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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der lebende Wald - Gespenster-Krimi Nr. 451 von Mike Shadow

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der lebende Wald«
Gespenster-Krimi Nr. 451 von Mike Shadow

Wenn nach zahlreichen „blind tastings“ irgendwann die Kost nicht mehr schmeckt, sollte man wohl am besten eine kleine Diät einlegen – und nachdem andere Druckerzeugnisse für Abhilfe gesorgt haben, rutscht es jetzt auch wieder.

Also jetzt erst einmal die noch offene Runde Gespenster-Krimis abfrühstücken.


Ausgesucht hatte ich mir noch einen Roman einer Subserie, auf die ich schon längere Zeit ein Auge geworfen hatte, die aber einfach eine Weile nicht zur Verfügung stand: die zehnteilige Unterreihe rund um die Professor-Zamorra-Figur Ted Ewigk, die in der jetzt ja schon legendären Horror-Fantasy-Saga mit leichten SF-Einsprengseln eine monumentale Entwicklung mitgemacht hat und die allseits beliebten Dhyarra-Kristalle 13.Ordnung händeln kann, mit dem sich halbe Welten vernichten lassen.

Erdacht hat sich dieses Testgelände für frisch (und nackt) daher sprengende Nebenfiguren Werner Kurt Giesa, der in der Zamorra-Serie ab Band 111 immer öfter tätig wurde und praktisch zur gleichen Zeit diese netten kleinen Erweiterungen im Gespenster-Krimi erdachte, die dann später mit in die Mutterserie einflossen.

Giesa machte sich ja dann später bei Zamorra enorm breit, schrieb dann eine ganze Weile die Serie praktisch mit Unterstützung von Rolf Michael zusammen als Duo und verdichtete die romanübergreifenden roten Fäden in der stärksten Phase der Serie zu einem wahren Phantastikfest, zu dem auch noch ferne Welten und Zeitreisen stießen.

Später stieg Michael dann aus (mit Band 361) und Giesa machte lange Zeit, bis Krankheit und später leider der Tod ihn stoppten, alles allein, entwickelte aber in der Konzeption zunehmend eine gewisse Starrköpfigkeit, der gemäß nichts endgültig war und alles bei Bedarf wieder auf Null oder Eins gestellt werden konnte – einer der Gründe, warum ich selbst irgendwann nach Band 500 einfach keine Lust auf weitere Lektüre mehr hatte, weil zu viele interessante Nebenfiguren einfach vergessen oder nachlässig aus der Serie geschrieben worden waren, während andere schlicht und ergreifend einfach nicht sterben wollten.

Aus meiner Sicht hatte die Serie ihre Blüte zwischen Band 160 und 330 und baute von da an stetig ab, war aber lange Zeit (anders als Sinclair) noch auf einem soliden Niveau unterwegs, erst als sich Giesa endlos in Spiegelversionen seiner vielen Figuren verzettelte, waren die Stories nicht mehr richtig zu genießen.

Hier im Gespenster-Krimi stand Giesa aber noch in Saft und Kraft und gab innerhalb von fünf Jahren zweimal jährlich diese Ewigk-Gastspiele, die schließlich darin gipfelten, dass die wichtigsten Personen zum festen Cast der Zamorra-Serie wurden.

Ergo tummeln sich in „Der lebende Wald“ - übrigens dem achten Band der Subserie - neben Ted Ewigk und den Silbermonddruiden Teri Rheken und Gryf auch noch der unter besonderer Langlebigkeit und Erbfolge leidende Sir Bryont Saris op Llewellyn und sein wackerer Butler William (Inspektor Kerr wird immerhin erwähnt) – der Roman bietet eine gute Möglichkeit, einen Nebenschauplatz wie Llewellyn Castle mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Natürlich erhoffte ich mir von diesem Roman einige frische Ansätze – schließlich stammt er ungefähr aus dem Sommer 1982, als es bei Zamorra kurz nach Band 200 gerade so richtig gut abging. Aber wie es mit noch nicht so ganz ausgebauten und erprobten Nebenfiguren nun mal so ist – sie haben alle ihre gewissen Startschwierigkeiten. Das merkt man auch diesem Roman an, der irgendwie quietschbunt ist, aber seinen Gruselfaktor nie so recht im Griff hat. Es gibt – ungewöhnlich für das Genre – schlussendlich noch nicht mal ein einziges Todesopfer. Dafür kann man aber mit sehr breit ausgewalzten Ideen um sich schmeißen und dem später in der Zamorra-Serie totgerittenen Gag mit den meist halb oder ganz nackt auftretenden Silbermonddruiden.

Wo sind die eigentlich...?   

Der lebende WaldZum Inhalt:
Wer reitet so flott durch High und Low (-Lands)?

Es ist Lady Alexandra MacCrew, die frische Verlobte des mysteriösen Adeligen Sir Bryont Saris op Llewellyn, eines Mannes, der aus einer sehr, sehr alten Ahnenreihe entstammt. Obwohl für eine wirklich erfüllende Liebschaft und Ehe die Voraussetzungen doch eher bedenklich sind (Saris altert nicht sichtlich, lebt weit über 200 Jahre und stirbt, sobald sein Erbe auf dem Weg ist, der dann genau ein Jahr länger leben wird als er selbst), will Alexandra aka Sandy den Ringtausch so schnell wie möglich, zumindest bald nach dem Ausritt.

Dummerweise halten sich jedoch noch andere Wesen auf dem flach bewachsenen Landgut in den schottischen Hügeln auf, die mit den Menschenwesen noch nicht sonderlich vertraut sind.
Es handelt sich um eine Art Wald, der aus fremdartigen Wesen besteht, deren hypnotische Fähigkeiten Sandy anziehen. Als der Guten schließlich der Stift geht, ist es schon zu spät, das fremdweltliche Gewächs lutscht ihr sämtliche Erinnerungen aus dem Gedächtnis. Zurück bleibt sie blank, leer und ziemlich nackt, denn die Klamotten haben sich gleich mit den Erinnerungen aufgelöst. Es genügt zumindest für einen leichten Lady Godiva-Aufritt, den erst der freundliche Schäfer Tom Gartridge unterbricht, der die Unbekleidete erkennt und per Pferd nach Llewellyn Castle geleitet.

Derweil vergnügen sich die Protagonisten die Zeit mit anderen Spielchen: Gryf angelt gemütlich Pfeife rauchend an einem klaren See einen alten Schuh aus Deutschland (was Anlass zu einigen schalen Witzchen gibt), während Ewigk ein Schäferstündchen mit Teri hinter dem unsicher geparkten weißen Rolls Royce des Trios genießt. Man albert etwas herum und betreibt etwas Back-Story-Aufklärung rund um „schwarze Druiden“ (die gleiche Personenkonstellation hatte wohl schon das erste Ewigk-Abenteuer drei Jahre zuvor), bis Teri irgend etwas Magisches erspürt.

Ergo macht man sich mit zahlreichen Scherzchen samt Nobelkarosse auf die Suche, bis man auf Gartridges Schafe und die fremde Präsenz des unheimlichen Waldes stößt. Teri latscht um ein Haar mittenmang in ihr Verderben, ehe Gryf eingreift – und Sandys Schicksal teilt, dem „saugenden“ Wald zu nahe gekommen zu sein.

Derweil hat Tom die gute Sandy bei Butler William auf Llewellyn Castle abgeliefert, doch leider muss der hilfreiche Hausherr erst noch am Flughafen abgeholt werden. Während Wiliam den rasenden Kutscher spielt, trifft Dorf-Doc Eyris ein, kann aber außer Stirnrunzeln nichts zur Besserung beitragen und leert dann mit Tom die Whiskyvorräte des Lords, bis dieser zur Rettung eilt. Mittels der Llewellyn-Magie kann er die Erinnerungen Sandys wieder herstellen und sie aus dem Wachkoma holen.

Ted hat währenddessen mit seinem E-Schocker, einem batteriegeladenen Blitzschußgerät den unsichtbaren Angreifer mühsam abwehren können und bringt den von Erinnerungen und Bekleidung befreiten Ted notgedrungen hurtig ebenfalls nach Llewellyn Castle.
Dort wird das Phänomen erst einmal wortreich umschrieben, bis Lord Saris sich entschließt, mittels einer magischen Zeremonie auch den Silbermonddruiden wieder herzustellen.

Gleichzeitig hat sich Hausmädchen Betty patent in den guten Tom Gartridge verguckt und radelt ihm datebewußt heideeinwärts entgegen, landet aber...wie könnte es anders sein... in den knöchern-pflanzlichen Wurzeln des wandernden Waldes. Gegen die unheimliche Attacke kann sich auch der herbei eilende Tom nicht recht wehren und so geraten sie beide in die Fänge der Fremden.

Während Saris sich nun tatendurstig dem Wald nähert und endlich etwas über seine Existenz bzw. Aussaat herausfindet (was zu einem ersten fiesen Gefecht führt), entwickelt auf der Burg der rekonvaleszente Gryf bösartige Tendenzen gegenüber Ted Ewigk...

Nachhall ...
Falls dem geneigten Leser diese Plotentwicklung nicht als sonderlich reichhaltig erscheint, so liegt er richtig: ich hab die IA jetzt schon deftig in die Länge gezogen und das Heft ist damit auch schon zu drei Vierteln vorbei.

Zwar kommt es noch zu einer recht infernalischen Skelettschlacht im Burghof, dem Einsatz eines unerwarteten Jokers (die Liebe überwindet alles und so...) und dem finalen Auftritt des bis dato total unsichtbaren und auch nie näher erwähnten Bösewichts, aber das macht auf Seite 61 den Kohl auch nicht mehr fett.

Da kann ich unbeschwert zugeben, dass ich diesen Roman, der wie ein lockeres Freizeitvergnügen aus der Restekiste wirkt, praktisch in unter einer Stunde weggelesen habe, weil er nie genügend Substanz entwickelt, um den Leser an sich zu binden.
Das ist schade, denn der fremdartige Wald, der nicht weiß ob er lebt oder nicht, wo er herkommt, was er soll oder ob und wie er sterben kann, hat so seine Reize. Die werden aber nie so gekonnt ausgespielt, wie es nötig gewesen wäre.

Stattdessen tritt diese Neutrumsbedrohung gegen eine Minimalanzahl von möglichen Opfern an und das Fürchterliche an diesen Pflanzen-Knochen-Wesen kommt nie richtig zum Ausbruch.

Auch scheint – wie schon erwähnt – Giesa nie gewillt gewesen zu sein, auch nur eine Nebenfigur zu opfern, wobei diese Rolle maximal dem Arzt, dem Schäfer oder dem Hausmädchen zugefallen wäre und zwei davon spielen im Finale noch eine so unerwartet wichtige Rolle, dass diese auch nicht ex gehen durften.

Das nimmt dem Geschehen natürlich die Spannung, also füllt der Autor notgedrungen mit weitschweifigen Erklärungen, mysteriösen Andeutungen und wilden Frotzeleien auf. Seitenweise schäkern die Figuren sich an, gönnen sich zweideutige Bermerkungen, ergehen sich in irgendwelchem Tralala oder irritieren die übrigen Anwesenden nach dem Prinzip „Ach ja, das sind übrigens meine Brüste!“, ein Gag, den Giesa tatsächlich über Dutzende von Zamorras noch totgeritten hat.

Ewigk ist dabei Nebendarsteller in seiner eigenen Saga; ein Held, der so oft halb hilflos rund um den E-Schocker schleicht, dass es praktisch ein Affront ist, wenn er auf der letzten Seite schließlich zum (noch kleineren) Dhyarrakristall greift, des bis dato noch nicht mal erwähnt wurde. Der „Big Bad“, den Giesa gleichzeitig noch aus der Hosentasche zaubert, macht die Sache dann auch nicht besser, denn die Wahl der Mittel (ein eben prinzipiell nicht bösartiger, sondern naiver Knochenwald als Armee) ist für einen Finsterling eine eher kuriose, nicht sonderlich zweckmäßige.

Hier wird also der Feind den Möglichkeiten der Helden angepasst und kleingerechnet, die sich während des Romans in Scharmützeln und Erklärungsversuchen aufreiben oder ganz offensichtlich Seiten schinden.

Offenbar waren Giesa seine Kreationen sehr sympathisch und das zählt mit Sicherheit zu den besseren Seiten dieses Werks, dass er das auch gut rüber bringt – nur eben umständlich und mit jeder Menge „eingedeutschter“ Kalauer bereichert.

Das vermittelt den zehn Romane das stete Gefühl, eine Art „Backdoor-Pilot“ vor sich zu haben, lange bevor das Prinzip allerdings in Deutschland regelmäßig eingeführt wurde: das Ausprobieren von neuen oder unverbrauchten Figuren, deren Hintergrund man erst noch ausleuchten durfte.

Leider kommt dabei maximal ein mit leichter Hand geschriebener Zamorra-Roman heraus, für echten Grusel reicht es allerdings noch weniger als bei den abgedroschenen Standards, die sich im Autorenteam leider schließlich durchsetzten. Tatsächlich ähnelt das simpler moderner Fantasy mit leichten unheimlichen Anleihen, schön jugendfrei und vor allem fast beständig in Bewegung – man könnte den Roman praktisch problemfrei abfilmen, sofern man die redundanten Kumpeldialoge rauskürzt.

Und die vielschichtige Ewigk-Figur, die sich nach und nach im „Zamorra“ herauskristallisierte, ist hier noch nicht vorhanden, der „wikingerhafte“ blonde Journalist in weißer Jeans und eben solchem Rolls Royce wirkt über weite Strecken wie eine grobe Karikatur, aus der erst viel später die Feinheiten gemeißelt wurden.

Letztendlich sind das aber keine „echten“ Romane für den GK, hier wurde der typische Stil der Zamorra-Serie einfach nur in einen anderen Rahmen verlagert und Abenteuer mit etwas Magie gewürzt. Doch das muss man Giesa ja lassen, den nötigen Schwung hatte er drauf.

Für die nächste Runde wechsele ich mal wieder für eine Weile zum kleinen Bruder...Stiefkind...putzigen Haustier? Ich meine, ich versuche es nochmals mit dem Geister-Krimi...der war mir noch was schuldig. Und Teri hole ich natürlich endlich ein T-Shirt.

Ein transparentes vielleicht!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-05-05 13:59
Du hast es perfekt auf den Punkt gebracht. Harmlose Softgrusler mit meist sehr bemühtem Humor und dünnem Plot, denen man aber nicht böse sein kann, dass sie so zahnlos sind. Obwohl ich persönlich die Worte "Ted Ewigk" und "vielschichtig" nie im selben Satz benutzen würde. ;-) Aber das ist Geschmacksache.

Locker und flockig war Giesas Talent, Horror und Atmosphäre eher nicht. Da hatte er auch kein Interesse dran, was ihm zugute kam, denn das wurde von seinen Bossen auch nicht verlangt.

Aus der Rückschau erinnert mich gerade die Figurentruppe um Ewigk an eine etwas sehnsüchtige Nachempfindung der Studenten- und Hippiezeit, die es aber in dieser Art ohnehin nur in den Köpfen der Leute gab. Abenteuer erleben, ohne zu schaden zu kommen, mit den Kumpels durch Europa jetten und juxen, garniert mit einer Prise keimfreier Erotik. Ein endloser Sommer.

Ich würde auch deine Einschätzung der PZ-Serie unterschreiben. Der Tunnelblick hinsichtlich ausgeschriebener Figuren und Konzepte ist ein allgemeines Problem von Serienfiktion. Bei Giesa ist es vielleicht nur auffälliger, weil er so lange allein für das Projekt verantwortlich war. Und weil er den Fehler ständig wiederholt hat. Die öden Spiegelwelten waren ja in dieser Hinsicht nicht der erste Irrweg der Serie.

Ich habe alle Ewigk-Romane damals gelesen. Und ich kann mich an keinen mehr erinnern, was Einzelheiten der Handlung angeht. Schade.

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