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Norbert Off Topic - Folge 1: Ja, ich glaube

Norbert Off TopicFolge 1:
Ja, ich glaube

Hin und wieder richte ich meinen Fokus gerne auf Filme, die keinem der hier im Zauberspiegel behandelten Genres zugehörig sind. So ist es mir durchaus ein Anliegen, auf solche Werke aufmerksam zu machen. Da aber Themen von außerhalb möglich sind, kann ich mich auch mit dieser kleinen Vorliebe austoben. Ich finde es sehr interessant, sich Filme abseits des Gewohnten anzuschauen. Wer sich berufen fühlt, der kann sich gerne an dieser Reihe beteiligen.

Maisey McLain als RachelJa, ich glaube (I'm not Ashamed)
Das Massaker an der Columbine Highschool im Frühjahr 1999 gehört zu den Traumata der USA und ist selbst gut 20 Jahre danach nicht wirklich im Hintergrund verschwunden. Es gab vorher und nachher Vorfälle dieser Art, doch keiner davon besaß eine solche Nachhaltigkeit. Die Bücher und Filme nach diesem Ereignis gehen ins Zahllose. Dieser Film versucht sich davon zu lösen, wenngleich er nie ohne den Amoklauf der zwei jungen Männer entstanden wäre.

Rachel Joy Scott war das erste Opfer der Mörder und sie musste sterben, weil sie eine bekennende Christin war. Ein Schicksal, das Millionen zu Tränen rührte und nachdenklich machte. Rachel wurde nur 17 Jahre alt. Sie führte intensiv Tagebuch über ihr Leben, die Gedanken und Gefühle. Diese dienten als Grundlage für den Film, der ihr letztes Jahr auf der Highschool schildert.

Schon mit acht Jahren weiß Rachel, dass sie die Welt verändern wird, mit ihren Gedanken und den Händen. Sie malt die Umrisse einer Hand auf die Rückseite des Schrankes in ihrem Zimmer und verewigt darin diesen Glauben. Dennoch wächst sie zu einem normalen Teenager heran. Etwas ungewöhnlich ist sie doch. Sie ist keines dieser Partyhäschen und so findet sie keinen engeren Freund. Auch ihre Angewohnheit, jedem gleichwertig zu begegnen und somit zwangsläufig Partei für jene zu ergreifen, die von den anderen Schülern gemobbt werden, stößt nicht gerade auf Verständnis. Rachel verliebt sich in Alex und die Freundinnen raten ihr deshalb, mit auf eine Party zu gehen. Tatsächlich kommen die Beiden dort einander näher, doch es funkt nicht so richtig. Da Rachel ob des heimlichen Davonstehlens zu der Party Ärger mit ihrer Mutter bekommt, beginnt sie an sich zu zweifeln. Der Rat, sich Gott zuzuwenden und sich einem Tagebuch anzuvertrauen, kommt ihr sehr gelegen. Daran richtet sie sich wieder auf und tritt einer Gruppe von (evangelischen) Christen bei. Sie lernt einen Jungen namens Nathan kennen, der auf der Straße lebt und dem sie zu einer Bleibe verhilft. Dadurch kommt sie aber in einen Konflikt, denn inzwischen ist sie der Theatergruppe von Alex beigetreten und die Beziehung vertieft sich. Nathan glaubt an die große Liebe und wird deshalb Alex gegenüber sogar handgreiflich. Als Rachel wenig später Alex beim Sex mit ihrer besten Freundin überrascht, beginnt sie zu zweifeln ob Gott sie wirklich liebt. Sie widmet sich ganz ihrem Tagebuch, zeichnet Augen voller Tränen und schottet sich eine Zeit lang ab. Die Rückkehr zu Nathan und Gespräche mit einem Mitschüler, der ihr Schicksal teilt, ein Kind geschiedener Eltern zu sein, richten sie wieder auf. Das Bekenntnis zu Gott trägt sie nun offen und schafft sich damit nicht nur Freunde, doch sie kommt dadurch mit sich ins Reine. Als sie eines Tages mit dem Freund auf dem Rasen vor der Schule sitzt, betreten zwei Männer mit schweren Waffen das Gelände ...

Die Hand am SchrankDie Reaktionen auf den Film waren äußerst gespalten, wurde doch von vornherein ein christlicher Film suggeriert. Die Werbung machte es recht deutlich. Mit Masey McLain wurde überdies eine überzeugte Christin für die Rolle der Rachel Joy Scott verpflichtet. So lehnten viele Leute den Film ab bevor sie ihn überhaupt gesehen hatten. Andere wiederum gaben ihm ob des vermeintlich dargestellten Christentums Höchstwertungen und lobten ihn über den grünen Klee. Irgendwo dazwischen findet sich kaum eine Meinung. Die Userreviews in der IMDb sind nur äußerst selten verlässliche Rezensionen, doch sie schaffen, bei entsprechender Anzahl, ein in der Regel gutes Stimmungsbild. Es gibt eine beachtliche Anzahl von Leuten, die 10/10 Punkte vergeben haben. Der Eindruck, der dadurch erweckt wird, wirft ein falsches Licht.

Ich hatte mir den Film blind gekauft, weil mich auf eine nicht erklärbare Weise die Thematik der Amokläufe an Schulen interessiert und ich schon einige Verfilmungen solcher Vorfälle (real wie fiktiv) gesehen hatte. War es ein Fehlkauf? Diverse Rezensionen klärten mich darüber auf, dass es eben nicht um das Massaker in der Schule ging. Ich hatte von Rachel Joy Scott vorher noch nie etwas gehört, obwohl sie seit ihrer Ermordung immer wieder thematisiert wurde und wird. So wurde ich von den positiven wie negativen Rezensenten auf ein religiös verbrämtes Drama eingestellt. In mir regte sich nur wenig Hoffnung. Es dauerte auch einige Zeit, bis ich mir die Disc griff und in den Player legte. Danach kam ich zu der Überzeugung, dass man ganz besonders bei Dramen niemals vorher die Meinungen anderer Leute einholen sollte.

Ben Davies als NathanIch erlebte eine Überraschung, denn der Film ist irgendwie nicht das, was die Leute mir weismachen wollen, woraus ich schließen kann, dass viele den Film entweder gar nicht oder nur nebenbei geschaut haben. Ich bekam etwas zu sehen, was den Beschreibungen nach gar nicht hätte stattfinden dürfen.

Rachel ist ein recht normaler Teenager, quatscht mit ihren Freundinnen über Mode und kichernd über Jungen. Ihr vorbehaltloses Verhalten allen anderen Schülern gegenüber unterscheidet sie ein wenig. Das weckt sofort Sympathie, denn es ist ihre natürliche Art. Es ist enorm wichtig für den Betrachter, dass er mit dieser Einstellung konform geht. Um ihre Lebensart zu verstehen muss man kein gottesfürchtiger Mensch sein. Der Film versucht auch gar nicht einem so etwas einzuhämmern.

Er zeigt ein junges Mädchen das mit seinen Zweifeln kämpft, wie viele andere in ihrem Alter auch. Sie findet einen Weg zu Gott, aber es dauert lange, bis sie ihm vertraut und die Lehren begreift. So zeichnet der Film ein der Realität nahes Bild. Es ging den Machern darum der Figur gerecht zu werden und sie nicht zu überzeichnen. Mir zumindest hat das sehr geholfen, dem Menchen Rachel Joy Scott näher zu kommen, ohne sie als Heilige zu sehen. Als solche wird sie mir aufgrund diverser Artikel und vor allem durch ihre Mutter dargestellt. Das fördert Distanz in mir.

Cameron McKendry als NathanUnd da wären wir bei einem Schatten, der über das Mädchen gelegt wird. Verfolgt man die Entwicklung nach ihrem Tod, so beschleicht einen der Verdacht der Kommerzialisierung. Als sich herausstellte, dass das Schicksal von Rachel viele Menschen berührte, wurden auch ihre Tagebücher veröffentlicht. Verschiedene Abhandlungen des Columbine Highschool Massakers beschäftigen sich mehr mit ihr als mit dem Vorfall als solchen. Ihre Mutter reist seit Jahren durch das Land um die Lehren ihrer Tochter zu verbreiten. Ehrlich? Das ist perfide. Rachel besaß den Wunsch etwas bewegen zu können. Sie stand zu ihrem Glauben, aber sie versuchte nie die Menschen zu missionieren. Dieses geht aus ihren Tagebüchern und den Aussagen verschiedener Freunde hervor, welche leider eher unbekannt geblieben sind.

Der Film leistet sich durchaus ein paar kleine Schnitzer, die meinen Gesamteindruck zunächst etwas getrübt haben. Zum Beispiel zeigt er in kurzen Einschüben immer wieder mal die späteren Amokläufer, wie sie das Massaker planen, und versucht sich an deren Motivation. Beeinflusst von den Lehren des Adolf Hitler waren sie bestrebt, die Schule von jenen Individuen zu säubern, die der Entwicklung einer starken Rasse im Weg stehen. Für diese Momente gibt es keine vernünftige Rechtfertigung, denn sie sind für die Geschichte des Films ohne Belang. Ja, dadurch erklärt sich der Grund für ihre Ermordung, aber es beraubt dem Ende die Wirkung. Der Film weicht zudem dadurch von den Tagebüchern ab, denn Rachel kennt die Attentäter nicht näher.

Das Ende wirkt aufgesetzt. Nachdem Rachel erschossen wurde sehen wir originale dokumentarische Aufnahmen der Katastrofe, Danach bekommen wir einen Auszug aus der Fernsehansprache von Bill Clinton zu sehen und zu hören. Hernach sehen wir das Auto von Rachel, das einsam auf dem Gelände des Schulparkplatzes steht und welches von ihren Freunden mit Blumen überdeckt wird. Und darauf wohnen wir der kirchlichen Trauerfeier bei, wo Nathan Tränenrühriges zum Besten gibt. Noch ein Schluss gefällig? Die Mutter findet beim Ausräumen des Zimmers ihrer Tochter jene Hand auf der Rückseite des Schrankes. Ja, Rachel hat etwas bewegt, doch erst ihr Tod konnte dieses möglich machen.

Dann gehe doch zu deinem GottIm Grunde hätte der Schuss gerecht, der das Bild verdunkelt und damit Allem einen Endpunkt setzt. Doch trotz der genannten Überflüssigkeiten (ich möchte sie nicht Fehler nennen) ist ein für mich eindrucksvoller Film entstanden. Dabei geht es nicht um den christlichen Grundton, der vorhanden ist, den aber viele unsinnig in den Vordergrund schieben. Er zeigt mir einen Menschen mit allen Vorzügen und Schwächen, allen Freuden und Leiden. Es ist ihre Menschlichkeit, die mich berührt und darüber nachdenken lässt, warum ein Mädchen mit solch einer Gesinnung so sinnlos sterben musste.

Kleine Anekdote am Schluss. Der Film hätte beinahe die Gerichte bemüht. Der Vertreiber Pure Flix stellte den Trailer von I'M NOT ASHAMED bei YouTube ein. Kurz darauf wurde der Trailer gesperrt. Auf eine Anfrage erhielt man von YouTube keine Angabe von Gründen. Da ein Film wie dieser auf jede Werbung angewiesen ist, damit überhaupt ein paar Leute das Ding wahrnehmen, bemühte man schließlich ein Anwaltsbüro, weil auch eine weitere Anfrage nichts brachte. Die Androhung, notfalls vor Gericht zu ziehen, ließ YouTube einknicken. Nach elf Monaten wurde der Trailer wieder freigeschaltet. Der Grund für das lange blockieren ist lustig. YouTube gab dazu bekannt:

"Aufgrund des enormen Umfangs unserer Videos erhalten wir manchmal fehlerhafte Angaben über den Inhalt von unseren Mitarbeitern. Wenn uns solches berichtet wird, dann bewerten wir sie neu und reagieren entsprechend, schalten dann die Videos oder Kanäle wieder frei." (Zitiert nach FOX411)

11 Monate?

Ja, ich glaube (I'm not Ashamed)Ja, ich glaube
(I'm not Ashamed)

Darsteller:
Masey McLain Rachel Joy Scott
Ben DaviesNathan Ballard
Cameron McKendra Alex Dickerson
Terri Minton Beth Nimmo (Mutter)
 Victoria Stales, Taylor Kalupa, Emma Elle Roberts, Sadie Robertson

Produktion: Brad Allen, Nise Davies, Chuck Howard, Martin Michael

für Visible Pictures, Big Film Factory
Regie: Brian Baugh
Drehbuch: Bodie Thoene, Robin Hanley, Philipa A. Booyens, Kari Redmond
Kamera: John Matysiak
Musik: Tim Williams
USA 2016

Farbe – 1,78:1 – 108 Minuten (PAL), 112 Minuten (NTSC)

Uraufführung: 21. Oktober 2016
Deutsche Erstaufführung: 15. Juni 2017 (DVD/Bluray – EuroVideo)

Bildnachweis:
Cover der deutschen DVD von EuroVideo
Bild 1-5 Screenshots von der deutschen DVD (EuroVideo)

Kommentare  

#1 matthias 2018-08-10 10:10
Eine gut gemachte Rezension von einem Kenner. Danke dafür.
Ich würde von Dir aber gerne auch A-Filme vorgestellt bekommen. Nicht nur die Schinken besprechen, welche eh' keiner kauft.
#2 VM 2018-08-10 12:57
In einer Nebenrolle ist hier Reality-TV-Star Sadie Robertson zu sehen. Wer einen Eindruck über sie und ihre Family bekommen möchte:
www.derwesten.de/panorama/tv-skandal-um-die-us-fernsehserie-duck-dynasty-id8809803.html
#3 Norbert 2018-08-10 17:20
Hallo Matthias. Vielen Dank für das Lob. Ich mag solche Filme die abseits des Mainstream stehen, auch oder gerade wenn sie keinem der gängigen Genres zugehören. A-Filme besprechen ist so eine Sache. Das tun sehr viele Leute und wie du weißt bin ich kein solch großer Fan davon. Sollte ich tatsächlich so etwas wie "Pacific Rim – Uprising" besprechen, welcher mein bisher letzter A-Film war? Übrigens – ich mochte den sogar. Ich beschäftige mich aber lieber mit kleineren Filmen und freue mich, wenn ich ein wenig darauf aufmerksam machen kann.

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