Der Bone Orchard Mythos - Band 3: Das Mietshaus
Der Bone Orchard Mythos
Band 3: Das Mietshaus
In einem großen Mietshaus leben sieben Menschen, die sich kaum kennen. Sie wohnen in verschiedenen Etagen über das ganze Haus verteilt und manchmal überschneiden sich ihre Wege. Isaac, Amanda, Justin, Tanya, Bob, Gary und der alte Felix verbindet ein gemeinsames Schicksal, von dem sie noch nichts ahnen. Als Felix vor seiner Wohnung zusammenbricht, hat er den anderen jeweils einen Schlüssel für seine Wohnung zukommen lassen.
Die sechs finden schließlich zusammen und betreten die Wohnung des alten Mannes. Hinter der Tür erstreckt sich ein langer Gang, der wie eine lange Kellertreppe in die Tiefe führt. Die Gruppe folgt der Spur und gelangt in eine fremde Welt. Bizarre Wesen kreuzen ihre Wege, unwirkliche Landschaften erstrecken sich vor ihnen.
In der Tiefe begegnet die Gruppe Felix wieder. Von langer Hand hat der alte Mann geplant, dass er und die sechs Bewohner des Hauses auf einer der unteren Ebenen zusammentreffen. Vor allem der junge Isaac ist von hoher Bedeutung. Denn nur mit ihm ist es möglich, die unterste Ebene zu betreten, um ein Wesen biblischen Ursprunges zu befreien.
„Das Mietshaus“ ist die nunmehr dritte Storyline aus dem Epos Bone Orchard Mythos.
Jeff Lemire und Andrea Sorrentino knüpfen an ihre beiden vorhergehenden Episoden „Die Passage“ und „Zehntausend schwarze Federn“ an, erzählen ihre Geschichte aber so, dass eine Kenntnis der vorangegangenen Ereignisse nicht zwingend erforderlich ist. Der Leser wird sich gut in der Geschichte zurechtfinden. Einige Hinweise auf die ersten beiden Storylines sind geschickt in den Handlungsverkauf eingewoben, so dass sich an der einen oder anderen Stelle ein kleiner Aha-Effekt für den regelmäßigen Leser ergibt.
In den ersten beiden Episoden deutet sich bereits an, dass parallele Welten existieren, die über eine Passage zu erreichen sind. In diesem dritten Geschichtenzyklus lernt der Leser den Privatdetektiv Felix kennen, der im Zuge eines Auftrages an eine Aufzeichnung des Bone Orchard Zyklus gerät. Nun erfährt er die wahren Hintergründe über die Passagen und der Parallelwelten. Darin lauert ein Wesen, dass seit Urzeiten auf seine Befreiung wartet. Felix ist neugierig geworden und will in die Welt vorstoßen, in der der geheimnisvolle Us`uuul gefangen gehalten wird. Erst allmählig wird deutlich, dass Us`uuul biblischen Ursprunges ist und eng mit der Schöpfungsgeschichte verbunden ist.
Kritiker mögen anmerken, dass eine derartige Geschichte bereits oftmals erzählt worden ist: Eine Gruppe Menschen stößt über einen Zugang in eine fremde Dimension vor und befreit dort ein Wesen, das sich schließlich gegen die Menschen selbst richtet. Lemire und Sorrentino erzählen ihre Geschichte in einer düsteren Art und Weise und die teilweise morbiden Zeichnungen erzeugen eine beeindruckende und beklemmende Atmosphäre, der sich der Leser nur schwer entziehen kann. In der ersten Hälfte des Bandes finden die Akteure zueinander, um dann gemeinsam in die Tiefe zu steigen. Der Weg in die unteren Ebenen ist mit einigen Gefahren verbunden. Der Leser trifft auf einige Wesen, die er bereits aus den ersten beiden Bänden kennt; und auch die Krähen ziehen wieder durch die Räume. Von Seite zu Seite steigt die Spannung, bis die Gruppe in der dritten unteren Ebene angelangt, die Felix bisher nicht überschreiten konnte. Nun hofft er, durch Isaacs Anwesenheit, die Barriere überwinden zu können.
Jede der Figuren bringt ihre kleine Geschichte mit. Hier finden sich zwar auch einige Stereotypen wieder, wie der junge Drogenhändler oder der arme Mann, der seine sterbenskranke Frau versorgt. Aber trotzdem kommt keine Langeweile auf, denn die Charakterisierungen sind dosiert in den Handlungsverlauf eingebaut, so dass sie den Fortgang der Story nicht bremsen, trotzdem aber noch genug Neugier beim Leser erzeugen. Die Zeichnungen Sorrentinos sind in dieser Phase noch klar geordnet und von Panel zu Panel erzählt. Die Farben sind sehr dunkel gehalten.
Zur Mitte der Geschichte steigt die Gruppe in die Ebenen hinab und betritt die parallelen Welten. Nun wird das Ausmaß und die Hintergründe des Bone Orchard Mythos deutlich und die Zeichnungen treten aus den Panels heraus und werden zunehmend surrealer. Würde dieser Teil verfilmt werden, wäre David Lynch als Regisseur wohl die beste Wahl. Die Handlung nimmt deutlich an Fahrt auf und nicht alle Beteiligten werden den Abstieg überleben. Am Ende werden nicht alle Fäden aufgelöst und mit Spannung wird der nächste Geschichtenzyklus erwartet.
Splitter veröffentlichen die komplette Miniserie über sechs Ausgaben in einem stabilen Hardcover-Band. Die 300 Seiten lange Geschichte kann daher gut in einem Rutsch durchgelesen werden. Es fühlt sich auch nicht so an, als würde eine Geschichte mit sechs Kapiteln gelesen werden. Der Leser bekommt den Eindruck, er halte einen Roman in der Hand.
09/2024
