Die lange Wiedergeburt eines Unsterblichen - Ein paar Worte zur Neuveröffentlichung von Wagners »Kane«
Die lange Wiedergeburt eines Unsterblichen
Ein paar Worte zur Neuveröffentlichung von Wagners »Kane«
Neben Robert E. Howards CONAN und Michael Moorcocks ELRIC ist der von einem wahnsinnigen Gott zur Unsterblichkeit und ewigen ruhelosen Wahnderschaft verfluchte KANE die dritte zeitlose Heldengestalt, die das Genre maßgeblich geprägt hat. Und wie!
Die Klappentexte der beiden fetten Bastei-Lübbe-Sammelbände "Das Buch Kane" (April 1989) und "Kane, der Verfluchte" (Juni 1989) treffen die beinahe lovecraft-düstere Atmosphäre der KANE-Romane und Erzählungen schon richtig gut:
"Wie ein Schatten des Bösen zog sich seine dunkle Spur durch die Jahrhunderte - eine Legende aus der tiefsten Nacht der Vorvergangenheit, eine Gestalt von urtümlicher Kraft und unbändigem Willen. Krieger. Magier. Mörder. Ein Mann, wie es ihn nur in den Mythen alter Zeiten gab.
Doch Kane lebt..."
"Es war eine Zeit reich an Zauberern und Adepten dunkler Künste, doch einer unter ihnen war der größte. Es war eine Zeit der Krieger und Schwertkämpfer, doch einer war stärker als alle. Seine mächtige Gestalt wirkte wie ein Relikt aus grauer Vorzeit. Sein Haar war rot wie das Blut seiner Feinde. Und in seinen blauen Augen brannte unauslöschlich ein alles verzehrendes Feuer. Das Zeichen des Kane. Des Unsterblichen. Des Verfluchten."
Tja. Ganz klar: Michael Görden, damals Redakteur der Bastei-Fantasy-Reihe, heute aufgrund unzähliger Veröffentlichungen längst als Spezialist für Phantastische Literatur anerkannt, war nicht nur einer, der wusste, was bei den Genre-Freaks ankam, er mochte den unsterblichen Kämpen auch und setzte sich im Rahmen des bei Bastei Möglichen für ihn ein.
Schnitt.
Dreiunddreißig Jahre später führen ein gewisser Hannes Riffel, heute Herausgeber der TOR-Reihe bei Fischer, damals mit der Gründung des Golkonda Verlags auf dem wagemutigen Sprung vom verdienstvollen Übersetzer und Buchhändler ins Kleinverlegerdasein, und der Verfasser dieser Zeilen einen Schriftverkehr, der sich vorrangig um Joe Lansdale dreht ... Bis Hannes auf die in grauer Vorzeit bei Bastei veröffentlichten Abenteuer eines gewissen Unsterblichen zu sprechen kommt. Und bis mir nix anderes übrig bleibt, als meine beständige Begeisterung für ebendiesen ebenfalls zu outen - und außerdem (!), dass ich unter meinem Geburtsnamen die beiden KANE-Romane "Herrin der Schatten" (Darkness Weaves) und "Der Blutstein" (Bloodstone) 1979 und 1980 für die Erstausgabe in der Bastei-Lübbe-Fantasy-Reihe ins Deutsche übertragen hatte.
Nicht, weil ich damals jünger war und das üppige Bastei-Übersetzer-Honorar brauchen konnte, nein. Weil ich für diesen Stoff eine Begeisterung spürte, wie selten davor. Ich ging dieses Projekt als Fan an, was für einen Schwaben wirklich eine ganze Menge heißt. Aber - zu der Zeit kannte ich den Text längst im Original und fand ihn um einiges besser fand als den m.E. nach eher eindimensionalen CONAN des schwulen und am Tod der eigenen Mutter verzweifelnden Robert E. Howard.
Michael Görden (Zwinker, siehe oben) ist also an allem schuld.
Er hat mich 1979 mit dem Angebot von Droemer-Knaur weggelockt (für den ich bis dahin Titel von John Brunner und Philip José Farmer übersetzt hatte), K.E. Wagners deutsche Stimme werden zu können, falls ...
Na ja. Nach langer Zeit, also etwa einer Mikrosekunde, gestand ich ihm (also Michael Görden), dass ich schon für Bastei arbeite - halt als Autor, unter anderem für DAMONA KING, und dass ich natürlich (!) K.E. Wagners deutsche Stimme sein wolle! So kam Karl Edward Wagners KANE also zu mir und insgesamt eins zum anderen. Einen Satz, den man sich merken sollte. Die kleine Abschweifung birgt noch eine zweite Pointe, später. Nur so ein Tipp für (Text-)Überflieger.
Jedenfalls! Man kann sich also vorstellen, dass mein dunkles Herz ein paar Takte schneller tickert, als Hannes Riffel in einer seiner nächsten Mails flugs auf die Übersetzungsnutzungsrechte von "Herrin der Schatten" und "Der Blutstein (Bloodstone)" zu sprechen kommt. Im August oder September 2012 war das. Da beide, Verleger und Übersetzer, sich alsbald als Fans des dunklen Helden in wilden Plänen bezüglich einer endlich angemessen ultimativen deutschen Wagner`schen KANE-Ausgabe wiederfanden und sich auch sonst mochten, wurde man sich auch einig bezüglich des Millionen-Salärs, das der Übersetzer im Tausch für die Nutzungsrechte erhalten sollte. Selbst eine Lansdale-Übersetzung (für "Lost Echoes = dt. "Blutiges Echo", VÖ 2013) original für Hannes und Golkonda war vertraglich unter Dach und Fach; musste vom Übersetzer jedoch zurückgegeben werden, weil der Golkonda-Ablieferungstermin gar zu sehr auf Konfrontationskurs mit anderen blieferungsterminen lag, leider.
Doch die KANE-Pläne werden konkreter: Bei Golkonda sollte die KANE-Saga erstmals ungekürzt und, anders als dereinst bei Bastei-Lübbe, in chronologisch richtiger Folge auf Deutsch veröffentlicht werden, und das in rascher Folge und in hochwertigen Paperbacks mit Klappenbroschur.
Ende September 2012 haben wir den Vertrag feierlich unterschrieben.
Als Band 1 ist vorgesehen: "Der Blutstein". Als Band 2: "Kreuzzug des Bösen" (Ins Deutsche übertragen von, ähem, siehe oben, Michael Görden) . Als Band 3: "Herrin der Schatten".
Die Satzfahnen von Band 1 durchgesehen und bearbeitet habe ich in der Zeit vom 01. bis 04.09. und vom 16. bis 28.09.2013, im Urlaub. Ende September 2013 habe ich abgeliefert und frohen Mutes auf die Reinkarnation KANES im Paperback mit Klappenbroschur geharrt. Die kam nicht. Von Hannes kam nach einer hochzufriedenen und begeisterten Empfangs-Bestätigung: Stille. Die Zeit, sie zog ins Land, und KANES deutsche Stimme ...? Die machte sich eine von KANES herausstechendsten Tugenden zu eigen: die des geduldigen Lauerns. Unsterbliche unter sich, sozusagen.
Anfang 2014 war es so weit: KANE: "Der Blutstein" wurde veröffentlicht. Genauso toll gemacht, wie in den rauschhaften Planspielen angedacht. Nur, leider, mit einem Titelbild (von Tom Edwards), das zu allem passte, nur nicht zu " ... einem Krieger. Magier. Mörder. Einem Mann, wie es ihn nur in den Mythen alter Zeiten gab ..."
Dann zog sie wieder ins Land, die Zeit. KANES deutsche Stimme hörte munkeln, Hannes Riffel habe seine Anteile am zwischenzeitlich vom Kleinverlag zur stattlichen GmbH gewachsenen Golkonda Verlag "verscherbelt" (tja, so redet man im Business) und sei zu einem "richtigen" Verlag gewechselt, als mit hohem Rang und noch höheren Würden ausgestatteter Herausgeber. Dann wieder hörte sie munkeln, mit Golkonda gehe es abwärts ... und überhaupt: die Veröffentlichung von KANE Band 2: "Kreuzzug des Bösen" verzögere sich wegen Terminproblemen des bearbeitenden Übersetzers Görden ... und so weiter. Es kam jedenfalls dieser zweite Band weder 2014 noch 2015 in den Handel; aber den Golkonda Verlag gab es glücklicherweise immer noch, und, noch viel besser, es wurden von Golkonda Werke publiziert, die ihm - zu Recht! - einen sehr, sehr guten Ruf einbrachten. Auf die Verlags-Homepage surfen (und via örtlichem Buchhandel bestellen) lohnt immer!
Aber. Um das alles hier nicht zu überdehnen:
Schnitt.
Es kamen und gingen Jahre, da KANES deutsche Stimme nach Ablieferung der ELFENSEELE-Übersetzungen an den Loewe Verlag Kurt Tucholskys Rat "Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön" mit neuem Elan befolgte und keine Zeit und Lust mehr verspürte, "den Mythen alter Zeiten" nachzuhängen ... oder gar zum geduldig Lauern.
"Doch Kane lebte..."
2016 brachte die Golkonda Verlag GmbH in einem Überraschungsschlag den zweiten KANE-Band "Kreuzzug des Bösen" heraus. KANES deutsche Stimme verschlug es kurzzeitig die Sprache.
Und nach der mittlerweile üblichen Pause von zwei Jährchen (ein Klacks für uns Unsterblichen) wurde schon im Frühjahreskatalog 2018 schließlich der dritte und abschließende KANE-Band angekündigt: "Herrin der Schatten".
Der März 2018 kam und ging.
KANE: "Herrin der Schatten" wurde für Juni 2018 angekündigt.
Der Juni 2018 kam und ging.
Beim Blick in diesen oder jenen Spiegel dämmerte es KANES deutscher Stimme so langsam, was es mit dem "alles verzehrenden Feuers in Kanes blauen Augen" auf sich haben könnte.
Und dann - Überraschungsschlag Zwo! - materialisierte KANE III: "Herrin der Schatten" ab 03. August 2018 plötzlich im Buchhandel und sogar bei Amazon & Co.
Alles ist gut. Rund sechs Jahre nach dem begeisterten Pläneschmieden zweier KANE-Fans liegt die ultimative KANE-Ausgabe bei Golkonda in deutscher Sprache komplett vor. Im hochwertigen Paperback, Klappenbroschur. Liebevoll "gemacht", obwohl Golkonda seit 1. April 2017 Imprint des Europa Verlags ist. Selbst an die Cover von Tom Edwards konnte man sich im Verlauf der vier seit Veröffentlichung des ersten KANE-Romans gewöhnen. Nun, da alle drei Bände vorliegen, sieht man auch, dass sie, nebeneinander gelegt, ein großes ganzes Bild ergeben. Es passt nach Meinung von KANES deutscher Stimme noch immer nicht zu KANE. Aber ... hey! Leute! Es ist ein weiteres Detail, das die liebevolle Herangehensweise an die Publikation dieser Edition dokumentiert, wobei ich mich soeben frage, ob man im Zusammenhang mit diesem düsteren Kerl überhaupt ein Wort wie "lievevoll" verwenden darf. Ich entscheide mich hiermit für: YEP. Darf man. Und schließe mit der Feststellung: Von dem mit Ruhm und Verantwortung behäuften Fischer-Herausgeber und KANE-Fan Hannes Riffel hat KANES deutsche Stimme seit "damals" nie wieder ein persönliches Piepschen zu lesen bekommen.
ABER - und damit zur weiter oben versprochenen Pointe: Michael Görden, vor neununddreißig Jahren Redakteur der Reihe Bastei-Lübbe-Fantasy ... Derjenige, der den Verfasser dieser Zeilen 1979 lockte, KANES deutsche Stimme werden zu können (und außerdem einige Romanprojekte mit selbigem realisierte) ... Dieser Michael Görden ist heute Verleger des Golkonda Verlags und damit auch Verleger von Karl Edward Wagners KANE.
Schnitt. Und Abspann.
Kommentare
Ich suche gerne im Ebay nach beendeten Auktionen und klicke dann auf die tatsächlich verkauften.
Und hier ist bei KANE der Abstand doch recht hoch (75 beendet/13 davon verkauft)
Also ist der Erfolg ziemlich bescheiden.
Aber dennoch: Es handelt sich um einfach geile Fantasy. Hier geht es noch richtig los. Anders als die heutigen langatmigen Epen.
Sind diese Texte - oder überhaupt die Kurzgeschichten - in die Golkonda-Edition aufgenommen worden? Aus den Vorschautexten bzw. den Amazon-Rezensionen werde ich nicht schlau; diese (ebenso wie obiger Artikel) scheinen nur auf die drei Romane zu verweisen.
Nein. Carsten Kuhr in seiner Besprechung zu Band 3 der Golkonda-Reihe: "(...) Mit vorliegendem Band wird die Reihe zunächst abgeschlossen. Ob die beiden Novellen-Bände mit kürzen Texten um Kane noch erscheinen wird, ist bislang unbekannt, wäre aber sicherlich wünschenswert. (...)"
OK. Die hätte ich gekauft. Das hat G. vergeigt.
Wer baut denn per Werbung einen Kultautor auf und kneift dann nach der Hälfte die Backen zusammen? Mal abgesehen davon, dass es ohnehin einige hübsche Wagner-Story-Sammlungen gibt, die es bisher nicht in die dt. Sprache geschafft haben und im Sog gut hätten mitschwimmen können.
Jo, ich meine, meine Baustelle sind die Romane wahrscheinlich eh nicht wirklich. Aber was die Cover/Titelbilder angeht, wirken die eher abschreckend als neugierig machend. Da sahen die Cover von Bastei schon wie ich oben sehen kann, glatt um Welten besser aus. Wenn man die Bände allerdings noch relativ leicht über Ebay an Land ziehen kann und in den Bänden von Golkonda trotzdem noch so einiges fehlt, was die Bücher für Interessierte wirklich aufgewertet hätte, dann frage ich mich schon, warum man sich die Mühe einer weiteren Veröffentlichung überhaupt gemacht hat?
Ich hatte das Glück und konnte seinerzeit sowohl die beiden Nightshade-Sammlungen mit dem Kane-Material als auch die beiden Centipede-Bände mit den Horror-Stories bekommen.
Das sind 4 in Deutschland unveröffentlichte Kane-Kurzgeschichten (die alle m.E. nicht wirklich gut sind) und ca 30 unveröffentlichte Horrorstories. Das würde sich schon lohnen.
Die Titelbilder von Centipede sind auch nicht der Hit, eher im Gegenteil, aber Nightshade hat sich immerhin Ken Kelly geleistet.
Dem Unsterblichen schlägt zwar keine Stunde, mir dagegen allerdings schon.
Daß nur die Romane erscheinen ist schade. Denn zum "Kreuzzug des Bösen" gehört m.E. auch die Geschichte "Spiegelbild für den Winter meiner Seele". In dieser Geschichte erfährt der Leser, wie Kane mit dem Sektenführer aus "Kreuzzug" abgerechnet hat. Das ist allerdings nicht Hauptbestandteil der Geschichte, sondern nur eine Rückerinnerung Kanes.
Wünschen würde ich mir eine edel gestaltete Veröffentlichung der Kane-Stories nebst allen Horror-Stories von Wagner in der "Edition Phantasia". Aber das wird wohl ein Wunschtraum bleiben.