Die Schule von Salerno - eine Wiege abendländischer Medizin
Die Schule von Salerno -
eine Wiege abendländischer Medizin
Ausgangspunkt der Arbeit dieser Schule war eine im mittelalterlichen Abendland durchaus nicht untypische Einrichtung: Das Hospital eines Klosters. Das Kloster am Monte Cassino war von Benedikt von Nursia (Vater der Benediktinermönche) an dieser Stelle gegründet worden, und entwickelte sich dank seiner Bedeutung als Grablege DES Begründers des westlichen Mönchstums zu einer bedeutenden Einrichtung.
Im Mittelalter waren die Klöster die Stätten europäischer Medizin. Heilpflanzen wurden angebaut, Heilbücher der griechischen oder römischen Tradition fanden sich in den Bibliotheken und wurden übersetzt, es wurden Untersuchungen angestellt und die Ergebnisse der Wirkung von Heilkräutern festgehalten. Eine wesentliche Ordensregel der Benediktiner war die Vorgabe, für die Kranken zu sorgen. So entstanden Hospitäler und spezialisierte kundige (Mönche), die sich besonders mit dem Wissen über Krankheiten und deren Heilung beschäftigten. Das Hospital des Klosters am Monte Cassino entwickelte sich nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Kreuzfahrerschiffe dort anlegten um ihre Kranken pflegen zu lassen, und gewann weiter an Bedeutung. In Salerno führte die Entwicklung aus dem monasterischen Bereich hin zu einer weltlich orientierten Medizin. Dass dies geschehen konnte lag an einer ganz besonderen politischen Situation: Salerno kam aus einer römischen Stadtgründung und war vor seiner Eroberung im 11. Jahrhundert durch die Normannen Teil des Langobardenreiches. Mit dem Verlust seiner Stellung als langobardische Hauptstadt behielt Salerno doch seine Bedeutung als exponiert gelegene Hafenstadt im Golf von Neapel und wuchs durch den Seehandel und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Aktivitäten.
Zu dieser Synthese kamen die Einflüsse des von Arabern im 9. Jahrhundert eroberten Siziliens. Die neuen normannischen Könige Kampaniens umgaben sich mit einer Melange griechischer, italischer und auch arabischer Berater, hatten einen orientalischen Harem und legten sich sogar islamische Ehrennamen zu. So entstand eine harmonische Vermischung der griechischen, der arabischen, der westlich-lateinischen und der jüdischen Kultur und medizinischen Wissensständen. Dieses Klima großer kultureller Offenheit förderte die Entwicklung einer wahrhaft multikulturellen medizinischen Lehre. Wie genau es zur Entwicklung der medizinischen Fakultät kam und damit zur ersten abendländischen Medizinschule, ist weitgehend unklar. Die Legende spricht von einem Kleeblatt aus vier Ärzten verschiedener Herkunft. Es sollen ein Grieche, ein Sarazene, ein Lateiner und ein Jude gewesen sein. Diese Legende ist ein bezeichnendes Beispiel für den offenen Austausch verschiedener Völker in kultureller Hinsicht, die in diesem Raum möglich war. Die dort anwesenden Lehrer haben jeweils in ihrer Muttersprache unterrichtet und waren von eher weltlichem Gepräge. Als Entwicklungszeitraum der Schule von Salerno wird der Zeitraum von etwa 995 bis ins 14. Jahrhundert angegeben, Blütezeit war die Zeit vom Ende des 11. bis ins 13. Jahrhundert (Die Totenleserin spielt im Jahre 1170), 1812 wurde sie aufgehoben. Adelia Aguilar, Hauptakteurin in dem oben genannten Buch, ist in Salerno aufgewachsen und hat dort eine Ausbildung an der vielgerühmten Schule von Salerno erhalten. Sie ist in dieser Hinsicht eine Schwester der großen Trotula di Ruggiero (siehe auch die Rezension zum Buch "Die Heilerin von Salerno"), auch Trotula von Salerno genannt, die als erste große Medizinerin des Mittelalters gilt. Medizinhistoriker unterschiedlicher Couleur sind sich teilweise uneinig darüber, ob sie nur eine Hebamme war und an der Arbeit ihres Ehemannes, einem Arzt, beteiligt, oder ob sie selbst praktizierte. Sie gilt als Verfasserin des großen Werkes Passionibus Mulierum Curandorum (über die Tätigkeit der Heilkunst an Frauen), einer Mischung aus Texten über Frauenheilkunde, Schwangerschaft, Hygiene, Säuglingskunde oder auch der Schönheitspflege. Neben Trotula, die als erste Frau gilt von der medizinische Texte überliefert sind, werden als Ärztinnen aus der Medizinschule von Salerno noch andere Mulieres Salernitanae genannt: Sigelgaita, Abella oder Constanza Calenda. Über Trotula di Ruggiero wurde ein historischer Roman von Ina-Marie Cassens geschrieben, der im Verlag Droemer-Knaur erschienen ist. Mehrmals wird in dem Roman von Ariana Franklin auf eine der Grundlagen des salernischen Wissens Bezug genommen: Ausgehend von der Annahme, dass es Entsprechungen zwischen der Anatomie von Menschen und anderen Säugetieren (Schweinen) gibt, wurden anatomische Studien an diesen Tieren vorgenommen.
Ärzte aus Salerno zogen im Laufe der Zeit weiter. Im 12. Jahrhundert, der Blütezeit der Schule von Salerno, gründeten sie verschiedene andere medizinische Schulen in Paris, Toledo und Montpellier. Ganz ohne Frage ist Salerno und seine medizinische Schule etwas ganz außergewöhnliches in der abendländischen Geschichte der Medizin und des interkulturellen Lebens (gerade auch angesichts der Tatsache, dass gleichzeitig förmlich um sie herum die Kreuzzügler sich nach Süden und Norden wälzten).
Wichtige Lehrer und Ärzte der Schule von Salerno waren:
Constantinus Africanus, ein Kräuterkundiger und Händler aus Nordafrika (Karthago?), der im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts nach Salerno . Er hatte große Erfahrung in der Medizin des Vorderen Orients und trat zum christlichen Glauben über. Nach seiner Taufe wurde er Laienbruder und trat dem Benediktinerorden bei. Er hat große Bekanntheit durch seine Übersetzungen arabischer oder griechischer medizinischer Werke (z.B. Hippokrates) und seine Studien erlangt.
Alfanus von Salerno, Erzbischof des Klosters von Monte Cassino gilt als Autor des Buches De natura hominis (Über die Natur des Menschen), einem Werk über den Alltag des Arztes mit stark praktisch ausgerichteter Natur. Quellen:
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Verborgene Heilkünste: Geschichte der Frauenmedizin im Spätmittelalter, Von Britta-Juliane Kruse, Veröffentlicht 1996, Walter de Gruyter
- http://www.juno-online.at
- http://www.eckhart.de
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http://www.natuerlich-online.ch
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Daniel Rötzer, IZMS Mittelalter-Ringvorlesung