Harvey, Michael: Preis der Schuld

Preis der schuldPreis der Schuld
(The Chicago Way)
von Michael Harvey
aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer
Knaur Taschenbuch
erschienen: Frühjahr 2010 (Deutschland); 2007 (USA)
395 Seiten; 8,95 €
ISBN: 978-3-426-50251-8

DroemerKnaur

Chicago: Im Auftrag seines alten Partners untersucht der Privatdetektiv und ehemalige Cop Michael Kelly eine knapp zehn Jahre zurückliegende Vergewaltigung. Kaum hat Kelly seine Arbeit aufgenommen, wird sein Ex-Kollege ermordet aufgefunden.

Michael dämmert, dass hinter dem Fall, mit dem ihn sein Partner beauftragt hat, mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Erste Ermittlungen geben diesem Verdacht recht: Kelly stößt in ein wahres Wespennest. Die zehn Jahre zurückliegende Vergewaltigung führt ihn in ein Gespinst brodelnden Hasses und viel zu lange offen gelassener Rechnungen. Irgendjemand ist der Ansicht, dass es an der Zeit ist, sie zu begleichen – mit welchen Mitteln auch immer...

Eine düstere, harte Story, ein einzelgängerischer, mitunter reichlich zynischer Hauptdarsteller und eine oftmals bedrückende Atmosphäre sind zweifelsohne die drei markantesten Auffälligkeiten, durch die sich »Preis der Schuld« auszeichnet. Insofern ist der Vergleich des Romans mit den Werken eines Raymond Chandler, der auf der Coverrückseite getroffen wird, gar nicht mal so verkehrt. Der Debütroman des Amerikaners Michael Harvey erinnert tatsächlich stark an die düsteren Krimis des berühmten Schriftstellers. Allen voran sein Held Michael Kelly, der als Ich-Erzähler fungiert, lässt den Vergleich legitim erscheinen, wirkt Kelly doch ganz wie die moderne Variante eines Philip Marlowe: lakonisch, in nicht unerheblichem Maße abgestumpft und mit einem Blick auf die Welt, der eher das Schlechte sieht als das Schöne.

Harveys Erstling ist eine Kriminalgeschichte, wie sie Fans des Genres zu schätzen wissen. Der Plot lebt von einer Vielzahl unvorhersehbarer Wendungen und abwechslungsreichen Handlungsbögen. Im Zentrum stehen dabei die Themen Rache und Vergewaltigung, zwei Motive, die an sich schon dazu angetan sind, einem Krimi ein düsteres, fast schon deprimierendes Flair zu verleihen. Die abgestumpfte, teils recht zynische Weltsicht des Ich-Erzählers trägt das ihre dazu bei, dass »Preis der Schuld« ein sehr dunkles Werk geworden ist, ganz so wie die Wahl der Schauplätze (Harvey konzentriert sich hauptsächlich auf die heruntergekommenen Seiten Chicagos) und die Eigenart des Autors, die Verbrechen, die im Verlaufe der Handlung geschehen bzw. aufgedeckt werden, nicht in den Mittelpunkt zu rücken, sondern eher beiläufig ablaufen zu lassen. Gerade diese Beiläufigkeit, sowohl, was den Ablauf der Taten an sich angeht, als auch die Art und Weise, wie diese von den Protagonisten des Romans wahrgenommen werden, lassen sie weitaus intensiver erscheinen, als dies bei dezidiert ausgeführten und überdramatisiert anmutenden Beschreibungen von Gräueltaten in vielen anderen Thrillern der Fall ist.

»Preis der Schuld« verfügt leider aber auch über einige Schwachstellen. Allen voran wären hier die bereits erwähnte zynische Weltsicht Michael Kellys sowie der abgehackt wirkende Schreibstil Harveys zu nennen. Beides macht es dem Leser nicht ganz leicht, in den Roman hineinzufinden; man benötigt einige Zeit, um mit dem Buch warm zu werden. So dauert es etwa fast ein Viertel des Romans, bis Harvey seinem Helden ein echtes Profil angedeihen lässt. Bevor es soweit ist, wirkt Kelly lediglich ziemlich großmäulig und uninteressant. Erst wenn der Autor Einblicke in die Vergangenheit des Detektivs gewährt, erfährt Kellys Charakter die notwendige Tiefe. Dass dies recht spät geschieht, ist unglücklich gewählt, wirkt der Roman dadurch doch zu Beginn trotz der spannenden Story wenig ansprechend.

Wenn man sich aber erstmal an den abgehackten Stil Harveys gewöhnt hat und Michael Kelly endlich ausführlicher charakterisiert wurde, gestaltet sich die Lektüre für den geneigten Freund dunkler Kriminalromane als äußerst angenehm. Harvey versteht es, das Spannungsniveau auf einem konstant hohen Level zu halten und die Handlung immer wieder in neue Bahnen zu lenken. Das Finale ist zwar übertrieben unspektakulär, ja fast schon schlicht geraten, dem im Großen und Ganzen guten Gesamteindruck schadet dies allerdings nur in geringem Maße.

»Preis der Schuld« ist ein düsterer Kriminalroman, der trotz diverser Mängel weitestgehend zu überzeugen weiß. Der ganz große Wurf mag der Roman nicht sein (wofür schon der etwas mühsam geratene Einstieg Sorge trägt), spannende anspruchsvolle Unterhaltung bietet er aber allemal. Wer Krimis im Stile von Raymond Chandler mag, sollte Harveys Werk in jedem Falle einen Blick gönnen.

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