Heyne Science Fiction Classics 1 - Übersicht
Die Heyne Science Fiction Classics
Folge 1a: Übersicht
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im deutschen Sprachraum Science Fiction größtenteils in den Publikationsformen des Leihbuchs und des Heftromans vorgestellt. Diese waren in der kaufkraftarmen Nachkriegszeit günstig erwerbbar und für ein Publikum, das sich nicht in Buchhandlungen herumtrieb, in Leihbüchereien und am Kiosk leicht erreichbar. Eine Tendenzwende zugunsten des Taschenbuchs bahnte sich ab 1960 an. Der Wilhelm Goldmann brachte die Hardcoverreihe Goldmanns Zukunftsromane heraus, die bis 1967 erschien und 77 Bände präsentierte. Der Großteil dieser Titel wurde ab 1962 in der Reihe Goldmanns Weltraumtaschenbücher nachgedruckt, die später auf Goldmann Science Fiction umbenannt wurde. Der Wilhelm Heyne-Verlag begann ebenfalls bereits 1960 mit der Herausgabe von Science Fiction in Taschenbuchform, allerdings in seiner Allgemeinen Reihe integriert. Bis 1964 erschienen auf diese Art 25 Titel. Dann wurde das wachsende Programm der Heyne-Taschenbücher in verschiedene Reihen aufgesplittet. Die Genres wie Krimis, Western und Science Fiction bekamen eigene Nummernkreise, darunter die Heyne Science Fiction (später zu Heyne Science Fiction und Fantasy erweitert) mit 3xxx. Die Krimis erhielten den Nummernkreis 1xxx, die Western 2xxx.
Ähnliche Entwicklungen gab es in den kommenden Jahren auch in den anderen Verlagen. Man war der Meinung, dass Liebhaber bestimmter Genres die für sie passende Literatur bequem durch spezielle Aufmachung und Reihennummerierung finden könnten. Das war natürlich auch ein Paradies für Sammler. Heutzutage ist das wieder ganz anders. Der Großteil der phantastischen Werke ist wieder in den allgemeinen Literaturreihen integriert, das Label Science Fiction findet sich kaum mehr auf den Titelseiten. Krimis sind ebenfalls in den allgemeinen Programmen aufgegangen, die Abgrenzung als Genretitel ist hier sowieso problematisch. Western gibt es kaum mehr. Ein paar kümmerliche Nachdrucktitel werden für die wenigen überlebenden Liebhaber hauptsächlich in ein paar Heftreihen in der xten Auflage präsentiert.
Zurück zu Heyne: Innerhalb der Genre-Reihen Blaue Krimis, Western und Science Fiction kam in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eine weitere Differenzierung. Es wurden Klassiker-Reihen gestartet, die im jeweiligen Nummernkreis der jeweiligen Überreihe integriert waren. Die Heyne Science Fiction Classics erschienen ab 1968 bis in die frühen achtziger Jahre. Ich hätte diese Artikelserie also vor zwei Jahren zum fünfzigjährigen Jubiläum des Starts dieser Reihe beginnen sollen, habe dies aber übersehen und bitte hiermit dafür um Nachsicht und um die Genehmigung, erst mit heute starten zu dürfen.
Insgesamt erschienen 121 Titel unter dem Label Science Fiction Classics. Zwei Romane von Jewgenij Samjatin und Olaf Stapledon, welche in der Neuauflage eine andere Nummer bekamen, aber ansonsten weitgehend unverändert aufgemacht waren, sind dabei nur einmal gerechnet. In der Schlussphase gab es sechs Titel, die auf der Titelseite keinen Hinweis mehr auf die Subreihenbezeichnung Classics hatten, aber auf dem Rücken die Reihenbezeichnung SF Classics oder auf der Titelseite im Innern den Untertitel „Klassische Science-Fiction-Erzählungen“ oder "ein klassischer Science-Fiction-Roman" aufwiesen. Diese sind mitgerechnet. Darunter sind die letzten drei Titel der Anthologienreihe Titan, die ein modernisiertes Titelbild hatten. Dazu möchte ich noch vier weitere Titel in die Betrachtung aufnehmen, die zwar nicht mehr unter dem Label Heyne Science Fiction Classics erschienen, aber inhaltlich sehr gut dazupassen.
Betrachtet man die Autoren der Classics-Reihe, so ist – nicht verwunderlich – ein Übergewicht von angelsächsischen Autoren festzustellen. Es wurden aber auch mehr als dreißig Titel von deutschsprachigen Autoren präsentiert, darunter 17 Titel von Hans Dominik. Sehr interessant waren auch die Titel, die aus dem Russischen, Französischen, Tschechischen, Norwegischen und Rumänischen übersetzt wurden.
Der letzte Band, der mit der Titelseitengestaltung der Heyne Science Fiction Classics präsentiert wurde, war 1986 der Band Homchen von Kurd Laßwitz, in dem eine Reihe von Erzählungen dieses Klassikers der deutschsprachigen utopischen Literatur gesammelt wurden. Allerdings gab es bereits einige Zeit parallel zu den Classics und dann als deren Nachfolger die in anderer Aufmachung präsentierte Reihe Heyne Bibliothek der Science Fiction-Literatur, in der zwischen 1981 und 1993 etwa 100 Titel herauskamen. Etliche davon waren Nachdrucke aus der Vorgängerreihe. Weitere Nachfolgereihen mit ähnlichen Schwerpunkten waren High 8000, Meisterwerke der SF und Meilensteine der SF, in denen immer wieder versucht wurde bzw. nach wie vor wird, wichtige Titel aus dem riesigen Fundus von SF-Literatur einem Publikum von heute vorzustellen.
Bald nach dem Start der Science Fiction Classics brachte Heyne unter dem Label Fantasy Classics ab 1970 die Abenteuer des prähistorischen Barbaren Conan in 11 Bänden. Diese Bände hatten allerdings eine deutlich andere Aufmachung als die Science Fiction Classics. Spätere in dieser Fantasy-Subreihe herauskommende Bände bekamen dann eine Titelbildgestaltung, die ähnlich der in den Science Fiction Classics war. 31 Bände erschienen unter diesem Label. Anschließend wurde in sehr ähnlicher Aufmachung eine Werkausgabe von Henry Rider Haggard gestartet, des Hauptvertreters der „Lost Race“-Abenteuer. Diese Fantasy-Abenteuer betrachten wir hier aber nicht, wir konzentrieren uns auf die SF-Titel.
Von den übrigen SF-Titeln konnte das Programm der Science Fiction Classics leicht durch die Aufmachung der Titelseite unterschieden werden. Die Titelblätter hatten oben ein ellipsenartiges Logo mit dem integrierten Verlagslogo und dem Schriftzug Science Fiction Classics, darunter den Autorennamen und ein Titelbild im Rahmen, in dem der Buchtitel enthalten war. Später wurde die Aufmachung leicht modifiziert, der Buchtitel wurde außerhalb des Rahmens platziert.
Die Titelbilder der Heyne Science Fiction Classics wurden in den ersten Jahren großteils von Karl Stephan (1923 - 1980) gestaltet. Stephan war bereits seit den fünfziger Jahren als SF-Titelbildzeichner für verschiedene Heftreihen tätig. Er arbeitete bei Utopia und Utopia Großband mit. Bei Terra und Terra Sonderband wechselte er sich mit Johnny Bruck ab, bei Terra Extra löste er für die letzten etwa letzten 30 Bände Johnny Bruck ab, bei Terra Nova und Terra Taschenbuch in seiner ersten Phase vor dem Verkauf des Moewig-Verlags an Pabel lieferte er den Großteil der Titelbilder ab. Stephan war in seinem Erstberuf Flieger und diese merkte man seinen Bildern auch an. Sie strahlten Steampunk-Nostalgie aus. Die Raumschiffe ähnelten oft Zeppelinen, und die dargestellten Personen wirkten kaum futuristisch. Deswegen passte seine Coverkunst hervorragend zu den Science Fiction Classics. Spätere Bilder kamen von unterschiedlichen internationalen Künstlern. Darunter war der Brite Eddie Jones, der Stephan bereits mit dem Start der Terra- Astra-Reihe 1971 als Titelbildzeichner im Heftbereich abgelöst hatte.
Bei den Heyne Science Fiction Classics ist zu beachten, dass die ersten Bände einen eigenen Subnummernkreis von 3700 – 3717 bekamen. Dieser wurde aber aufgegeben, und weitere Bände erschienen dann in den allgemeinen SF-Nummernkreis integriert. Deswegen ging es nach 3717 mit Band 3168 weiter. 1980 waren dann alle Nummen bis 3700 aufgefüllt und die zuerst erschienenen Titel innerhalb des Nummenkreises geschluckt. Es fällt auch auf, dass etliche Titel (vor allem von E. E. Smith) als Doppelbände erschienen. Bei späteren Neuauflagen ging man aber von der Doppelnummerierung weg. Das hatte zur kuriosen Folge, dass Nr. 3716/17, Das Erbe der Lens von E. E. Smith, unter der Nummer 3716 nachgedruckt wurde, 3717 daher frei blieb und einige Jahre später mit dem Band Wächter des Mahlstroms des gleichen Autors neu besetzt wurde. Die sonstigen zweiten Teile von Doppelnummern anderer Bände blieben aber unbesetzt. Solche verwirrende Nummernbesetzungen haben bei etlichen Sammlern graue Haare oder gar den Verlust des Kopfschmuckes verursacht.
Sehr spannend ist es natürlich, sich mit der Autoren- und Titelauswahl der Heyne Science Fiction Classics zu beschäftigen und die Titel darauf zu untersuchen, ob sie die Bezeichnung als Klassiker verdienen. Welche Werke sind als Klassiker zu verstehen? Unabhängig von verschiedenen Definitionen von Klassikern der allgemeinen Literatur darf ich hier einige Kriterien formulieren, die eine Bewertung als Klassiker plausibel machen könnten:
- Das Werk hat herausragende Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte des Genres.
- Das Werk führte Topoi ein, die für andere Autoren und Werke beispielgebend wurden.
- Das Werk zeichnet sich durch eine herausragende literarische Qualität aus
- Das Werk hat weit über die Science-Fiction-Anhängerschaft Aufmerksamkeit erzeugt.
- Das Werk wurde ein internationaler Bestseller.
- Das Werk erreichte eine respektable Anzahl unterschiedlicher Ausgaben.
- Das Werk wurde preisgekrönt.
- Das Werk hat eine besondere Bedeutung für die Science Fiction-Literatur eines bestimmten Sprach- und Kulturraumes.
- Das Werk blieb über einen längeren Zeitraum hinweg populär.
- Das Werk hatte eine oder mehrere Verfilmungen zur Folge.
Eine Neuausgabe eines Werkes nach längerer Zeit rechtfertigt somit allein keineswegs die Bezeichnung als Klassiker. Man kann oft nur den Kopf schütteln, welche Werke oft ungeniert als Klassiker bezeichnet werden, getrieben von Marketingabteilungen oder durch Fans, für die Werke ihrer Lieblingsautoren oder Lieblingsserien unantastbar sind.
Ich möchte hier meinen Bewertungen der Titel in den Heyne Science Fiction Classics nicht vorgreifen, aber ich kann bereits jetzt sagen, dass sie sehr unterschiedlich ausfallen werden. Interessanterweise lässt sich das nach den Sprachräumen differenzieren, aus denen die Autoren kommen. Dies ist aber nur ein vorläufiges Urteil. Ich werde mir alle Titel ein weiteres Mal zu Gemüte führen (den Großteil habe ich nur ein einziges Mal bei Erscheinen vor Jahrzehnten gelesen) und falls notwendig, meine Meinung revidieren. Jedem der Autoren und seiner in den Classics erschienenen Titel ist ein Artikel gewidmet, wobei sich die Reihenfolge der Artikel nach dem erstmaligen Auftauchen des jeweiligen Autors in den Heyne Science Fiction Classics richtet. Deswegen wird die Länge der Artikel ziemlich unterschiedlich sein, je nachdem wieviele Titel pro Autor betrachtet werden. Ich freue mich darauf, mit Ihnen als Leser gemeinsam in den nächsten Monaten diese Entdeckungsreise antreten zu dürfen.
Übersicht, Titelliste
E. E. Smith: Lensmen & Skylark
Olaf Stapledon: Der Sternenmacher, Die Insel der Mutanten & Sirius
Stanley G. Weinbaum: Mars-Odyssee (Kurzgeschichten), Die schwarze Flamme,
Der dunkle Doppelgänger, Der neue Adam
Philip Wylie & Edwin Balmer: Wenn Welten zusammenstoßen & Auf dem neuen Planeten
Edgar Rice Burroughs: Venus-Tetralogie
R. C. Sherriff: Der Mond fällt auf Europa
Jewgenij Samjatin: Wir
Kurd Laßwitz: Auf zwei Planeten, Homchen (Kurzgeschichten)
Bernhard Kellermann: Der Tunnel
Ernst von Khuon: Helium
Rudolf H. Daumann: Gefahr aus dem Weltall, Protuberanzen & Dünn wie eine Eierschale
Hugo Gernsback: Ralph 124C 41+, Invasion 1966
John Wyndham: Die Reise zum Mars & Das versteckte Volk
Alexander Bogdanow: Der rote Stern
Yves Gandon: Der letzte Weiße
Anmerkungen:
* Diese drei Titel waren nur zum Teil als Science Fiction Classic aufgemacht.
** Die letzten drei Titel dieser Subreihe hatten eine neugestaltete Titelseite.
*** Diese Titel waren nicht mehr als Science Fiction Classics aufgemacht.
Kommentare
Heyne hatte sehr schöne Ausgaben sehr schöner Themen sehr schöner Autoren ... damals las ich allerdings nicht die KGs in den Magazinen, nur die langen Romane. Viele davon haben wir noch und greifen ab und zu hinein in den Fundus zum Lesen..
Ansonsten freue ich mich sehr auf die Besprechungen.
Danke schon jetzt dafür. Besonders, weil Du die Texte vorher nochmal lesen willst, und daher Deine Meinung nicht durch die Erinnerung "verklärt" ist.
Da freu' ich mich schon drauf.