugendgefährdend angesehen wurde, hier sind die netten Fotos:
Die FotosWie heißt es doch so schön bei Ovid:

Tempora mutantur et nos mutamur cum illis

(für Nichtlateiner: Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen).

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2018-02-24 08:54
Oder wie Wilhelm Busch es sagte:

Eins, zwei drei, im Sauseschritt
läuft die Zeit -- wir laufen mit!
#2 Andreas Decker 2018-02-24 13:06
Das sind aber viele Katakomben :-)

Wie immer ein sehr interessanter Artikel.
Vermutlich klingt das in der Zusammenfassung besser, als es lesen zu müssen. Wäre aber eine nette Filmstory gewesen.

Für 1950 ist ein oben-ohne-Bild schon gewagt gewesen. In England hätte das den Verleger in den Knast bringen können. Kein Wunder, dass man die Hefte beschlagnahmt hat.
#3 Sarkana 2018-02-25 13:54
Nya, ich hab so meine Zweifel daß es das kommerzielle an sich war, zumindest nicht als Verlags-Fehler. Die Schundbekämpfung in Österreich war brutal und hat die österreichische Heftproduktion systematisch vernichtet. Spätestens ab Anfang der 60' er hatte da keiner mehr eine Chance - es war Vorzensur eingeführt und die angezählten Verlage mußten ihr Zeug vorher vorlegen - was aber fast aussichtslos war, weil eben solche Romane per se die Jugend verrohten. Die Verhältnisse in Deutschland mit der BPjS waren da geradezu paradiesisch. "Ein Druckwerk, dessen wesentlicher Inhalt sich in der anschaulichen und drastischen Schilderung von Gewalttaten (Bankraub und andere strafbare Handlungen) erschöpft, ist geeignet, die sittliche und geistige Entwicklung jugendlicher Personen durch Verleitung zu Gewalttaten und strafbaren Handlungen schädlich zu beeinflussen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß in der Erzählung die Obrigkeit oder das Schicksal über die Verbrecher schließlich den Sieg erringt. Das gleiche gilt für die Schilderung nervenerregender, unwahrscheinlicher Abenteuer." Damit war im Grunde gar nichts mehr möglich. Die Deutschen Verlage hat es eher gefreut, weil das bezirksweise Verbote waren ("Bezirksverwaltungsbehörde kann von Amts wegen oder auf Antrag … bestimmte Druckwerke … untersagen.") und in Österreich spätestens nach Einführung des Phasenvertriebs nur noch die Vertriebskosten anfielen - das kostete also den sprichwörtlichen "Appel und 'n Ei". Teile des zugrundeliegenden Gesetztes sind später dann auch vom Verfassungsgericht gekippt worden - da waren die österreichischen Heftroman-Verlage aber schon allesamt in den Ruin getrieben (Ausnahme war der Verlag vom Wilton - der aber auch alle anderen Serien aufgeben mußte).
#4 hapi 2018-02-27 09:39
Das mit der Zensur und Jugendschutz ist leider richtig und war eine Katastrophe für die kleinen Verlage. Man kann gerade noch die alten Sachen retten und eBooks daraus machen, damit sie nicht endgültig in Vergessenheit geraten.
Selbst in der Österr. Nationalbibliothek ist vieles nicht mehr zu finden.

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