Gespenster und die Wissenschaft - Anatomie der Träume
2016 immerhin gelang es mir, einen Auszug zu einem Vortrag zusammenzufassen, den ich 2016 und 2018 gehalten habe. Manfred Roth war so freundlich gewesen, ihn in gedruckter Form verfügbar zu machen, doch handelte es sich dabei lediglich um das Skript zum Vortrag, aber keinen Aufsatz im eigentlichen Sinne. Das hole ich nach freundlichem Zureden Horst von Allwördens an dieser Stelle nach.
Anatomie der Träume
Manche Gespenster können also tatsächlich Träume sein, die in die Realität ausgebrochen sind. Was aber passiert im Traum? Wenn man vieles vereinfacht, kann man es sich folgendermaßen vorstellen:
Bei Nervenzellen („Neuronen“) funktioniert die Informationsübertragung teils chemisch (über „Neurotransmitter“ genannte Botenstoffe, zwischen den Zellen), und teils elektrisch (über Ionen, von einem Ende der Zelle zum anderen). Senden sie Signale aus, spricht man von „feuern“.
Der Hirnstamm als einer der ältesten Bereiche des Bregens hat eine grundlegende Steuerungsfunktion. Zu ihm gehört die Brücke (Pons), welche dem REM- Schlaf auslöst. Dieser ist nicht immer identisch mit dem Traum- Schlaf. Zum einen erinnern sich etwa 10% aller Personen, die hieraus geweckt werden, nicht an Träume, zum anderen wird auch in Non- REM- Phasen geträumt, wobei die Gesichte hier oftmals nur aus einzelnen Bildern bestehen.
In der Brücke feuern Neuronen Pulse elektrischer Energien, die scheinbar keinem Schema folgen. Man nennt sie „ponto- geniculo- occipitale Wellen“, oder kurz: „PGO- Wellen“.
Sie erreichen das Limbische System. Zu ihm gehören die Amygdala („Mandelkern“) und der Thalamus.
In der Amygdala werden auf der Basis der eingehenden Signale Gefühle – vor allem intensive oder negative – erzeugt, eingeordnet und gegebenenfalls wird auch körperlich reagiert (z. B. mit erhöhtem Puls).
Der Thalamus ist eine Schaltzentrale. Hier wird bestimmt, welche Teile des Hirns an-, und welche abgeschaltet werden. Er aktiviert die Schlaflähmung und sorgt dafür, daß im Traum auch Teile von Erinnerung, Denkvermögen und Emotionen zur Verfügung stehen. Dadurch bedienen sich die Träume aus unseren Gedächtnisinhalten.
Der Thalamus leitet im Schlaf auch nichts Unnötiges ans Großhirn weiter, was von den Sinnen her kommt. Die PGO- Wellen freilich gebärden sich wie Sinneseindrücke, und werden dementsprechend auch so behandelt, verarbeitet und wahrgenommen.
Außer Funktion ist währenddessen der sogenannte anteriore (= vordere) Gyrus cinguli, zu dessen Aufgaben es gehört, Außen- und Innenwelt voneinander zu unterscheiden. Das Gleiche gilt für den Precuneus, der für die Selbstwahrnehmung zuständig ist. Aus diesem Grund laufen wir im Schlaf quasi „physisch“ durch unsere eigenen Gedanken, und erleben es wie eine reale Umwelt, weil wir es so gewohnt sind (ähnlich wie bei Phantomschmerzen, bei denen wir fehlende Körperteile auch wahrnehmen, als wären sie noch da). Sollten wir uns unseres scheinbaren Leibes nicht bewußt sein, erleben wir es als etwas Besonderes, wie z. B. eine außerkörperliche Erfahrung. Das kann etwa geschehen, weil gleichfalls die temporoparietale Region außer Gefecht gesetzt ist, wo wir unsere Position im Raum wahrnehmen.
Zu den weiteren Hirnregionen, die im REM- Schlaf ausgeknipst sind, gehören das rationale Planungszentrum (dorsolateraler präfrontaler Cortex) und der Faktencheck (orbitofrontaler Cortex). Damit haben wir im Traum die Bewußtseinsstufe von Tieren, die weder ihr Verhalten reflektieren, noch für die Zukunft planen.
Der aktive Teil des Frontalkortex schließlich ist dann damit beschäftigt, das ganze Chaos zu etwas halbwegs Verständlichem zu strukturieren.
Kommentare
Nun ja, der Ausspruch "der Schlaf ist der (kleine) Bruder des Todes" geht wohl eher auf die Nächte zurück, aus denen man glaubt, traumlos zu erwachen. Gerade so, als hätte es diese Zeitspanne nicht gegeben. Man könnte es auch als ein persönliches Zeitparadoxon beschreiben, denn nach dem erwachen scheinen die vorherigen Stunden im eigenen Bewusstsein nicht zu existieren. Ich würde dies als Idealfall ansehen welches mich persönlich, wie auch der Tod selbst, recht wenig beunruhigt. Was Mensch eigentlich am ehesten beunruhigt ist schließlich auch nicht der Tod, sondern der mögliche Ablauf des Sterbens. Also geht es z.B. recht schnell oder quält man sich noch lange mit Schmerzen herum?
In diesem Punkt sehe ich auch einen (scheinbar) traumlosen Schlaf am nächsten Tag als ziemlich tröstlich an. Wenn die Träume allerdings Kapriolen schlagen (wie du es nennst: horrormäßige "Lovecraft-Versionen"), dann nimmt dies wohl viele Menschen nach dem erwachen erst einmal ziemlich mit, auch wenn die Erinnerungen an den Inhalt des Traumes in der Regel rasant im Wachzustand wieder verblassen. Nun mag ich wohl im Leben schon zu viele Horrorromane und Filme gelesen bzw. gesehen zu haben, aber mich ärgert es schon geradezu, wenn die Details solcher Träume zu schnell verblassen. Im Grunde sag ich mir nämlich irgendwo als Fan des Genre, das da ein paar ganz interessante Szenen drin waren, die man sich hätte aufschreiben sollen. Aber da mag ich wohl etwas aus der Art schlagen. Richtig Horror ist dagegen für mich, wenn ich von der Arbeit träume (zumal ich nach dem aufstehen auch meist noch real da hin muss), oder in meinem Traum plötzlich meine Ex-Frau auftaucht. Ich nenne das mal einfach Träume, die ich wahrlich nicht brauche. Da ist mir eine Runde Lovecraft im Schlaf jedenfalls wesentlich lieber, weil spannender.
Und was Träume und Schlaf an sich angeht, da bin ich mittlerweile in einer Verfassung, das ich acht Stunden schlafen könnte um dann ins Bett zu gehen.
Nun ja, ich meine durchaus schon das, was andere als einen heftigen Albtraum bezeichnen würden. Allerdings wenn ich da an meine frühere Englischlehrerin denke (bei der ich außer Bahnhof und Koffer klauen eh nichts gelernt hatte), dann muss ich gestehen, das ich auf einen Traum verzichten kann, bei dem ich ein Verhältnis mit ihr hätte. Das wäre nämlich echte Geschmacksverirrung gewesen.
Scheinbar hattest du da früher wohl einen flotteren Käfer als Lehrerin.
"Verheiratet" ... ja, irgendwo ist immer ein Haken.