Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Legion der lebenden Toten (Silber-Grusel-Krimi 249)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Legion der lebenden Toten«
Silber-Grusel-Krimi 249 von Marcos Mongo (Theo Dombrowski)

Knabbern wir mal wieder an einem guten, alten Verlagspseudonym herum, eines aus dem Zauberkreis Verlag.

Ich hab bei meiner jetzigen Rückkehr zum Silber-Grusel-Krimi mal bewusst einen bestimmten Autorennamen ausgewählt und der ist nun mal Marcus Mongo.


Ausnahmsweise wurde dieses viel benutzte Pseudonym (mehr als 80 Romane im SGK) nicht hauptsächlich nur von einem, sondern von mehreren Autoren benutzt und einige Zuordnungen sind den „Aufklärern“ immer noch ein Rätsel.

Hier hat der vielseitige Theo Dombrowski, der für fast alle Anthogie-Gruselserien und nebenbei für Krimireihen und die berühmte „Rote Laterne“ schrieb, seine Finger auf der Tastatur gehabt und ich finde für mich, dass ich nicht schlecht blind gegriffen habe.

Generell ging man ja als junger unbefleckter (und unwissender) Leser in der seligen Teenagerzeit ziemlich gutgläubig an die Sache mit den Autorennamen. Die Sache mit den Pseudonymen war natürlich klar, aber man ging doch anfangs sehr vertrauensselig davon aus, dass eine bestimmte Autorennennung auch immer das Eigentum eines bestimmten Autoren war, auf dessen Schreibqualität man sich verlassen konnte. Erst die späteren Recherchearbeiten von fleißigen Lesern – speziell hatte ich meine ersten, noch vom Internet lange unbeleckten, Erfahrungen mit Dieter Hovens „Katalex“ aus dem Ersten Deutschen Fantasy Club e.V. gemacht, der die ganzen Daten noch innerhalb eines sammelwütigen Druckwerks zusammen fügte – machten mir unmissverständlich klar, wie willkürlich da mit den Nennungen umgegangen war und ein Autor durchaus unter 3-4 Pseudonymen in einer einzigen Serie reüssieren konnte.

Bei „Marcos Mongo“ fanden sich zwar einige Autoren wie Klaus Schmidt, Wolfgang Rahn oder Jürgen Duensing, aber viele Klarnamenpositionen waren noch unbesetzt und sogar heute noch wird über manche der Autoren spekuliert. Theo Dombrowski fand sich damals noch nicht in der Liste, aber ich kann jetzt schon mal versprechen, dass mindestens einer der drei MM-Romane jetzt noch unter ungeklärter Autorenschaft entstanden ist.

Die Richtung des Romans ist schon bei Titel und Covergestaltung klar, es geht um die selige Fremdenlegion und das sprach mich schon angesichts der Inflation von Romanen, die britischen (schottischen, irischen, nordirischen, englischen) Schlössern, Burgen und Ruinen spielen, enorm an, ein bisschen Exotik bringt Abwechslung ins Ganze.

Das Titelbild mit dem in Uniform auf einem Grab ausharrenden Skelett findet dann zwar keine Entsprechung im Roman und auch die lebenden Toten sind in ihrer traditionellen (Untoten)-Form hier leider abgängig, aber man nimmt auch gern das Prinzip „lebende Tote“ in Verbindung mit Geistern oder Spuk in Kauf, wenn das Umfeld ungewöhnlich ist.

„Legion der lebenden Toten“ hat mir – abgesehen von einem etwas stoppeligen Ende – eine Menge Lesespaß bereitet, was nicht zuletzt daran liegt, dass es sich eigentlich um einen klassischen Abenteuerroman mit etwas übernatürlichen Streuseln obendrauf handelt.

Nichts an diesem Roman ist wirklich gruselig, das Übernatürliche als Element ist sogar fast ausschließlich positiv besetzt und die wahren Monstren der Erzählung sind ausschließlich menschlicher Natur.

Weil die Implementierung des Übernatürlichen dann hier auch nicht den kompletten Plot bestimmt, rollt die Story sehr flott und flüssig voran und verursacht durchaus einigen Lesespaß, nicht zuletzt bevor es überhaupt mal zu etwas richtig Geisterhaftem kommt, ungefähr nach einem Drittel des gesamten Textes.

Die einzige Nickligkeit des Ganzen ist, dass der Roman ein Ende andeutet, wie es letztendlich gar nicht zustande kommt, was ich aber gern als minderen Makel bezeichnen würde, aber dazu gleich mehr.

Jetzt aber machen wir uns mal auf nach Algerien…

Legion der lebenden TotenMarschier oder stirb...oder mach gleich beides…
Nordafrika in den späten Fünfzigern oder um 1960 herum – der Konflikt zwischen den französischen Kolonialbesatzern und der algerischen Unabhängigkeitsbewegung tobt schon einige Jahre, doch die Fremdenlegion ist davon unbeleckt, sie reitet ihre eigenen Leute gern immer noch im Nationalstolz bis in den Wüstensand.

Schlechte Aussichten für einige Dutzend Verurteilte der „Legion“, die sich auf dem Kontinent so einiges zuschulden kommen lassen haben und eventuell auch im zweiten Weltkrieg nicht ganz so reinlich waren – einer von ihnen ist der in Leipzig geborene Jean Müller, der in der narrativen Klammer zu Beginn und Ende dann Hanns Breuer heißt.

Die Überfahrt nach Afrika auf einem alten Seelenverkäufer ist schon gut dazu angetan, die meisten dahin zu raffen und nun werden die Halbtoten auch noch in flirrender Hitze in irgendwelchen Baracken zwischengelagert.

Müller hilft einem kleinen Franzosen namens Pierre Soubrir, indem er ihn praktisch auf den Sammelplatz trägt, wofür der Franzose ihm sehr dankbar ist. Als jedoch auf der weiteren Reise ein neuer Konflikt aufflackert, rettet der Franzose umgekehrt den Deutschen. Der Preis ist hoch, denn gemeinsam mit ein paar anderen Männern werden sie separat zu der Wüstenfestung Mac-Mahon gebracht, wo der „Le Boucher“ genannte Menschenschinder Capitaine Cadir Rasseau ein mörderisches Regiment führt.

Auf der Fahrt hat Müller eine Vision, bei der er mit einem Beil auf einen fiesen Gegner losgeht, um diesen zu enthaupten, etwas, was ihm Soubrir später noch erklären will.

Dieser „Gegner“ entpuppt sich bei der Ankunft als Capitaine Rasseau, ein richtig mieser Schinder und Menschenverachter, der die fünf Neuen erst einmal zwecks Entlausung im Hof bis zu den Schultern im Boden eingraben und einen Tag grillen lässt. Neben Soubrir und Müller sind auch noch ein opportunistischer Sizilianer namens Catto, ein Araber namens Lasalle und ein bärenstarker Nubier namens Ral dabei.

Ral erweist sich als freundlich, vor allem weil Soubrir nach der Prozedur dem Tode sehr nahe ist und Jean sich ja um ihn kümmert. Soubrir erscheint Jean in einer weiteren Vision, in der er seinen nahen Tod ankündigt und einen Freundschaftsdienst zwecks Erlösung seiner Seele verlangt, sobald sein Racheplan durchgeführt ist.

Als Müller um medizinische Versorgung für Pierre bittet, wird er ausgepeitscht und zum Tode durch Erschießen verurteilt.

In der Zelle erzählt Pierre Jean dann, dass er eine Prozedur durchführen muss, damit Pierre auch nach seinem Tod Jean noch zur Seite stehen kann, ist er doch der Enkel eines „Saccutor“, eines „Dämons auf Zeit“, der verschiedene Dinge –  jeweils einmalig, im Schutz der Dunkelheit – als Geist möglich machen kann, damit aber der Verdammnis stets näher rückt.

Als Pierre stirbt, bleibt seine Seele in Jeans Nähe, der Rasseau zwecks Erlösung töten muss.

Indes hat der Araber namens Lasalle es aus dem Knast und in Rasseaus Gemächer geschafft, ist er doch ein Verbindungsmann zu den algerischen Separatisten, die von dem Capitaine 10.000 Schnellfeuergewehre schwarz für den Konflikt erwerben wollen. Rasseau hat ordentlich Dreck am Stecken, hat er doch schon einmal seine Leute im Stich gelassen, die Waffen vergraben und will jetzt noch einen schnellen Reibach machen und sich dann endgültig absetzen.

Zur bewährten Hinrichtungszeit wird Müller auf den Richtplatz geführt, kann aber seine Erschießung bis zum Einsetzen der Dunkelheit verzögern, indem er Pierres Leiche erst noch begraben lässt (sein letzter Wunsch).

Dann ist es soweit und Müller empfängt seine Salve, doch Pierres Geist bremst die Kugeln ab und stoppt sie dicht unter seiner Haut. Dann befreit er den Deutschen, indem er die Gitterstäbe durchlässig macht, der sich auftragsgemäß in Rasseaus Jeep versteckt.

Kurz darauf begibt sich Rasseau – ohne Lasalle, dafür mit seinem Corporal Lyen – auf eine nächtliche Fahrt, um seine Geschäftspartner in der Wüste zu treffen und den Handel perfekt zu machen. Lyen weiß nichts über das große Geschäft, sondern geht von normalem Schwarzhandel aus, doch Jean schleicht sich zu dem Treffen mit den Algeriern und erfährt, dass Rasseau nicht nur das Geld will, sondern auch gleich noch die Berberburg Mac-Mahon mitsamt den Gefangenen und seinen Untergebenen ausliefert.

Zurück in der Festung leitet Soubrirs Geist Jean zu den Zellen der Gefangenen, wo sie Ral befreien (und erst einmal überzeugen müssen, es nicht auch bei Jean mit einem Geist zu tun zu haben).

Weil der Tag anbricht, müssen Ral und Jean ohne Pierres Geist auskommen und überzeugen zunächst einmal Corporal Lyen von den finsteren Absichten seines Vorgesetzten.
Der wiederum lädt tatsächlich Besatzung und Gefangene zu einem kleinen Wüstenmarsch bei Tage ein, der alle in eine Falle locken soll, doch an einem Wadi offenbart sich Jean und das Komplott fliegt auf. Rasseau stürzt bei einem Handgemenge in seinen Säbel, der Hinterhalt wird ausgekontert und ein Waffenstillstand geschlossen.

Dann kehrt Jean schließlich nach Europa zurück, findet Frau und zeugt Kinder und errichtet schließlich Jahre später auf Pierres Grab ein Kreuz, womit sein Freund endgültig erlöst ist.

»Wart mal, ich hab schon wieder Sand im Schuh…!«
Wie man der – übrigens heute mal eher ernsthaft geschilderten, da weniger Ausfälle vorhanden – Inhaltsangabe entnehmen kann, ist das ein robustes Abenteuergeschichtchen, das allenfalls daran krankt, dass er die menschenverachtenden Möglichkeiten, die sich aus ihm ergeben, wegen der Jugendschutzrestriktionen nicht nutzen kann.

Von Opfern wird immer nur geredet, das Auspeitschen wird ausgeblendet, genauso wie der lachhafte Prozess, der Jean gemacht wird. Die härteste Übung ist da schon das Eingraben der Gefangenen bis zum Hals, wobei ich noch leicht zweifele, ob die Flöhe und Läuse an einem Nachmittag unter der Erde tatsächlich eingehen würden (Falls es da einen Fachmann gibt, bitte sehr…!)

Das übernatürliche Element wirkt wie Zuckerguss auf dieser schön dahin rollenden Verräterstory und dient eigentlich nur dazu, es Jean als Rächer ein wenig einfacher zu machen. Im entscheidenden Moment, also während der finalen Konfrontation in der Wüste, ist es Tag und Pierre ist damit nicht hörbar und nicht anwesend. Aber am Ende funktioniert ja auch die Überzeugungskraft von Worten, wobei das Ende des Menschenschlächters leider etwas wegwerfend behandelt wird, sein Tod wird praktisch in einem schnellen Nebensatz abgearbeitet.

Dabei fällt zusätzlich noch auf, dass sich der tatsächliche Todesfall schließlich durchaus von Jeans Vision vom Anfang des Romans unterscheidet, aber selbst Hellsichtigkeit von „Dämonen auf Zeit“ sind offenbar keine exakte Wissenschaft.

Pierres Herkunft als Druiden-Dämonen-Abkömmling zweieinhalbter Klasse ist dabei angenehm dezent eingebaut und kommt endlich mal ohne gehörnte Dämonen, Teufelsfratzen und ähnliches kalt flammendes Getier aus; man ergeht sich fast nur in umschreibenden Andeutungen und auch seine Taten (Gitter transparent machen, Kugeln abfangen, eine Klinge in der Luft schweben lassen) sind mehr so das klassische Unterstützerding aus der Dschinni-from-the-Bottle-Abteilung, was den märchenhaften Ansatz noch verstärkt.

Insgesamt hätte es also noch herber ausfallen können, drastischer oder eben realistischer ausgemalt, aber dennoch ist dieser Dünenreißer von hohem Unterhaltungswert, außer natürlich man wartet ständig nur darauf, dass sich das Nackenhaar aufstellt, was bei Romanheften sowieso nur alle paar Jahre mal gelingt.

Erfreulich übrigens, dass man das in einen tatsächlichen historischen Kontext eingebaut hat wie den Algerien-Konflikt und nicht in koloniale Schwarz-Weiß-Malerei verfiel – gerade der arabische Agent und Vermittler Lasalle ist die souveränste und raffinierteste Figur, die bis zum Schluss noch Rätsel aufgibt, während die Hauptfiguren klar kategorisiert werden können.

Also ein erfreulicher Einsieg in diesen Mongo-Dreiteiler von Dombroswki, auf den ich einen „Wolfgang Rahn“ folgen lassen werde – ein „Dreier“ ohne Ausfall wäre mir mal mehr als recht…

Kommentare  

#1 Toni 2017-02-21 12:45
Der gute Dieter. Er hat damals fest darauf bestanden, dass Morland keine Sinclairs geschrieben hat, obwohl Fritz da schon genauere Infos durchsickern ließ. Er wollte halt niemanden weh tun. Sein Katalex scheint da etwas ungenau zu sein :-)

Mit Schmidt und Rahn habe ich mal ein Interview für den Hexenhammer gemacht. Steht hier irgendwo unter "Fanzine Classics".

Übrigens wieder ein klasse Artikel und die Vorlage scheint diesmal einiges geboten zu haben.
#2 Cartwing 2017-02-21 20:41
Zitat:
Der gute Dieter. Er hat damals fest darauf bestanden, dass Morland keine Sinclairs geschrieben hat, obwohl Fritz da schon genauere Infos durchsickern ließ. Er wollte halt niemanden weh tun. Sein Katalex scheint da etwas ungenau zu sein :-)
du meinst, er wollte einer bestimmten Person nicht weh tun... ;-)
#3 Advok 2017-02-21 20:56
zu #1 Toni: Will ja nicht meckern, aber in meinem Katalex (EDFC e.V.) sind die Co-Autoren genannt ...
#4 Toni 2017-02-21 21:33
Das Fritz Tenkrat und andere mal einen Sinclair (der unteren Nummern) geschrieben hatten, war ja eigentlich auch keine große Sache bzw. großes Geheimnis. Einen Skandal hat das im Fandom (ca.500-1000 Leute) damals nicht ausgelöst. Rellergerd hats auch locker genommen.

IAdvok, ich kenne den Katalex gar nicht, aber wenn die Co-Autoren drin stehen ist doch alles super. Das Ungenau bezog sich auf die Mongos.
#5 Silvan Prefetzky 2017-02-26 18:39
Ich kann auch bestätigen, dass in dem Katalex, das ich besitze (von 1990), die Co-Autoren bei Sinclair schon alle genannt sind, aber bspw. bei Silber-Grusel-Krimi klaffen natürlich noch größere Lücken als heutzutage in einschlägigen Listen online (auch bei Zauberspiegel). Die Mongos sind aber auch heute noch nur zur Hälfte identifiziert.
#6 Toni 2017-03-05 16:12
Ups, da klingt mein Kommentar aber etwas zu hart. Keine Absicht... :-)
Mit Dieter, der damals auch zum harten Kern (Fanzine, Clubtreffen, Zeltcon usw.) gehörte, teile ich ein paar schöne Erinnerungen. Er ließ damals auf Sinclair nichts kommen und hatte für Helmut (Clubtreffen in Castrop-Rauxel) extra ein Lied geschrieben, welches wir mitsingen sollten. Zum Glück konnten wir ihn davon überzeugen es sein zu lassen. Deshalb wundert mich die Sache mit dem Katalex, der aber wohl ein famoses Ding ist.
Das noch nicht alle Pseudos geklärt sind, macht die Sache doch nur spannender.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles