Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Männer der Zukunft: Bert Horsley

Männer der ZukunftWalter Spiegl

Nicht nur Autoren auch Herausgeber und Lektoren haben eine wichtige Rolle in der deutschen Science Fiction gespielt. Günter M. Schelwolkat und Walter Ernsting gehören etwa zu diesem Kreis.

Ein anderer ist Walter Spiegl, von dem darüber hinaus lange angenommen wurde, dass er unter dem Pseudonym Bert Horsley auch selbst schriftstellerisch tätig gewesen sei.

 

Walter SpieglDer folgende Artikel ist entsprechend der in den Kommentaren genannten Informationen überarbeitet/ergänzt worden.

Walter Spiegl wurde 1934 in Westböhmen geboren. 1946 wurde seine Familie zwangsumgesiedelt und kam in den Taunus. Spiegl machte 1955 das Wirtschaftsabitur. Danach arbeitete er für die American Express Company in Frankfurt. Später war in verschiedenen Verlagen als Übersetzer, Redakteur und Herausgeber tätig.

Der junge Walter Spiegl hatte gute Kontakte zur amerikanischen Besatzungsmacht und entwickelte ein reges Interesse an SF, Fantasy, Western, Krimis und historischen Romanen. Noch während seiner Schulzeit entwickelte sich ein enger persönlicher Kontakt zu Walter Ernsting (Clark Darlton).

Als Vertreter von Forrest Ackermanns Literarischer  SF-Agentur in Deutschland kann er wertvolle Hilfestellung leisten, indem er englische und amerikanische Unterstützung organisiert, als die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften 1955 einige Titel des Utopia Großbandes der Glorifizierung des Krieges und speziell des Atomkrieges beschuldigt. Im August 1955 gehörte Spiegl daher auch zu den Gründungsmitgliedern des SFCD. In den folgenden Jahren übte er verschiedene Funktionen aus, etwa in der Club-Bibliothek, als Schriftführer oder im Vergabeausschuss für das Club-Siegel.

Die verlorene ErfindungDie Zahl seiner Einzelromane ist sehr überschaubar, es gibt wie man inzwischen weiß, nur einen Titel den Utopia Großband 84 "Rakete Mond startet", der unter dem Pseudonym Bert Koeppen erschien. Lange Zeit hat man Spiegl auch Fünf in der Serie Jim Parker unter dem Pseudonym Bert Horsley herausgebrachte Romane zugeschrieben. Mitte der 50er erschienen in Heftreihen ja fast nur Nachdrucke von Leihbüchern. Dabei war Pabels Utopia ursprünglich einmal als Serie Jim Parker gestartet und erst ab Band 44 wurden zunächst vereinzelt, dann überwiegend serienunabhängige Einzelromane gebracht. Erschienen die Jim Parker Romane zunächst alle unter Alf Tjörnsen (= Richard J. Rudat), so gab es in der Endphase drei Autoren. I.V. Steen, Axel Nord und eben Bert Horsley, von dem die letzten vier Bände stammen. Die Jim Parker Abenteuer spielten sich zunächst überwiegend im heimatlichen Sonnensystem ab. Das Ganze war aber eine richtige Serie, die erste erfolgreiche deutsche SF-Heftserie nach dem Zweiten Weltkrieg. Protagonist war der amerikanische Pilot Jim Parker, der im Auftrag des Staatlichen Atom-Territoriums (S.A.T) unterwegs war. Ihm zur Seite stand sein treuer Begleiter, der deutsche Fritz Wernicke.

Jim Parker - Station Einstein Klappentext zu einem Jim Parker-Roman

 

"Die Raumstation "Einstein" verliert aus unerklärlichen Gründen an Höhe. Wenn nichts dagegen unternommen wird, ist eine Katastrophe unvermeidlich: Die Station wird in spätestens zwei Wochen in die oberen Luftschichten der Erdatmosphäre eintauchen und verbrennen . . . Jim Parker erhält den Auftrag, dem Saboteur das schmutzige Handwerk zu legen. Denn das ist in der Zwischenzeit zur Gewißheit geworden, daß mit der "Einstein" ein verbrecherisches Spiel getrieben wird. Aber noch tappt Jim Parker im Dunke!n. Ist es der Mathematiker Lensing? Oder der geheimnisvoll:. Professor Eli Miller, den niemand bei seinen Versuchen stören darf . . .? Oder gar der Kommandant selbst, der Russe Petrovich, der sich in gewissen Situationen so seltsam verhält? Und welche Rolle spielt General Eltkin? Jim kämpft gegen einen unsichtbaren Feind, den er nicht fassen kann. Noch nicht fassen kann, aber er ist überzeugt, kurz vor der Lösung des Rätsels zu stehen. Bobby Hunter, der Bordfunker, hat einen entscheidenden Fehler gemacht . . ."
(Text zu Station Einstein)
Parasiten (Twilight of Reason)Wie Walter Ernsting/Clark Darlton war auch Spiegl für seine Reihen als Übersetzer tätig. Bei Utopia Großband waren seine ersten Arbeiten 1955 die Bände 16 Jonathan Burke "Twilight of Reason" und 18 H.K. Bulmer "The stars are ours". Hier lag der Schwerpunkt seiner Übersetzungen, aber auch bei Utopia, Terra Extra und Ullstein 2000 taucht er später als Übersetzer auf.

Rakete Mond startetAls Walter Ernsting sich bei Utopia zurückzog, übernahm Walter Spiegl im Juni 1956 Pabels Utopia Groß- und Kleinband. Dazu kamen später auch die Western- und Kriminalromane von Pabel. In dieser Zeit sorgte er dafür, dass Übersetzungen der "Schwarzen Fledermaus" ins Programm aufgenommen wurden. Diese Serie sollte, fortgeschrieben von deutschen Autoren, bis Mitte der 70er Jahre laufen. Im Utopia Kleinband wurde unter der Ägide Spiegl  nicht mehr auf Jim Parker und deutsche, sondern wie im Großband von Anfang an üblich verstärkt auf angloamerikanische Autoren gesetzt. Damit lag er im Trend der damaligen Zeit, als die Leser die Qualität einer Heftreihe an der Zahl der aus dem englischen übersetzten Titel maß. 1958 nach einem Umzug nach München reduzierte sich die Tätigkeit bei Pabel auf eine freiberufliche. Im März 1961 heuerte Spiegl dann als Lektor für Kriminalromane bei Ullstein an. Dort betreute er u.a. Alfred Hitchcocks Kriminalmagazin und wurde ab 1970 Herausgeber der Taschenbuchreihe Ullstein 2000. Zusätzlich war er auch noch für Heynes Western zuständig. 1981 beendete er die Tätigkeit bei Ullstein und arbeitete nur noch freiberuflich. Schon seit Mitte der siebziger Jahre wandte er sich mehr und mehr der Kunst und Antiquitätensammlung zu. Hier war er zwischen 1981 und 1988 als Autor, Redakteur und Herausgeber für verschiedene Zeitschriften tätig.

Science Fiktion Stories 45Als Herausgeber von Ullstein 2000 konnte Spiegl die erst vierte deutsche SF-Taschenbuchreihe über mehr als ein Jahrzehnt entscheidend prägen. Vorher gab es nur Heyne SF (seit 1963 als eigenständige Reihe), Goldmanns Weltraum Taschenbücher (ab 1962) und Moewigs Terrataschenbücher (seit 1965).  Auffallend ist, dass Spiegl wieder nur auf anglo-amerikanische SF gesetzt hat und keinerlei deutsche Autoren zum Zuge kommen ließ. Gleichzeitig legte er ein Schwergewicht auf Storysammlungen. Etwa die Hälfte aller in dieser Zeit erschienen Taschenbücher waren Storybände, von denen er die meisten selbst unter dem Titel Science Fiction Storys herausgegeben hat. Insgesamt waren dies bis 1981 zweiundneunzig Story-Bände. Inhaltlich griff er auch wiederholt auf Titel zurück, die bereits früher in Utopia erschienen waren. Insgesamt lag der Schwerpunkt der Reihe unter Spiegl auf abenteuerlicher SF altgedienter Autoren.
 
Walter Spiegl gehörte zu den SF-Fans der ersten Stunde. Er konnte schon in jungen Jahren im SF-Geschäft Fuss fassen. Zunächst wandelte er als Redakteur/Übersetzer/Autor/Fandomfuntionär in einer Person auf den Spuren seines Förderers Walter Ernsting. Anders als Ernsting, der schließlich den Schwerpunkt auf seine Arbeit als Autor legte, entschied sich Spiegl für die Tätigkeit als Redakteur, Übersetzer und Herausgeber. Für 25 Jahre war er in dieser Funktion in der deutschen Sience Fiction präsent. Als Herausgeber blieb er immer seiner Ausrichtung aus den 50er Jahren treu. Experimente oder gar die Förderung deutscher Autoren stand nicht auf seiner Agenda. Er war somit einer der wichtigen Männer im Hintergrund, vergleichbar etwa mit Günter M. Schelwokat.
 
Der unsichtbare Planet
 
Utopia: (1958-1961)
104 Der unsichtbare Planet
114 Station Einstein (Jim Parker)
116 Die verlorene Erfindung (JP)
121 Warnung im roten Nebel (JP)
129 Wir wussten zuviel (JP)
283 Gefangene des Atoms
(waren über Jahrzehnte fälschlich Spiegl zugeschrieben)

Utopia Großband (1958)

84 Rakete Mond startet

Walter Spiegl
(1934- )
erste Veröffentlichung: 1958
letzte Veröffentlichung: 1958
Pseudonyme: Bert Horsley (fälschlich zugeschrieben), Bert Koeppen, Otto Kühn (SP)



 

Zur Übersicht

Kommentare  

#1 Ronald M. Hahn 2013-11-27 18:43
Laut einem Gespräch, dass ein bekannter SF-Fan kürzlich mit Herrn Spiegl geführt hat, ist dieser nicht mit Bert Horsley identisch. Da sind wir leider alle einer steinalten Ente aufgesessen.
#2 Heiko Langhans 2013-11-27 19:35
In Spiegls Reihe machte ich meine erste Bekanntschaft mit den Stories von H. Beam Piper, den ich grandios fand. Später, 1980/81, fielen mir die fast kompletten Ace-Nachdrucke des Piper-Oeuvres in die Finger. Erst da merkte ich, welche unglaublichen Kürzungen bei Ullstein vorgenommen worden waren. Die Story-Bände sind immer noch das Sammeln wert - aber wer vollständige, bzw. ungekürzte Romane erwartet, sollte von der frühen Ullstein-SF die Finger lassen.
#3 Hermes 2013-11-28 00:16
Kann man das Gespräch irgendwo nachlesen?
#4 Michael Haul 2014-07-08 09:32
Nico Mathies, der eine Fan-Webseite zur Heftromanreihe "Schwarze Fledermaus" betreibt, die u. a. von Walter Spiegl redaktionell betreut worden war, hat im April 2006 Walter Spiegl besucht und ein Interview mit ihm geführt, in dem Spiegls Werdegang ausführlich nachgezeichnet wird (nachzulesen hier: www.schwarzefledermaus.de/D_autoren_spiegl.html). In Mathies' Artikel, der aus diesem Interview entstanden ist, wird mit keiner Silbe erwähnt, dass Spiegl je selbst auch Autor von Science-Fiction- oder Kriminalromanen gewesen sei; Spiegls Arbeit an den Heftromanserien hat sich offenbar wirklich nur auf das Übersetzen und die redaktionelle Betreuung beschränkt. Zum Namen Bert Koeppen ist anzumerken, dass unter diesem Autorennamen 1964 auch ein humoristischer Heftroman erschienen ist, nämlich "Liebe auf Rädern" in der Reihe "Humor ins Haus" (Fritz Mardicke Verlag Hamburg), Bd. 410 (vgl. hier: wp1124627.server-he.de/0111humorinshaus/index.php/de/bibliothek/humor-ins-haus/liebe-auf-raeder-detail). Ob sich dahinter derselbe Koeppen verbirgt, der auch für den Utopia Großband schrieb und übersetzte und ob der Name überhaupt ein Pseudonym ist und wenn ja für wen, weiß ich leider nicht zu sagen.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles