Kay, Ben: Das Nest

Ben Kay - Das NestDas Nest
(Instict)
Von Ben Kay
Aus dem Englischen von Heike Holtsch
416 Seiten; 9,99 €
ISBN: 978-3499255298
Erschienen: Frühjahr 2011 (D); 2010 (Original)
Rororo Taschenbuch

»Das Nest« ist der Debütroman des britischen Medienschaffenden und Autors Ben Kay. Im Zentrum seines (Wissenschafts-)Thrillers steht die Frage, was geschehen würde, wenn Menschen Insekten genetisch verändern würden, um sie für militärische Zwecke einzusetzen. Kay entwirft ein Szenario, in dem genau diese Vorstellung Realität geworden ist. Zentraler Schauplatz des Romans ist ein geheimes Labor der US-Regierung in Venezuela. Hierhin wird die Entomologin Laura Trent gegen ihren Willen gebracht, um den hiesigen Wissenschaftlern aus einer Zwangslage zu helfen. Die Experimente mit Wespen sind außer Kontrolle geraten.

Der verantwortliche Forscher, der als einzige Person im Labor die genauen Veränderungen kannte, denen die aggressiven Insekten unterzogen wurden, wurde von seiner eigenen Schöpfung getötet. Zwar ist es der übrigen Besatzung des Labors gelungen, die Wespen einzusperren, doch auf Dauer ist diese Lösung nicht praktikabel. Als führende Expertin auf dem Gebiet der Insektenforschung soll Laura die Sache nun ausbügeln.

Der Aufenthalt im Labor wird für die Wissenschaftlerin zu einem einzigen Alptraum. Als ein Konstruktionsfehler im unterirdischen Gebäudekomplex dafür sorgt, dass sich die Wespen aus ihrem Gefängnis befreien können, beginnt für die anwesenden Forscher und Militärs ein gnadenloser Kampf ums Überleben – und ein kaum vorzustellender Höllentrip, denn der einzige noch mögliche Ausweg aus dem Labor führt durch eine vor Jahren nach einem grausigen Unfall stillgelegte Sektion der Versuchsanlage. Eine Sektion, in der etwas auf die flüchtenden Menschen lauert, gegen das die mörderischen Wespen beinahe schon harmlos erscheinen …

Es kommt nicht von ungefähr, dass ich den Wortteil „Wissenschaft“ bei der Bezeichnung „Wissenschaftsthriller“ in Klammern gesetzt habe. »Das Nest« folgt in Thematik Aufbau zwar den Genrestandards, geht mit (pseudo-)wissenschaftlichen Abhandlungen und Erklärungsversuchen, jenem Merkmal also, das Romane dieser Gattung von anderen Thrillern unterscheidet, sehr spärlich um. Wann immer die Rede auf Daten und Fakten aus der Forschung kommt, werden Aussagen sehr vage gehalten oder die Figuren, die gerade zu einer Erklärung ansetzen, von ihren Gesprächspartnern mit Wendungen wie „Ich bin selbst Wissenschaftler, Sie brauchen mir das nicht nochmal extra zu erläutern“ unterbrochen. Kay möchte den Anschein erzeugen, seine Leser halten einen waschechten Wissenschaftsthriller in der Hand, gleichzeitig aber (aus welchem Grund auch immer, darüber mag spekulieren, wer will) möglichst handfeste Fakten und forschungstechnische Hintergründe vermeiden. Inwiefern dies einem Buch, das vorgibt ein Wissenschaftsthriller zu sein, gut tut, darüber kann man sich streiten. Tatsache ist in jedem Fall: Wer das Genre gerade wegen der vielen in die Romanhandlung eingearbeiteten wissenschaftlichen Aspekte mag, wird von Kays Erstling eher enttäuscht sein.

Anders sieht die Sachlage für den „gemeinen“ Thrillerfan aus. »Das Nest« ist ein durchweg spannender, wenn auch zeitweilig überdramatisierter Spannungsroman, der angenehm kurzweilig zu unterhalten weiß.

Zugegeben, Kay erfindet das Rad nicht neu. Angefangen vom Laborsetting über das Außer-Kontrolle-geraten eines Experiments bis hin zum „10 kleine Negerlein“-Prinzip in der zweiten Romanhälfte, wandelt »Das Nest« auf den Spuren von Klassikern des Genres wie z.B. Michael Crichtons »Prey« oder dem Preston/Child-Thriller »Mount Dragon«. Die erfrischend unkonventionelle Darstellerriege, die sich wohltuend von dem üblichen Figurenensemble entsprechender Thriller abhebt (was sich z.B. im Verzicht auf die übliche Liebesgeschichte äußert), sowie Kays angenehm zu lesender Schreibstil sorgen aber dafür, dass das Buch auch für alte Hasen im Thrillergenre einen Blick wert ist.
Im sogenannten dritten Teil des Buchs verlässt Kay die Wissenschaftsschiene endgültig. »Das Nest« wächst sich zu einem waschechten Tierhorror aus, der Menschen mit einer Abneigung gegen Insekten und andere Krabbelviecher mehr als einmal einen eiskalten Schauer über den Rücken jagt. Wenn es einen Teil gibt, der übermäßig dramatisch und immer wieder reichlich aufgebauscht wirkt, dann ist es dieser. Dennoch: Trotz vieler Übertreibungen gelingt es Kay, ein stimmungsvolles Gesamtbild zu erzeugen und den Leser an die Seiten zu fesseln. Dass er dabei nicht selten den Boden der Realität gehörig verlässt, mag man ihm deswegen nicht wirklich krumm nehmen.

Freunde echter Wissenschaftsthriller werden enttäuscht sein, Horror- und Thrillerfans dagegen sollten es sich in jedem Falle überlegen, »Das Nest« zu lesen. Ein etwas sehr dramatisches, aber durchgängig spannendes Buch mit überzeugenden Charakteren und atmosphärisch dichten Schilderungen erwartet sie.

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