HORROR EXPERT 20 – Das blutrünstige Aquarium
Das blutrünstige Aquarium
Was passiert?
Auf einer Kreuzfahrt mit der "Pharao" auf dem Suezkanal. Die hübsche Catherine Delandier begleitet ihre Mutter Ida. Sie hat sich in den smarten Alain verliebt. An Bord ist auch Monsieur Takim aus Birma (oder Myanmar, wie es heute heißt). Der Orientale trägt immer einen Turban mit Perle und ist offenbar hinter Catherine her. An einem Abend auf dem Weg zum Rendezvous mit Alain am Swimming Pool fängt Takim sie ab und prophezeit ihr, dass ihr Freund gefährlich ist und bald den Verstand verlieren wird. Catherine glaubt ihm kein Wort. Aber Alain verhält sich merkwürdig, er scheint im Pool eine verführerische Frau zu sehen, die er küssen will. Dann wird er von einem Tentakel unter Wasser gezogen. Entsetzt verliert Catherine das Bewusstsein. Dabei ist der Pool doch leer.
Ein Fall für den Geisterdetektiv Teddy Verano aus Paris, der zusammen mit seiner Frau an Bord ist. Denn Alain, der – was aber nur der Leser erfährt - anscheinend von einer unsichtbaren Sirene umgarnt wird, deren Küsse sich in brennenden Schmerz verwandeln – scheint wirklich den Verstand zu verlieren. Gewürgt von unsichtbaren Tentakeln brüllt er das Schiff zusammen und landet schließlich in der Gummizelle, während sich auf seiner Haut die Abdrücke befinden. In der Zwischenzeit bearbeitet Takim bereits Madame Delandier, murmelt etwas von okkulten Bedrohungen und wie falsch es doch wäre, wenn Catherine den verrückten Alain heiratet. Denn angeblich kann Takim in die Zukunft sehen.
Verano ist am Ball. Während seine Frau Madame Delandier und ihre Tochter beruhigt, verfolgt er die Geschehnisse an Bord. Ein Unbekannter befreit Alain aus seiner Zelle. Verano verfolgt die Männer in den Frachtraum. Dort machen sie sich an einer Kiste zu schaffen, die offenbar Takim gehört. Verano öffnet sie später und entdeckt eine nackte Schönheit in einem mit Wasser gefüllten Sarg. Sie schläft. Ist das die Sirene, die Alain in den Wahnsinn treibt? Verano entdeckt an der Stirn der Fremden eine kostbare Perle an einem Reif; die Perle ähnelt der Perle an Takims Turban. Der Geisterdetektiv kann sich nur mühsam der Anziehung der Frau entziehen. Er verschließt den Wassersarg wieder.
An Bord bricht Panik aus, als der Ausbruch von Alain bekannt wird. Alain ist unauffindbar. Um ihn zu schützen, setzt Verano das Gerücht in die Welt, er sei über Bord gegangen. Nach dem Anlegen bleibt Alain verschwunden. Prompt wird Catherine in Takims Villa in Monaco eingeladen.
Der Besitz ist luxuriös und voller Merkwürdigkeiten. Da sind die halbnackten, maskierten Diener, die wie Zombies umhergehen, da ist Takims Turban mit der Perle, die sie zu hypnotisieren scheint, während sie auf der Terrasse ihren Aperitif nehmen. Takim zeigt ihr stolz sein Domizil. Im Keller stehen riesige Aquarien. In einem hockt ein monströser Tintenfisch, ein riesiges Ungeheuer, das Catherine in Angst und Schrecken versetzt. In einem anderen liegt eine schlafende nackte Schönheit – die Frau vom Schiff. Im letzten Raum liegt ein Vermögen an Perlen, die auf seltsame Weise angeordnet sind. Catherine drohen die Sinne zu schwinden. Aber dann erlebt sie, wie einer der stummen Diener Takim verärgert; es kommt zu einer Rangelei. Er soll dem Kraken zum Fraß vorgeworfen werden. Ist es ihr Schatz Alain?
Bevor sie erlebt, was der Krake mit ihm macht, wacht sie wieder auf der Terrasse auf. War alles nur ein Traum? Takim erklärt ihr, dass die Perlen zu Dreiecken angeordnet sind, die magische Zonen bilden und das Bewusstsein beeinflussen können. Offenbar hat Catherine alles nur geträumt. Bereitwillig zeigt ihr Takim erneut die Aquarien. Dort ist nichts mehr von dem Kampf zu sehen. Es ist auch kein Diener verschwunden. Verwirrt fährt Catherine nach Hause.
Der von Mutter Delandier herbeigerufene Verano trifft ein. Nur mit Revolver und Taschenlampe bewaffnet dringt er in die Villa ein. Er überwältigt einen der Diener und schnüffelt bei den Aquarien herum. Nur die Sirene findet er nicht in ihrem Tank. Aber die steht plötzlich vor ihm. Ihre Ausstrahlung droht ihn zu überwältigen. Verano kann die Beeinflussung mühsam abschütteln. Einer Eingebung zufolge entreißt er ihr die Perle auf der Stirn und zerstört sie. Aus dem Konzept gebracht betätigt sich die Schöne nun als Takims Sprechrohr und fordert den Detektiv zur Aufgabe auf. Dann stürzen sich die Diener auf Verano und überwältigen ihn. Man sperrt ihn in eine enge Zelle über dem Krakenaquarium. Dort befindet sich auch der verschollene Alain.
Zur gleichen Zeit bekommt Ida Delandier mit, wie sich ihre Tochter in eine Marionette verwandelt und geht. Sie steckt eine Pistole ein und folgt ihr zu Takim.
Verano und Alain schauen durch den durchsichtigen Boden zu dem Kraken hinunter und erklären den Plot. Takim hypnotisiert Menschen mit Hilfe der Perlen und kann ihnen Visionen einflößen. Darum glaubte Alain, abwechselnd von der Sirene und von dem Kraken traktiert worden zu sein. Da klappt die Hälfte des Bodens herunter, und Takim befiehlt beiden Männern, miteinander zu kämpfen. Einer wird den anderen dem Kraken zum Fraß vorwerfen. Hypnotisiert stürzen sich die beiden aufeinander.
Catherine trifft ein. Aber Takim hat nicht mit ihrer Mutter gerechnet. Und Verano hat mit seiner Zerstörung der Perle der Frau seine magischen Kräfte gestört. Takims Perle, die schöne Nackte und die Perlen im Keller bildeten ein magisches Dreieck. Takim will gerade Catherine eine seiner Perlen anlegen, als die Sirene erwacht. Die nun wieder ganz normale Frau hat ihre Identität wiedergefunden und geht auf den Magier los. Bei der Rangelei reißt sie ihm den Turban mit seiner Perle vom Kopf. Seiner Macht beraubt, ergreift Takim die Flucht, als Madame Delandier ihre Pistole zieht. Die Frauen verfolgen ihn ins Aquarium. Dort sehen sie Verano und Alain, die gerade ihre Beeinflussung abgeschüttelt haben. Takim will sie ins Becken stürzen. Madame Delandier zerschießt das Aquarium. Der Krake landet auf Takim und erstickt ihn. Catherine und Alain haben sich gefunden. Und Teddy Verano hat wieder einen Fall gelöst..
Nach den britischen Geisterdetektiven des Vormonats präsentiert der Luther-Verlag hier einen der Romane um den französischen Geisterdetektiv Teddy Verano von Maurice Limat (1914-2002), der wie die anderen französischen Beiträge der Reihe ursprünglich der Phantastikreihe "Angoisse" des Verlags Fleuve noir entstammte. Limat zählte ebenfalls zu den Eckpfeilern von FN. Der Autor von über 500 Romanen schrieb mehr als 50 Bücher für die SF-Reihe "Anticipation" und 33 Romane für "Angoisse", wo er ab 1961 mitarbeitete. Worum geht es?
Aber zu der Zeit war er bereits 47 und ein etablierter Unterhaltungsschriftsteller. Wie er in einer kurzen autobiografischen Notiz beschrieb, verkaufte er seinen ersten Roman mit 20 Jahren. "L'Aéronef C-3" (Flugzeug C-3) erschien 1936 im Verlag Ferenczi. Da war Limat gerade zum Militär eingezogen. Zu der Zeit startete Ferenczi seine neue Reihe "Le Petit Roman d'Aventure", Erzählungen von Novellenlänge auf 32 Seiten. Limat verkaufte 20 Erzählungen an den Verlag, oft futuristisch angehauchte Abenteuerromane.
Nach dem Militärdienst versuchte er sein Glück als Journalist und Autor. Aber der Krieg beendete diese Karriere vorerst. Als Gefangener landete er in Koblenz in einem Krankenhaus, wo er als Pfleger arbeitete. Nach seiner Heimkehr noch im Krieg schrieb er weiter. Ferenczi brauchte Material für ungefähr ein Dutzend Reihen. Aber nach dem Krieg änderten sich der Geschmack der Käufer und der Markt, das Familienunternehmen konnte nach dem Tod von Henri Ferenczi 1964 nur noch zwei Jahre bestehen.
Limat arbeitete schon während des Kriegs für andere Verleger wie Nicea, wo er diverse Serien produzierte wie "Capitaine Corsaire", eine Piratengeschichte. Aber das Honorar war niedrig, nur 3500 Francs im Vergleich zu den 5000, die er anderswo bekam. 5000 Francs müssen 1945 ungefähr ca. 43 US-Dollar gewesen sein. Nach dem Krieg arbeitete er für den Verlag "S.E.G", wo er unter anderem für die Magazinserie "Service Secret" 65 Episoden schrieb. Danach kam er 1959 zu Fleuve noir, der Verlag beschäftigte ihn 28 Jahre lang als Autor. Zuerst ging der Vertrag über 5 Romane im Jahr. Neben den SF-Romanen schrieb Limat für "Angoisse", wo er hauptsächlich Abenteuer seines Geisterdetektivs Teddy Verano verfasste. 1987 ging er mit 73 Jahren in den Ruhestand. Es war wieder eine Zeit des Umbruchs, bei Fleuve noir kam es zu Veränderungen, man wollte neue Autoren, und Limat erkannte wohl, dass seine Zeit vorbei war.
In seinen SF-Romanen ging es hauptsächlich um eine Serie: die "Martervenux"-Konföderation. Dazu gehören neben Mars und Venus die Erde. Man erforscht die Galaxis und erlebt Abenteuer. Angeblich haben die Romane eine gewisse Ähnlichkeit mit Jack Vance, die wiederkehrenden Helden sind der Telepath Chevalier Coqdor (33 Bände), der Polizist Robin Muscat (8 Bände) und der Testpilot Luc Delta. Gemeinsam oder allein untersuchen sie kosmische Phänomene, die wenig mit den bekannten Naturgesetzen zu tun haben: eine Sonne aus Eis, ein geheimnisvoller weißer Lichtstrahl am Rand des Universums und dergleichen mehr. Aber es gibt auch viele in sich abgeschlossene Romane oder Kurzserien, wie die beiden Bände um den Sträfling Kervin alias "Luxman", der auf dem elektrischen Stuhl zufällig in den "Mann aus Licht" verwandelt und zur Venus geschickt wird. Dort entdeckt er zwei Zivilisationen, die in einem endlosen Sturm leben. Von diesen Büchern hat es keines nach Deutschland geschafft.
Bei "Angoisse" erschienen neben Einzelromanen wie "Le Manchot" (Die Hand des Würgers, in Deutschland bei Pabel VHR 36) hauptsächlich eine Serie, die Romane um den Geisterdetektiv Teddy Verano. Die wurde seltsamerweise nie als Serie vermarktet. Allerdings gab es eine Art Unterserie aus dem Verano-Universum. "Mephista" umfasst insgesamt 13 Romane, dort spielt der rührige Detektiv mal mehr und mal weniger die Hauptrolle; im Mittelpunkt steht die Figur Mephista, eine Art böser Geist, der sich immer mal wieder in zwei Schauspielerinnen materialisiert. Der Luther-Verlag in seiner üblichen Gleichgültigkeit hat einen Mephista-Roman in der Schwesterreihe "Top Grusel&Horror-Krimi" veröffentlicht. "Der zärtliche Tod", TG&HK 13.
Einige der Romane dieser zeitgleich erschienenen Luther-Reihe gehören eigentlich in die Artikelreihe über den Horror expert. Von den 18 Ausgaben von TG&HK stammen immerhin 4 oder 5 von "Angoisse". Limats "Mephista" ist vom Konzept her durchaus reizvoll und originell, daher wird nach Abschluss der Horror expert-Reihe noch ein Artikel über Limats Serie in der Serie erscheinen.
Auch die literarische Geschichte von Teddy Verano beschränkt sich keineswegs auf "Angoisse", sie wird daher im nächsten Beitrag "Horror expert 21" mit einer ausführlichen Übersicht über die Serie fortgeführt.
"L'Aquarium de Sang" war der zehnte Verano bei "Angoisse". Und es ist ein ziemlich typischer Limat, mit all seinen Stärken und Schwächen. Da sind einmal die ständigen nervigen Perspektivewechsel häufig auf derselben Seite, die so oft die Spannung untergraben, der behäbige Stil und die gestelzten Dialoge. Das Letztere mag auch der Übersetzung geschuldet sein, aber Limats Dialog liest sich selten flüssig oder gar mitreißend. Als Autor ist er gewöhnungsbedürftig, und das dürfte auch schon 1972 der Fall gewesen sein. Vor allem verglichen mit den geradlinigen, auf Action bedachten Reißern der angloamerikanischen Autoren kommen einem seine Erzählungen sehr langsam und plüschig vor.
Aber seine Geschichten sind vom Plot her oft ausgesprochen originell und haben überraschende Wendungen. Das gilt teilweise auch für das "blutrünstige Aquarium". Es gibt vieles, das zu gefallen weiß. Und bis zu einem gewissen Punkt ist es durchaus stimmungsvoll und atmosphärisch.
Leider reicht das in diesem Fall nicht, denn nachdem sich die Handlung vom Schiff verlagert, wird alles ziemlich albern. Die Geschichte vom finsteren orientalischen Hypnotiseur, der mit seinen Machenschaften die süße Catherine in die Fänge bekommen will, mag vielleicht 1967 noch halbwegs funktioniert haben, heute ist es letztlich Blödsinn.
Nur eben kein vergnüglicher Blödsinn, sondern langweiliger Blödsinn. Takim bleibt so ein armseliger Mandrake-Verschnitt, und der ach so böse Plan hätte so schön funktioniert, hätten sich da nicht die verfluchten Kids eingemischt und alles nur als Schwindel entlarvt. Scooby Doo lässt grüßen. Die wirre Auflösung ist auch nicht gerade hilfreich.
Kennt man andere Verano-Romane, ist es zwar keine Überraschung, dass der Held nicht besonders aktiv ist und eigentlich von anderen – mal wieder – gerettet werden muss. Limats "Angoisse"-Beiträge bestehen hauptsächlich aus sanftem Grusel und verhaltener Action, aber wenn der Leser wie hier nur wenig mit Kraken und Hypnose anfangen kann, dürfte sich der Unterhaltungswert in Grenzen gehalten haben. Da hilft es auch nicht, dass das Ehepaar Verano sympathisch als Helfer in der Not ist und in der Handlung immer mal wieder eine gewisse Pfiffigkeit auftaucht.
Auf die Vorschau für den nächsten Band verzichtet Luther mal wieder, dafür wird kräftig Werbung für die anderen Reihen des Verlags gemacht. Davon gab es mittlerweile 5 Stück. Und die meisten näherten sich bereits langsam der Einstellung, um Platz für den Erber Grusel-Krimi und Dr. Morton zu machen.
Nachdem man die akribische Auflistung der Bilderquelle im letzten HE so ausdrücklich gelobt hat, ist schon im Folgemonat nichts mehr davon zu finden. Wieder gibt es ein Filmfoto, aber wer das eher frierend als ängstlich aussehende Mädchen mit Arm-BH ist und aus welchem Filmmeisterwerk es stammt, bleibt unbekannt.
Es könnte sich wieder um ein Bild aus "Junge Ausreißerinnen" handeln, aber man weiß es nicht, und die Schauspielerin hat auch leider nicht den Bekanntheitsgrad anderer deutscher Softsex-Ikonen, um für einen Aha-Effekt zu sorgen. Für das Produkt Gruselroman ist es natürlich ein völlig beliebiges Bild.
Das Original
- Vorworte von Jean-Marc Lofficier, erschienen bei Black Coat Press
- "Der Mann von Millionen Worten" von Maurice Limat
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