Stewart, Sean und Weisman, Jordan - Cathy's Book

FotoStewart, Sean und Weisman, Jordan - Cathy's Book
Baumhaus Verlag, 2007, Preis: 16,95 Euro

ISBN978-3-8339-3800-9
175 Seiten
 sowie verschiedene Anrufbeantworter, Websites, "Beweise"

wenn du's findest - ruf an: +49(0)69-66777674

Es gab noch kein Buch, bei dem ich mich so um eine Rezension herumgedrückt habe, wie dieses. Auf der Buchmesse entdeckt, war ich vollkommen fasziniert von der Idee eines "Alternate Role Games". Gleich wenn man es aufschlägt, fällt einem die lebendige Gestaltung auf, Druckschrift mischt sich mit Gekritzel, Skizzen. Auf der Innseite des vorderen Buchdeckels ist eine Klarsichthülle eingeschweißt, in der sich "Beweise" befinden, alles Unterlagen, anhand derer die Leserin (angepeilt wird ein weibliches Publikum im Alter von zwölf Jahren) das Abenteuer mitverfolgen soll.

Im ersten Moment fühlte ich mich von dem Tempo regelrecht überfordert. Optisch gibt es so viel zu sehen und zu entdecken, dass ich fast das Lesen vergaß.

 


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Cahty Vickers lebt in San Francisco. Sie ist eine selbstbewußte junge Frau von 17 Jahren, die Kunst studiert und eines Tages einen faszinierenden jungen Mann kennenlernt - und sich in ihn verliebt: Victor.

 Der Mann mit offensichtlich asiatischem "Einschlag" ist mysteriös. Sie beginnen eine Beziehung und dann verschwindet er plötzlich spurlos, nachdem er mit Cathy Schluss gemacht hat. Als sie dann noch in ihrer Armbeuge einen Einstich wie von einer Nadel findet und ihre Mutter sie für eine Drogenabhängige hält, hat Cathy die Nase voll.

Sie macht sich auf den Weg, das Geheimnis zu lösen, das Victor umgibt. Die ganze Sache beginnt mysteriös, bleibt mysteriös und endet mysteriös. Es wird lebensgefährlich für Cathy, und das nicht nur einmal. Sie bricht in Victors Haus ein, lässt Hinweise mitgehen (unter anderem zu finden in der Klarsichthülle in der Innenseite des Buches), ist ständig auf der Flucht, lernt China Town aus einer ganz anderen Perspektive kennen, und findet langsam immer mehr heraus.

Es geht um eine Verschwörung, um chinesische Geschäftsleute und geheime Laborexperimente.

Und dann geschieht das Unglaubliche: Auch Cathy ist verschwunden.

Mit Hilfe des Buches, der Hinweise, den diversen Telefonnummern und den dahinter geschalteten Anrufbeantwortern, Webseiten kann sich nun der Leser auf den Weg machen und Cathys Weg nachvollziehen.

ScreenshotDie beiden Autoren sind zwei US-Multimedia-Spezialisten, die mit dem Buch ein neues Genre angekündigt haben. Es handelt sich um Sean Stewart, der 2000 mit dem Roman „Galveston" (ein Mädchen verwandelt sich in seinen eigenen bösen Zwilling) den „World Fantasy Award" gewann, und Jordan Weisman, einen Softwareentwickler. Er schuf Fantasy-Rollen- und -computerspiele und eröffnete Ende der Achtziger die ersten Spielhallen für vernetzte Produkte dieser Art; die Firma wurde später von Microsoft übernommen. Zunächst machte Weisman weiter Karriere bei Microsoft, wurde sogar Leiter des Unternehmensbereichs Unterhaltung. Er gründete weitere Firmen, unter anderem auch die Firma "42 Entertainment", die Computerspiele herstellt. Stewart liefert die Ideen zu Produkten, die gezielt interaktive Projekte wie „Cathy's Book" begleiten. 

Die Idee des "Alternate Role Game" ist meiner Ansicht nach schlichtweg genial. Sie greift das Konzept der Einzelrollenspiele auf, die es zu Beginn der 90-er  Jahre gab, und die in mir eine heiße Anhängerin hatten. Programmierte Spiele stellen den Leser oder Spieler immer wieder vor die Aufgabe, Entscheidungen zu fällen (simpel wie 'geh ich nach rechts oder nach links?' oder kompliziert 'Hast du Glück und schaffst es, den Schmied dazu zu bringen, dir das Schwert zu verkaufen? Multipliziere das Würfelergebnis mit deinem Glückslevel. Wenn der Wert über 100 ist, geh zu Abschnitt 456, ansonsten...' ) und sich so aktiv an der Weiterentwicklung seiner individuellen Geschichte zu beteiligen. 

Mit dem Aufkommen der Computerspiele versandete das Interesse an diesem Buchtyp, sind diese Spiele doch zu einem großen Teil nichts anderes als die elektronische Variante dieses Spiels "für einen allein".

Die moderne Version der programmierten Bücher ist das Alternate Role Game, das an der Lebenswelt heutiger Jugendlicher ansetzt, die von der Nutzung elektronischer Medien geprägt ist. Wie selbstverständlich gehören Handys oder Internetcommunities dazu. Es ist eine geniale Idee der Schöpfer, dies als Basis für ein neues Buch zu wählen. Das Ziel ist klar: Durch das "aufpeppen" von Büchern durch moderne Mediennutzung will man jene Jugendlichen, die an Büchern wenig bis kein Interesse haben, zum Lesen verlocken.

Leider hält die Begeisterung nicht sehr lange an. Wirkliche Entscheidungen werden dem Leser nicht abgefordert. Man kann die Geschichte einfach von vorne nach hinten durchlesen und wird nicht ein einziges Mal wirklich gefordert. Ein Spiel findet nicht statt. Das Beiwerk, so toll gemacht und interessant es ist, ist nicht mehr als Begleitmusik, die man hören kann, aber nicht muss. Damit verliert das Buch rasant an Reiz.

Betrachtet man die Geschichte und die schriftstellerische Leistung, ist das Urteil ebenfalls geteilt. Der Tagebuchstil wird konsequent durchgehalten und man kann Cathys Konfusion über die seltsamen Geschehnisse gut nachvollziehen. Die Wendungen der Geschichte haben mich mehrmals innehalten lassen. Das Genre springt von einem Kriminalthriller zu einem Mysticbook und endet als ein Mix aus allem. Das Ende der Geschichte lässt ahnen, dass eine Fortsetzung geplant ist. 

FotoGenau so, wie man es von einem Teenager erwartet, ist Cathys Stil mal klar und mal chaotisch, mal erwachsen und dann doch wieder eher pubertät. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass ich es für ein gut geschriebenes Buch halte. Ein "Mädel", das Spaß an einer spannenden Geschichte um "Mädchen liebt Jungen - Mädchen verliert Jungen - Mädchen sucht Jungen - Mädchen findet Jungen (und noch dazu ein großes Geheimnis)" hat, die auch noch mit viel Tempo, interessanten Ideen und einem gehörigen Schuss Alltagskultur verpackt ist, wird gut unterhalten werden.

Nicht unterschlagen kann ich einen Aspekt, der mich (als Sozialromantikerin) nicht unerheblich gestört hat: An vielen Stellen taucht Product Placement auf. Vor allem für Kosmetik findet sich Produktwerbung auf Schritt und Tritt. Diese Tatsache hat - wie ich finde zurecht - für hitzige Diskussionen nach seiner Veröffentlichung in den USA gesorgt.

Ich werde das Buch erst einmal in den Bücherschrank stellen und noch ein bisschen darüber hinsinnen. Denn ich bin immer noch nicht wirklich "damit fertig". Zu vielschichtig sind die Eindrücke, die ich von ihm gewonnen habe.

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