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Mordermittlung – Fiktion und Realität - Teil 3: Vernehmung, Festnahme und Hausdurchsuchung

MordermittlungMordermittlung – Fiktion und Realität
Ein kleiner Einblick in die reale Polizeiarbeit
Teil 3: Vernehmung, Festnahme und Hausdurchsuchung

Dieser Teil dürfte für die meisten Leser eine besondere Offenbarung sein, denn in (fast) keinem anderen Bereich gehen die Darstellung in Buch und Film so sehr an der Realität vorbei wie bei der Vernehmung und der Festnahme.

 

Mara Laue4. VERNEHMUNG / BEFRAGUNG
Der Unterschied: Zeugen werden befragt, Beschuldigte/Tatverdächtige werden vernommen. Der Begriff „Verhör/verhören“ ist (zumindest in Deutschland) längst out.

Findet die Befragung/Vernehmung in der Dienststelle statt, so sind grundsätzlich immer (mindestens) 2 Beamte anwesend. Das ist Vorschrift, einmal zur Sicherheit (falls der Befragte plötzlich rabiat wird) und zum anderen, um auszuschließen, dass im Falle eines Falles Aussage gegen Aussage steht.

Beispiel: Der Befragte behauptet, etwas anderes gesagt zu haben, als der Beamte notiert hat. Die Befragung findet normalerweise in einem ganz normalen Dienstzimmer eines Beamten statt und nur in besonderen Fällen (z. B. bei der Befragung von Minderjährigen oder bei Vergewaltigungsopfern) in einem gesonderten Vernehmungszimmer. Für die Befragung von Kindern hat nahezu jede Dienststelle einen als Spielzimmer eingerichteten Sonderraum.

Hinweis: Wird ein Beschuldigter nicht unmittelbar nach der Tat vernommen, so erhält er mit einer schriftlichen oder telefonischen Vorladung einen Termin, an dem er zu erscheinen hat. Im Gegensatz zu einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Vorladung ist der Beschuldigte NICHT verpflichtet, zu einer polizeilichen Vernehmung zu erscheinen und kann auch nicht zwangsvorgeführt werden. Direkte Konsequenzen hat das Nichterscheinen bei der Polizei also nicht, wird aber als „Verzicht auf den Anspruch auf rechtliches Gehör“ gewertet. Das kann sich u. U. bei der Verhandlung negativ auswirken (z. B. weil er dadurch die Gelegenheit verschenkt, etwas zu seiner Entlastung vorzubringen).

Der Vorgang einer Befragung ist streng geregelt in einem zig-seitigen Regelwerk. Übrigens: Auch eine telefonische Befragung/Vernehmung ist rechtlich zulässig.
Jede Befragung beginnt mit der Feststellung der Personalien = vollständiger Name, Anschrift, Geburtsdatum und –ort, Beruf (= derzeit ausgeübte Tätigkeit), Familienstand und Staatsangehörigkeit. Danach wird der Zeuge/Verdächtige gebeten, den Tathergang bzw. seine Beobachtungen mit seinen eigenen Wort en zu schildern. Steht von vornherein fest, dass der Befragte ein Tatverdächtiger oder der mutmaßliche Täter ist, so muss er unmittelbar nach der Erfassung seiner Personalien darüber informiert werden, dass er als Beschuldigter/Tatverdächtiger vernommen wird: „Ihnen wird zur Last gelegt, am ... (Datum) folgende Tat begangen zu haben: ... (Nennung des Straftatbestandes z. B. „Tötungsdelikt“ – „Mord“ ist es erst, wenn der Tatvorsatz erwiesen ist).“ Danach MÜSSEN ihm seine Rechte genannt werden:

  • 1. das Recht, die Aussage zu verweigern (Amtsdeutsch: „Es steht Ihnen frei, auszusagen/sich zur Sache zu äußern/einzulassen/ oder nicht.“)
  • 2. das Recht, VOR der Vernehmung einen Anwalt zu konsultieren
  • 3. das Recht auf Anwesenheit des Anwalts bei JEDER Vernehmung
  • 4. das Recht, eigene Beweisanträge zur eigenen Entlastung zu stellen
  • 5. das Recht, sich ausschließlich schriftlich zu äußern

Erst wenn feststeht, dass der zu Befragende seine Rechte verstanden hat, darf mit der Vernehmung fortgefahren werden.

Nebenbei: Inhaftierte werden IMMER in der Justizvollzugsanstalt vernommen, in der sie einsitzen. Auch hier sieht man in Filmen/liest man in Büchern meistens, dass die Leute zur Vernehmung aus der JVA zur Polizeidienststelle transportiert werden. Das macht man allein schon wegen des damit verbundenen Sicherheitsrisikos nicht. Außerdem kostete das den Steuerzahler zu viel Geld.

Bei der Vernehmung dringend Tatverdächtiger wird eine Vernehmung vorher generalstabsmäßig vorbereitet. Der sogenannte „Vernehmungskomplex“ (das Thema) wird ebenso festgelegt wie der Schwerpunkt der Vernehmung (z. B. um sog. Tatbestandsmerkmale herauszuarbeiten) und die Reihenfolge der Fragen abgesprochen, ebenso die Vernehmungstaktik (= ob man den Verdächtigen reden lässt, einen auf verständnisvollen Zuhörer macht oder ihn knallhart mit den Beweisen konfrontiert usw.).
Nebenbei: Das in Krimis so beliebte Spielchen „Guter Bulle, böser Bulle“ ist in der Realität nicht erlaubt (siehe unten).

Aufzeichnung: Entgegen dem, was uns besonders in den Filmen immer als Standard verkauft wird, darf eine Aufzeichnung auf Tonträger nur mit Genehmigung des Befragten/Beschuldigten gemacht werden. In dem Fall unterzeichnet der Befragte VORHER eine Einverständniserklärung. Verweigert er die (sein gutes Recht), wird die Aussage vom Beamten niedergeschrieben, und zwar genau so, wie der Befragte sie gemacht hat, also auch in dessen „Sprache“.
Sagt einer: „Da hat der den eins mit da Flasche über dat Schädel jedeppert, dat ndem de Glotzböppel bald ausn Jesicht jefalle sind.“, so schreibt der Beamte treu und brav: „Da hat der den eins mit da Flasche über dat Schädel jedeppert, dat dem de Glotzböppel bald ausn Jesicht jefalle sind.“ Nimmt der Beamte eigenmächtige Änderungen in der Ausdruckweise vor (ersetzt er z. B. die „Glotzböppel“ durch „Augen“), so muss er das in einem sog. „Seitenvermerk“ (= Randbemerkung) am Rand des Protokolls vermerken: „Der Befragte benutzte das Wort ‚Glotzböppel’.“ Von der möglichst genauen Wiedergabe der Aussage können und werden im Bedarfsfall auch Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Aussage gezogen. Deshalb wird auch notiert, wenn der Befragte mit einer Antwort zögert oder auffallend hastig spricht. DENN: Bei der Gerichtsverhandlung bewertet der Richter auch den Ablauf der Vernehmung anhand der Protokolle!
Nebenbei: Die bei der Verhandlung anwesenden Schöffen erhalten KEINEN Einblick in die Ermittlungsprotokolle. Ihre Aufgabe ist allein, anhand der in der Verhandlung gemachten Aussagen die Sachlage zu beurteilen und dadurch ihre Meinung über Schuld oder Unschuld des/der Angeklagten zu bilden.

Das Befragungs-/Vernehmungsprotokoll wird, sofern das Gespräch nicht auf Tonträger aufgezeichnet wird, von einem der beiden Beamten noch während der Befragung in den PC getippt (die beherrschen heute in der Regel alle das Zehn-Finger-Tippen) oder handschriftlich notiert und dem Befragten hinterher als Ausdruck zum Unterschreiben vorgelegt. Bei der Aufzeichnung auf Tonträger wird später das Protokoll abgetippt (in der Regel von einer Sekretärin; Stichwort „Adelheid & ihre Mörder“), und der Befragte muss irgendwann noch mal auftauchen, um das zu unterschreiben.

Eine Aufzeichnung oder Überwachung aus einem anderen Raum mit einer Kamera, wie man das im Film oft sieht, wird in Deutschland NICHT gemacht. Auch die venezianischen Spiegel (die von einer Seite durchsichtig sind und der heimlichen Beobachtung dienen) gibt es in keiner einzigen (deutschen) Dienststelle.

WICHTIG: Wird ein bis dahin unverdächtiger Zeuge während der Befragung zum Tatverdächtigen, so müssen die Beamten ihn darauf hinweisen, dass er/sie „ab jetzt als Tatverdächtige/r vernommen“ wird. Sie sind NICHT verpflichtet, ein freiwilliges Geständnis mit diesem Hinweis oder dem Hinweis zu unterbrechen, dass der jetzt Verdächtigte das Recht auf anwaltlichen Beistand hat, aber dieser Hinweis muss spätestens erfolgen, wenn der Redefluss des Geständigen versiegt ist. NICHT erlaubt ist es, mit Suggestivfragen ein Geständnis zu provozieren bzw. Aussagen so ausfallen zu lassen, wie die Beamten sie gern hätten. Beispiel: „Haben Sie nicht XY am Tatort gesehen?“/ „Sie haben doch XY am Tatort gesehen, nicht wahr?“ sind unzulässig. Korrekt: „Haben Sie jemanden am Tatort gesehen? Wenn ja wen?“ Ebenfalls unzulässig sind natürlich Drohungen, Einschüchterung und selbstverständlich Gewaltanwendungen (und auch deren Androhung).

Die Vernehmungsvorschriften regeln sogar den genauen Abstand, den die Vernehmungsbeamten zur befragten Person einhalten müssen = ca. 1,20 Meter, mindestens aber „eine Armeslänge rund um die Person“. Sollte das aus räumlichen Gründen nicht möglich sein, so darf in keinem Fall die Distanz von 0,50 Metern unterschritten werden, weil alles von 15 – 45 cm Nähe als absoluter „Privatbereich“ bzw. „vertrauliche Zone“ eines Menschen gilt. 0,45 – 1,20 Meter sind der sogenannte „persönliche Bereich“, 1,20 – 3 Meter der „soziale Bereich“ und 3 – 7 Meter der „öffentliche Bereich“. Eine Verletzung der „vertraulichen Zone“ ist nicht erlaubt.
Und nun sehen wir uns mal die Krimis an. Da werden gerade diese strengen Regeln grundsätzlich fröhlich missachtet. Da rückt der Vernehmungsbeamte dem Verdächtigen oder Zeugen derart auf den Pelz, dass der sich zwangsläufig von dieser übergroßen Nähe bedroht fühlen muss. Nicht zu vergessen das Anbrüllen, manchmal direkt neben dem Ohr (= unzulässige Einschüchterung und evt. sogar Körperverletzung wegen vorübergehender Hörschäden). Sogar das beliebte Auf-den-Tisch-Schlagen ist in der Realität verboten. Ein solches Verhalten hätte im wirklichen Leben zur Folge, dass der sich derart daneben benehmende Beamte unverzüglich von der weiteren Vernehmung abgezogen würde und mindestens mit einer offiziellen Rüge in seiner Personalakte rechnen muss. Je nach Schwere seiner Verfehlung evt. auch mit einem Strafverfahren. (Siehe im Fall der Entführung und Ermordung Jakob von Metzlers, wo der Vernehmungsleiter dem Entführer drohte, ihm Schmerzen zuzufügen, sollte er nicht endlich reden).

Ein Tatverdächtiger/Beschuldigter hat selbstverständlich das Recht zu schweigen. Er darf nicht zu einer Aussage gezwungen werden. Ein Zeuge hingegen ist zur wahrheitsgemäßen (!) Aussage verpflichtet. Spätestens aber vor Gericht muss er mit der Wahrheit herausrücken, andernfalls er wegen uneidlicher Falschaussage nach § 153 StGB dran ist und mit 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Meineid (eidliche Falschaussage) schlägt nach § 154 StGB mit Freiheitsstrafen von 1 bis 10 Jahren zu Buche.

Wer mehr über die reale Vernehmung wissen möchte, lese die 648 Seiten des Lehrbuches von Klaus Habschick „Erfolgreich vernehmen“ aus der Reihe „Grundlagen Kriminalistik“ (Band 46)...

5. FESTNAHME
Solange ein Richter keinen Haftbefehl ausgestellt hat (der originale Haftbefehl ist immer auf ROTEM Papier gedruckt!), ist eine Person immer nur „vorläufig festgenommen“. Nach der Festnahme muss aber ein Haftrichter bis zum Ende des auf die Festnahme folgenden Tages über den Verbleib in der Haft (= Untersuchungshaft) entscheiden, sonst muss der Verdächtige wieder freigelassen werden. Das vielzitierte „innerhalb von 24 Stunden“ ist nicht ganz korrekt, denn, wie schon gesagt, die Frist läuft erst um Mitternacht des darauffolgenden Tages ab.
Beispiel: Wird jemand heute um 9 Uhr morgens festgenommen, so bleibt (theoretisch) bis morgen um 23.59 Uhr nachts Zeit, um einen Haftbefehl zu besorgen (was in diesem hypothetischen Fall 39 Stunden wären). Aber natürlich wartet niemand bis Mitternacht, um einen Haftbefehl zu beantragen. Sollten aber einmal besondere Umstände eintreten, dass so etwas erforderlich ist, dann wird ein Richter auch schon mal mitten in der Nacht zum Ausstellen eines Haftbefehls aus dem Bett geholt. Aber das sind ganz seltene Ausnahmen.

Ein Haftbefehl kann gegen Auflagen (Meldepflicht bei der Polizei) außer Vollzug gesetzt werden, d. h. der Verhaftete muss nicht sofort ins Gefängnis, sich aber regelmäßig persönlich bei der Polizei melden und darf die Stadt nicht verlassen. Bei Verstoß gegen die Auflagen fährt er ein (ins Gefängnis).

Bei einer Festnahme werden dem Festgenommenen grundsätzlich Handschellen angelegt, die immer auf den Rücken gefesselt werden zur Eigensicherung der Beamten, damit der Festgenommene den Polizisten nicht die (vorn) gefesselten Fäuste auf die Nase drischt (oder sonst wo hin, wo es weh tut) oder gar die Gelegenheit bekommt, eine Waffe in die Hand zu nehmen.

Ohne Haftbefehl ist eine Person immer nur „vorläufig festgenommen wegen des Verdachts auf ...“ Wichtig: Sowohl im Haftbefehl wie auch bei der polizeilichen Festnahme MUSS der Grund für die Verhaftung/Festnahme genannt werden. Sprüche wie „Wir nehmen Sie erst mal fest, einen Grund dafür finden wir schon!“ kommen in der Realität nicht vor und sind rechtswidrig.

Eine Festnahme kann und darf jederzeit auch ohne Haftbefehl erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht auf Täterschaft vorliegt und/oder „Gefahr im Verzug“ ist. Beispiel: Ein Beamter befragt einen bis dahin nicht verdächtigen Nachbarn eines Mordopfers und sieht in dessen Wohnung zufällig ein Indiz für die mögliche Täterschaft des Nachbarn, so kann er ihn mit Berufung auf „Gefahr im Verzug“ sofort festnehmen und zur Wache schleifen.

Wird die Kleidung eines am Tatort Festgenommenen, die dieser gerade trägt, zwecks Spurensicherung gebraucht, so muss er sie unter Aufsicht in der Dienststelle vollständig ausziehen und erhält als vorübergehenden Ersatz einen der weißen Plastikanzüge vom Erkennungsdienst. Polizei-Trainingsanzüge werden NICHT als Ersatz zur Verfügung gestellt.

Nach der Festnahme wird der Festgenommene erkennungsdienstlich behandelt, d. h. die Personalien aufgenommen und seine Fingerabdrücke registriert. Das kann er nicht verweigern. Die Entnahme einer Blutprobe oder seiner DNA dagegen schon. Was ihm jedoch nichts nützt, denn in dem Fall wird ein richterlicher Beschluss beantragt, der ein paar Stunden später, spätestens aber am nächsten Tag vorliegt. Sollte er sich dann immer noch weigern, seine DNA per Wattestäbchen im Mund abzugeben, wird ihm – notfalls mit mehr oder weniger Gewalt – von einem Arzt mit polizeilicher Unterstützung eine Blutprobe zwangsentnommen.

Die in Buch und Film so beliebte Taktik, DNA des Verdächtigen von einer z. B. während der Vernehmung benutzten Limonadendose oder Tasse abzunehmen, ist verboten und hätte in dem Fall ohnehin keine Beweiskraft, da rechtswidrig erlangte Beweismittel als nicht existent gelten. (Mal abgesehen davon, dass in diesem Fall die Tasse ohnehin nicht zur Analyse verwendet würde, weil nicht nur der Verdächtige sie angefasst hat, sondern auch der Beamte, der sie ihm reichte und vielleicht noch andere Kollege, die sie irgendwann mal aus der Spülmaschine geholt und in den Schrank gestellt haben. Dadurch sind deren DNA-Spuren übertragen worden, was die des Verdächtigen kontaminiert und sie somit unbrauchbar macht.)

Das gilt auch für die Zigarettenkippe von der Straße oder anderswo. Sieht der Ermittler z. B. bei einer Observierung, dass der Verdächtige eine Kippe in einem Aschenbecher ausdrückt, liegen lässt und weggeht, darf er die zwar sicherstellen, aber ohne die ausdrückliche Einwilligung des Verdächtigen oder einen richterlichen Beschluss nicht auf DNA analysieren lassen. Tut er es dennoch, kann die Analyse nicht als Beweismittel verwendet werden.

Die Durchsuchung einer Mülltonne auf DNA-verwertbares Material des Verdächtigen bedarf eines Durchsuchungsbeschlusses, der ausdrücklich auch die Untersuchung der Mülltonne mit einschließt (siehe Punkt 6). Das gilt auch für die Spurensuche auf dessen Grundstück.

Kurzum: Eine DNA-Probe darf nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des DNA-Besitzers oder aufgrund eines richterlichen Beschlusses entnommen und analysiert werden. Alles andere ist unzulässig.

Hinweis: In Deutschland darf jede/r Bürger/in einen Menschen bis zum Eintreffen der Polizei rechtskräftig vorläufig festnehmen, wenn man z. B. jemand auf frischer Tat ertappt! (Ob die Ertappten sich das dann gefallen lassen oder einen nicht schallend auslachen, steht auf einem anderen Blatt.)

6. HAUSDURCHSUCHUNG
Grundsätzlich ist für eine Haus-/Wohnungs-/Geschäftsraumdurchsuchung ein Durchsuchungsbeschluss erforderlich (der steht auf weißem Papier). Dieser Beschluss (nicht „Befehl“!) muss von einem Richter ausgestellt werden. Bei Gefahr im Verzug (z. B. wenn der Verdacht besteht, dass der mögliche Täter in der Zeit, die es dauert, einen Durchsuchungsbeschluss zu besorgen, wichtige Beweismittel vernichten könnte), darf die Durchsuchung auch ohne Beschluss und im Falle eines Falles auch von nur einem einzigen Beamten spontan durchgeführt werden. In der Regel sind aber grundsätzlich ohnehin immer 2 Beamte vor Ort. Sollte das einmal nicht der Fall sein, so wird in der Realität jeder verantwortungsvolle Beamte VOR einer solchen Durchsuchung eine/n Kolleg/in bzw. ein ganzes Team anfordern. Wenn die Hausbewohner eine Durchsuchung aber ausdrücklich gestatten, ist natürlich kein Beschluss oder Berufung auf Gefahr im Verzug erforderlich.

Die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses dauert in der Regel ca. 2 Tage. Wenn es einmal ganz schnell und buchstäblich „sofort“ gehen muss, kann der Beschluss in einer halben Stunde vorliegen. Oder, wenn absolut sicher ist, dass der Beschluss ausgestellt wird, beginnt die Polizei bereits mit der Durchsuchung des Objekts, während ein Kollege zeitgleich den Beschluss beantragt und den dann vor Ort nachreicht. Das ist aber nur in Ausnahmefällen möglich, wenn z. B. sonst die Gefahr besteht, dass in der Zwischenzeit Beweise vernichtet werden.

Im Durchsuchungsbeschluss muss genau spezifiziert werden, gegen wen ermittelt wird, ob nach bestimmten Beweismitteln oder nur allgemein nach Beweisen gesucht wird und welche Räume zu durchsuchen sind. Alle anderen, nicht aufgezählten Räume sind von der Durchsuchung ausgeschlossen, bis ein für sie gesonderter Beschluss vorliegt. Lebt der Verdächtige z. B. in einer WG, so dürfen nur dessen Zimmer und die gemeinschaftlich genutzten Räume (Diele, Bad, Küche, Balkon) durchsucht werden, aber nicht die Zimmer der anderen Mitbewohner.
Wichtig: Ein Durchsuchungsbeschluss kann nur bei begründetem Verdacht auf Täterschaft/Mittäterschaft erlassen werden. Auf doofen Dunst, dass bei Person N.N. vielleicht ein Beweismittel versteckt sein könnte, ist eine Durchsuchung unzulässig.

Es nützt dem Verdächtigen übrigens nichts so zu tun, als wäre er nicht zu Hause, wenn das Durchsuchungskomitee vor der Tür steht und Einlass begehrt. Ein Durchsuchungsbeschluss ist eine zwingend durchzuführende Amtshandlung. Wird die zu durchsuchende Wohnung/Räumlichkeit nicht vom Bewohner/Eigentümer geöffnet, ist die Polizei berechtigt und verpflichtet, mit Hilfe eines Schlüsseldienstes die Tür zu öffnen. Meistens steht schon ein Schlüsseldienst „Dietrich bei Fuߓ zur Aktion bereit.

Wichtig: Die Durchsuchung unterliegt bestimmten Zeiten. Von April bis September darf sie nur zwischen 4 Uhr morgens und 21 Uhr, von Oktober bis März nur zwischen 6 und 21 Uhr durchgeführt werden. Natürlich kann eine Ausnahme zu anderen, sogenannten „Nacht- und Nebelzeiten“, genehmigt werden. Die Beschlüsse für diese Zeiten heißen dann auch „Nacht- und Nebelbeschlüsse“.
Ergibt sich durch eine Durchsuchung ein dringender Tatverdacht, so darf die betreffende Person auf der Stelle „vorläufig festgenommen wegen des Verdachts auf ...“ werden.

Auch über die Hausdurchsuchung wird ein minutiöses Protokoll angefertigt, bei Fund von belastendem Material auch mit Fotos dokumentiert. So eine Durchsuchung kann auch schon mal einen ganzen Tag oder länger dauern, je nach Größe des zu durchsuchenden Objekts.

 

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2011-07-07 08:55
Zitat:
Hinweis: In Deutschland darf jede/r Bürger/in einen Menschen bis zum Eintreffen der Polizei rechtskräftig vorläufig festnehmen, wenn man z. B. jemand auf frischer Tat ertappt! (Ob die Ertappten sich das dann gefallen lassen oder einen nicht schallend auslachen, steht auf einem anderen Blatt.)
Dieses aber doch nur, wenn keine Gefahr für Leib und Leben des Festnehmers besteht... ansonste wäre es fahrlässige Selbstgefährdung. Und man muss dabei aufpassen den 'Verdächtigen' nicht zu verletzen... sonst bekommt man einen Prozess wegen Körperverletzung und ist selbst der Gea***te!
#2 Kerstin 2011-07-07 12:45
Ja, das stimmt leider, dass die Verbrecher hier oft besser geschützt sind als die Opfer und man sich kaum trauen darf, sich gegen einen Angreifer zu wehren. Wenn ich dann die Politiker jammern höre, dass die Leute lieber weggucken als Zivilcourage zu zeigen und einzugreifen, dann könnte ich platzen. Sogar bei Vergewaltigungen wird machmal geraten, die Frau sollte sich nicht wehren, um nicht noch schwerere Verletzungen zu riskieren, wenn der Täter wütend wird wegen der Gegenwehr. Vor Gericht wird das dann aber so gewertet, als wenn sie die Tat gewollt hätte. Sonst hätte sie sich ja wehren können....

Sollte mal ein Bürger es schaffen, einen U-Bahn-Schläger auf der Stelle festzunehmen, so wäre der vermutlich nach ein paar Minuten wieder frei, weil der Richter keinen Haftgrund sieht und der Täter ja eine unglückliche Kindheit hatte usw. So kann der gleich den nächsten Passanten umhauen und ausrauben.

Eigentlich sollte es auch Bücher geben, die diese Problematik mal genauer betrachten. Kriminalität besteht doch aus vielen Facetten, nicht nur aus den publikumswirksamen Tatort-Morden. Aber vermutlich sagen die Verlage dann gleich wieder, das wollte keiner lesen, weil es zu weit hergeholt und die obligatorsiche Love-Story schlecht einzubauen ist.
#3 Advok 2011-07-07 14:13
zu #1: "Dürfen" heißt ja nicht "müssen". Natürlich muss jeder selbst abwägen, was er im Zweifelsfall macht. Und ob es klug ist ...

zu #2: Also ich denke, dass du hier einige amerikanische Verhältnisse miteinbringst - und die USA haben nun einmal eine andere Gesetzgebung und die Gewaltenteilung auch anders aufgebaut. Ich glaube nicht, dass man in Deutschland wg. Notwehr Probleme bekommen kann.

Allerdings: Oft steht dann wohl Aussage gegen Aussage (wie z.B. beim Fall Kachelmann). Und dann wird es schwierig.
#4 Larandil 2011-07-07 14:54
Zitat:
In Deutschland darf jede/r Bürger/in einen Menschen bis zum Eintreffen der Polizei rechtskräftig vorläufig festnehmen, wenn man z. B. jemand auf frischer Tat ertappt!
Das hab' ich beim Bund aber anders gelernt, damals. Einen Tatverdächtigen festhalten, bis die gerufene Polizei da ist - das darf man. Aber festnehmen ist dann wirklich Sache der Polizisten.
#5 McEL 2011-07-07 15:51
Zitat:
Das hab' ich beim Bund aber anders gelernt, damals. Einen Tatverdächtigen festhalten, bis die gerufene Polizei da ist - das darf man. Aber festnehmen ist dann wirklich Sache der Polizisten.
Sämtliche meiner "Informanten" bei der Polizei haben mir bestätigt, dass man auch als Normalbürger/in einen Verdächtigen rechtskräftig "vorläufig festNEHMEN" darf, was ja in der Sache identisch ist mit "festhalten". Die dazugerufene Polizei macht die Sache dann entweder wasserdicht, indem sie die Festnahme bestätigt = selbst noch mal ausspricht oder den Verdächtigen wieder laufen lässt.
Außerdem sagt § 229 BGB: "Wer (...) einen der Flucht Verdächtigen FESTNIMMT oder den Widerstand des Verpflichteten (=Tatverdächtigen) gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist (= Festnahme durch Otto Normalbürger), beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe (= Polizei) nicht rechtzeitig zu erlangen ist (...)"
§ 230 Abs. 3: "Im Falle der Festnahme ist (...) der persönliche Sicherheitsarrest beim für den Bezirk zuständigen Amtsgericht zu beantragen (...) und der Verdächtige ist unverzüglich dem Gericht zuzuführen. (...)."

Und diese Paragrafen rangieren unter dem Oberbegriff "Selbsthilfe" und regeln, was Otto Normalbürger tun darf/zu tun hat und was nicht. Konkret: Wenn mich ein Mormalbürger festnimmt, weil er glaubt, mich auf frischer Tat bei einer Straftat ertappt zu haben, bin ich VERPFLICHTET, mir das gefallen zu lassen. (Ob ich das dann tatsächlich tue ... :-* ) Alles klar?

Zitat:
Eigentlich sollte es auch Bücher geben, die diese Problematik mal genauer betrachten. Kriminalität besteht doch aus vielen Facetten, nicht nur aus den publikumswirksamen Tatort-Morden. Aber vermutlich sagen die Verlage dann gleich wieder, das wollte keiner lesen, weil es zu weit hergeholt und die obligatorsiche Love-Story schlecht einzubauen ist.
Genauso isses. Die Ausnahmen, die es da unter den Verlagen gibt, sind - tatata und Tusch!!! - die Kleinverlage, die auf Qualität statt auf Masse setzen.

Zitat:
Zivielcourage zu zeigen und einzugreifen, dann könnte ich platzen. Sogar bei Vergewaltigungen wird machmal gerate, die Frau sollte sich nicht wehren, um nicht noch schwerere Verletzungen zu riskieren,
In dem Punkt wurde der Rat inzwischen zurückgenommen und Gegenwehr dringend geraten, denn die Realität hat ergeben, dass Frauen, die sich wehren, den Täter oft von der Tat abhalten konnten. Dass der dadurch erst recht rabiat wurde, ist die Ausnahme. Nicht vergessen: Vergewaltiger sind Feiglinge, die sich an ihrer Macht über ihr WEHRLOSES (!) Opfer aufgeilen. Sobald das Opfer sich wehrt, fällt die Machtfantasie ins Wasser.
Aber natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Wenn mir einer die Pistole an den Kopf oder das Messer an die Kehle hält, überlege ich mir dreimal, wie meine Chancen stehen, mit heilem Kopf/heiler Kehle davonzukommen, wenn ich mich wehre. Aber WENN ich die Chance habe, dann wehre ich mich mit Händen, Füßen, Zähnen und allem, was ich als Waffe greifen kann - einschließlich meiner Unterhose, wenn nichts mehr übrig bleibt.
Und bevor ihr jetzt lacht und fragt "Wie kann man sich denn mit ner Unterhose wehren?": straff gespannt ist das Ding ein fantastisches Würge-Instrument. (So was wird einem in der Frauenselbstverteidigungsgruppe unter Realbedingungen (!) beigebracht :-* )
#6 Kerstin 2011-07-07 19:36
Also, die Unterhose müsste ja dann erst mal ausgezogen sein, und dazu will ich es aber gar nicht erst kommen lassen. Trotzdem, es schadet nicht, sich das zu merken. Ein schwerer Gegenstand, z. B. Stein, in ein Wäschestück eingewickelt und geschwungen, kann auch wunderbar wie ein Morgenstern eingesetzt werden.

Klar, die Vergewaltiger sind auf Macht aus. Das sieht man ja auch daran, dass Soldaten über die Frauen und Mädchen eines unterworfenen Volkes herfallen, teilweise sogar auf Befehl.

Im Kung Fu habe ich gelernt, dass es auch die Typen, die auf der Straße andere anpöbeln, in erster Linie drauf aus sind, den Leuten Angst zu machen. Dazu gucken sie sich Personen aus, die schon ängstlich wirken. Der Trainer hat uns geraten, auch im Dunkeln und an gefährlichen Stellen, wenn wir schon da laufen müssen, möglichst selbstbewusst zu wirken, nicht ausweichen, nicht die Straßenseite wechseln. Dann fällt man durch das Raster und die nehmen einen gar nicht erst wahr.

Das ist natürlich die beste Methode, gar nicht erst Opfer zu werden.

Wegen Anzeige im Fall von Selbstverteidigung: Da habe ich einfach schon zu viel gehört, um unserer Justiz wirklich noch zu trauen. Sogar meine Ex-Schwiegermutter musste mal bezahlen, weil sie sich sich mit einer anderen Frau geprügelt hatte. Die andere hatte erst meine Ex-Schwägerin, damals noch ein Kind, geschlagen und dann eben die Mutter angegriffen, die ihr Kind verteidigen wollte. Sämtliche Zeugen haben zu Gunsten meiner Ex-Schwiegermutter ausgesagt, zumal die Gegnerin auch schon öfter gegen verschiedene Leute handgreiflich geworden war. Hat alles nichts genutzt, sie wurde verurteilt, auch wenn die Strafe nicht hoch war. Die Klopperei war natürlich für die Zuschauer besonders interessant, weil sich die beiden Furien auf offener Straße gegenseitig unter wüstem Gekreische die Klamotten vom Leib gerissen hatten.....
#7 Pisanelli 2011-07-07 20:06
So eine Situation, jemand anderen zu schützen vor einem Angriff, habe ich mir letztens mal vorgestellt: gesetzt den Fall, ich kriege z.B. in der U-Bahnstation mit, dass etwa ein alter, wehrloser Mann angegriffen wird von so einem Gewalttäter. Weit und breit ist niemand - außer mir. Was mache ich dann? Ich sehe, der alte Mann hat schon ziemlich was abbekommen und wenn ich nicht sofort handele, wird er vermutlich erschlagen. Für ein Telefonat mit der Polizei wäre es natürlich auch schon viel zu spät (man weiß ja, wie schnell die reagieren, wenn man sie braucht :-* ). Ich bin nicht so stark und einen Kurs in Selbstverteidigung habe ich auch nicht, ich habe als Waffe nur etwas aus meiner Einkaufstüte, z.B. eine Flasche. Ich würde also schnell und sehr effektiv handeln müssen, um nicht selbst in Gefahr zu geraten und um dem alten Mann helfen zu können.
Meine einzige (theoretische, in der Praxis würde ich das vermutlich gar nicht können) Lösung wäre, die dem Typen über den Schädel zu schlagen in der Hoffnung, ihn nicht zu ERSCHLAGEN. Das würde doch ganz sicher unter Körperverletzung fallen, oder?
Mit meinen eigenen Händen angreifen würde ich mich vermutlich nicht trauen, vor allem nicht, wenn der Brutalo womöglich noch ein Messer hätte.
Gar nichts tun fände ich auch entsetzlich, denn womöglich stürbe das Opfer, weil ich nichts getan habe. Aber vielleicht sterbe ich auch, weil ich etwas tue... ;-) Ich kann doch nicht erst ein Gesetzbuch studieren, da muss ich doch einfach auf meinen Bauch hören (der mir vermutlich als erstes sagen würde, abzuhauen, aber das ist hier ja nur ein Denkspiel, das hoffentlich nie Realität wird und ernsthaft, ich hoffe und wünsche, ich bin mutiger als ich glaube).

Ich habe mir auch schon mal eine andere Lösung überlegt, die allerdings risikoreicher ist und wohl nur funktioniert, wenn man zu zweit ist (wenn überhaupt): man kriegt einen Überfall mit und bedroht den Täter von hinten mit einer angeblichen Waffe, die man ihm in den Rücken bohrt mit den Worten:"Das ist eine Walther PKK/Gaspistole/ein Kaliber blablabla. Nehmen Sie die Hände hoch, oder ich schieße!" Oder sowas Ähnliches, irgendwas, was glaubhaft klingt. Am besten wäre natürlich man kann irgendwas behaupten von wegen man wäre von der Zivilstreife oder so, aber dann ist man später vermutlich dran wegen Amtsanmaßung. Wenn man es schafft, den Angreifer damit zu überrumpeln und seinen Partner bittet, ihn zu fesseln, würde sowas funktionieren? Hat man dann nicht auch irgendwie was wegen Freiheitsberaubung gemacht? Irgendwie muss man den Typen ja festhalten und kampfunfähig machen, bis die Polizei kommt und man eben keine Waffe hat.

Wie gesagt, das ist reines Gedankenspiel. Mir geht es nicht so sehr darum, ob man überhaupt fähig ist, sowas zu machen, sondern eher um die juristischen Konsequenzen.
#8 Kerstin 2011-07-07 20:10
Soweit ich weiß, wird dabei die Verhältnismäßigkeit der Waffen und Maßnahmen maßgeblich sein. Man darf also, um sich oder andere zu schützen, eine Waffe benutzen, die ein bisschen gefährlicher ist als die des Angreifers. Die Flasche ist sicher nicht gefährlicher als ein Messer. Dazu kommen dann noch die Kampferfahrung und die Fitness der Beteiligten.

Ein richtiger Kampfsportmeister ist sicher auch mit leeren Händen ein gefährlicherer Kämpfer als ein besoffener Halbstarker mit einem Messer.

Im dem Fall, den du schilderst, würde ich dazu tendieren, nicht die Flasche aus der Einkaufstasche zu nehmen und dann damit zu hauen. Ich würde die ganze Tasche schwingen, schon um dem Kerl nicht so nahe kommen zu müssen, dass er das Messer vielleicht noch in die eigene Richtung halten kann.

Was heute auch immer wieder vergessen wird, wenn es darum geht, dass die Polizei gebraucht würde: Es gibt tatsächlich noch so ein paar wenige, die kein Handy haben (ich zum Beispiel). Die können dann nicht mal eben telefonieren und sich sagen: So, jetzt ist die Pflicht getan. Wenn das Opfer stirbt, bevor die Staatsgewalt anrückt, ist das nicht mein Problem.

Mal abgesehen davon: Wenn man selber ausgeraubt wird, ist das Handy doch das erste, was der Räuber einkassiert. Dann ist auch keine Zeit mehr, erst mal einen Notruf abzusetzen.
#9 McEL 2011-07-07 23:20
Zitat:
Das würde doch ganz sicher unter Körperverletzung fallen, oder?
Nein, das wäre Nothilfe, die straffrei bleibt (solange der Geschlagene nicht tot ist; und selbst dann kommt man, wenn die Nothilfe erwiesen ist, mit einer Minimalstrafe oder auch straffrei davon. Hängt vom Richter und den Schöffen ab.)
§ 34 StGb: "Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt NICHT rechtswidrig (...) Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."

Zitat:
Es gibt tatsächlich noch so ein paar wenige, die kein Handy haben (ich zum Beispiel). Die können dann nicht mal eben telefonieren und sich sagen: So, jetzt ist die Pflicht getan.
Wenn die Tat, um beim Beispiel zu bleiben, in der U-Bahn oder Bahn stattfindet, hat jeder Waggon eine Notbremse. So ein Fall berechtigt ganz klar zum ziehen.

Zitat:
und bedroht den Täter von hinten mit einer angeblichen Waffe, die man ihm in den Rücken bohrt mit den Worten:"Das ist eine Walther PKK/Gaspistole/ein Kaliber blablabla.
AUF GAR KEINEN FALL!!!!! Mal ganz davon abgesehen, dass hartgesottene Schläger sich davon kaum beeindrucken lassen, stehst du dem Typen in dieser Situation viel zu nahe! Selbst wenn du eine Waffe hättest, hätte der dir die mit einmal rumwirbeln und zur Seite schlagen so schnell aus der hand gebracht, dass du gar nicht zum Abdrücken kämst. ABSTAND HALTEN!!!!

Der "Weiße Ring" sagt ganz klar, dass man sich auf keinen Fall selbst in Gefahr bringen darf/soll. Zivilcourage bedeutet u. a. (!) auch, dass man genau beobachtet (Täterbeschreibung) und sich hinterher der Polizei als Zeuge zur Verfügung stellt. Und am Tatort, wenn die Gefahr vorbei ist, Erste Hilfe leistet, wenn man dem Opfer anders nicht helfen konnte.

Zitat:
Hat man dann nicht auch irgendwie was wegen Freiheitsberaubung gemacht? Irgendwie muss man den Typen ja festhalten und kampfunfähig machen, bis die Polizei kommt und man eben keine Waffe hat.
Nein, damit machst du von deinem bürgerlichen Recht Gebrauch, einen Täter vorläufig festzunehmen. Siehe mein Kommentar Nr. 5 oben.
#10 Straßner 2017-01-27 08:47
Hallo. Sehr lobenswert, mit den Fiktionen in Fernsehkrimis aufzuräumen. Aber - ohne besserwisserisch wirken zu wollen - hier
kleine Korrekturen: Ein Anwesenheitsrecht des Anwalts bei (polizeilichen) Vernehmungen sieht die Strafprozessordnung gerade nicht vor. Aber dann gibt's halt keine Vernehmung. Sollte jeder Anwalt wissen. Und: Vernehmungen von Inhaftierten finden oft in der polizeilichen Dienststelle statt. Es findet hierzu eine sog. Ausantwortung (Übergabe) an die Polizei statt. Zu guter Letzt: "rechtskräftig" vorläufig festnehmen gibt es nicht: Rechtskraft bezieht sich nur auf Urteile. Gruß H. Straßner, Fachanwalt für Strafrecht

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