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Die Adaption des Respekts - Edgar Wallace bei EUROPA - Folge 1 »Die toten Augen von London«

Edgar Wallace bei EUROPADie Adaption des Respekts - Edgar Wallace bei EUROPA
Folge 1 »Die toten Augen von London« 

G. Walt: Ich möchte mal bei Edgar Wallace bleiben, diese Serie die Sie 1983 für EUROPA gemacht haben. Da haben Sie sich sehr dicht an der Vorlage gehalten. Übrigens als Einziger, der diese Krimis je adaptiert hatte. Gab es einen Grund dafür?
H.-G. Franciskowsky: Immer der Respekt vor dem Autor, dem Erfinder. Wenn ich einen Roman geschrieben habe, möchte ich nicht, dass das Werk von irgendwem verhunzt wird, sondern soweit wie möglich Original bleibt. Denn nur das Original ist das originäre daran.
Die toten Augen von LondonKein anderer setzte Wallace origineller um als Franciskowsky. Zumindest im Hörspiel gilt das bis heute. Auch wenn der Hörplanet nun ebenfalls auf Wallace-Originalität verweist, so haben doch die Werke nicht die Genialität der EUROPA-Werke aus den 80er Jahren. Schon gar nicht was die Kunst angeht, den Hörer zu fesseln und knackig zu unterhalten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde werde ich mich der Serie nochmal widmen. Ausführlich. Inzwischen erschienen die Hörspiele (bisher 4 Stück, weitere folgen) bei Streamingprotalen wie Spotify und sind so allen zugänglich. ich empfehle sie wärmstens.
 
 
Handlung:
Der kanadische Millionär Mr. Gordon Stuart wird tot aufgefunden. In seiner Tasche findet die Polizei einen Zettel in Blindenschrift. Offenbar wurde er ertränkt. Chefinspektor Larry Holt befindet sich eigentlich schon im Urlaub in Paris und will weiter nach nach Monte Carlo. Doch er wird zur Lösung des Falls Stuart abgerufen. Vom Chef Sir John wird ihm die junge Sekretärin Diana Ward an die Seite gestellt, die sich mit Blindenschrift auskennt. Holt erlaubt ihr, sie bei den Ermittlungen zu begleiten. Sofort verliebt er sich in sie, lässt es sich aber nicht anmerken. 

Diana findet heraus, dass auf dem Papier aus Stuarts Habseligkeiten der Satz "Das blinde Ungeheuer und sein Chef" steht. Eine weitere Spur führt Holt dann in das Blindenheim Todd. Der düstere Reverend Dearborn scheint etwas zu verheimlichen. Der Heiminsasse Lew will dem Inspektor etwas sagen, wird jedoch von dearborn für verrückt erklärt. 

Erst der Bandit "Flimmer-Fred" bringt Holt auf die richtige Spur. Ein Monate zurückliegender Mord in Montpellier scheint der Schlüssel zum Fall Stuart zu sein, der nicht der einzige wohlhabende Tote ist. Holt kommt zusammen mit Diana einen groß angelegten Versicherungsbetrug auf die Spur bei der am Ende sogar das Erbe von Diana auf dem Spiel steht. Schließlich gerät Holt selbst ins Fadenkreuz der Verbrecher.
 
Klappentext:
Ein wohlhabender Kanadier wird ermordet. Er hinterläßt ein seltsames Testament. Mit Tintenstift hat er es kurz vor seinem Tod auf sein Hemd geschrieben. Inspector Hold ist überzeugt: Es war Mord. Er nimmt die Spur auf, und sie führt ihn in ein Blindenheim - zu den toten Augen von London... (EUROPA)
 
Meinung:
Die erste Folge der Edgar Wallace Serie von EUROPA erschien zusammen mit 5 weiteren Folgen als erste Staffel im Jahre 1983 beim Label EUROPA mit dem Aufkleber "Hörspiel für Erwachsene". Damit wandte sich das Traditionslabel "Fünf Freunde", "Hui Buh", "Drei ???" erstmals an ein älteres Publikum. tatsächlich gehört wurden die Hörspiele dann aber mehrheitlich doch von Jugendlichen. Der Aufdruck "Hörspiel für Erwachsene" war nur ein zusätzlicher Anreiz für die jungen Hörer.

"Die toten Augen von London" lehnt sehr eng an die Vorlage des Goldmann-Taschenbuchs an, welches ca. ein Jahr zuvor in einer Jubiläumsausgabe erschienen war. Interessant, das der Autor Frank Sky (alias H.G. Franciskowsky) sehr viel Wert auf Details der Geschichte legt. Er schafft es in genialer Art und Weise die Geschichte in seiner Essenz auf 48 Minuten zusammenzustreichen und einen temporeichen und spannenden Hörgenuss aus der Vorlage zu machen. Allen Figuren wird ausreichend Raum gelassen um sich zu entfalten. Das geschieht später in dieser Serie (vor allem in der 2. Staffel nicht immer). Ein bis zwei Minuten Draufgabe hätten dem Hörspiel alerdings auch nicht geschadet, da das Ende etwas abgehakt wirkt. Ansonsten stimmt so ziemlich alles. Die Stimmung ist düste rund unheimlich. Und die Musik war seinerzeit bei EUROPA ein kleiner Quantensprung Richtung Qualität im Vergleich zu früheren Produktionen. Das Label griff in einen neuen Markt ein. Wenige Zeit später vertonte man sogar Horror-Heftromane. Das einzig Traurige daran war, dass sich dieser neue Markt sehr bald wieder auflöste und die Folge ein gewaltiger Rückschritt in Sachen Qualität und Güte der Produktionen war. Doch das ist eine andere Geschichte.

Gedanken
"Ich wollt eigentlich nur fragen, ob Sie mich heiraten wollen?"
: Diesen Satz richtet Holt an Diana Ward, die am Frühstückstisch sitzt. Und zwar ohne, das es zuvor auch nur eine Annäherung zwischen den beiden gegeben hätte. Nun ist im Hörspiel vieles möglich und vielleicht gab es ja die Annäherung ohne das es im Hörspiel für den Hörer hörbar vorkam. Dagegen spricht allerdings, das beide sich noch siezen. Aber vielleicht war es damals (der Roman spielte in den 20er Jahren) ja auch so üblich, dass man erst einen Antrag machte und dann zur Sache kam. ich meine, früher gab es eh keine voreheliche Gemeinschaft oder so was. jedenfalls wird das von Zeitgenossen immer behauptet."


"Habe ich nicht alle weggebracht?": Das fragt der blinde Jake seinen Chef bevor er erschossen wird. Der arme Kerl ist ein wahres Ungeheuer. Wallace erfand gern solche Figuren, die riesig, kräftig, missgebildet und stumpfsinnig waren als ideale Mordwerkzeuge ihrer Herren. Die waren zumeist dunkle Gentlemen-Verbrecher mit Schlips und Kragen und manchmal auch Priesterkragen wie hier in diesem Werk. Lothar Zibell spricht hier den Charakter. Eine ähnliche Figur erfand Wallace für den Roman "Die Tür mit den sieben Schlössern". Auch in anderen Roman verwendete er ähnliche Figuren, strapazierte diesen Typus aber nicht allzu sehr. Seine Affinität für Ungeheuer lebte er dann erst mit King Kong so richtig aus, auch wenn er da nicht viel zu sagen hatte. Er war aber wohl Mit-Erfinder der Figur. Und der blinde Jake scheint ein Vorläufer. Mit seiner Gorilla-ähnlichen Statur und seinem groben Vorgehen erinnert er irgendwie an einen Affen. Das dachte wohl Regisseur Alfred Vorher, der ihn 1961 im gleichnamigen, deutschen Wallace-Film so darstellte und 1968 ein Remake namens "Der Gorilal von Soho" schaffte, d"s näher an King Kong war als der unbedarfte Wallace-Konsument zu meinen glaubt.

"In zwölf Monaten in Monte Carlo": In den 20er Jahren schien es üblich, das Polizeibeamte einen Diener hatten. Zumindest in London mochten Yard-Beamte jener Zeit, insbesondere die höher gestellten einen solchen gehabt haben. Dieser Diener (hier Patrick Sunny genannt), packt die Sachen des Inspektors kurz vor dem Urlaub in Monte Carlo. Auf diesen freut sich der Diener offenbar besonders. Als Holt das Telegramm von Sir John erhält, indem steht das ein Mord gesehen ist und er abbestellt wurde diesen zu klären, verschweigt er das zunächst seinem Diener. "Wann werden wir in Monte Carlo ankommen, Sir?" fragt er beim packen, nachdem Holt das Telegram gelesen hat. "Oh, ich schätze in zwölf Monaten." Darauf weiß der Diener nur die Vermutung zu"äußern das dieser Ort ja ziemlich weit weg liegen muss.
Monte Carlo war ein Ort für Spieler, damals schon. und Wallace selbst liebte das Spiel. Deswegen hat er wohl den Ort hier mit einfließen lassen. Das er seinem Helden allerdings ganze 6 Monate für die Aufklärung zuspricht zeugt nicht gerade von seinem vertrauen in diese Figur. Im Hörspiel ist der Fall auf jedenfalls nach 48 Minuten gelöst. Ein Diener schien dann für den Film von 1961 sehr ungeeignet  Anstelle dessen wurde dem Inspektor Holt (Joachim Fuchsberger) dort ein Sergeant namens Patrick Sunny an die Seite gestellt.

"Ihr Einfühlungsvermögen ist erstaunlich": Holt besucht den vorletzten Flimmer-Fred im Krankenhaus. Er erzählt ihm die Geschichte vom Mord in Montpellier, dessen Zeuge er wurde. Als er aus Frankreich zurückkehrte, so sagte er, hat er gleich den mutmaßlichen Mörder aufgesucht. "Natürlich wollten Sie wissen, wieviel er zahlt, wenn Sie den Mund halten...?" fragte Holt halb feststellend. Darauf bescheinigt ihm Flimmer-Fred ein erstaunliches Einfühlungsvermögen.

Günther UngeheuerSprecher
Bei den Hörspielsprechern kleckerte EUROPA nie, sondern klotzte. In der Rolle des Erzählers wurde Horst Naumann für die gesamte Serie verpflichtet. Er war damals so was wie ein Stammsprecher bei EUROPA und erzählte auch bei anderen Serien. Kurze und prägnante Sätze schilderten die Szeneneingänge und Ausgänge.  Inspektor Holt wurde mit Günther Ungeheuer besetzt. Ein sehr bekannter Schauspieler zur damaligen Zeit, der vor allem im Fernsehen häufig zu Gast war. Stimmlich passte er perfekt zum Inspektor. Ein etwas väterlicher Typus, der aber jung und dynamisch genug war um einen Fall dieser Art zu lösen. Pia Werfel übernahm die Rolle der Diana. Ein perfektes Zusammenspiel der Beiden. Werfel überham die gleiche Rolle in der Maritim-Hörspielproduktion mit selben Titel. Doch dort hatte sie weniger Gelegenheit aufzufallen und bleibt damit hinter der Leistung in der EUROPA-Produktion zurück.

Die beste Performance und Rolle des Hörspiels schlechthin hat Wolfgang Völz inne. Düster, süffisant und ironisch biestig spricht er den Reverend Daerborn, dem ein unerklärlicher Menschenhass inne wohnt. Sein verbrecherischer Bruder wird von Manfred Steffen gesprochen. Eine kleinere Rolle, aber Steffen überzeugt einfach immer. Auch später in der Serie.

Hörspiellegende Horst Stark (Comamnder Perkins) übernimmt die Rolle des Flimmer-Fred. interessanterweise taucht er in fast jeder Folge der ersten Staffel auf uns spricht ähnliche Rollen: Flimmer-Fred in den "toten Augen", Sam Hackitt im "Hexer", Lord Siniford im "Gasthaus" und "Gilder" beim "Abt".

Heikedine Körting, die Regisseurin spricht hier die Rolle der Emma. Sie verbirgt sich allerdings hinter dem Pseudonym Pamela Punti, welches sie öfter nutzte.

Cover
Sehr passend und unheimlich. Ein zerfurchtes Gesicht mit toten Augen. Soll das der blinde Jake sein? Oder der Reverend? ich habe damit immer den blinden Lew assoziiert. Aber die Gedanken des Hörers sind frei.

Besonderheit
48 Minuten Spielzeit erreichte kein anderes Hörspiel der Reihe. Die meisten Folgen waren zwischen 40 und 43 Minuten lang. Nah dran kam ledigich noch Folge 10 "Das Geheimnis der gelben Narzissen" mit 45 Minuten.
 
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