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Heyne Science Fiction Classics 38 - Otto Willi Gail

Heyne Science Fiction ClassicsDie Heyne Science Fiction Classics
Folge 38: Otto Willi Gail
Der Schuß ins All & Der Stein vom Mond

Von den sechziger bis Anfang der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erschienen als Subreihe der Heyne Science-Fiction-Taschenbücher mehr als hundert Titel unter dem Logo „Heyne Science Fiction Classics“. Diese Romane und Kurzgeschichten werden in der vorliegenden Artikelreihe vorgestellt und daraufhin untersucht, ob die Bezeichnung als Klassiker gerechtfertigt ist.

Heyne Science Fiction ClassicsBereits in Folge 31 dieser Artikelreihe wurde mit Konstantin E. Ciolkowskij ein Pionier der Weltraumfahrt vorgestellt. Der Autor, um dessen Werk es heute geht, war zwar selbst keiner, trug aber mit seinen Schriften wesentlich dabei, den Gedanken der Raumfahrt in deutschen Landen zu popularisieren. Otto Willi Gail (1896 – 1956) wuchs im fränkischen Gunzenhausen auf und studierte Elektrotechnik und Physik in München. Anschließend arbeitete er als Journalist für Zeitungen und den Rundfunk. Er begeisterte sich für die Raumfahrt und war vom Werk des deutschen Raketenpioniers Hermann Oberth Die Rakete zu den Planetenräumen (1923) so angetan, dass er beschloss, mit einem Roman zu diesem Thema das Thema weiter zu popularisieren. Gail war auch mit Max Valier in Kontakt, der mit Versuchen mit Raketenautos Aufsehen erregte, bevor er 1930 bei einem seiner Versuche einem Unfall zum Opfer fiel. Gail zog Valier bei den kosmisch-technischen Fragen seiner Romane zu Rate. 1925 erschien mit Der Schuß ins All Gails erstes Weltraumbuch, dem mit Der Stein vom Mond (1926) und Hans Hardts Mondfahrt (1928) bald zwei weitere Romane folgten. 1928 veröffentlichte Gail auch das Sachbuch Mit Raketenkraft ins Weltenall. Gails Bücher wurden in etliche Fremdsprachen übersetzt. Durch seine Kenntnisse des zur damaligen Zeit aktuellen Stands der Forschung gelang es Gail, dem Publikum die Weltraumfahrt als realistisch verwirklichbar näherzubringen. Insoweit war er beispielsweise Hans Dominik weit überlegen, der von den existierenden Überlegungen zur Weltraumfahrt wenig Ahnung hatte und bei seinen eigenen Werken, welche dieses Thema adressierten, beispielsweise Treibstoff SR (1940, später auch als Flug in den Weltraum publiziert) weit weg von tatsächlicher verwendbarer Technologie war.

Heyne Science Fiction ClassicsIn den rumänischen Karpathen tut sich Unerhörtes. Die Einheimischen glauben beinahe, dass der Leibhaftige aktiv ist. Es entstehen geheimnisvolle Gebäude, und eine Rampe strebt dem Himmel empor. Das Gelände dient als Bahnhof für das erste Mondraumschiff der Menschheit! Der russische Forscher Suchinow, der Erbauer der Anlagen, bekommt Besuch. Es ist der Magnat Vacarescu, der riesige Finanzmittel locker machen kann und für die endgültige Finanzierung des Projektes sorgt. Bald passiert das vorher Undenkbare, und das Raumschiff startet mit dem Ingenieur Skoryna als Piloten ins All. Unmittelbar nach dem Start wird die ganze Welt mittels einer Depesche auf die Sensation aufmerksam gemacht, verbunden mit der Bitte, das Raumschiff zu beobachten.

In Deutschland schlägt diese Nachricht bei August Korf, einem Wissenschaftler, der ebenfalls an Raketenkonstruktionen arbeitet, wie eine Bombe ein. Ein Brand hat vor Monaten seine Laboratorien schwer beschädigt und ihn weit zurückgeworfen. Ist er im Wettlauf ums All dadurch zu spät gekommen? Korf rechnet nach und stellt fest, dass das gestartete Raumschiff die notwendige Geschwindigkeit nicht erreicht hat, um vom Mond zur Erde zurückkehren zu können. Dies könnte nur durch Korfs neue Erfindung geschehen, der Kombination verschiedener Treibstoffe, darunter Alkohol, Wasserstoff und auch Atomkraft. Korf startet eine riesige Sammelaktion, um das notwendige Kapital aufzubringen, damit er sein Raumschiff fertigbauen und eine Rettungsexpedition für den im Weltraum gefangenen Raumfahrer starten kann. Das Raumschiff soll aber in nationaler Hand bleiben:

„Onkel Sam – lieber vernichte ich meine neue Erfindung, als daß auch diese Sache wieder ins Ausland wandert. Ist es nicht genug, daß – im Falle eines neuen Weltkrieges – die Amerikaner uns mit unseren eigenen Z-Kreuzern bedrohen, die Japaner mit unseren Krupp-Schiffsgeschützen die Meere beherrschen und die Franzosen mit unseren Saarkohlen Stahl erzeugen? Wirklich – das Ausland ist gerüstet mit unseren eigenen Waffen, um nach Belieben über uns herfallen zu können, sobald sich ein Anlaß dazu bietet. Nein, Onkel, mein Raumschiff muß und wird eine deutsche Nationalangelegenheit bleiben.“

(Zitiert aus: Otto Willi Gail: Der Schuß ins All. München 1979, Heyne SF 3685, S.33)

Die hier gezeigte Denkhaltung ist für die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland herrschende Stimmung typisch. Man musste kein Nazi sein, um so zu denken. Die Verbitterung nach dem verlorenen Krieg und den „Schandfrieden“ von Versailles hatte den Großteil der Bevölkerung erfasst. Dadurch hatten einige Jahre später Hitler und seine Spießgesellen leichtes Spiel, um die Macht ergreifen zu können, umso mehr, als durch die Weltwirtschaftskrise Millionen Arbeit und Brot verloren hatten.

Der angesprochene Sam, in Wirklichkeit Korfs Schwager, den er aber wegen des großen Altersunterschiedes Onkel nennt, nimmt Recherchen auf. Er wird misstrauisch, als Korf erzählt, dass seine Assistentin, die Ungarin Natalka, ihn nach dem Brand verlassen hatte und jetzt in Berlin lebt. Sam nimmt die Spur Natalkas auf und entdeckt in Berlin, dass sie dort nicht mehr wohnt. Ihr ehemaliger Haumeister schickt auf ihre Anweisung hin regelmäßig Briefe an Korf, die Natalka lang vorher geschrieben hatte. Sams Weg führt ihn bis nach Rumänien, wo er bei Suchinow landet, als dessen Tochter sich Natalka herausstellt. Sie hat Korf seine Unterlagen für den Raumschiffsantrieb gestohlen und damit wurde der Bau des Raumschiffs durch Suchinow erst möglich! Sam gelingt es nun, von Suchinows Mäzen Vacarescu zusätzliche Geldmittel loszueisen, denn wenn die Rettung des Raumschiffes nicht gelingt, ist sein Investment ganz und gar verloren.

Das Rettungsprojekt wird dadurch befeuert, das einige Tage nach dem Abschuss der Rakete Astronomen durch das Fernrohr Lichtzeichen feststellen können – es ist der Ruf SOS in internationalen Morsekennzeichen: kurz – kurz – kurz – lang – lang – lang – kurz – kurz – kurz.

Fünf Monate später ist in der Werft in Friedrichshafen Korfs Mondraumschiff, der „Geryon“, fertiggestellt. Unter riesiger Anteilnahme der Öffentlichkeit startet das Schiff ins All. Zwölf Mann sind an Bord: Korf, Onkel Sam als Bordarzt und zehn Techniker. Zwölf Mann? Nein, einer wird erst entdeckt. Es ist der Russe Suchinow, der sich als blinder Passagier an Bord geschlichten hatte, um den Raumflug seines Konkurrenten zu verfolgen. Die Mission ist erfolgreich, und es gelingt, zu der den Mond umkreisenden Rakete Suchinows vorzudringen und den Piloten Skoryna, der dem Tode nahe ist, zu retten. Dieser stellt sich als Natalka heraus, Korfs ehemalige Assistenten, in die sich Korf verliebt hatte. Sie kann zwar einigermaßen aufgepäppelt werden, doch die geschwächte junge Frau übersteht die Landung auf der Erde nicht. Trotzdem werden Korf und seine Begleiter in der Heimat als erfolgreiche Pioniere und Helden gefeiert.

Der Roman endet mit folgender Nachbemerkung:

Mancher Leser des >Schuß ins All< wird vieles vermißt haben und etwas enttäuscht sein darüber, daß er von der Wunderwelt des Kosmos doch recht wenig zu sehen bekam. Nicht einmal eine Landung auf dem Mond – nichts von den Geheimnissen der Nachbarplaneten Mars und Venus!

Er möge sich kurze Zeit gedulden. Im nächsten Roman des gleichen Verfassers wird er das Echo vernehmen, das der >Schuß ins All< im Universum auslöst.

(Zitiert aus: Otto Willi Gail: Der Schuß ins All. München 1979, Heyne SF 3685, S.199)

Heyne Science Fiction ClassicsDer Nachfolgeroman Der Stein vom Mond erschien als Originalausgabe tatsächlich bereits im Folgejahr 1926, die spätere Lesergeneration musste allerdings bis zur Neuausgabe in den Heyne Science Fiction Classics drei Jahre bis 1982 warten. Ich hatte allerdings das Glück, eine Erstausgabe antiquarisch erwerben zu können und musste daher nicht auf die Neuausgabe bei Heyne warten.

Bei einer archäologischen Expedition auf der Halbinsel Jukatan (Anmerkung: Die Schreibweise ist wie im Buch) stößt der junge englische Wissenschaftler Sir William Burns auf eine im Dschungel versunkene Stadt, in der eine steil aufragende Pyramide steht. Dort trifft er auf eine Indianerin, die sich als Tuxtla vorstellt. Das Mädchen, die einen weißen Vater hat und Spanisch und Englisch spricht, erzählt ihm von der vergangenen Zeit, als die Mayas herrschten und von den Verbindungen zu den Ägyptern, die dann auch Pyramiden erbauten. Tuxtla erklärt ihr Wissen mit Gesprächen mit ihrer verstorbenen Mutter. Sie gibt dem Archäologen den Rat, Obdach in der Hazienda von Don Pedro de la Cosa zu suchen.

Burns und seine fünf Gefährten finden tatsächlich ein gequemes Obdach bei Don Pedro, der sich sehr um seine Gäste kümmert, ihnen aber eigenartigerweise etwas verschweigt. Es ist seine Schwester Isabella, die er versteckt, weil sie an einer eigenartigen Krankheit leidet. William lernt Isabella aber trotzdem kennen, als sie mit dem Pferd ausreitet. Ist das nicht Tuxtla? William ist sich nicht sicher, und Isabella tut so, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Als er von seinen Ausgrabungen erzählt, wird sie rasend wütend. Bei einem erneuten Vorstoß von William in die versunkene Stadt, bei der er ein Grab öffnen will, versucht sie, ihn zu erwürgen. Der Geist Tuxtlas ist wieder über Isabella gekommen, und sie will den Grabschänder töten. Doch ist sie seiner Kraft nicht gewachsen und sie lässt von ihm ab. Ihre Mutter ist jetzt gestorben.

Burns reist mit dem Schiff zurück nach England. Er nimmt Isabella mit, die sich gegen ihren Bruder durchgesetzt hat, der sie nicht weglassen wollte. Sie hat eine eigenartige Ausstrahlung, besonders dann, wenn sie sich wieder in das Indiandermädchen Tuxtla verwandelt. Es scheint, als sei eine Königin aus der Vergangenheit in ihr auferstanden. Burns hat von seinen Ausgrabungen ein besonderes Schmuckstück mitgenommen. Es ist ein hohles Ei, in dessen Inneren ein Schmuckstein liegt. Als er es öffnet und das Juwel herausnimmt, wird aus Isabella wieder Tuxtla, die Visionen von einer Wasserkatastrophe und der Königin Huitaca hat, die im Besitz des Steines war. Huitaca, so berichtet die Sage, war Königin und Frau des Königs Botschika, die ihrem Herrn des Geheimnis seiner Macht über die Naturgewalten abgelauscht und missbraucht hatte. Sie ließ die Ströme anschwellen, dass alles Festland unter Wasser gesetzt wurde. Zur Strafe schleuderte der König sein Weib in den Himmel. Diese Sage war nichts anderes als die Geschichte vom Untergangs von Atlantis, welche von vielen Völkern im Erdenrundes in unterschiedlichen Versionen erzählt wird. Bald gibt es Aufruhr an Bord, als ein seltsames Meerleuchten im Süden gemeldet wird. Es wird ein dunkles Etwas gefunden, das scheinbar führerlos auf dem Wasser treibt und ähnlich wie ein aufgetauchtes U-Boot aussieht. Auf dem Rumpf glänzten die Buchstaben VENUS. Es werden Rettungsboote von Bord gelassen, um eventuelle Schiffbrüchige aufzunehmen, doch dann passiert ein Unglück. Das Meer um das Boot gerät in Wallung, und die Boote kentern. Es werden zwar die Besatzungen aus dem Wasser gefischt, doch Isabella hatte sich verbotenerweise auch an Bord eines der Boote begeben, ist über Bord gegangen und nicht wieder aufgetaucht. Das geheimnisvolle Gefährt jedenfalls war kein Wrack, denn es startet aus dem Wasser und verschwindet mit unglaublicher Geschwindigkeit im Himmel. Burns muss die Heimreise nach England ohne Isabella fortsetzen. Er glaubt aber, Gestalten an einem Fenster des geheimnisvollen Bootes gesehen zu haben, die einen Körper hereinzogen, und hofft deswegen, dass Isabella nicht dem Meer zum Opfer gefallen ist. In London wird er sehnlich erwartet, und zwar von Lord Kingsley, dem Generalsektretär des archäologischen Instituts in London, und von seiner Tochter Buddy, die William liebt. Von Kingsley erfährt Burns, der während seiner Expedition und der Schiffsreise nur wenig Nachrichten aus aller Welt bekommen hat, von den sensationellen Entdeckungen August Korfs, die dieser bei seinen Weltraumreisen und insbesondere bei Ausgrabungen auf dem Mond gemacht hat. Vieles von bisher gesichertem Wissen ist erschüttert bzw. obsolet geworden. Burns zeigt sein Schmucksück her. Es ist ein Obsidian, der je nach Lichteinfall seine Farbe ändert. Er dürfte von einem Meteor stammen, der auf die Erde gestürzt ist – er ist also Der Stein vom Mond. Ein Zeichen ist auf ihm zu sehen: Es ist die Lebenshieroglyphe, aber der Stein stammt aus den Gräbern von Uxmal in Zentralamerika. Als eine Nachricht hereinkommt, dass August Korf einen Trabanten entdeckt hat, der die Venus umkreist und ein von ihrem Schwerefeld eingefangener Meteor sein könnte, aber aufgrund seiner Bahn von der Erde stammen müsste, ahnt Burns eine wissenschaftliche Sensation und beschließt, Korf aufzusuchen.

Samuel Finkle, Korfs Schwager, wartet in der chilenischen Hafenstadt Caldera auf Berger, der ihn mit dem Raketenschiff in die Heimat zurückbringen wird. Das Schiff ist eine Kombination aus U-Boot und Raketenflugzeug, das gegenüber einer konventionellen Schiffsreise einen unglaublichen Zeitgewinn erlaubt. Onkel Sam hat hier in Chile eine Salpetergrube aufgebaut und geleitet, die dringend benötigte Rohstoffe für Korfs Raumschiffswerft in Friedrichshafen liefert. Aus dem geplantem Zwischenstopp in der Raumstation wird aber vorerst nichts, weil die in Südamerika aufgenommene Nutzlast zu schwer ist. Stattdessen muss eine Zwischenlandung im Meer vorgenommen werden. Es kommt zur unglücklichen Begegnung mit dem „Bojador“, dem Schiff, auf dem Burns und Isabella Richtung England unterwegs sind. Durch eine Dummheit eines der Besatzungsmitglieders des Raketenschiffs kentern die Rettungsboote. Aber Isabella wird tatsächlich gerettet und darf dafür in den Weltraum mitfliegen. Sie gibt sich aber wieder als Tuxtla aus, weil sie wieder teilweise ihre Erinnerung verloren hat.

Sir William Burns trifft in Friedrichshafen ein. Es kommt zum ersehnten Treffen mit August Korf, der den Archäologen als willkommenen Mitarbeiter für seine Ausgrabungen auf dem Mond verpflichtet. Burns muss sich aber zu Stillschweigen über seine Informationen verpflichten, die er durch die Reise in den Weltraum gewinnen wird, welche Korf einstweilen noch vor der Öffentlichkeit geheimhält. Korf und Burns fliegen hinaus in den Weltraum zur Raumstation Astropol, welche rund um Korfs Mondraumschiff Gereon entstanden ist und ein Wunder der Technik darstellt:

„Sie bezeichneten vorhin Astropol als Doppelstern, und mit Recht. Die Anlage besteht aus einem Hauptkörper – einer stark abgeplatteten, diskusähnlichen Hohlkugel – und einem viel kleineren Begleitkörper von der Form einer langgestreckten Birne. Diese beiden Bauten sind durch eine Art Schlauch von sechzehnhundert Metern Länge miteinander verbunden und rotieren in diesem Abstand umeinander. Die die Masse des kleinen Begleitkörpers nur einen Bruchteil derjenigen des Hauptkörpers ausmacht, liegt der gemeinschaftliche Schwerpunkt, also der Drehpunkt, so dicht am Zentrum des Diskus, daß dieser sich lediglich an Ort und Stelle um seine Achse dreht, während die Birne am Seil in einer Kreisbahn um ihn schwingt. Verstehen Sie das?"

„Vollkommen! Das ganze System ist ein kleines Abbild des Verhältnisses zwischen Erde und Mond.“

(Zitiert aus: Otto Willi Gail: Der Stein vom Mond. Breslau 1926, Bergstadtverlag, S. 177)

Auf der Raumstation kommt es zum Wiedersehen mit der geretteten Isabella. Korf und Burns rüsten eine Expedition zur Venus aus, denn es ist Eile geboten. Der neue entdeckte Minimond hat eine Umlaufbahn, die ihn bald in die Venusatmosphäre führen wird und somit abstürzen lässt. Burns besteht daruf, dass Tuxtla mitkommt, weil sie das Geheimnis des Trabanten entschleiern kann. Der Flug zur Venus verläuft ohne Zwischenfälle, und der kleine Venusmond wird angesteuert. Er entpuppt sich tatsächlich als ein Körper von der Erde, ein Schiff, das von einer riesigen Explosion von der Erde weggeschleudert werden war. Es finden sich Mumien von Menschen mit Mandelaugen und Goldplatten im Innern des Trabanten. Isabella verliert wieder einmal ihr Gedächtnis und wähnt sich als die Königin Huitaca. Noch bevor die Geheimnisse des Satelliten komplett entschleiert werden können, müssen sich die Forscher zurückziehen, denn der Satellit stürzt endgültig ab. Doch auch das Venusraumschiff ist dem Planeten zu nahe gekommen und die Forscher müssen eine Notlandung vornehmen. Die Reparatur des Raumschiffes gelingt und die Forscher kehren glücklich zur Erde zurück. Der Venustrabant war tatsächlich ein Schiff von der Erde, das beim katastrophalen Untergang von Atlantis durch einen Unterwasser-Vulkanausbruch in den Weltraum geschleudert und auf der Irrfahrt durch das Weltall von der Gravitation der Venus eingefangen worden war. Isabella/Tuxtla hat die geistige Gesundheit komplett verloren. Sie wähnt sich nach wie vor als die Königin Huitaca und wird ihr weiteres Leben in einer geschlossenen Anstalt verbringen müssen. Doch Burns hat seine Königin gefunden, es ist Buddy, die auf ihn gewartet hat und die er heimführen wird.

Heyne Science Fiction ClassicsHans Hardts Mondfahrt, der dritte kosmische Roman Gails, ist in einem deutlich anderen Ton abgefasst als die beiden Vorgänger, wesentlich heiterer. Er ist vor allem für die Jugend geschrieben. Dieser Roman erzählt im Wesentlichen die Geschichte vom Schuß ins All ein weiteres Mal, wobei der Handlungsteil um Suchinow und Natalka samt der Rettungsmission für das um den Mond kreisende Raumschiff mit Skoryna-Natalka weggelassen wurde. Dafür wurde der Reporter Tommy Bighead eingeführt, der der erste Zeuge eines Rekordflugs von Europa nach Amerika des Ingenieurs Hans Hardt mit einem Flugzeug in unglaublicher Geschwindigkeit ist. Hardt nimmt hier die Stelle von August Korf als Held der Geschichte ein. Bighead macht es dann möglich, dass die Amerikaner finanziell einspringen, um den Bau des Weltraumschiffes „Wieland“ endlich verwirklichen zu können. Bei diversen verbalen und schlagkräftigen Duellen mit Hardts Faktotum Anderl sorgt der Reporter für die humoristische Note im Roman. Im Unterschied zu Korfs „Geryon“ ist das Raumschiff nur für drei Besatzungsmitglieder gebaut. Allerdings gibt es auch hier einen blinden Passagier. Es ist Bighead, der sich eingeschlichen hat, um die Leser der Michigan Evening Post nach hoffentlich glücklicher Rückkehr mit seinen Reportagen von der Mondreise zu versorgen. Allerdings hat er nicht bedacht, dass er mit seinem Gewicht die Nutzlast des Raumschiffes erhöht und damit die Treibstoffvorräte über Gebühr beansprucht. Deswegen müssen die Raumfahrer bei der Rückkehr zur Erde in die Notfall-Kugelgondel umsteigen, die an einem Fallschirm hängt. Der „Wieland“ ist verloren, aber die Raumfahrer gerettet.

Extreme Mühe gab sich Gail mit diesem Werk nicht, denn es sind ganze Absätze des Romans fast 1:1 aus Der Schuß ins All übernommen, speziell im Teil, in dem die Raumreise beschrieben wird.

Beispielsweise sei hier die Passage verglichen, bei der Korf bzw. Hardt anhand eines Insekts die Relativität jeder Bewegung im Weltraum vergleicht:

„Stelle dir einen Speisewagen in einem fahrenden D-Zug vor. An der Decke des Wagens dreht sich ein Windrad. Darauf sitzt eine kleine Raupe. Kommst du mit, Onkel?“

„Bis jetzt schon!“

„Schön. Diese Raupe kriecht nun vom äußersten Flügel des Windrades zur Nabe mit derjenigen Geschwindigkeit, die sie eben durch das Fortkriechen leisten kann. Sie wird ihr Ziel in einer ganz bestimmten Zeit erreichen und braucht sich nichts darum zu kümmern, daß sie durch die Rotation des Rades eine Spiralbahn beschreibt, außerdem durch die Fahrt des Zuges fortbewegt, schließlich noch von der sich drehenden Erde herumgewirbelt wird, endlich auch die Bahn der Erde um die Sonne mitmacht, und so weiter.

So, nun sage mir, welche absolute Geschwindigkeit hat die Raupe und in was für einer Kurve bewegt sich sich?“

Sam kratzte sich hinter den Ohren und antwortete nicht.

„Genauso verhält es sich auch mit uns. Der Windradflügel ist unser Erde-Mond-System, die Fahrt des Schnellzuges entspricht meinetwegen der Bewegung der Erde.“

(Zitiert aus: Otto Willi Gail: Der Schuß ins All. München 1979, Heyne SF 3665, S. 127f)

„Stelle dir einen Speisewagen in einem fahrenden Schnellzug vor! An der Decke des Wagens dreht sich zur Kühlung eine Windschraube, und auf dem einen Flügel der Winschraube sitzt ein Maikäfer. Kommst du mit, Onkel Alex?“

„Ich schon. Aber um den Maikäfer bin ich etwas in Sorge“

„Der Maikäfer ist eben ein ganz toller Bursche, der sich nicht so leicht abschütteln läßt. Schön! Nun kriecht dieser Maikäfer vom Ende des Flügels zur Nabe hin, und zwar mit derjenigen Geschwindgkeit, die eben ein rüstiger Maikäfer zu entwickeln vermag. Sagen wir zwei Zentimeter in der Sekunde! Ist der Flügel zwanzig Zentimeter lang, so wird der Käfer sein Ziel, die Nabe, in zehn Sekunden erreichen, und er braucht sich gar nicht darum zu kümmern, daß er eigentlich durch die Umdrehung der Schraube eine Spiralbahn beschreibt, außerdem durch die Fahrt des Zuges fortbewegt wird, und dabei auch noch die Erdumdrehung mitmacht. Nun sage mir, Onkel Alex welche absolute Geschwindigkeit hat der Maikäfer, und in welcher Kurve beweg er sich?“

„Das kann man ja gar nicht ausrechnen!“

(Zitiert aus: Otto Willi Gail: Hans Hardts Mondfahrt. Wien ca. 1958, Buchgemeinschaft Donauland, S. 109)

Auch aus Der Stein im Mond ist ein kleiner Teil eingebaut, nämlich die Passage mit dem die Venus umkreisenden Minimond, der ein von der Erde ausgeschleudertes Schiff ist. In Hans Hardts Mondfahrt wird daraus ein Trabant des Mondes. Die Schilderung von Untergang von Atlantis mit der Auseinandersetzung zwischen König Botschika und Königin Huitace ist wieder fast wörtlich vom Vorgängerroman übernommen. Der Absturz des Raumschiffes wird hier aber durch eine Unachtsamkeit Anderls ausgelöst, die eine Kollision mit einem Eisklumpen verursacht, welche aufgerissene Treibstofftanks zur Folge hat. Die Notlandung und anschließende Reparatur des Raumschiffes auf dem Mond verläuft erfolgreich. Bei einer Exkursion stoßen die Raumfahrer auf olmähnliche Lewesesen, die tief auf dem Grund eines Kraters im der dort verbliebenen dünnen Atmosphärenrest einen Lebensraum haben.

Für die aus Der Schuss ins All und Der Stein vom Mond übernommenen Teile fällt einem nur der Ausdruck Selbstplagiat ein. Das konnte dem Publikum doch damals nicht unbemerkt blieben, denn die beiden ersteren Romane erschienen 1925 und 1926, Hans Hardts Mondfahrt bereits 1928. Eigentlich kann ich mir nur vorstellen, dass damals damit argumentiert wurde, dieser Roman sei eine Nacherzählung der beiden vorangegangenen in für die Jugend geeigneter Sprache. Ich bekam Hans Hards Mondfahrt als Jugendlicher etwa Ende der sechziger Jahre in einer Ausgabe der Buchgemeinschaft Donauland geschenkt und konnte auf diese Art Otto Willi Gail kennenlernen. Als Klassiker der SF kann man diesen Jugendroman natürlich nicht bezeichnen, aber seine Aufgabe, Jugendlichen eine spannende Unterhaltung zu bieten, hat er allemal erfüllt. Einige hat er sicher dazu bewegt, sich für die Raumfahrt und/oder die Astronomie zu interessieren. Die beiden anderen Romane sind jedenfalls Titel, die zu Recht in die Reihe der Heyne Science Fiction Classics aufgenommen wurden. Heute erinnern sie uns an die Pioniere, welche das Weltraumzeitalter einleiteten, und geben auch Hinweise auf die Stimmung, die in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, aber noch vor der Machtübernahme der Nazis, herrschte.

Anmerkung:
Die Orthografie der Titel und der Zitate wurde aus Authentizitätsgründen gegenüber den Buchausgaben unverändert gelassen, also nicht auf die neue deutsche Rechtschreibung umgestellt (z. B. Der Schuß ins All statt Schuss in neuer deutscher Rechtschreibung).


Titelliste von Otto Willi Gail

Anmerkung:
Es werden die Ausgaben in den Heyne Science Fiction Classics sowie die Originalausgaben der Werke angeführt.

1979

3665 Der Schuß ins All
Originalausgabe: Breslau 1925, Bergstadt

1983

3939 Der Stein vom Mond
Originalausgabe: Breslau 1926, Bergstadt


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Tags: Science Fiction and Fantasy

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