Gespenster und die Wissenschaft - Außer- und innerkörperliche Erfahrungen
Außer- und innerkörperliche Erfahrungen
2016 immerhin gelang es mir, einen Auszug zu einem Vortrag zusammenzufassen, den ich 2016 und 2018 gehalten habe. Manfred Roth war so freundlich gewesen, ihn in gedruckter Form verfügbar zu machen, doch handelte es sich dabei lediglich um das Skript zum Vortrag, aber keinen Aufsatz im eigentlichen Sinne. Das hole ich nach freundlichem Zureden Horst von Allwördens an dieser Stelle nach.
Außer- und innerkörperliche Erfahrungen
Ein Sonderfall unter den Schlummerphantasien sind die luziden Träume, auch lichte oder Klarträume genannt. Wenn sie beginnen, ist eine elektrische Schwankung meßbar. Dementsprechend kann man mit einem leichten Stromstoß auch künstlich einen Klartraum einleiten. Desweiteren ist das rationale Planungszentrum aktiv, das im REM- Schlaf für gewöhnlich ausgeschaltet ist, und sorgt für eine gewisse Wachheit. Es werden Gammawellen erzeugt, die sonst charakteristisch sind für konzentrierte Denkarbeit. Der Effekt ist, daß man weiß, daß man träumt. Allerdings hat man auch in diesem Zustand nur eingeschränkten Einfluß auf die Phantasiewelt: Herbeigewünschtes kann erscheinen, aber oftmals ersetzt es die Kulisse nicht, oder wirkt unecht im Vergleich zum Rest.
Augen und Atmung sind nicht von der Schlaflähmung befallen. Man kann sich in der luziden Phase über vorher verabredete Bewegungen einem Außenstehenden mitteilen.
Eine andere Besonderheit ist der Alptraum. Der echte Alptraum ist meist, aber nicht immer, ein Phänomen der REM- Phase und kann bis zu eine halbe Stunde andauern. Die Amygdala schüttet jäh das Gefahrenhormon Noradrenalin aus, eventuell in Reaktion auf Sinnesreize, die eine Bedrohung anzeigen mögen (Gehör und Tastsinn funktionieren im Schlaf noch). Kennzeichnend ist eine allgemeine Übererregung, aber entsprechende körperliche Reaktionen wie Puls, Atem oder Schwitzen sind meist nicht besonders auffällig. Regelmäßige Alpträume sind vor allem nach posttraumatischen Belastungsstörungen zu finden. Auch Schnarchen und Asthma können sie auslösen, wenn das Gehirn auf Sauerstoffmangel reagiert.
Einem Alptraum ähnlich ist der Pavor nocturnus. Zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr tritt er gehäuft auf, so daß jedes dritte Kind schon einmal darunter gelitten hat. Aber auch einer von hundert Erwachsenen kann noch betroffen sein. Er ist ein Phänomen des Tiefschlafs, und wie beim Schlafwandeln fällt hier unvermittelt die Schlaflähmung aus. Die Befallenen wachen nur unvollständig auf, und was ihre Sinne wahrnehmen, dringt entweder gar nicht zu ihnen vor, oder wird in die Träume eingebaut. Entgegen früherer Annahmen kann man sich an diese Träume manchmal auch erinnern. Wie zu erwarten, geht es auch darin zumeist um Monster, Hexen, Teufel, Geister oder ähnliche Schreckgestalten.
Dementsprechend gestreßt, verängstigt und verwirrt ist man. Vor lauter Spuk und Horror werden noch nicht einmal mehr die eigenen Eltern erkannt, und sämtliche Versuche, einen zu beruhigen, kommen nur schwer gegen das Kreischen und Weinen an. Der Puls rast, Schweiß tritt aus den Poren, und auf Ansprache erfolgen nur unverständliche Antworten. Dieser Zustand dauert etwa fünf bis zehn Minuten, bis der Betroffene vollständig erwacht, Umstehende erkennt und nach und nach zur Ruhe findet. Im Gegensatz zu den echten Alpträumen, verblaßt die Erinnerung daran allerdings zumeist rasch, und ist am nächsten Morgen in der Regel ganz verschwunden.
Kinder vergessen Schlummerphantasien freilich ohnehin meist schnell. Das liegt daran, daß wir unser Leben relativ wahrnehmen: Wer weniger Jahre auf dem Buckel hat, für den kann schon eine Stunde endlos lang sein. Und die Erlebnisse der letzten Nacht Ewigkeiten her…
Ich habe bereits eine mögliche Ursache genannt für außerkörperliche Erfahrungen (Out Of Body Experiences = OBE). Man glaubt quasi, selbst als Gespenst umzugehen, und dabei den eigenen Leib, die „sterbliche Hülle“, zurückzulassen. Soweit Meßwerte vorliegen, unterscheidet sich dieses Phänomen jedoch nicht von den gewöhnlichen Träumen. Kennzeichnend sind:
- 1.) die empfundene Gewißheit, sich nicht in seinem Körper zu befinden;
- 2.) die Wahrnehmung der Umgebung aus einer erhöhten Perspektive;
- 3.) das Sehen des eigenen, meist schlafenden Leibes.
Eine weitere Eigenschaft mag sein, daß einem das Geschehen real vorkommt, aber man im Gegensatz zum luziden Traum nicht weiß, das alles nur geträumt ist. Meist prägt es sich auch – anders als bei gewöhnlichen Schlummerphantasien – gut ins Gedächtnis ein.
Der Eindruck, auf den eigenen Körper herabzugucken, mag von unserer Gewohnheit herrühren, die Welt von oben zu betrachten (eventuell eine Folge der zweibeinigen Lebensweise, oder eine ferne Erinnerung an eine Zeit in den Baumkronen). Wenn wir bei geschlossenen Lidern etwas hören und fühlen, neigen wir dazu, uns auch „ein Bild zu machen“, damit das „Erleben“ der Szene komplett ist (siehe auch Charles- Bonnet- bzw. Anton- Syndrom).
Außerkörperliche Erfahrungen sind nicht allein auf die Träume beschränkt. Manche Drogen können solche Impressionen auslösen, aber ebenso Blutverlust, Sauerstoffmangel oder ein Überschuß an CO₂ in den Adern.
Allerdings soll es gleichfalls mit technischen Hilfsmitteln möglich sein, einen solchen Effekt zu erzielen. Wenn man Strom ins Gehirn schickt, so bewirkt das in der Regel, daß sich das betreffende Areal abschaltet, doch unter bestimmten Voraussetzungen kann er auch Neuronen zum „Feuern“ anregen (siehe luzide Träume). Nach diesem Prinzip soll M. Persingers „Shakti- Set“ funktionieren, auch „Gotteshelm“ genannt: Am Schädel werden Spulen angelegt, die schwache, rotierende Magnetfelder erzeugen. Da diese elektrische Felder hervorrufen, sollen die sich wiederum auf darunter liegende Hirnareale auswirken.
Schon einmal erwähnt habe ich den „temporoparietale Region“ = „TP“ genannten Bereich zwischen Scheitel- und Schläfenlappen, an dem die Reize von den Sinnen her zusammenfließen, und unsere Position im Raum berechnet wird. Schon drei Minuten Stimulation mit dem „Shakti- Set“ sollen ausgereicht haben, um den Testkandidaten scheinbar übernatürliche Erfahrungen zu bescheren. Manche haben Stimmen gehört, sich an angebliche frühere Leben erinnert, vibrierende oder schwebende Zustände empfunden oder fremde Präsenzen gespürt. 82% gar meinten, übernatürlich- spirituelle Erlebnisse zu haben, etwa den Körper zu verlassen oder die Nähe einer göttlichen Entität zu fühlen.
Eventuell wird durch das Shakti- Set die Abstimmung zwischen Augen und Gleichgewichtssinn verwirrt, aber so etwas kann 1.) allein bei geöffneten Augen funktionieren, und führt 2.) für gewöhnlich nur zu Schwindeligkeit.
Wird der Bereich nur auf einer Hirnhälfte stimuliert, soll der Abgleich mit der anderen gestört sein. Als Folge werden demnach zwei verschiedene Positionen im Raum berechnet, die man als sich selbst und seinen Doppelgänger bzw. einen Fremden wahrnimmt. So soll es zu einer „Präsenz- Halluzination“ kommen, bei der man sich von irgendwo beobachtet oder verfolgt fühlt. Hier wird angeblich die Amygdala im Limbischen System in Alarmbereitschaft versetzt. Die Erfahrung soll so weit gehen können, daß man sogar meint, die Berührung des düsteren Schemens zu spüren.
Freilich sind derlei Resultate auch schon erzielt worden, wenn die Spulen gar nicht eingeschaltet gewesen sind. Man sollte die Macht der Suggestion niemals unterschätzen!
Infraschall soll eine ähnliche Wirkung auf die temporoparietale Region haben.
Eine Variante ist das „Capgras- Syndrom“, wo dieser Sektor im Hirn gleichfalls gestört ist. Nahestehende Personen werden nicht mehr mit Gefühlen verknüpft, so daß sie einem vorkommen wie Fremde oder Doppelgänger.
Es gilt als böses Omen, seinem eigenen Doppelgänger über den Weg zu laufen. Das Phänomen hat den wissenschaftlichen Namen Autoskopie bzw. Heautoskopie. Es kann sich dabei um Aspekte der eigenen Persönlichkeit handeln, aber auch um extra Gliedmaßen. In der Regel nimmt man nur Gesicht oder Oberkörper seines Doubles wahr. Der Abstand zwischen Original und Kopie beträgt meist eine Armlänge oder knapp darunter.