D9E- Innovation oder alter Wein in neuen Schläuchen?
D9E- Innovation ...
... oder alter Wein in neuen Schläuchen?
Bezeichnenderweise sucht man bei Wikipedia bisher vergeblich nach einer deutschen Erklärung für den Begriff "shared universe". Gemeint ist, dass verschiedene Autoren vor einem verbindenden Serienhintergrund (universe) ihre eigenen voneinander unabhängigen Geschichten erzählen. In den Vereinigten Staaten gibt es dazu eine lange Tradition, die nicht nur für Literatur (Science Fiction und Fantasy), sondern auch für Mangas, Comics, Fernsehserien und Kinofilme besteht. Zu nennen sind explizit etwa: Star Wars, DC Universe, Marvel Universe, Star Trek, Forgotten Realms, Babylon 5, Foundation series, Dragonlance, Power Rangers, Man-Kzin Wars, Cthulhu Mythos, the 1632 series.
Vermutlich war es der umtriebige Dirk van den Boom, der sich für ein solches Konzept begeistert hat. Durch seine Tätigkeit als Übersetzer ist er mit der Liaden-Reihe in Kontakt gekommen. Diese in den USA bereits 1988 gestartete "shared universe"-Reihe stand mehrfach vor der endültigen Einstellung, umfasst aber inzwischen mehr als ein Dutzend Titel und etliche Kurzgeschichten. Dirk van den Boom ist denn wohl auch nicht zufällig der Autor des D9E-Startbandes "Eine Reise alter Helden".
Der gemeinsame Serienhintergrund wird vom Verlag so beschrieben:
"Die heimatliche Milchstraße, weit in der Zukunft.
Schon vor Hunderten von Jahren brach der Widerstand der Terranischen Hegemonie gegen die Hondh endgültig zusammen. Die Menschheit wurde zum Vasallen eines Imperiums, dessen Ziele und Absichten bis heute niemand begriffen hat. Außer den Abtrünnigen, die eine neue Heimat außerhalb des Machtbereichs der Hondh gefunden haben, gibt es keine freien Menschen mehr.
Als ein beschädigtes Hegemonie-Kampfschiff, dessen Besatzung in Stasis versetzt war, nach endlosem relativistischenn Flug zur Erde zurückkehrt und mit einer Kultur konfrontiert wird, die sich unter der Herrschaft der Hondh gut eingerichtet hat, beginnt ein Prozess mit unabsehbaren Folgen.
Auch außerhalb des Hondh-Imperiums glauben viele nicht daran, dass der letzte Eroberungsfeldzug der fremdartigen Wesen auch ihr letzter gewesen ist. Doch niemand hat je mit einem Hondh gesprochen, geschweige denn einen gesehen. Und genauso wie jene, die Angst vor einem neuen Eroberungskrieg haben, gibt es solche, die die Gefahr nach Hunderten von Jahren des Friedens für vernachlässigbar halten - oder die sogar begonnen haben, Aliens wie mythische Gestalten anzubeten.
Vor diesem Hintergrund sollen die Autoren "eigenständige Romane mit selbständigen Plots und Charakteren" schreiben, "die sich aber gemeinsam vor einer kontinuierlichen Hintergrundgeschichte entwickeln".
(Flyer des Wurdack Verlags)
Der Startroman ist ein typischer "Van den Boom". Der langjährige Betreuer von Rex Corda (Neuauflage) und Erfinder von Rettungskreuzer Ikarus liefert einen astreinen Military-Band. Das Werk gliedert sich dabei in drei Teile. Den aussichtslosen Kampf in der Vergangenheit, die Ankunft auf der inzwischen eroberten Erde und den Aufbruch in die nichtbesetzten Gebiete.
Der erste Teil ist dabei am stärksten. Ein Geschwader der Erdhegemonie soll eine Flotte von Frachtschiffen sichern, die kriegswichtige Mineralien aus einem entfernten System abholen. Der 120-jährige Konflikt mit den Hondh hat seine Spuren an Mensch und Material hinterlassen. Die tausendfach reparierten Schiffe werden von körperlich und geistig verkrüppelten Besatzungen mehr recht als schlecht in Kampfbereitschaft gehalten. Van den Boom gelingt es meisterlich diese Atmosphäre von Hoffnungslosigkeit, Untergang und stoischem Kampfeswillen zu schildern. Schließlich vernichten die Hondh die gesamte Flottille bis auf ein Schiff. Lieutenant-Commander Thrax kann zwar mit seinem Schiff entkommen, jedoch wurde der Überlichtantrieb bei den Kampfhandlungen zerstört. So bleibt nur der Dilatationsflug zurück zur Erde, den die Besatzung in Stasis verschläft.
Im zweiten Teil trifft das Schiff 500 Jahre später auf der Erde ein. Die Erdhegemonie hat kurz nach der verlorenen Schlacht kapituliert. Doch die Hondh erweisen sich wider Erwarten als sanfte Herren. Die Raumflotte wurde komplett demobilisiert und die besetzten Planeten müssen Tributzahlungen leisten. Sie genießen aber beinahe totale innere Autonomie und können nach eigener Facon leben. Für die Besatzung stellt sich die Frage, soll man versuchen in dieser Welt einen zivilen Neuanfang zu wagen? Oder lieber den verlorenen Krieg fortsetzen? Ein Teil der Menschheit ist nämlich vor der Kapitulation geflohen und hat außerhalb des Hondh-Einflußbereiches neue Planetensysteme besiedelt. Die Erdregierung bietet den Veteranen großzügige Unterstüzung, medizinische Versorgung und ein materiell sorgenfreies Leben. Dennoch bleibt die Besatzung skeptisch und tut alles, um das Schiff zu reparieren. Als man schließlich noch herausfindet, dass die Erde unter einem Feld liegt, dass den Bewohnern jeden Gedanken an Auflehnung oder Rebellion gegen die Hondh praktisch unmöglich macht, ist die Entscheidung gefallen.
Schiff und Besatzung setzen sich ab, nicht ohne vorher den Projektor für das Feld zu zerstören, was freilich nur symbolischen Charakter hat. Nach 500 Jahren sind die Menschen so konditioniert, dass sie auch ohne die Beeinflussung keine rebellischen Gedanken entwickeln. Und die von der Erdregierung zur Hilfe herbeigerufenen Hondh ersetzen den Projektor schon nach wenigen Wochen. Heimlich Beobachter von den "freien" Menschlichen Welten werden aber Zeuge dieser Auseinandersetzung und bieten Thrax und seiner Besatzung Zuflucht und Unterstützung. Quasi nebenbei hat man auch noch die Spur eines versteckten Superschlachtschiffes der alten Hegemonie aufgenommen.
Wie gesagt, der erste Teil ist mitreissend und überzeugend geschrieben, der zweite fällt dagegen deutlich ab. Es wirkt teilweise sehr verkrampft und wenig glaubwürdig, dass die physisch und psychisch auf den Hund gekommene Besatzung mit ihrem schrottreifen Schiff der unverhofft erhaltenen Chance auf ein neues sorgenfreies Leben so ablehnend gegenüber steht. Im soliden dritten Teil fragt man sich, wie es den Flüchtlingen gelingen konnte, innerhalb von nur 500 Jahren so viele Systeme zu besiedeln und so weit zu entwickeln. Problematisch erscheint auch das verschollene Superschlachtschiff. Wenn es wirklich so überragende Fähigkeiten besaß, warum hat die Erdhegemonie dann kapituliert? Mal sehen, ob in den Folgebänden Antworten geliefert werden.
Nach nur einem Band lässt sich nicht viel über das "shared universe"-Konzept sagen. Für Deutschland neu, scheint es sich in den USA ja bewährt zu haben. Ich bin gespannt, ob D9E eine weitere "Empire building"-Serie wird, womöglich mit starkem Military-Einschlag oder ob dort auch Raum besteht für andere Handlungen.
Kommentare
Vielleicht solltest du mal einen Blick in den Mohlberg-Shop werfen. Für 10 Euro wirst du da kaum etwas finden.
Ernst Wurdack
www.fantasyguide.de/13322/
Dirk van den Boom
www.fantasyguide.de/13340/
Niklas Peinekce
www.fantasyguide.de/13380/
Ich finde, beides hat seine Berechtigung. Gute Anthos gehen nur leider in der Masse der unzähligen Miniverlage unter und die guten Autoren dann gleich mit.
D9E wünsche ich alles Gute, Band 1 werde ich sicher mal lesen.